ANNO: Erschaffe eine neue Welt02.04.2009, Marcel Kleffmann
ANNO: Erschaffe eine neue Welt

Vorschau:

Anno auf Konsole? Und dann noch auf Wii? Wie soll das denn funktionieren, ohne massiv die Spielinhalte zu beschneiden - schließlich sind Komplexität und ausufernd lange Partien das Markenzeichen der Aufbausimulation! Genau diese Fragen brannten mir vor dem Besuch bei Ubisoft auf der Seele und siehe da: Es wurde tatsächlich gekürzt. Aber vielleicht an den richtigen Stellen...

Anno für Konsole

Obwohl "Anno: Erschaffe eine neue Welt (ab 5,99€ bei kaufen)" wie das Vorbild im Jahr 1404 angesiedelt ist, stellt die Wii-Version im Gegensatz zur PC-Fassung die Story-Kampagne in den Vordergrund. Keine Bange, der Endlosmodus bleibt nicht auf der Strecke, jedoch bildet die Geschichte den Kern: Im Land von König George herrscht Armut und Hungersnot. Voller Sorgen um seine Untertanen schickt er seine Söhne William und Edward in die weite Welt hinaus, um neue Territorien zu erschließen, die Güter zum Wohle seines Volkes produzieren sollen. Während Edward den Kampf vorzieht, um an Ressourcen zu gelangen, vertritt sein Bruder William eine friedliche Lösung. Er schlägt vor, ein neues Land südlich des Königreiches zu besiedeln und mit der Zustimmung seines Vaters reist William in den Süden, wo er auf eine orientalische Kultur trifft.

Video: Erste Schritte als Erkunder und Städtebauer!Erzählt wird die Hintergrundgeschichte über Videos im Standbild-Stil oder innerhalb der Kapitel mit leider kaum lippensynchron animierten Charakterportraits inklusive viel deutscher Sprachausgabe. Ein eigenständiges Tutorial gibt es nicht, stattdessen dienen die ersten Missionen als Grundlehrgang, in dem schon Tribut in Form von Nahrung oder Gewürzen an den König entrichtet werden darf. Schrittweise werdet ihr eigenständiger, bevor nach rund 20 bis 25 Stunden laut Entwickler der Abspann über den Fernseher flimmern soll.

Die erste Siedlung

Bei den Anno-Prinzipien "Häuser bauen" und "Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllen" bleibt der Wii-Spross seinen Wurzeln treu: Man besiedelt die neue Inselwelt, baut allerlei Gebäude und kümmert sich um die Bedürfnisse der Einwohner, die als Belohung dafür Steuern zahlen. Sind die Bedürfnisse hinreichend gedeckt, steigen die Bewohner eine "Zivilisationsstufe" auf: Aus Pionieren werden Siedler, dann folgen Bürger, Patrizier und Aristokraten. Mit zunehmender Stufe verlangen sie mehr Waren und benötigen ein Netz aus Vorsorgungsbetrieben und öffentlichen Gebäuden.

In der Praxis sieht es so aus: Mit dem Analogstick des Nunchucks scrollt ihr über die Karte (oder haltet alternativ "A" gedrückt) und sucht einen Anlegeplatz für euer Startschiff. Am Zielort angekommen, wird automatisch ein Kontor errichtet und das Schiff verschwindet. Fortan können Gebäude platziert werden. Dazu bemüht man ein 

Übersichtlich und leicht zugänglich: Das Ring-Menü zum Gebäudebau.
ringförmig aufgebautes Menü und wählt Bauwerke u.a. aus den Kategorien Häuser, öffentliche Gebäude, Warenproduktionsstätten oder Baumaterialen aus. Im Bereich Baumaterialen öffnet sich z.B. ein weiteres Untermenü, in dem Holzfäller, Steinmetz und Co. zu sehen sind.

Gebäude tackern

Will man also einen Holzfäller errichten, legt man den auserkorenen Standort mit dem per Remote gelenkten Cursor fest, wobei das Modell des Hauses bereits neben dem Cursor baumelt und bei der Platzierung durch Tastendruck comicartig auf die Karte getackert wird. "Dieses Steuerungskonzept hat sich letztendlich durchgesetzt", verriet Andreas Suika, Lead Designer bei Blue Byte. "Eine andere Idee war es, das Nunchuck nach vorne schlagen zu müssen, um ein Gebäude auf die Karte zu hauen", aber diesen bewegungssensitiven Einfall entsorgten die Entwickler glücklicherweise nach wenigen Probepartien in der Designtonne. Auf Reaktionstests, Gestenerkennung oder sonstige Remote-Fuchteleien wurde zum Glück weitgehend verzichtet, abgesehen davon, dass ein zweiter Mitspieler wie bei Mario Galaxy helfend eingreifen kann - er kann z.B. "Schiffe beschleunigen" oder "Feuer löschen".    

Der jüngst hochgezogene Holzfäller braucht eine Straßenanbindung, damit der produzierte Rohstoff "Holz" den Weg ins Kontor/Lager findet. Auf gleiche Art und Weise baut man einen Fischer zur Nahrungsproduktion sowie einige Wohnhäuser für die Steuerzahler. Die Menschen beziehen automatisch die Siedlung, sobald das Grundbedürfnis Nahrung (sprich Fisch) erfüllt ist. Generell funktioniert die Platzierung der Gebäude mit dem Cursor ausgesprochen gut, nur das gradlinige Platzieren einer Häuserreihe sowie das Ziehen der Straßen erfordert etwas mehr Geschick/Übung. Anno-Kenner können außerdem zur Pipette greifen, mit der man "bestehende Bauwerke" kopieren kann und sich den Weg ins Baumenü spart.

Bessere Übersicht: Bei Wohnhäusern dominiert die Farbe "orange". Öffentliche Gebäude erkannt man an Blautönen und Produktionswerke sind "gelblich".

Nintendo mag kein Bier

Für den Aufstieg von der ersten auf die zweite Zivilisationsstufe, die u.a. weitere Gebäudetypen und Warenoptionen freischaltet, reicht die grundlegende Versorgung mit Nahrung nicht aus. Damit aus Pionieren zügig Siedler werden, müssen eine Kapelle und Milch her. Die Kapelle als öffentliches Gebäude versorgt Häuser in ihrem Wirkungsbereich mit "Glauben" und "das weiße Gold" kann auf Bauernhöfen mit Kühen hergestellt werden. Wii-Anno-Spieler müssen sich übrigens mit Milch zufrieden geben. PC'ler dürfen sich um Apfelmost und Bier kümmern. Warum diese Ausgrenzung? Weil Nintendo Spielen mit alkoholischem Bezug tatsächlich die Freigabe verwehrt - deswegen gibt es lecker Milch.

Mit den erfüllten Ansprüchen sind die Einwohner auch bereit mehr Steuern zu zahlen und man kann, nein man muss an der Steuerschraube drehen; jeweils für die fünf Zivilisationsstufen. Hierfür gibt es eine flexible Skala: Den Steuersatz im grünen Bereich bezahlen die Einwohner ohne zu mucken und ein unangemessen hoher Wert (im roten Bereich) drückt die Stimmung, wodurch sich die Siedlung langsam ausdünnt. Anders als in der PC-Version muss man den Steuersatz immer per Hand festlegen bzw. anpassen, dies dient laut Lead Designer dazu, dass das Steuersystem anschaulicher wird, da es eine Art Feedbackfunktion für die Qualität der Siedlung ist bzw. den Grad der Bedürfnisbefriedigung widerspiegelt - aha, so ist das also.

Vereinfachungen und Globalisierung

Mit der Zeit und von Aufstieg zu Aufstiegverlangen die Bewohner den Zugang zu weiteren öffentlichen Gebäuden wie Badehaus, Theater oder Kathedrale und anderen Rohstoffen, die etwas umfangreicher zu beschaffen sind. Die Komplexität der Warenketten ist dabei nicht so mehrstufig 

Mit gedrückter "A"-Taste kann man die Schiffe auch selbst steuern...
wie bei der PC-Fassung und die Produktion verläuft in überschaubaren Bahnen, ohne allzu viele Zwischenprodukte. Viele Hilfetexte bzw. Optionen machen im Übrigen auf Missstände aufmerksam, wenn mal der Holzfäller nichts mehr produziert oder es irgendwo in der Siedlung an einer Straßenanbindung oder ähnliches hapert.

Zudem gibt es vergleichsweise wenig Güter: Die Werkzeuge, eine der wichtigsten Anno-PC-Waren, sind gestrichen worden, und einen regen Warenaustausch zwischen einzelnen besiedelten Insel gibt es auch nicht. Alle Waren sind, sobald sie im Kontor eingelagert wurden, überall bzw. global zugänglich. Hackt ein Holzfäller auf Insel A etwas Holz, kann es ohne Schiffstransport zum Bau eines Hauses auf Insel B verwendet werden, sobald es via Marktkarren ins Lager gebracht wurde. Aufgrund dieser Vereinfachung fehlen die selbst konfigurierbaren Handelsrouten, weil ein Warentransport zwischen den Inseln unnötig ist. Dadurch und aufgrund der längst nicht so umfangreichen Warenmenge spielen sich die Wii-Partien stringenter als die PC-Fassung und sind wesentlich kürzer - trotzdem kann man problemlos mehrere Stunden in der Inselwelt verbringen.

Die Einschränkungen und Vereinfachungen führen dazu, dass das Management der Waren an Gewicht verliert und die Errichtung der Siedlung wichtiger wird. Schließlich wäre es schade, erst den halben Stadtkern abreißen zu müssen, um Platz für ein Badehaus oder anderes öffentliches Gebäude zu schaffen. Die 

Überaus gelungen ist die "von Wii-Spielen mittlerweile erwartete niedliche Comic-Grafik" (so der Lead Designer), wenn auch der Wuselfaktor der Menschen nicht so hoch ist, wie bei der PC-Version.
geschickte, vielleicht sogar vorausschauende Planung der Siedlung ist das A und O und da die Aristokraten zum Beispiel im Einflussbereich von allen sieben öffentlichen Gebäuden leben wollen, ist Bauplanung gefragt. Ob das den strategischen Spielfluss auf lange Sicht positiv beeinflusst, klären wir im Test.

Karten-Erweiterungen, Erforschung und Co.

In den wenigsten Partien ist die Karte von Beginn an komplett aufgedeckt. Stattdessen ist die Inselwelt in mehrere Segmente unterteilt, die sich nach und nach freischalten lässt, indem man entweder der Kampagnenstory folgt oder bestimmte Aufgaben/Ziele erfüllt. Jüngst freigeschaltete Abschnitte dürfen frei befahren, nach Schatzkitzen abgesucht und/oder besiedelt werden.

In der vergrößerten Welt findet man mit etwas Glück neue Inseln mit besserer Fruchtbarkeit (für Getreidezucht) oder gar südländisch klimatisierte Areale mit Wüsten, wo nur wenig gedeiht. Abhilfe schafft hier die Wasserpumpe, die an festgelegten Punkten in Wüsten (an Oasen) ein fruchtbares Gebiet erschaffen kann (vergleichbar zu Anno 1404). Zugang zu dieser Pumpe bekommt man durch den Technologiebaum, den man schrittweise ausbauen kann, wenn z.B. das "City-Level" steigt (z.B. mehr als 200 Einwohner). Durch diesen "Techtree" soll man darüber hinaus motiviert werden, möglichst große Siedlungen zu errichten, um Zugang zu den besten Technologien zu erlangen. Militär und Kämpfe wird es auch geben, allerdings in sehr rudimentärer und wenig interaktiver Form: Eroberungen oder Schiffskämpfe laufen quasi automatisch ab und lassen sich hauptsächlich durch Upgrades im Technologiebaum beeinflussen.    

Ausblick

Anno: Erschaffe eine neue Welt hat mich auf Wii überrascht - und zwar positiv. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man das umfangreiche Spielkonzept auf eine Konsole übertragen kann, ohne genau die Dinge zu streichen, die aus Anno halt Anno machen. Vereinfachungen waren zwangsweise nötig und die Reduzierung der Waren geht in Ordnung, auch wenn es Annoholikern sicherlich fehlen wird, Werkzeuge zu produzieren oder Rohstoffe von der Produktions- zur Hauptbevölkerungsinsel zu verschiffen. Während an dieser Stelle an Komplexität abgespeckt wurde, sind mit den freischaltbaren Karten sowie dem Technologiebaum weitere Elemente hinzugekommen, die den Erkundungsdrang wecken und den Aufbau von möglichst großen Siedlungen fördern sollen. Aufgrund des Zeitmangels beim Anspielen ließ sich in der Vorabversion noch nicht abschätzen, wie komplex es mit der Warenbeschaffung in den höheren Zivilisationsstufen ablaufen wird und wie stark der Casual-Faktor den Umfang treffen wird. Richtig gut geworden ist zweifelsohne die Steuerung, die nach kurzer Zeit und dank sinnvoll aufgebautem Ringmenü in Fleisch und Blut übergeht. Viele mächtige Hilfefunktionen helfen beim Einstieg und selbst jüngere Anno-Neulinge dürften keine Probleme haben. Sollten die Entwickler den Endlosmodus auch für Veteranen attraktiv gestalten sowie die Motivation in der Kampagne aufrecht erhalten, könnte es vielleicht wieder ein großes Spiel für Wii geben.

Ersteindruck: gut

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