Im Test:
Biene Maja lässt grüßen
Was ist das denn für ein kunterbunter Haufen? Zwischen Pusteblumen und Pilzen marschiert eine überaus seltsame Kolonne: Angeführt von drei Kosmonauten in dicken Raumanzügen watscheln knapp hundert rote, gelbe, schwarze, blaue und pinke Wichtel über einen Baumstumpf. Sie sehen nicht nur aus wie Ameisen mit Blumen auf dem Kopf, sie verhalten sich auch soldatisch: Auf einen Pfiff sammeln sie sich, auf einen Druck weichen sie aus, auf einen Befehl greifen sie an. Was für ein treuer Trupp!
Wer das erste Mal Pikmin 3 spielt, kommt sich vielleicht vor wie in der Zeichentrickserie Biene Maja: Hier wird der Garten zum Abenteuerspielplatz für kleine Helden. Nintendo inszeniert den floralen Mikrokosmus mit so viel Hingabe, dass eine alte Dose zwischen Ringelblumen fast wie ein gemaltes Stillleben anmutet. Während man seine Schützlinge an
Es gibt erstmals schwarze und pinke Pikmin. Erstere sind schwer, hart wie Granit und ideal zum Zerstören von Panzern oder Glas, aber recht plump. Letztere können fliegen, spezielle Bambustore anheben und sowohl Obst transportieren als auch Feinde in der Luft bekämpfen. kristallklaren Bächen vorbei, durch schummrige Höhlen oder über glitzernde Schneewiesen führt, staunt man immer wieder über die facettenreiche Pflanzenwelt.
Die sieht stellenweise verbflüffend echt aus und ist meist hübsch animiert, zumal sich sogar einzelne Blätter bei Kontakt zur Seite beugen, aber gerade beim Boden, den man sehr oft im Blick hat, vermisst man manchmal realistischere Strukturen oder Gräser. Schade ist zudem, dass man auf einen recht flachen Blickwinkel beschränkt wird und mit der Kamera nicht vertikal in die Höhe schwenken oder gar heraus zoomen kann; manchmal erkennt man also nicht, was auf einem Hügel direkt über einem steht.
Die Monster kommen im Dunkeln
Und die malerische Idylle trügt: Ziel für die drei Anführer ist es zum einen, nach der Bruchlandung den verschollenen Captain Olimar zu finden, den Helden der ersten Teile. Warum? Nur er besitzt scheinbar die Technik für den Rückflug der Crew. Zum anderen müssen sie jeden Tag so viel Nahrung sammeln, dass man den nächsten Tag überlebt. Hier kommen die einheimischen Pikmin ins Spiel, die tapfer all das gefundene Obst zur Basis tragen, während um sie herum kleine und große Monster lauern, die plötzlich aus dem Boden brechen oder wie Spinnen auf den richtigen Moment warten.
Wie im Vorgänger besteht die Herausforderung darin, alles innerhalb des Zeitlimits eines Tages zu erledigen. Bevor die Nacht einbricht, muss man seine Pikmin also in die Sicherheit der Basis bringen, sonst werden sie gefressen. Aber keine Bange: Im Vergleich zu den harten Zeitlimits der separat spielbaren Missionen (Früchte sammeln, Monster jagen oder Bosse besiegen), darf man es in der Kampagne gemütlicher angehen. Dabei gilt: Je mehr Pikmin das Obst tragen, desto schneller kommen sie Zuhause an. In der Zwiebel kann man dann unbegrenzt viele von ihnen nach Farben getrennt speichern, also auch auf Vorrat züchten. Macht man dennoch Verluste, kann man sie über umstehende Blumen recht schnell vermehren. Und selbst wenn man aufgrund tickender Uhr eine halbe Melone oder einen erst leicht verletzten Boss zurücklassen muss, wird das für den nächsten Tag gespeichert – man muss also nicht alles nochmal erledigen, so dass man deutlich mehr Komfort hat als noch in Pikmin 2.
Zwischen Insekten und Amphibien
Und hier kommen die unterschiedlichen Pikmin ins Spiel, die man während der Kampagne nacheinander hinzu gewinnt: Während die von Beginn an verfügbaren Roten universell gute Kämpfer sowie immun gegen Feuer sind, muss man clever zwischen den anderen wechseln. Nur die harten Schwarzen brechen Glas, Panzer und ignorieren Stampfangriffe, nur die Gelben lassen sich sehr hoch werfen und halten Stromschläge aus, nur die Blauen können tauchen und unter Wasser attackieren, nur die Pinken fliegen und sind in der Luft besonders schlagfertig.
Tapfere Pioniere in Aktion
Richtig motivierend für Routenplaner wird es, wenn sich die Probleme aneinander reihen: Da hinten fehlt eine Brücke, man könnte aber auch über eine Seerose übersetzen, doch am Ufer blockiert wiederum eine Strombarriere den Weg und dahinter müsste man durch einen Tümpel waten, um die dahinter in einem Kristall verschlossene Erdbeere zu bergen. Hier sollte man dann in aller Ruhe pasuieren und die Karte studieren. Mit der Zeit werden die Entfernungen größer und man ärgert sich über einen Automatismus, der Pikmin immer wieder zum Fundort von Bruchstücken einer Brücke zurückkehren lässt – dann muss man sie nachher mühsam wieder einsammeln, obwohl die Brücke doch das Ziel war.
Auch die Wegfindung der Wichtel lässt manchmal zu wünschen übrig und sorgt stellenweise für unnötiges Babysitting, wenn sie an Gabelungen oder Felsen hängen bleiben. Es kann auch passieren, dass man Pikmin und Anführer zwar über einen Fluss werfen kann, aber sie dort zum Abrutschen verurteilt sind; hier wäre es besser gewesen, die Aktion gar nicht erst anzubieten. Gut gelöst wurde wiederum das automatische Übersetzen der ganzen Gruppe an Flüssen, wenn man auf einen Druck des Analogsticks z.B. mit allen Pikmin auf eine Seerose hüpft - Streuverluste wären hier verheerend, denn nur die blauen können schwimmen.
Farbiges Personal-Management
Es ist zwar inkonsequent, dass die Anführer die Monster quasi ignorieren können und so in aller Ruhe die Datenchips einsammeln - man kann sie dazu von der Gruppe trennen und separat überall hin steuern. Aber einige physikalische Probleme verlangen wiederum den geschickten Wechsel zwischen Alph, Charlie und Brittany: Wie kommt man bloß an die Frucht, die irgendwo am Ende einer Reihe von Plattformen und Waagen lockt? Hier muss man das Gewicht beachten und überlegen, wen man wohin wirft, damit man sein Ziel erreicht.
Anspruchsvolle Bosskämpfe
In diesen Arenakämpfen zeigen sich einige Problem in der Steuerung: Wer mit dem Wii U GamePad spielt und Schwachstellen fixieren will, muss mit vielen Fehlschlägen rechnen, weil man mit den Analogsticks nicht präzise genug anvisieren kann – es klappt natürlich auch so, ist aber zu schwammig, so dass manches Gefecht in unnötige Hektik ausartet. Noch ein Nachteil beim Spiel mit dem GamePad: Wer die Ausweichfunktion nach links oder rechts nutzen will, muss auf das Steuerkreuz umgreifen und kann das leider nicht während der Bewegung mit dem Analogstick einleiten; so nutzt man dieses Manöver natürlich selten. Erst mit der Kombination aus Remote und Nunchuk kann man einzelne Monster und Trefferzonen punktgenauer fixieren und intuitiver ausweichen - ich habe im Missionsmodus nur mit dieser Variante gespielt.
Ein kleines Manko ist zudem, dass der Radius der Pfeife recht klein ist: Man kann also nur eine begrenzte Zahl an Pikmin zurückrufen, so dass man den Befehl gerade in Bosskämpfen wie einen Wischer einsetzen muss, damit auch wirklich alle Mann folgen, die irgendwo verstreut liegen. Hier hätte ein universeller Rückruf zumindest aller sichtbaren Pikmin oder eine sukzessive Vergrößerung des Rufradius, wenn man z.B. meherere Anführer in einem Trupp hat oder über spezielles Obst, geholfen.
Neuer Bildschirm, mehr Komfort?
Ansonsten kann man sich auf dem Bildschirm lediglich die Früchte sowie Hinweise der Datenchips anzeigen lassen. Eine gewisse Monotonie stellt sich zudem im Verlaufe der Story ein, wenn man zum x-ten Mal das anfänglich noch Appetit anregende, aber später immer gleiche Auspressen der Früchte beobachten muss, während Brittany ihre immer gleichen Kommentare abgibt. So charmant und witzig die Präsentation zu Beginn wirkt, wenn die drei Anführer unfreiwillig komisch in ihrem fiktiven Kauderwelsch palavern, so träge wird die Geschichte fortgesetzt. Immerhin gibt es innerhalb der Kampagne noch eine erzählerische Wendung, die ein wenig für diesen Leerlauf mit seinen langen Wartezeiten am Abend entschädigt.
Was kann man nach der Kampagne machen? Jede Menge: Man kann z.B. kooperativ gegen ein harsches Zeitlimit entweder Früchte sammeln, Kreaturen oder die in der Kampagne bereits erlegten Bosse nochmal besiegen. Zwar darf man auch alleine ran, aber erst zu zweit kann man manche der Missionen erfolgreich abschließen - hier wird man dann richtig gefordert. Neben diesen drei Wettbewerben gibt es noch das Bingo-Duell: Hier geht es darum, die richtige Kombination aus Früchten als Erster zu ergattern, so dass fast ein wenig Rennstimmung aufkommt, wenn man sich die Beute stibitzt. Allerdings sollte man dem schwächeren der Mitspieler das Wii U GamePad geben, damit nur er die Position der Beute auf dem Bildschirm sieht - das ist natürlich ein großer Nachteil.
Fazit
Ich weiß nicht, wie viele Erdbeeren, Mangos und Melonen ich in der Zeit verputzt habe, in der ich Pikmin spiele. Dieses Abenteuer sorgt regelrecht für Obsthunger! Und mit seinem zauberhaften Mikrokosmos wirkt es auch knapp ein Jahrzehnt nach Pikmin 2 wie eine kreative Vitaminspritze für ein Genre, in dem sonst eher Soldaten und Panzer aufmarschieren. Zwar sind Steuerung und Wegfindung nicht immer so präzise wie nötig, außerdem vermisse ich sowohl mehr Freiheit in der Kamerasteuerung als auch bessere Funktionen auf dem Touchpad. Aber schon auf dem GameCube habe ich diese ebenso kunterbunte wie anspruchsvolle Echtzeit-Strategie genossen: Man muss taktisch zwischen den fünf unterschiedlichen Pikmin wechseln und sie wie Pioniere einsetzen, um Brücken zu schlagen oder Transportwege frei zu machen. Hinzu kommen interessante Rätselsituationen und knackige Bosskämpfe in stellenweise verblüffend schöner Kulisse. Kurzum: Sehr gute und sehr ansehnliche Unterhaltung für Wii U!
Pro
Kontra
Wertung
Wii_U
Lust auf ebenso hübsche wie anspruchsvolle Echtzeit-Strategie auf Wii U? Dann müsst ihr Pikmin 3 spielen!
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