Lego City Undercover22.03.2013, Mathias Oertel
Lego City Undercover

Im Test:

Die Briten von Traveller's Tales sind in den letzten Jahren vor allem durch ihre Lego-Titel aufgefallen: Star Wars, Indiana Jones, Batman, Harry Potter, Der Herr der Ringe. Die lizenzierten Bauklotz-Abenteuer bieten spannende Unterhaltung - nicht nur für Kinder. Mit Lego City Undercover (ab 6,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) wagen sie sich das erste Mal seit Bionicles an ein lizenzfreies Lego und bietendarüber hinaus eine offene Welt. Wartet hier vielleicht ein Spielzeug-GTA?

Die nackte Bauklotz-Kanone

Vor ein paar Jahren war Chase McCain ein junger, aufstrebender, sehr talentierter Cop in Lego City. Doch die Jagd auf den Schurken Rex Fury sollte sein Leben verändern: Sein Vorgesetzter heimst den Ruhm für die Festnahme ein. Und seine heimliche Liebe Natalia gerät in Gefahr, weil sie gegen Rex aussagen muss und danach in ein Zeugenschutzprogramm gesteckt wird. Doch seine Ideale als Verbrechensbekämpfer geraten trotz allem nicht ins Wanken. Er genehmigt sich zwar eine Auszeit und verschwindet für ein paar Jahre aus Lego City, doch nach seiner von der Bürgermeisterin initiierten Rückkehr ist er wieder mitten im Geschehen: Rex Fury ist aus dem Gefängnis ausgebrochen. Chase muss ihn wieder dingfest machen. Und die Welt retten. Und das Herz seiner Liebsten zurück gewinnen. Und die Stadt wieder aufbauen. Und und und.

Die Geschichte in Lego City Undercover (LCU) wird keinen Preis gewinnen, zu oft hat man schon diese Elemente in entsprechenden Polizeiaction-Filmen in TV und Kino gesehen. Doch genau hier setzt eine der großen Stärken ein, die viele der Lego-Spiele kennzeichnet: Humor. Vor allem ältere Spieler werden sich an den filmischen augenzwinkernden Anspielungen erfreuen. Dirty Harry kriegt ebenso sein Fett weg wie Colombo, Starsky & Hutch, Sherlock Holmes oder Mission: Impossible. Und in bester Tradition der Zucker/Abrahams/Zucker-Filme wie „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ (OV: Airplane)oder „Die nackte Kanone“ macht man auch nicht davor halt, andere Filme wie Titanic, Matrix, Die Verurteilten ("Shawshank Redemption") oder Jurassic Park aufs Korn zu nehmen - auch mit einem mal albernen, mal süffisanten, aber stets charmanten Wortwitz.

Generationen-Konflikt

Es gibt über 100 Land-, Wasser- und Luft-Fahrzeuge, mit denen man die weiträumige Stadt erkunden kann.
Es gibt über 100 Land-, Wasser- und Luft-Fahrzeuge, mit denen man die weiträumige Stadt erkunden kann.
Das Problem: Viele der Gags und Anspielungen werden bei den jüngeren Spielern nicht zünden. Mitunter bezieht sich LCU auf Filme, deren Altersfreigabe deutlich höher als für den Knirps vor dem Gamepad geeignet liegen dürfte. Zumindest sollten Kinder z.B. noch nicht mit den brachialen Frühwerken von Clint Eastwood oder Tom Cruise als Ethan Hunt in Berührung gekommen sein. Doch damit soll es auch genug mit dem erhobenen Zeigefinger sein. Denn abseits dessen hat auch die deutsche Lokalisierung gelegentlich Schwierigkeiten, den Witz des englischen Originals zu transportieren. Nirgendwo wird dies deutlicher als beim Baustellen-Vorarbeiter, der Arnold Schwarzenegger charakterisieren soll. Im Original wird der markante Englisch-Dialekt des Österreichers vom Sprecher beinahe zum Verwechseln ähnlich nachgeahmt. Und die Dialogschreiber haben mich immer wieder zum Lachen gebracht - nicht nur, weil sie typische Arnie-Phrasen wie "Are you a girlie-man?" verwenden. Sondern vor allem, weil in nahezu jedem Satz irgendein anderer Film, in dem Schwarzenegger mitgespielt hat, auftaucht und in einen komödiantischen Kontext gepackt wird. In der deutschen Fassung, die ansonsten einen professionellen sowie gut besetzten Eindruck hinterlässt, geht nicht nur in dieser Szene von diesem Wortwitz verloren: Zwar wird über einen österreichischen Dialekt wenigstens ansatzweise ein Bild von Arnold heraufbeschworen, doch beinahe alle Filmanspielungen bleiben in der Übersetzung unbeachtet - schade.

Doch dies ist nicht der einzige Bereich, in dem sich Traveller's Tales unschlüssig ist, an wen sich der Titel nun wenden soll. Denn während sich vorrangig Ältere mit dem Humor anfreunden können, richtet sich der Schwierigkeitsgrad im Allgemeinen an Einsteiger und Jüngere. Wie man es aus den Lego-Spielen der letzten Jahre kennt, muss man nicht nur Bauklotz-Gebilde zerstören, sondern sieht sich auch immer wieder Feinden gegenüber, die man hier allerdings nicht nur ausknocken, sondern im Idealfall mit Handschellen festnehmen muss. Das Problem: Die Auseinandersetzungen sind bar jeden Anspruchs. Es gibt keine Kombos im eigentlichen Sinne und zu allem Überfluss wird nicht einmal Timing bei der Abwehr gefordert - eine Anzeige gibt einem das Signal, den entsprechenden Knopf zu drücken, mit dem man den Gegner in einem Zug kontert und zu Boden wirft, wo er dann dingfest gemacht werden kann.

Offene Bauklotz-Welt mit Levelstrukturen

Die Kämpfe kann man also beinahe mit geschlossenen Augen erledigen. Doch glücklicherweise hat Lego City Undercover noch mehr zu bieten. Und nachdem die Adaption von Der Herr der Ringe oder das letzte Batman-Abenteuer bereits erfolgreich mit den Ansätzen einer offenen Welt experimentiert haben, geht man hier den nächsten Schritt: Lego City ist groß (ich würde das Gebiet in etwa doppelt so groß wie Vice City schätzen ), bietet abwechslungsreiche Stadtviertel und ist mit Figuren und Passanten ansprechend belebt.

Zu den vielen Filmen, die sehr intelligent auf den Arm genommen werden, gehören neben klassischen Polizei-Filmen auch Matrix oder "Die Verurteilten" (Shawshank Redemption).
Zu den vielen Filmen, die sehr charmant auf den Arm genommen werden, gehören neben klassischen Polizei-Filmen auch Matrix oder "Die Verurteilten" (Shawshank Redemption).
Hinsichtlich der Kulisse bleibt man dem Stil treu, den man seit Jahren verfolgt und bietet eine nett anzuschauende "echte" Metropole, bei der die interaktiven bzw. zerstörbaren Elemente sowie die Bewohner und Fahrzeuge aus Legosteinen gebaut sind. Angesichts der realen Bauklotzherkunft hätte es sich hier zwar noch mehr als bei jedem  anderen Lego-Titel der letzten Jahre angeboten, alles mit den Plastiksteinen zu errichten. Doch durch diesen bekannten Mix ergibt sich nach wie vor ein ganz spezieller charmanter, eigenständiger Stil. Angesichts der Größe der Stadt ist es zwar nicht ungewöhnlich, dass die Konsole immer wieder mit der Sichtweite kämpft, ab und zu Schluckauf bekommt oder von dem einen oder anderen Pop-up geplagt wird. Andererseits verpasst man es hier, den Beweis abzulegen, dass die Wii U tatsächlich auf dem Niveau von PS3 und 360 ist, wie gerne suggeriert wird. Erst in späteren Bereichen wird die Grafikschraube angezogen bis hin zu einem Moment gegen Ende, bei dem ich echt gestaunt und gedacht habe: "Sieh an, Wii U kann es doch!"

Für die Geschichte ist Lego City jedoch letztlich nur der Durchreise-Schau- bzw. Spielplatz. Die wesentlichen Fortschritte erzielt man in 15 Missionen, die ganz klassischen Mechanismen folgen: Man muss Sprungsequenzen bewältigen, gelegentlich kämpfen, so viel wie möglich manipulieren oder zerstören, um die beliebten Legobolzen zu sammeln, die entsprechend akkumuliert ebenso für einen Zuwachs bei den insgesamt 450 zu erreichenden Goldklötzchen sorgen wie das Komplettieren von Sammlungen oder das Finden von Gegenständen. Hinsichtlich des Missionsdesigns zeigt man sich dabei gleichermaßen typisch wie abwechslungsreich, wenn man z.B. Fahrzeug-Verfolgungen, Ausspionieren oder Abhöraktionen anbietet. Dabei muss man jedoch wiederum bis auf wenige Ausnahmen gegen Ende mit einem niedrigen Schwierigkeitsgrad vorlieb nehmen - höchstens blutige Anfänger werden Probleme mit der einen oder anderen Anforderung bekommen. Das hat allerdings auch Vorteile: Jüngere Spieler können ohne elterliche Störung und ohne um Hilfe fragen zu müssen, mit Chase auf Abenteuer-Tour gehen.

Viel drin, wenig dran

Die Kämpfe sind leider nicht sehr anspruchsvoll.
Die Kämpfe sind leider nicht sehr anspruchsvoll.
Will man wirklich ausnahmslos alles in den 15 "Story"-Abschnitten oder der offenen Stadt finden, muss man sich Rätseln stellen, die sich wie gehabt auf die Fähigkeiten der Figuren konzentrieren. Mit dem Unterschied, dass man hier nicht wie bei den meisten Lego-Titeln zwischen unterschiedlichen Charakteren hin und her schaltet, sondern ähnlich wie im letzten Bauklotz-Batman das Outfit des Protagonisten wechselt und damit Zugriff auf Spezialsierungen hat. Die Puzzles konzentrieren sich auf die acht "Verkleidungen" und deren Fähigkeiten, mit denen man Chase ausstatten kann. Nur als Polizist kann man z.B. Kletterhaken benutzen, während nur der Einbrecher Türen mit dem Brecheisen aufstemmen oder Safes knacken kann. Der Minenarbeiter kann Dynamit nutzen und mit der Spitzhacke Felsen zerkleinern, der Feuerwehrmann Feuer löschen (klar!) und der Farmer kann nicht nur Blumentöpfe bewässern und an den ggf. daraus sprießenden Ranken neue Gebiete erreichen, sondern sich auch an sein Huhn hängen und damit größere Abgründe im Sinkflug überwinden. Alle können übrigens kämpfen und Verbrecher festnehmen, wodurch der taktische Anspruch in den Gefechten zusätzlich minimiert wird.

Zu den zahlreichen freispielbaren Elementen gehören z.B. neue Fahrzeuge (insgesamt über 100) und beinahe 300 Figurenskins, die man als Alternative zu Chase in den jeweiligen "Kostümklassen" auswählen kann. Doch um an die ganz clever versteckten heranzukommen, muss man wie in der Spätphase der Kampagne viele Fähigkeiten miteinander kombinieren, um ans Ziel zu kommen.

Die Viertel in Lego City und ihre Wahrzeichen orientieren sich an amerikanischen Großstädten wie New York, San Francisco oder Miami.
Die Viertel in Lego City mitsamt ihrer Wahrzeichen orientieren sich an amerikanischen Großstädten wie New York, San Francisco oder Miami.
Mitunter kann dies zwar zeitaufwändig sein, doch richtige Kopfnüsse im Stile von "Verdammt noch mal, wie soll ich jetzt dahin kommen?" sind darunter spärlich gesät und dann meist im Bereich der Farbpistole zu finden, mit der man Schalter manipulieren oder Gegenstände einfärben kann.  Dies ist ein weiterer Ansatzpunkt für Verbesserung in einer hoffentlich kommenden Fortsetzung. Wie auch die leider zu stereotype Ansammlung von Standard-Geheimnissen, bei der ebenfalls nur der Weg zum Ziel das herausfordernde Element darstellt. Statt 20 auf den Dächern versteckten Schweinen, die man per Kanone zur Farm zurück schießt, von der sie ausgebüxt sind, wäre es interessanter gewesen, als Polizist mit zufällig stattfindenden Verbrechen konfrontiert zu werden. Oder dass die ganzen Suchen-und-Finden-Missionen als Nebenaufgaben von Figuren eingeleitet werden. Oder dass die coolen Rennen und Hindernisläufe mit einer noch so einfachen Einleitung verknüpft sind - wie es übrigens bei einigen der über Abhöraktionen in flagranti erwischten Verbrecherbanden der Fall ist, die man unter Zeitdruck jagen und bekämpfen muss.  Auf jeden Fall wäre eine verbesserte Einbindung in die offene Welt nützlich gewesen. In dieser Form wirkt vieles draufgetackert - was mich aber nicht davon abgehalten hat, an meinen Ausflüge durch die idyllischen Gebiete Spaß zu haben. Die Suche nach neuen Figuren und Fahrzeugen hat mich als Jäger und Sammler schon mehr Zeit jenseits der etwa zwölf bis 15 Stunden Kampagnendauer gekostet, als ich zugeben möchte. Und auch wenn Traveller's Tales sich hinsichtlich der Inszenierung abseits der Story keine Beine ausreißt, sind viele der angebotenen Aktivitäten mindestens unterhaltsam. Vor allem die Jagd nach den so genannten Superblocks hat es mir angetan. Denn nur mit denen lassen sich die über 60 "Super-Bauten" in Lego City errichten. Häufig sind dies Fahrzeug-Abholstationen, doch auch eine riesige Sandburg, ein Stuntlooping und sogar eine Startrampe für eine Achterbahnfahrt kann man errichten, wenn man genug dieser Blocks gesammelt hat.

Verschenktes Potenzial

Man kann viel in der Metropole entdecken, doch das meiste ist leider vollkommen unerheblich.
Man kann viel in der Metropole entdecken, doch das meiste ist leider vollkommen unerheblich.
Schade ist auch, dass es das erste Mal seit langer Zeit keine Möglichkeit gibt, kooperative Ausflüge in einem Lego-Titel zu unternehmen. Während ich dies durch den Storyfokus auf Chase zwar einigermaßen nachvollziehen kann, würde ich mir wünschen, dass man wenigstens in der freien Erforschung der Stadt zu zweit per intelligentem Splitscreen oder einer auf dem großen mit ProPad oder Classic Controller und einer auf dem GamePad losziehen kann. Für einen Wii U-exklusiven Titel geht mir die Pad-Nutzung ohnehin nicht weit genug. Ja, es ist nett, ständig eine angenehm große Übersichtskarte zu haben, auf der ich z.B. auch sehen kann, was für Sammelgegenstände in diesem oder jenen Gebiet noch zu haben sind. Doch wo andere exklusive Titel wie ZombiU und mit leichten Einschränkungen auch Nintendo Land zeigen, was mit dem zweiten Screen alles machbar ist, kratzt man hier nur an der Oberfläche. Dabei zeigt man bei den Abhöraktionen, für die man das Pad ausrichten muss oder den Umgebungsscan, der die Gebäude durchleuchtet und daraufhin eventuell vorhandene Geheimnisse oder Figuren zeigt, dass man durchaus Ideen hat, wie man das Kontrollgerät sinnvoll einbringen kann. Die Videoanrufe, bei denen die Stimme alternativ auch aus den Pad-Lautsprechern ertönt, sorgen ebenfalls dafür, einen über das GamePad tiefer in das Spielerlebnis zu ziehen.

Fazit

Es war eine schwere Aufgabe für Traveller's Tales. Denn das erste Mal seit Bionicles musste bzw. konnte man sich nicht an einer Lizenz entlang hangeln, sondern durfte seiner Lego-Fantasie freien Lauf lassen. Und ich hatte mich riesig auf Lego City Undercover gefreut. Klassische Bauklotz-Mechanik eingebettet in eine offene Spielwelt - quasi ein Spielzeug-GTA? Nur her damit! Doch mit der Umsetzung gehen die Entwickler in einen mehrfachen Spagat, den sie oftmals nur mit Mühe bewältigen können. Die offene Welt lädt zum Erforschen und bietet Entdeckern viele Geheimnisse - die jedoch größtenteils irrelevant sind. Der Humor im Stile von Filmen wie „Die nackte Kanone“ zündet hervorragend und bietet haufenweise gelungene Anspielungen auf einschlägige Hollywood-Machwerke. Doch gelegentlich geht der Wortwitz in der deutschen Lokalisierung unter und jüngeren Spielern fehlt der Bezug, um die Gags komplett verstehen zu können. Erwachsene Lego-Fans können häufig herzhaft lachen (vor allem in der englischen Version), werden sich jedoch am kindgerechten Schwierigkeitsgrad reiben: Sowohl die Puzzles als auch die Kämpfe sind bis auf zu wenige Ausnahmen viel zu leicht. Schade ist auch, dass es keinen Koop-Modus gibt und das Wii U-GamePad zu selten sinnvoll genutzt wird. Dank der ansehnlichen Kulisse, die allerdings ab und an mit für offene Welten typischen Problemen wie Pop-ups kämpft sowie des unwiderstehlichen Charmes der Bauklotz-Metropole habe ich dennoch jede Minute in Lego City genossen.

Pro

treffsicher Humor à la Zucker/Abrahams
viele Anspielungen auf Filme...
gute Lokalisierung...
viel zu tun, zu entdecken und freizuspielen
15 "klassische" Level-Abschnitte
offene Welt lädt zum Erkunden
ansehnliche Kulisse
nette Geschichte im Stil klassischer Copfilme Hollywoods
motivierende Jagd nach Superblocks für über 60 Bauplätze

Kontra

kein Koop-Modus
... die jüngeren Spielern nichts sagen werden
... dennoch bleibt viel Wortwitz des Originals auf der Strecke
musikalisch wenig Abwechslung
Potenzial der offenen Welt wird nur angekratzt
insgesamt sehr leicht
GamePad wird zu selten sinnvoll genutzt
mitunter fiese Ladezeiten

Wertung

Wii_U

Charmanter Ausflug in die Bauklotz-Stadt, die allerdings vorrangig über den zielsicher gesetzten Humor und die bewährte Mechanik punktet. Das Potenzial der offenen Welt wird allerdings nur angekratzt.

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