de Blob26.09.2008, Mathias Oertel
de Blob

Im Test:

Vielleicht kennt ihr das Problem? Ihr seid stolzer Wii-Besitzer, doch in den letzten Wochen setzt das weiße Schmuckkästchen zentimeterdick Staub an? Ihr habt das Gefühl, dass sowohl Nintendo als auch die Third-Party-Hersteller euch als Spieler vergessen haben und sich hauptsächlich darauf konzentrieren, den Casual-Markt zu erschließen? Dann kommt jetzt die Lösung: THQs deBlob hüpft auf Wii, um nicht nur die graue Stadt Chroma City, sondern vor allem euch vor Langeweile zu retten!

Der graue Alltag, Teil 1

Hallo. Mein Name ist Mathias. Und ich habe ein Problem. Ich habe eine Xbox 360. Und eine PlayStation 3. Und Wii. Nur: Ich komme mir als Vollblut-Spieler mit Wii in den letzen Wochen und Monaten mit ganz wenigen Ausnahmen wie ein Aussätziger vor. Entweder bekomme ich (im besten Fall) passable Umsetzungen von Multiplattform-Titeln. Oder aber ich muss mich mit Games herumschlagen, die für die mittlerweile als Wii-Zielgruppe auserkorene Gruppe der ominösen Gelegenheitsspieler angefertigt wurde.

Wo sind sie denn? Die exklusiven Titel, die es schaffen, mich von den HD-Konsolen wegzulocken? Die Spiele, die ich nur auf Nintendos Fuchtelkonsole erleben kann?

Der graue Alltag, Teil 2

Die Bewohner von Chroma City haben mit ganz anderen Problemen zu kämpfen als mangelnde Unterhaltung. Denn die einstmals blühende und knallbunte Metropole wurde von den bösen Tintis der INKT-Corporation unter der Führung von General Schwarz eingenommen. Diese entfernt an faschistoide Rabbids erinnernden schwarzen Kleinwesen haben der Stadt mit ihren Egelbots sämtliche Farben entzogen und die Bevölkerung zu unterwürfigen Graulingen versklavt.

 

Und die Welt wird bunt: Obwohl im Kern ein Plattformer schlummert, ist der hüpfende Farbbeutel ein Paradebeispiel für Kreativität in der Spielewelt!
Doch ähnlich einem uns bekannten Dorf gallischen Ursprungs, das sich weigert, den römischen Eindringlingen zu weichen, gibt es auch in Chroma City einige unbeugsame Streiter für Freiheit und Farbe. Doch der Farbuntergrund ist schwach besetzt und droht, den Kampf zu verlieren. Wenn der Blob nicht wäre. Möge der Kampf gegen die Tintis beginnen.

Regenbogen-Remote

Und schon seid ihr mittendrin im erfrischendsten Spielerlebnis, das in den letzten Monaten auf Wii zu sehen war. Doch worum geht es? Ihr steuert den Blob, saugt Farbe auf, lasst die bösen Tintis durch Sprungattacken verschwinden und färbt bei Berührung mit Gebäuden, Zäunen, Bäumen usw. die Stadt Chroma City in zehn großräumigen Abschnitten nach und nach wieder zu ihrem alten farbvollen Glanz zurück.

Klingt einfach? Den Eindruck hatte ich nach den ersten zwei Abschnitten des Plattform-Hüpfers auch. Denn in den Tutorial-Abschnitten sind die grundsätzlichen Anforderungen noch gering gehalten. Stattdessen lernt man nahezu im Vorbeigehen die einfache Steuerung: Mit der Bewegung über den Nunchukstick, einer Zielerfassung über Z, der automatischen Kamerapositionierung per C-Knopf sowie dem über eine Auf-/Ab-Bewegung der Remote kommen selbst jüngere Familienmitglieder klar.

Und genau dies ist ein Punkt, der mich ca. ab der Hälfte der gut zehn bis zwölf Stunden Spielzeit etwas genervt hat. Nein - nicht, dass ich es mit der Familie spielen konnte und jeder Spaß hatte. Sondern, dass die Möglichkeiten der Wii-Steuerung nur rudimentär genutzt werden. Hier wäre definitiv mehr möglich gewesen. Zumal das Remote-Gehüpfe zwar gut funktioniert, aber auch auf dem A-Knopf wunderbare und in Einzelfällen vermutlich genauere Dienste geleistet hätte. Irgendwelche "Remote-Zeiger"-Spielereien sucht man vergebens - und dass ich über die Remote-Bewgung quasi die "Ego-Ansicht" des Blob lenke, um mir die Umgebung genauer zu betrachten, zählt für mich nicht dazu.

Knallbunter Sinnesgenuss

Andererseits: Da die Steuerung so intuitiv von der Hand geht, kann man sich voll und ganz auf die anstehenden Aufgaben 

Allein gegen Alle: deBlob kämpft in seinem ersten und hoffentlich nicht letzten Wii-Abenteuer gegen die Bedrohung durch die Tintis.
sowie das Fest für die Sinne konzentrieren, das hier abgefeuert wird.

Denn obwohl im Kern ein "simpler" Plattformer schlummert, der gegen Ende gewaltig in die Höhe schießt, ist deBlob eher ein kreatives Gesamtkunstwerk mit spielerischer Note. Denn ihr könnt die Stadt mit wenigen Ausnahmen so einfärben, wie es euch gefällt. Egelbots geben zwar nur die Farben Blau, Gelb und Rot ab, doch ihr könnt sie auch in verschiedenen Varianten mischen, so dass auch Lila, Braun, Grün oder Orange zum Einsatz kommen.

Bei all dem künstlerischen Einsatz des Blob kommt aber das Spiel nicht zu kurz. Denn alle Helfer aus dem Untergrund haben Missionen für euch. Das geht bei einfachen Checkpunktrennen los, die euch meist den Weg in neue Gebiete präsentieren, reicht über das Eliminieren einer bestimmten Anzahl von Tintis bis hin zum Einfärben von Gebäuden und sogar ganzen Blöcken und Straßenzügen in einer bestimmten Farbe - das alles natürlich unter Zeitdruck. Wobei "Druck" in diesem Fall ein dehnbarer Begriff ist, da das Limit im Normalfall und vor allem in der Anfangsphase sehr großzügig ausgelegt ist.

Schafft ihr es, diese Aufgaben bravourös zu meistern, wartet nicht nur ein allgemeiner Zeitbonus, sondern auch ein schneller Zuwachs auf dem Punktekonto. Das wiederum führt bei bestimmten Meilensteinen dazu, dass ein Tor zu einem neuen Gebiet geöffnet werden kann, dass Abschnittsabschlussaufgaben angegangen werden können usw.

     

Doch auch wenn man keine Lust auf Missionen hat, kann man sich einfach nur vergnügen, die Häuser und Straßenzüge einfärben und versuchen, über wilde Farb-/Hüpfkombos den Punktestand aufzustocken.

Mit den clever eingebunden Jazz- und Funktracks, von denen ihr vor Beginn jedes Abschnitts euren Favoriten auswählt, wird das Geschehen zusätzlich dynamisch, aber stets zurückhaltend angeheizt. Denn die Musik reagiert nicht nur, wenn ihr bestimmte Gegenstände einfärbt, mit einer kleinen Nuancierung, sondern gewinnt insgesamt an Wucht, je farbiger ihr den Abschnitt gefüllt habt.

Motivation pur, aber...

Und schon habe ich mich schnell in der Situation gefunden, in der ich Remote und Nunchuk nicht wieder aus der Hand legen wollte, bis der Tinti-Einmarsch aufgehalten wurde. Und nach und nach kamen immer neue Elemente hinzu. Neue Gegner, die eine bestimmte Anzahl an Farbpunkten voraussetzen, bis man überhaupt an einen Angriff denken kann. Schwer erreichbare Plätze, die ein gutes Auge und entsprechendes Timing hinsichtlich der Blob'schen Sprungfähigkeiten voraussetzen. Und Farbrätsel, die ein wenig taktische Planung fordern, will man nicht die gerade frisch und mit der richtigen Farbe versehenen Fassaden wieder mit einer anderen Kolorierung übertünchen und damit die aktuelle Mission gefährden. 

Am Anfang sind alle Abschnitte grau...
Doch es traten auch einige Punkte zutage, die ich in einer hoffentlich kommenden Fortsetzung verbessert sehen möchte. Dazu gehört z.B. das Speichersystem, das dafür sorgt, dass deBlob nicht gerade das Spiel für zwischendurch darstellt.

Während der jeweils durchschnittlich zwischen 30 bis 90 Minuten dauernden Ausflüge werden zwar an Schlüsselpunkten Kontrollpunkte angelegt. Doch wer vor Ende des jeweiligen Kapitels aufhören möchte, kann zwar ins Hauptmenü zurückkehren, muss dann aber den gesamten Abschnitt von vorne beginnen und sämtliche Aufgaben nochmals erledigen. Ein Hinweis an die Entwickler: Das geht auch komfortabler. Ja, ich bin mir bewusst, dass ein kompletter Level mit all seinen Farbinformationen etc. nicht ganz einfach zu konservieren ist. Aber ich hätte mich nicht daran gestört, wenn z.B. ein Abschnitt beim Neueinladen bis zu Kontrollpunkt X, an dem gespeichert wurde, quasi "vorgefärbt" wird. Denn bestimmte Missionen mit "Geschafft" oder "Nicht geschafft" zu markieren, sollte ja nicht derartig speicheraufwändig sein.

Auch der Rätselanteil könnte unter dem Strich deutlich höher ausfallen, da der eher unten angesiedelte Schwierigkeitsgrad samt sanfter Lernkurve zwar ein gemütliches Durchspielen ermöglicht, aber erfahrene Spieler bis auf ganz wenige Ausnahmen unterfordern wird.

Dennoch: Auch diejenigen, die z.B. bei Super Mario Galaxy erst nach dem 121. Stern glücklich waren, können sich lange mit dem Blob beschäftigen, um auch wirklich jeden auch noch so entfernten Baum einem Farbspritzer zu unterziehen oder sämtliche Missionen ausfindig zu machen und so im Gegenzug neue Artworks sowie weiteres Material freizuschalten.

Und wer dann immer noch nicht genug hat, kann sich entweder im Freestyle-Modus alle bereits freigespielten Einzelspieler-Abschnitte vollkommen ohne Stress, Zeitlimit und Gegner zu Gemüte führen oder ein paar Freunde einladen und dann durch Chroma City blobben. Die drei Modi, die hier zur Verfügung stehen, können zwar alle kurzfristig unterhalten, doch auf Dauer haben sie wenig Anteil daran, die Motivation auf einem hohen Niveau zu unterhalten. Nett, aber belanglos...

Paradebeispiel

Was man von der Kulisse keinesfalls behaupten kann. Ich lehne mich hier einfach mal aus dem Fenster und sage, dass deBlob visuell zu den drei beeindruckendsten und saubersten Spielen gehört, die derzeit auf Wii zu haben sind. 

... erst wenn der herrlich animierte Blob durch die Botanik rollt, kehrt langsam die Farbe zurück.
Alles passt rundum zusammen: Das Comic-Design passt zur Thematik wie der Pinsel in den Farbeimer; die Animationen aller Protagonisten stimmen; die Partikeleffekte sind in dieser Form auf Wii unerreicht - und das alles mit superweichen 60 Bildern pro Sekunde, die auch auf HD-Fernsehern noch gut aussehen. Allerdings würde ich im Falle von deBlob raten, den verpönten Röhrenfernseher zu nutzen, um auch die kleinsten Nuancen wie Hitzeflirren usw. des SD-optimierten Wii-Auftritts des Blobs in ihrer ganzen Pracht genießen zu können. Obendrauf gibt es technisch herausragende und inhaltlich äußerst unterhaltsame und witzige CG-Sequenzen, die als Belohnung jedes neue Kapitel einleiten. Und damit sind die Pop-Ups, die sich in seltenen Momenten am Rand der enormen Sichtweite blicken lassen, für mich nur Makulatur.

Dass die Entwickler aber auch in der dreidimensionalen deBlob-Welt es nicht zu 100 Prozent geschafft haben, eine jederzeit optimale Kameraposition anzubieten, ist bedauerlich - aber auch kein Beinbruch, da man von der Kamera nie in eine unüberschaubare Ecke gedrängt wird und über das Digipad eine Möglichkeit zur Regulierung hat.

Aber ich kann reden so viel ich will: Man muss den Wechsel vom monochromatisch langweiligen bis hin zum knallbunten, beinahe schon hypnotischen Aussehen Chroma Citys miterleben. Und an dieser Stelle möchte ich THQ meinen Dank aussprechen, dass dem Team von Blue Tongue trotz wiederholter Verschiebungen und ständig wachsender Ungeduld die Zeit gegeben wurde, deBlob visuell auf Vordermann zu bringen. Es hat sich gelohnt...  

Fazit

Was lange währt, wird endlich gut. Schon vor gefühlten Urzeiten angekündigt und bereits damals ein Geheimtipp, hat der monochromatische Farben-Plattformer endlich die Gelegenheit zu zeigen, was in ihm steckt. Und deBlob enttäuscht nicht. Mit dem einfachen Spielprinzip und der leicht zu erlernenden Steuerung, die für mich allerdings die Wii-Möglichkeiten nicht einmal ansatzweise ausnutzt, scheint man sich zwar vornehmlich an Familien und Einsteiger zu richten. Doch auch Fortgeschrittene und all diejenigen, die wie ich momentan die Nase voll von Spielen für dich, mich, Oma und Nachbars Dackel haben, werden viel Spaß mit dem hüpfgewaltigen Farbbeutel haben. Es gibt haufenweise Missionen und freispielbares Material, das neben der Hauptstory lockt - auch wenn das Rätselpotenzial nicht vollends ausgeschöpft wird. Großen Anteil daran haben die blitzsaubere Kulisse, die mit Humor, Liebe zum Detail und ganz feinen Animationen den Übergang von schwarzweißer Tristesse zum hypnotischen Farbrausch bravourös meistert sowie die herrlich beschwingt-lockere Akustik, die sich je nach Farblage der Abschnitte verändert. Kleine Probleme wie das unzureichende Speichersystem und die obligatorischen Kameraschwierigkeiten nehme ich dabei angesichts des "Feelgood"-Faktors gerne in Kauf. Alles in allem ist die deBlob'sche Farbrevolution ein gelungener Einstieg in eine neue Franchise. Allerdings auch einer, der mit Kinderkrankheiten zu kämpfen hat, die in einer hoffentlich kommenden Fortsetzung behoben werden.

Pro

kreatives Artdesign
supersaubere und flüssige Grafik
zehn großräumige Abschnitte
schön jazzig/funkige dynamische Musik
einfache Steuerung
Dutzende Missionen
hervorragende Animationen

Kontra

keine Speicherpunkte innerhalb der Abschnitte
Rätsel kommen insgesamt etwas zu kurz
Remote-Einsatz nur rudimentär
Kamera-Probleme

Wertung

Wii

Ein gelungener Mix aus Farbrausch und Hüpferei, der visuell mit zum Besten auf Wii gehört. Kleine Mankos verhindern den Aufstieg zu Gold...

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