Der magische Stift02.06.2009, Benjamin Schmädig
Der magische Stift

Vorschau:

Dass man mit DS-Stift nicht nur malen, sondern sogar sein ganz persönliches Jump&Runs zeichnen kann, hat Drawn to Life auf dem DS schon bewiesen. Doch was, wenn auch die Remote zum Pinsel wird? THQ hatte den dritten Teil des Do-It-Yourself-Spiels noch gar nicht angekündigt, da durften wir schon den Gamepad-Pinsel schwingen...

Handarbeit in 2D

The Next Chapter ist zwar weder der Nachfolger des Spongebob-Ablegers noch setzt es die Geschichte des ersten Drawn to Life fort. Immerhin werden der neue und der alte Plot aber durch erzählerische Hinweise verbunden. Aber die Handlung spielt hier ohnehin keine tragende Rolle - dreht sich doch alles um einen Helden der Marke Eigenbau. Einen Helden, dessen Kopf, Körper, Arme und Beine ihr ganz nach dem 

Sollte euch ein solcher Papierschnitt-Held gelingen, seid ihr wahre Maestros am Remote-Pinsel!
eigenen Gutdünken krakeln dürft. Buchstäblich! Und wem die Anordnung der Körperteile nicht passt, der verschiebt sie einfach nach Belieben.

Ich schnappe mir also einen Kuli, Verzeihung: eine Remote, und streiche munter drauf los. So richtig elegant geht das nicht von der Hand, es fehlt der Widerstand einer Unterlage. Ich habe aber keine Lust, eine der praktischerweise mitgelieferten Vorlagen zu verwenden - der Zeichentrick-Recke soll ja MEIN Recke sein. Ein echter Hingucker gelingt dem Kollegen neben mir: Der schiebt Arme und Beine seines... Alter Ego nämlich so weit auseinander wie es geht und hüpft anschließend mit einem zum Brüllen komischen Hampelmann durch die 2D-Levels.

2D, ganz klassisch also - Drawn to Life bleibt seinen Wurzeln treu. Und auch die Umgebung wirkt als wäre sie aus dem Malkasten gefallen: Der Hintergrund besteht aus bunten, fast einfarbigen Kulissen, Gegner wie z.B. biestige Bienen bestehen aus wenigen Strichen. Die Gestaltung passt zum Spiel. Den technischen und gestalterischen Möglichkeiten der Wii wird sie allerdings nicht gerecht. Einziger Vorteil: So passen die selbst gezeichneten Objekte nahezu perfekt ins Bild.

"MS Life"

Denn immerhin ist es das Markenzeichen der Serie, dass man kreativ werden muss, um im Spiel voran zu kommen. Meisterleistungen sind natürlich nicht gefragt, aber wo keine Brücke ist, müsst ihr eben eine zeichnen! Gleich zu Beginn bekommt der "Du und dein Pinsel"-Held außerdem Flügel für höhere Sprünge verpasst - ebenfalls Marke Handschrift. Diverse Objekte am Wegrand, z.B. Blumen dürft ihr ebenfalls selbst malen. Wem dafür Zeit oder Muse fehlt, der greift hingegen auf Vorlagen zurück; wer genug Münzen aufliest, erhält sogar zusätzliche Blaupausen. Außerdem soll die Anzahl der Zeichenwerkzeuge im späteren Verlauf zunehmen. Doch auch ohne Zusätze: Der Malkasten erinnert an ein abgespecktes Microsoft Paint, bei dem aus unterschiedlich dicken Pinseln sowie Kreisen, Rechtecken oder Linien kleine Kunstwerke entstehen.

Kunstwerke? Vielleicht haben sich die Entwickler aber auch zu viel

Schwuppdiwupp... Drawn to Life spielt sich locker-flockig, wirkt aber nicht wie ein spielerisch aufwändiges Jump&Run.
  vorgenommen. Denn so grell die Idee mit dem Remote-Kuli zunächst einleuchtet, so enttäuschend sind die ersten Resultate. Und die zweiten, und die dritten... Mir scheint, es gehört nicht nur viel Übung dazu, sehenswerte Figuren zu zeichnen; ich fürchte, das Fadenkreuz des Wii-Controllers "zittert" einfach zu stark über den Bildschirm als dass es präzise Striche zeichnen könnte.

van Gogh und die Physik

Und noch etwas macht mir Sorgen. Denn auch wenn wir The Next Chapter nur kurz anspielen durften, so wirkte das Spiel doch ernüchternd oberflächlich. Das Springen, Zuschlagen und Auf-Gegner-Hüpfen hinterließ z.B. einen seltsam rudimentären Eindruck. Und während die Jump&Run-Action unspektakulär war, gab es zu wenig Stellen, an denen Köpfchen gefragt war. Solche Situationen springen dank des freien Zeichnens aber geradezu ins Auge: Wie komme ich bloß in die versteckte Höhle, wenn ich nur in diesem kleinen Quadrat etwa zeichnen kann? Vielleicht bietet das Abenteuer ja später mehr von einem der beiden Aspekte.

Falls nicht, wäre es vor allem um jene Objekte schade, die nicht nur als Zeichnung im Raum hängen bleiben, sondern sich nach Fertigstellung plötzlich wie reale physikalische Objekte verhalten - Crayon Physics lässt grüßen. Einen dicken Bösewicht konnte ich z.B. ausschalten, indem ich über dem Fiesling einen riesigen Kreis zeichnete, der anschließend zum monströsen Gesteinsbrocken wurde... Ich kann zwar immer nur innerhalb eines begrenzten Fensters den Einstein'schen van Gogh in mir erwecken, aber die Möglichkeiten könnten trotzdem enorm sein! Immerhin führte mich mein Weg durch den ersten Abschnitt nicht nur über gerade Linien. Vielmehr gab es zwischen stark schubsenden Winden und zerklüfteten Felsen zahlreiche Wege zu entdecken. Falls aus dem ungewöhnlichen Jump&Run nur ein bodenständiger Hüpfer wird - vielleicht werden dann wenigstens Entdeckernaturen reich belohnt!    

Ausblick

Natürlich ist mir bewusst, dass sich Drawn to Life vornehmlich an junge Abenteurer richtet - trotzdem könnte das beschwingte Jump&Run, dem kurzen Anspielen nach zu urteilen, eine größere Herausforderung bieten. Auch Steuerung und Grafik schienen mir zu oberflächlich - und das, obwohl ich von LocoRoco gar nicht genug bekommen kann. Das Malen ist zwar ausgesprochen witzig und wird dank mitgelieferter Vorlagen sowie nützlicher Werkzeuge auf Wunsch sehr einfach gemacht. Allerdings scheint die Remote als Stift denkbar schlecht geeignet zu sein. Es passt zum Spiel, dass die Ergebnisse mitunter ausgesprochen komisch wirken. Es passt allerdings nicht, dass der Effekt meist unbeabsichtigt auftritt. Sollte es im ersten Zeichenspiel für Wii viel zu entdecken geben, könnte sich The Next Chapter als motivierendes Abenteuer entpuppen. Tatsächlich stecke ich meine Hoffnungen in das, was mit dem freien Zeichnen und den damit verknüpften Physikspielchen theoretisch möglich ist. Was bisher zu sehen war, sah allerdings noch nicht nach einem großen Jump&Run aus.

Ersteindruck: befriedigend

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