Metroid: Other M17.08.2010, Paul Kautz
Metroid: Other M

Vorschau:

Drei Ausflüge in ebenso viele Dimensionen sind genug: Es ist Zeit für die berühmteste Kopfgeldjägerin dieses Universums, zu ihren platten Wurzeln zurück zu kehren - oder doch nicht? Der neue Metroid-Entwickler Team Ninja wagt in Other M den Dimensionssprung.

Metroid Gaiden

Dem entsprechend gedämpft waren meine Erwartungen an ein neues Metroid: Nintendo geht ja wohl kaum einen Schritt zurück, also bleibt alles 3D. Und dann ausgerechnet noch Team Ninja - aus der guten alten Samus wurde in meiner Vorstellung bereits eine mit Bindfaden und Taschentuchfetzen bekleidete Amazone mit Doppel-F unterm Kinn und Teletubby-Kumpel, die sich durch Zebes kicken und schlitzen. Kennt man ja von den Burschen nicht anders.

Sollte ich mich geirrt haben?

Und wie ich das habe. Vielleicht war es der Einfluss von Metroid-Veteran Yoshio Sakamoto, der stark in die Entwicklung involviert war. Vielleicht war Team Ninja auch bewusst, dass Metroid kein neues Ninja Gaiden im Weltraum ist, man weiß es nicht. Das Resultat, das ich spielen konnte, war jedenfalls eine glorreiche Hommage an das 2D-Metroid, ohne jedoch den Einfluss der dritten Dimension zu vernachlässigen. Ein gewagter Spagat, der durchaus weh tun kann, aber hier wunderbar funktioniert.

Wie bei den New Super Mario Bros. Wii hält man die Fernbedienung wie ein klassisches Gamepad quer und sieht Samus aus der Außenperspektive - sie läuft und springt und schießt genau wie früher. Allerdings sind ihre Bewegungen nicht auf zwei Ebenen beschränkt, sie kann auch in die Tiefe des Raumes laufen, was der strikt digitalen Kontrolle zum

Hält man die Wiimote quer, spielt sich Other M im Großen und Ganzen wie ein 2D-Metroid - allerdings mit Autotargeting sowie der Möglichkeit in den Raum hinein zu laufen.
Trotz ganz wunderbar funktioniert. In dieser Ansicht wird die meiste Zeit gekämpft: Gegner, in deren Richtung man sieht, werden automatisch anvisiert, rückt man einem nahe auf die Pelle, wird er von einem coolen Nahkampfangriff von dannen gerotzt - und weicht man einem Angriff gerade noch so aus, bekommt man ein elegantes Zeitlupen-Manöver zu sehen.

Gutes Timing vorausgesetzt kann man Feinden auf den Kopf springen und von dort aus Schaden anrichten, bei größeren Gegnern gibt es außerdem diverse Finishing Moves - so ganz kann Team Ninja dann doch nicht davon lassen. Kurz gesagt: Obwohl es 2½ D ist und man gelegentlich auch in den Raum hinein läuft, spielt es sich sehr zweidimensional, und damit sehr gut. Aber das ist ja noch lange nicht alles: Denn richtet man die Wiimote auf den Fernseher, erfolgt ein dramatischer Wechsel von der Seitenansicht in Samus' Helm hinein - da ist die ja, die Ego-Perspektive. Nur aus dieser darf man den gewohnten Scanner anschmeißen oder Raketen abfeuern, sich dabei allerdings wie Chris Redfield aus Resident Evil 5 nicht bewegen. Das macht den Blick durch Arans Augen zu einer sehr beklemmenden Ansicht, denn gerade bei Bosskämpfen muss das Wechsel-Timing zwischen Schulter- und Ego-Ansicht sehr präzise sein. Nur selten wird dem Spieler eine Perspektive aufgezwungen, man kann jederzeit wechseln.    

Hinter jeder erfolgreichen Frau...

Gerade die 2D-Metroids waren nicht gerade für ihre ausufernden Geschichten bekannt: Es gab ein paar Kleckser Story hier, ein paar Rückblicke da, aber alles in allem blieb der große Teil der Samus-Historie der Phantasie des Spielers sowie den knappen Texten in den Handbüchern vorbehalten. Nicht so dieses Mal: Team Ninja packt die ganz dicke Storykanone aus und feuert aus allen Rohren! Schon bevor der Spieler auch nur einen Schritt machen darf, gibt es erstmal mehrere Minuten exzellenter Renderfilme zu sehen:

Richtet man den Controller dagegen auf den Fernseher, wird in eine Metroid Prime-kompatible Ego-Ansicht geschwenkt, in der man scannen und raketen verfeuern darf - allerdings kann sich Samus hier nicht bewegen.
Other M schließt direkt an Super Metroid an, was bedeutet, dass Samus um das von Mother Brain getötete Metroidbaby trauert.

Es gibt massig Mono- und Dialoge sowie Rückblenden zu Samus' Kindheit als Waise, alles entweder gerendert, als Echtzeit-Cutscene oder direkt im Spiel - wobei die Übergänge zwischen diesen drei Erzählformen beeindruckend fließend sind. Nintendo- und Metroid-untypisch wird all das auch richtig gesprochen, wobei Samus' Stimme etwas sehr jugendlich klingt. Die harte Kopfgeldjäger-Braut hat sich wohl das Kind in der Frau bewahrt.

Spielerisch hat sich von der Perspektive-wechsle-dich-Geschichte nicht viel geändert: Zur Abwechslung verschlägt es Samus nicht auf einen garstigen Planeten, sondern auf eine Raumstation, zu der kein Kontakt mehr herrscht - drei Mal darf man raten, wieso das so ist. Schon früh trifft sie auf einen Trupp Soldaten unter der Führung von Adam »Any objections, Lady?« Malkovich, der dieses Mal die Erklärung für die serientypische Nachundnach-Freischaltung der Waffen ist. Denn obwohl Samus von Anfang an voll ausgerüstet ist, darf sie erst Schritt für Schritt auf ihre Bewaffnung zurückgreifen - erst wenn Adam den Einsatz von Raketen genehmigt, dürfen sie auch benutzt werden.

Neben dem Kampf und der Erkundung der Umgebung kommen auch die Sprunggelenke nicht zu kurz: Es gilt jede Menge mehr oder weniger knifflige Plattform-Passagen zu meistern. Serientypisch kommt man aber nicht von Anfang an überall hin. Denn nicht nur beschränkt der limitierte Waffengebrauch das Vorwärtskommen, auch hat man zu Beginn nicht uneingeschränkten Zugriff auf die Computerterminals, die weitere Abschnitte öffnen. Außerdem ist man nicht immer allein unterwegs: Adams Soldaten kämpfen oft an Samus' Seite, gerade bei Bossfights liefern sie sehr wertvolle Unterstützung. 

Ausblick

Als angekündigt wurde, dass Team Ninja ein neues Metroid entwickeln würde, habe ich das Spiel gedanklich bereits in den Mülleimer geschoben - die Ninja Gaidens halte ich für einige der überbewertetsten und ödesten Spiele aller Zeiten. Dementsprechend niedrig auch meine Erwartungen, als ich selber Hand an die Wiimote legen konnte, um Samus durch den offiziellen Nachfolger von Super Metroid zu führen (was für mich eines der wichtigsten Spiele aller Zeiten ist). Das war wohl genau das Richtige, denn dadurch konnte mich Other M völlig unerwartet aus den Socken hauen: Die Action aus der Außenansicht spielt sich wunderbar hektisch und fetzig, die Steuerung ist punktgenau, die vielen neuen Manöver wirken nicht aufgezwungen, sondern verleihen dem Ganzen zusammen mit der beeindruckenden Grafik einen Extraschwung Hollywood - ganz zu schweigen von den fabelhaften Zwischensequenzen, die in allen Varianten exzellent aussehen und wunderbar ineinander übergehen. Allerdings besteht gerade durch sie die Gefahr, dass Other M an Atmosphäre verliert: Frühere Metroid-Teile haben sich auf wenig direktes Draufzeigen und viele Andeutungen beschränkt, hier dagegen wird von der ersten Minute an gelabert, gelabert und gelabert - und das mit einem Extraliter Kitsch- und Pathossoße. Für Fans alter Metroids dürfte Other M eine Erfüllung lang gehegter Wünsche sein. Vertreter der Prime-Fraktion dürfte der neue Teil hingegen zu viel Bummbumm und zu wenig Scannerei sein.

Ersteindruck: gut

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