Sonic Lost World18.10.2013, Jan Wöbbeking
Sonic Lost World

Im Test:

Sonic eilt zur Rettung: Da es momentan an 3D-Jump-n-Runs und Exklusivtiteln für Wii U mangelt, soll Segas Rennigel die Lücken füllen. Sonic: Lost World erscheint nur für Nintendo-Systeme. Doch passt das blitzschnelle Prinzip überhaupt zum wilden Planeten-Design?

Super Sonic Galaxy?

Wer Super Mario Galaxy gespielt hat, erlebt sofort ein Déjà-vu: Sonic düst über kleine und langgezogene Planeten, schlängelt sich zwischen allerlei Fallen und Biestern hindurch und zischt mit Raketen sowie Wasserströmen zur nächsten Asteroiden. Vieles erinnert an Nintendos Vorbild: Die in Himmelskörper gesägten Labyrinthe, die kunterbunt blühende Natur und der beschwingte Orchester-Soundtrack. Die Musikstücke sind fast genauso gut gelungen wie beim Klempner. Das Hauptthema geistert mir z.B. seit gestern Abend im Kopf herum und auch die relaxten Reggae-Stücke passen bestens.

Der Grund für den Abstecher zum „Hexaglobus“ ist wieder einmal Erzfeind Dr. Eggman. Als der eine Kapsel voller Tiere fallen lässt, versucht Sonic die besagten aufzufangen und entdeckt dabei den „Hexaglobus“ in den Wolken. Es handelt sich dabei um eine Art Halbkugel aus Hexfeldern, auf denen der Igel auch in der Oberwelt entlang tapst.

Kooperation wider Willen

Was für ein Panorama! Anders als bei Mario geht in der Hektik aber oft die Übersicht flöten.
Was für ein Panorama! Anders als bei Mario geht in der Hektik aber oft die Übersicht flöten.
Ich kämpfe gegen die schrecklichen Sechs, ein Grüppchen unförmiger Monster, welche zunächst noch von Dr. Eggman kontrolliert werden. Nachdem Sonic ihm das Kontrollinstrument aus der Hand tritt, begehren die Biester aber gegen ihren Meister auf, schnappen sich eine seiner Superwaffen und drohen, damit sämtliches Leben aus der Welt zu saugen. Also müssen Tails und Sonic wohl oder übel mit ihrem Erzfeind kooperieren, um die neue Gefahr zu stoppen.

Die Zwischensequenzen wirken wieder reichlich kindisch. Der Tiefpunkt ist eine Szene, in der Tails in einem übertrieben dramatischen Dialog Sonics Loyalität in Frage stellt, weil er kurzfristig mit Dr. Eggman kooperiert.  Sogar Sonics Erzfeind wird die peinliche Sequenz zu viel: „Ehrlich gesagt tut mir nichts mehr weh, als dieser Konversation zuzuhören.“

Sprudelnde Fantasie

Die Bosskämpfe erstrecken sich meist über mehrere Levels.
Die Bosskämpfe erstrecken sich meist über mehrere Levels.
Beim Design der wunderhübschen und farbenfrohen Welten haben die Entwickler ihrer Fantasie freien Lauf gelassen: Neben allerlei bekannten Gegnern hüpfe ich wutrot herbeitrampelnden Weltraumschafen auf den Pelz, schliddere über Lakritzstangen und Eisplaneten oder locke einen riesigen angriffslustigen Apfel an Hindernissen vorbei zu einem Ventilator. Sobald die Frucht zerschreddert wurde, entsteht ein „Apfelstrudel“, in dem ich zum nächsten Himmelskörper düse. Zwischendurch sorgen immer wieder lustige Minispiele für Abwechslung: Ähnlich wie in Marble Blast Ultra kugle ich z.B. als riesiger Schneeball über Schanzen, durch Fallen, schlängele mich zwischen Homing-Raketen hindurch, rolle eingefrorene Gegner über den Haufen und loche nebenbei ein paar Billard-Kugeln ein. Lediglich die unscharfe Hintergrundtapete am Horizont stört das schöne Bild.

Ab und zu schaltet die Kamera außerdem in die Seitenperspektive, so dass ich quasi auch einige 2D-Abschnitte bewältigen muss. Weniger gelungen wirken die zeitlich begrenzten Farb-Superkräfte. Nach einem Tipp auf den Touchscreen fräst sich Sonic ab und zu durch die Erde der Planeten oder düst durch Grundwasser-Reservoirs. Das alles steuert sich sowohl mit Sticks als auch mit Touchscreen sehr schwammig.

Übersichtsprobleme

Auch Reaktionstests auf Schienen sind wieder dabei.
Auch Reaktionstests auf Schienen sind wieder dabei.
Das größte Manko sind aber die Übersichtsprobleme im normalen Spiel, welche durch die überladene Steuerung noch nerviger werden. Da die von den Entwicklern vorgegebene Perspektive sich nur selten ändern lässt, habe ich oft den Überblick verloren und bin ohne Schuld in den Abgrund gerauscht. Außerdem sind Sonics zahlreiche Fähigkeiten oft etwas zu viel für die wilden Kamera-Kapriolen. Manchmal wollte ich einfach nur zu einer Plattform hinüber hüpfen, rannte aber plötzlich an der Wand entlang, schnurstracks auf die falsche Seite des Planeten und stürzte ins Verderben.

Nachdem ich die Levels und Sonics Eigenheiten besser kannte, flutschte ich deutlich flüssiger und eleganter durchs Spiel, trotzdem kam es oft zu frustigen Passagen, bei denen ich mich nur widerwillig durchs Level gequält habe. Neben seitlichen und vertikalen Wand-Sprints beherrscht der Held unter anderem seine aufladbare Kugel-Attacke, einen Homing-Angriff auf mehrere markierte Gegner oder schleudert sich mit einem Dreifachsprung in die Höhe. Zum schnellen Rennen muss außerdem die R-Taste gehalten werden.

Laufduelle mit Mankos

Ab durch die Mitte: Wenn die Technik nicht dazwischen funkt, sind die Multiplayer-Duelle eine willkommene Abwechslung.
Ein Wii-U-Duell in Aktion. Wer auf dem 3DS das Spiel nicht besitzt, kann sich den Mehrspieler-Part fürs Ad-Hoc-Duell übrigens auch per Download-Funktion von einem Freund laden.
Eine coole Idee sind die Zwei-Spieler-Rennen, bei denen man um die Wette flitzt oder Münzen sammelt. Ein Spieler schaut aufs Gamepad; der zweite legt mit Fernbedienung (wahlweise plus Nunchuk) oder Pro-Controller los. Leider ist die Wii U ab und zu überfordert, so dass die Spielgeschwindigkeit in die Knie geht und es zu starken Rucklern kommt. Relativ fade ist der Hilfe-Modus im Koop: Der zweite Spieler schwebt mit freischaltbaren RC-Fliegern durchs Level und wirft ab und zu eine Bombe auf Gegner ab – wenn er nicht gerade wieder einmal aus dem Bild gerauscht ist oder anderweitig die Übersicht verloren hat.

Wer möchte, kann auch in Einzelspieler-Levels um Bestzeiten kämpfen und sich in diversen weltweiten Bestenlisten verewigen. Außerdem lassen sich einfach gestrickte Zusatzherausforderungen wie „Laufe x Meter an der Wand entlang“ absolvieren. Auch eine Miiverse-Tauschfunktion ist an Bord, welche wir aber beim Testzeitpunkt noch nicht ausprobieren konnten.

3DS-Besitzer haben wieder das Nachsehen

Statt mit einer einfachen zweidimensionalen Umsetzung abgespeist zu werden, bekommen 3DS-Besitzer einen (auf den ersten Blick) vollwertigen Mix aus 3D- und 2D-Sequenzen. Sie entspricht zwar nicht der Wii-U-Version, die Levels orientieren sich aber daran. Leider kommt es mit dem kleineren Bildausschnitt noch häufiger zu Übersichtsproblemen und Rucklern. Mit aktiviertem 3D sinkt die Bildrate oft sogar noch etwas mehr. Es bleibt spielbar, ärgerlich ist das Manko trotzdem.

Das Design der bunten Planeten wirkt auch hier gelungen. Außerdem bietet die Handheld-Fassung zwei exklusive Vorteile: Die Mehrspieler-Duelle lassen sich auch in einfach gestrickten Online-Matches zocken und es gibt ein lustiges Minispiel. Bei Letzterem fliege ich durchs All und sammle Blasen ein, indem ich das Gerät per Neigungssensor ausrichte. Man sollte den Modus tunlichst im Stehen spielen und rundum viel Platz reservieren, damit man nicht die halbe Wohnung auseinandernimmt, doch dann funktioniert das schnelle Schwenken erstaunlich gut.

Fazit

Mensch Sega, nun reißt euch doch mal zusammen! Nach dem tollen Sonic Generations und den wunderhübschen Trailern war ich richtig heiß auf Lost World, doch stattdessen fallt ihr zurück in alte Muster. Das Spiel sprudelt zwar vor Ideen, Abwechslung und schön designten Welten - doch Übersichtsprobleme, die überladene Steuerung und wilde Kamera-Kapriolen hätten mir fast den Spaß vermiest. Es ist schon traurig zu sehen, wie viel mehr aus dem Spiel hätte werden können, wenn die Entwickler ein paar Ideen gestrichen und im Gegenzug mehr Feinschliff eingebracht hätten. In der aktuellen Form musste ich mich regelrecht durch manche frustigen Passagen quälen, ein paar andere wie die Schneewelt haben mich dafür gut unterhalten. Gegen das große Vorbild Super Mario Galaxy kann man so aber auf keinen Fall anstinken. Sonic Team sollte sich stattdessen lieber an Generations orientieren. Dessen behutsame Änderungen an der Serien-Formel passen deutlich besser zum blitzschnellen Spielprinzip.

Pro

wunderhübsch gestaltete Planetenwelten
sehr viel Abwechslung beim Design und Spielablauf
knuffige, ideenreich gestaltete Gegner
Gute-Laune-Soundtrack mit zahlreichen Ohrwürmern
lustige Bonus-Levels mit Neigungssensor (3DS)
Rennduelle per Funk, Internet oder Download-Spiel (3DS)
Rennduelle mit getrennten Bildschirmen (Wii U)

Kontra

häufige Übersichtsprobleme (vor allem 3DS)
überladene Steuerung stiftet Verwirrung
schwammige Spezialfähigkeiten
gelegentliche Ruckler und Slowdowns (vor allem auf 3DS und im Wii-U-Multiplayer)
zusätzlich leichte Ruckler im 3D-Modus (3DS)
unscharfe Hintergrundtapete am Horizont
starke Slowdowns und kleine Clipping-Fehler im Multiplayer (Wii U)
witzloser Koop-Modus

Wertung

Wii_U

Schade ums schöne Design: Steuerungs- und Übersichtsprobleme dämpfen den Spaß am abwechslungsreichen Planetenabenteuer stark.

3DS

Auf dem 3DS leidet die Übersicht noch stärker - dazu kommen technische Probleme.

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