Red Steel30.08.2006, Jörg Luibl
Red Steel

Vorschau:

Mit Katana und Revolver auf Verbrecherjagd: Ubisoft spendiert dem Wii noch dieses Jahr ein reinrassiges Actionspiel mit asiatischem Schwertkampf, wilden Schießereien und brachialen Explosionen. Auf der Games Convention konnten wir Hand an die Waffen legen und selbst erfahren, wie die neue Bewegung im Raum funktioniert. Ist da ein packender Asientrip für Erwachsene im Anmarsch?

Der erwachsene Kontrapunkt

Wii Music . Wii Sports . Elebits . Super Monkey Ball: Banana Blitz . Rayman Raving Rabbids . Kunterbunte Minispiele, putzige Figuren und Partyspaß mit Freunden - all das wird der Wii zum Start in Hülle und Fülle bieten. Und das ist auch gut so, denn es passt einfach zur innovativen Technik und zu Iwatas Philosophie, vor allem Familien ansprechen zu wollen. Aber als erwachsener Spieler brauche ich mehr als das, ich will auch auf dem Wii mehr erfahren als Seilspringen, Tennis und Baseball. Ich will Spannung, Dramatik und Kampf. Natürlich wird es Zelda und Metroid geben, aber jede neue Konsole lebt auch von neuen Helden und frischen Welten.

Architektur und Interieur haben gegenüber der E3-Version schon kräftig zugelegt: Das japanische Ambiente ist sehr einladend.
Deshalb habe ich mich seit der Ankündigung von Red Steel (ab 21,84€ bei kaufen) gefreut wie ein Schnitzel. Leider konnte ich dieses Jahr noch keine Spielerfahrung auf der E3 sammeln und war umso neugieriger auf die Version, in die ich auf der Games Convention abtauchen konnte. Für mich als Anfang 30er, der mit Max Payne-Shirt zum Bäcker schlurft und Resident Evil 4 in einem grinsenden Exzess verschlungen hat, wären solche Abenteuer ein weiteres i-Tüpfelchen auf dem Wii. Zur Story ist bisher nur so viel bekannt: Ihr begebt euch von LA auf einen Rachefeldzeug nach Tokio. Die Gründe? Eure Verlobte wurde entführt und ihr Vater von Mafiosi ermordet.

Neues Actionerlebnis?

Lust auf Red Steel-Videos? Kein Problem:

Download GC-Trailer

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Ob die Story mitreißen kann, wird sich erst zeigen müssen - da gab es noch keine Einblicke in Zwischensequenzen oder Dialoge. Die Steuerung konnten wir bereits ausprobieren: In der linken Hand liegt die Muschel mit dem Analogstick. Wenn ich ihn bewege, läuft der Held in die entsprechende Richtung; das funktioniert bereits sehr präzise. Die asiatische Kulisse besticht mit authentischem Interieur und schönen Farbspielen, könnte aber im Boden- und Wandbereich noch plastischer wirken; hier kann der Wii sicher mehr. Trotzdem weckt das japanische Ambiente mit seinen verwinkelten Herrenhäusern und fein ausgearbeiteten Räumen schnell die Entdeckerlust.

Sehr gut wirken bereits die Figuren mit ihren natürlichen Bewegungen - allerdings sollten die Mafiosi noch individueller gestaltet werden. Wenn sie auftauchen, ist sofort Action angesagt: In der rechten Hand liegt der an eine Fernbedienung

Feuer frei: Egal ob Revolver, Schrotflinte oder Uzi - sobald geschossen wird, zelebriert Red Steel eine Projektil- und Explosionsorgie.
erinnernde Controller, mit dem ihr eure Sicht bzw. das Fadenkreuz ausrichtet, um dann abzudrücken. Auch das funktioniert gut, aber natürlich nicht so punktgenau wie mit einer Maus. Wenn man sich aber vor dem Fernseher in eine realistische Schussposition bringt, gewöhnt man sich an die neue Sensibilität und trifft selbst weit entfernte Gegner. Nachgeladen wird einfach durch das Schütteln der linken Muschel - das fühlt sich übrigens cool an.

Im Effekt sehr ansehnlich, aber in der Ausführung noch verbesserungswürdig ist das Fokus-System: Ihr könnt in bestimmten Situation die Zeit einfrieren, um mehrere Ziele mit dem Fadenkreuz zu markieren. Dafür hat man für meinen Geschmack noch zu viel Zeit, so dass die Spannung des Moments etwas flöten geht. Hat man alle Feinde fixiert, läuft das Spiel weiter und zeigt eine multiple Schussfolge im besten Red Dead Revolver -Stil. Die Frage ist, ob man dieses System nicht über eine Zeitlupe packender gestalten kann?  

Laufarbeit & Kampfkunst

Begleitet von sehr ansehnlichen Explosionen und viel Kugelhagel erforscht man die Umgebung, schiebt papierne Shojis auf,

Wenn der Hieb kommt, müsst ihr zur Parade den linken Controller schütteln.
öffnet konventionelle Türen, freut sich über Schrotflinten. Bisher kann man sich dabei weder an Wände lehnen noch zur Seite hechten, so dass die Bewegung bis zum nächsten Kampf noch recht eindimensional wirkt. Red Steel sollte alles daran setzen, das Gespenst des statischen Lightgun-Shooters zu vertreiben:  Wünschenswert wäre vielleicht auch eine schnelle 180-Grad-Drehung, denn in den Schussgefechten wird man auch umzingelt. Will man sich dann zügig drehen, kann man seine Sicht schon mal verreißen - die Kamera ist plötzlich futsch. Ich habe mich allerdings schnell damit arrangiert und es nicht als frustrierend empfunden. Diese direkten Auswirkungen von Bewegungen hat es allerdings bisher auf der Couch mit dem Gamepad nicht gegeben.

Aber gerade angesichts dieser Konsequenzen könnte das Mittendringefühl intensiver sein: Frust- und Lustmomente sind stärker. Hier bietet sich vor allem der Nahkampf an, auf den ich mich besonders gefreut habe. Wie funktioniert der? Ihr seht in Entfernung einen Samurai, nähert euch, die Kamera fährt dann in eine Duellperspektive. In dieser 1-gegen1-Situation steht euch euer Gegner mit gezückter Klinge gegenüber und holt irgendwann zu einem Hieb aus. In diesem Moment könnt ihr den Angriff parieren, indem ihr die linke Controller-Muschel schüttelt - dann seht ihr auf dem Bildschirm euer Tanto aufblitzen und den leicht zurückgeworfenen Feind. Sprich: Noch wird die Parade nicht als aktiver Hieb ausgeführt, ihr braucht den linken Arm also gar nicht als Kampfarm in der Bewegung nutzen, sondern müsst lediglich schütteln. Dieses System ist noch zu einfach: Man steht da, wartet auf die erste Aktion des Feindes, schüttelt dann die linke Hand, Hieb abgewehrt, man schlägt zu. Das wiederholt man drei mal und der Feind ist besiegt. Natürlich erwartet man hier im Schertkampf keine Komplexität à la Kengo , aber es sollte mehr angeboten werden als nur eine defensive Reaktion.

Mittendrin statt auf der Couch

Im Angriff hat man schon mehr Optionen: Man kann vertikale oder horizontale Schläge ausführen, die auch sehr präzise

Tanto und Katana in Verteidigungsposition: Kann Ubisoft die Kampfmechanik so komplex gestalten, dass beide Schwerter als unabhängige Körper blocken können?
umgesetzt werden; später kommen Kombos mit Schlagfolgen hinzu. In diesen Momenten entfaltet Red Steel seinen Reiz über ein neues Mittendringefühl. Mir hat es Spaß gemacht, eine Klinge aktiv zu schwingen. Allerdings bleiben die Duelle noch zu statisch, es fehlt ihnen an Dynamik. Dass man ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dieser bewegungssensitiven Steuerung des Wii machen kann, hat Red Steel in Leipzig gezeigt: Vor uns kam jemand gar nicht klar mit den beiden Controllern. Schon nach wenigen Hieben artete der Schwertkampf in ein hektisches Gefuchtel aus - er hatte die Controller allerdings benutzt wie gewöhnliche Gamepads und sich nicht mit dem ganzen Körper in eine Kampfposition gebracht. Wie bei allen Wii-Spielen gilt auch hier: Man muss sich auch als Spieler umstellen, alte Couch-Gewohnheiten über Bord werfen, sich aktiver einbringen.

Red Steel zeigt viele Potenziale auf und ist bereits auf einem guten Weg. Ubisoft muss die First-Person-Erfahrung allerdings noch intensiver gestalten. Sicher ist, dass es noch mehr Schwerttypen und Waffen sowie Kombos geben wird, die sich alle anders anfühlen sollen. Wie könnte das noch funktionieren? Das Schwertkampfsystem sollte etwas komplexer werden - sprich: Mehr Varianten in der Defensive, die Möglichkeit der Bewegung während des Kampfes wie z.B. ein Abducken oder Wegrollen. Vielleicht würde es auch helfen, wenn man die Klinge vorne sehen würde, wenn sie auf die Bewegungen des Remote-Controllers reagiert? Auch an Mehrspieler-Action wird gedacht: Man kann im Splitscreen gegen Freunde antreten. Bisher ist über kooperative Spieltypen oder Online-Matches noch nichts bekannt. 

Ausblick

Von diesem Spiel wird viel abhängen. Es kommt zum Launch, es ist exklusiv, es ist das einzige Ego-Nahkampfspiel für den Wii. Kann Nintendo mit dem neuen Controller auch erwachsene Action-Unterhaltung inszenieren? Ja. Ich bin nach meinen ersten Katana- und Revolvererfahrungen zwar nicht restlos begeistert, aber optimistisch. Red Steel hat mir bereits viel Spaß gemacht. Auch wenn noch viele Fragezeichen und Wünsche bleiben, auch wenn das Gespenst des statischen Lightgun-Shooters noch über ihm schwebt: es fühlt sich gut an! Uns wurde zudem versichert, dass das Schwertkampfsystem in dieser rudimentären Form nicht in der finalen Fassung auftauchen wird - das ist ein Wort, das Hoffnung weckt. Und man darf nicht vergessen, dass Kombos und Waffenvielfalt in dieser Version noch gar nicht spürbar waren. Wenn Ubisoft hier wirklich noch mehr Komplexität in die Kampfmechanik bringt und über die Story die dramatische Intensität erhöht, werde ich mir diesen Rachefeldzug nicht entgehen lassen. Ich drücke dem Team von Ubisoft beide Daumen!

Ersteindruck: gut

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