Im Test:
Unbekannter Helfer
Das Licht flackert gespenstisch in U-Bahn-Schächten, Türen öffnen und schließen sich im endlosen Stakkato, überall liegen Müll, Trümmer und Tote. In pechschwarzen Ecken lauern Zombies, die von Licht und Geräuschen sofort angelockt werden. Der eigene Sichtbereich ist mit Flecken besprenkelt, die Kulisse wirkt beklemmend. Schon nach dem ersten verzweifelten Sprint vor einer gierigen Meute muss man schwer atmen. Wie soll man bloß überleben? Wohin soll man gehen? Immerhin ist man nicht alleine unterwegs: Ein anonymer Fremder lotst einen gleich zu Beginn an einen scheinbar sicheren Ort.
Dort kann man Gegenstände in einer Kiste horten, Waffen aufrüsten, über die Kanalisation schnell in andere Stadtviertel gelangen, sich über erkundete Gebiete informieren oder eine
Als Starttitel für eine neue Konsole kann ZombiU keine grafischen Zeichen setzen. Zwar ist die Kulisse überaus stimmungsvoll, was Licht sowie Interieur angeht, aber sie erreicht en detail nur solides Niveau, was Texturen, Figuren und oftmals redundante Animationen bei Treffern etc. angeht. Hinzu kommen physikalische Patzer, wenn gefallene Zombies durch Türen ragen oder eine Treppe hinauf geprügelt werden. Man kann teilweise auch durch Hindernisse schlagen. Mütze voll Schlaf zum Speichern und Regenerieren nehmen. Mit der Zeit entdeckt man immer mehr dieser Schlupfwinkel, die allerdings ihre Sicherheitslücken haben – eine einfache Tür hält nicht lange! Aber wer ist dieser hilfsbereite Fremde eigentlich? Wer sind die „Raben von Dee“, die überall ihre Zeichen hinterlassen haben? Ein okkulter Geheimbund? Ziel des Spiels ist es, das Geheimnis um die tödliche Plage zu lüften. Und möglichst lange zu überleben. Aber dazu muss man erst mal eine halbe Stunde durchkommen…
Dark Souls lässt grüßen
Die Todesrate in ZombiU lässt sich mit jener von Dark Souls vergleichen. Wenn man nur einmal nicht aufpasst, wird man gebissen und mutiert selbst zum Untoten. Das passiert häufig, wenn man sich auf riskante Kämpfe einlässt. Schon ein Zombie kann zu viel sein, wenn er zu nah heran kommt. Zwar darf man scheinbar recht simpel ohne Ausdauerverlust mit dem Cricket-Schläger draufhauen. Aber das ist kein Beat’em Up mit hoher Schlagfrequenz oder variablen Hieben, kein Dead Rising für experimentelle
Hier hat man nicht das Gefühl von Allmacht, sondern dass ein normaler Mensch in einer Extremsituation um jede Sekunde kämpfen muss. Das wird akustisch von den verzweifelten Schreien unterstützt, die die Figuren im Angesicht der Fratzen bei jedem Hieb von sich geben. Man hat lediglich diesen, zum Glück unzerstörbaren Schläger aus Holz. Und man kann damit lediglich vertikal, also über den Kopf ausholen und zuschlagen. Ohne automatische Zielaufschaltung, sondern manuell, indem man den kleinen Fadenpunkt ins Ziel bringt, bis er sich rot färbt. Aber ein Treffer reicht nicht, man muss die Zombies mehrmals treffen, teilweise bis der Schädel platzt – so explizit und brutal im Nahkampf war bisher nur Condemned. Irgendwann gibt es dann endlich ein schmales Zeitfenster für den erlösenden Finisher: Zielen, Schultertaste länger gedrückt halten, loslassen, autsch…durchatmen.
Knallhartes Kampfsystem
Aufgrund der Munitionsknappheit und Lautlosigkeit ist der heikle Nahkampf bis dahin die bessere Wahl. Man kann sich zwar auf Knopfdruck einmal um die eigene Achse drehen, aber es gibt weder Ausweich- noch Konter-Techniken. Die beste Verteidigung ist das Weglaufen! Es gibt lediglich eine einfache Abwehr über den vertikalen Stockstoß, der den Zombie nicht etwa umwirft, sondern lediglich kurz nach hinten drängt - gegen mehrere oder schwer gepanzerte Feinde unbrauchbar. Resident Evil 6 wirkt mit seinen befreienden Kicks und Munitionsüberschüssen wie ein Kindergeburtstag dagegen. Hier bekommt als Spieler das wichtige Gefühl der Unterlegenheit und recht früh Respekt vor jedem Zombie. Ubisoft Montpellier macht dramaturgisch sehr viel richtig.
Die finale Spritze
Die Zombies reagieren teilweise überraschend scharfsinnig: Manchmal macht man keine Geräusche, wird aber trotzdem umgehend attackiert, weil ihre Sichtlinien sehr weit reichen; selbst im Dunkeln. Wenn man Leitern hinab oder hinauf geht, wird man ab und zu umgehend attackiert, obwohl der Zombie zuvor mit dem Rücken zu einem vor sich hin sabberte. Aber selbst wenn das Spieldesign auf dem schmalen Grad zwischen Unfairness und Anspruch tanzt, und ab und zu fällt, bietet es genug Hilfen an und belohnt Spieler, die sich taktisch anpassen: Es gibt in heiklen Situationen meist eine alternative Route über Geheimgänge oder Schächte, damit man an zu vielen Zombies vorbeikommt. Ärgerlich ist nur, dass man nicht aktiv klettern, geduckt gehen oder springen kann, sondern an vorgegebenen Stellen einen Knopf dafür drücken muss.
Aber man kann die Umgebung clever ausnutzen: Die Untoten sind sehr unbeholfen, wenn sie hüfthohe Hindernisse überwinden – also lockt man sie auf seiner Flucht dorthin und holt dann mit dem Cricket-Schläger von der anderen Seite aus; so ist man relativ sicher, zumal man die Schwächen der Physik dabei ausnutzen kann, denn man haut einfach satt durch massive Gegenstände. Man kann also vorbeugen, wenn man langsam und vorausschauend agiert: Leuchtraketen locken Zombies an einen Fleck, man kann die Höhe oder explosive Fässer und schwelende Brände immer zu seinem Vorteil nutzen. Zwar erreicht das Leveldesign nicht die sukzessive Sogkraft eines Metroid Prime oder Legend of Zelda, aber viele zu Beginn unzugängliche Stellen locken zur späteren Rückkehr: Wo bekomme ich nur C4 her, um diese Stelle freizusprengen? Wer autorisiert mich für diese Sicherheitstür? Wo ist der Dietrich?
Jage deinen mutierten Vorgänger!
Der Rucksack des Gestorbenen ist natürlich futsch. Darin können sich durchaus nützliche und wichtige Gegenstände befinden, von Waffen bis hin zu Heilpaketen oder Missionsitems. Sehr motivierend ist, dass man sich diesen Rucksack wieder schnappen kann, wenn man seinen mittlerweile zum Zombie mutierten Vorgänger findet und erledigt - man jagt sich quasi selbst. Nicht nur der Schwierigkeitsgrad, auch dieses System erinnert angenehm an Dark Souls. Schade ist, dass sich all die spielbaren Londoner bis auf ihren Namen, Geschlecht und Beruf nicht groß voneinander unterscheiden. Es wäre sehr interessant gewesen, wenn ein Polizist z.B. etwas anders agieren würde als ein Bänker oder Drogensüchtiger - selbst, wenn es nur kleine Ticks oder andere Bewegungen gewesen wären. So schlüpft man nicht in die Haut echter Charaktere, sondern lediglich in jene von Figuren mit kleinem Steckbrief.
Wer sind die Raben von Dee?
Die Erzählung entfaltet sich über Zeitungsreste, teilweise akustische Notizen sowie weitere Nebenfiguren – der Mann ist nicht der letzte Kontakt. Aber er kommuniziert als Erster über ein System von Überwachungskameras mit dem Spieler und hat scheinbar einen Plan. In seinem Auftrag soll man die Stadt erkunden und Aufträge erledigen. Meist geht es darum, sich über Keycards irgendwo Zutritt zu verschaffen oder Gegenstände zu besorgen – er ist quasi das Auge, man selbst der Ausführende. Dazu bekommt man ein Hightech-Spielzeug in die Hand, mit dem man nicht nur ständig in Kontakt ist, sondern unbekannte Objekte scannen, Orte nach Feinden abtasten, Kameras aktivieren und Sicherheitstüren hacken kann; also ein sehr nützlicher Multifunktionsradar.
Nützliches Hightech-Spielzeug
Ansonsten dient das Gamepad als virtueller Rucksack mit zehn Plätzen und Charakterbildschirm: Findet man etwas, zieht man es einfach per Finger hinein; Notizen, Fähigkeiten, Werkzeuge, Aufgaben & Co erreicht man über einen Fingertipper. Schade ist, dass man in der digitalen Karte nicht selbst Routen zu Zielen oder Notizen eintragen kann. Trotzdem ist das Gerät lebenswichtig, denn es ortet Feinde und markiert sie als rote Punkte auf der Karte. Von dieser Aufklärung sollte man häufig Gebrauch machen. Allerdings ist sie keine Garantie: Das Radar ortet meist nur bewegliche Ziele und ist auf eine Ebene fixiert. Bevor man also irgendwo eine Etage hinunter springt, was meist Lebenskraft kostet, sollte man sich nicht auf die fehlenden roten Punkte verlassen.
Packende Paniksituationen
Mit der Zeit wird man stärker, vor allem wenn ein Charakter länger überlebt, Waffen wie Karabiner oder Schrotflinte sowie Minen und andere explosive Dinge findet. Aber vor allem gegen eine Übermacht ist immer schnelles Handeln angesagt. Man hat manchmal nur wenige Sekunden Zeit, um sich zu entscheiden: Kampf? Mit Leuchtraketen weglocken? Umlaufen? Man stirbt des Öfteren, weil man auf der Flucht im Dunkeln die Orientierung verliert, nicht rechtzeitig den Knopf für das Überwinden von Hindernissen drückt oder eine Tür entweder zu spät öffnet bzw. schließt. Das sind tolle Paniksituationen! Sprich: Man muss immer genau wissen, was man machen will. Weniger gut gelungen ist das Aufbrechen von Türen: Dann muss man einfach schnell auf die Holzplanke des Touchpads tippen, bis eine Energieleiste verschwunden ist; auch das teilweise mehrstufige Knacken von Schlössern mit dem Dietrich ist leider sehr simpel gestrickt: Man wartet einfach an der richtigen Stelle auf den Rumble und es macht Klick. Das Wii U-Gamepad
Wenn man das relativ schwere Gamepad nur mit links hält, weil man bei einem Scan z.B. etwas auf dem Touchscreen mit der rechten Hand berühren muss, kann es manchmal zu Wackelsituationen kommen. Aber in der Regel wirkte die Steuerung des Scanners präzise genug; sobald es Probleme mit der Verbindung gibt, wird das angezeigt. Ansonsten nutzt man das Touchpad auch am Geschütz zum Zielen: Es gibt ein paar überflüssige MG-Stationen, an denen man mit dem kleinen Bildschirm zielt und feuert.
Waffen und Fähigkeiten verbessern
Die persönlichen Fähigkeiten einer Figur gehen aber permanent verloren. Überlebt eine Figur länger, kann sie eine Stufe aufsteigen. Dann steigert sich je nach vorherigem Gebrauch eine ihrer sechs vierstufigen Waffentalente: Pistolen, Gewehre, Maschinenpistolen, Schrotflinten, Armbrüste sowie Sturmgewehre. Zu Beginn wird z.B. das Pistolentalent um eins erhöht, wenn man damit gefeuert hat. Das ist zwar nur ein Punkt, aber der ist umgehend im Kampf spürbar, denn die Zombies lassen sich schneller mit Kugeln niederstrecken. Es lohnt sich also, möglichst lange am Leben zu bleiben!
Kein klassischer, aber interessanter Online-Modus
Zwar hat Zombi U keinen Online-Modus, aber dafür kann man über das Internet auf ein Ranglisten- sowie Nachrichtensystem zurückgreifen, das ebenfalls an was erinnert? Richtig: Dark Souls. Wer online die Kampagne spielt, darf nicht nur Warnsymbole für andere per Sprühdose an Wänden hinterlassen, sondern bekommt Meldungen vom Fortschritt, Aufenthalt und Status seiner Freunde. Sollten diese irgendwo zum Zombiemutiert sein, kann man sie aufsuchen und töten, um an deren Rucksack zu kommen. Leider konnten wir das Online-Erlebnis bisher nicht mit der Verkaufsversion ausprobieren, denn diese darf erst zum Release nach einem großen Update online gehen - daher behalten wir uns vor, die Einschätzung nachträglich anzupassen.
Man kann lediglich in lokalen Mehrspielermodi offline zu zweit loslegen, wenn es in fünf Arenen zwischen dem König der Zombies auf der einen und seinen menschlichen Widersachern auf der anderen Seite zur Sache geht. Hier sollte man den normalen Controller oder eine Remote plus Nunchuk einsetzen. Interessant ist, dass man als untoter Herrscher in Feldherrenmanier eine begrenzte Zahl an Schergen kontrollieren und bewegen kann, während die Helden ganz normal als Individuen über Waffen & Co agieren.
Was kann man spielen? Drei Modi: Assault, Killing Box und Survival. In Ersterem geht es um das taktische Sichern von Fahnen und Gebieten; pro Flagge gibt es einen Punkt und wer die Zielzahl erreicht hat, der gewinnt. In Assault geht es knallhart um Kämpfe und Kills. In Letzterem muss der Zombiespieler die Menschen so schnell wie möglich töten, während selbige so lange wie möglich überleben müssen. Wer am Ende noch steht, müsste der Sieger sein.
Fazit
Glückwunsch an Ubisoft Montpellier: Das ist ein exklusives Highlight für Wii U! Auch wenn es technisch als Starttitel einer neuen Konsole ernüchtert und ärgerliche physikalische Fehler hat: Hier erlebt man im Gegensatz zu Resident Evil 6 packenden Survival-Horror alter Schule, bei dem man vor jedem Zombie Respekt hat. Die Entwickler machen dramaturgisch vieles richtig, denn sie vermitteln dem Spieler die Angst um das eigene Leben auf der einen sowie die Aussicht auf das Überleben auf der anderen Seite – so entsteht situative Spannung. Man muss blitzschnell reagieren, auch mal wegrennen und über den cleveren Einsatz des Scanners und Radars erkunden; das Touchpad wird hier so sinnvoll eingesetzt, dass sich Samus Aran fast von alleine auf der Couch materialisiert. Sorry für die Abschweifung: ZombiU ist zwar hinsichtlich des Leveldesigns sowie der Fähigkeiten lange kein Metroid Prime. Aber es ist der kleine schlurfende Bruder von Dark Souls, das vom gnadenlosen Tod, der Rucksackwiederbeschaffung bis hin zum Online-Nachrichtensystem immer wieder durchscheint. Dabei bewegt sich das Spielerlebnis auch hier auf dem schmalen Grat zwischen unfair und anspruchsvoll, wobei Letzteres klar überwiegt. Man fällt zwar ab und zu in ein Frustloch, aber das Spielsystem belohnt aufmerksame und taktisch vorgehende Abenteurer, so dass immer wieder der Ehrgeiz geweckt wird. Wer Lust auf ein knallhartes Erlebnis hat, wird mit ZombiU sehr gut unterhalten.
Pro
Kontra
Wertung
Wii_U
Glückwunsch an Ubisoft: ZombiU inszeniert packenden Survival-Horror alter Schule!
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