Persona macht auf Personenkult
Schon mit dem ersten Blick auf das knallbunte Design, das sich nicht nur durch die Menüs, sondern auch u.a. durch die Gesprächsbildschirme zieht, wird klar, dass Atlus bei Tokyo Mirage Sessions #FE die Nähe zur eigenen
Persona-Serie sucht, die in Amerika noch dieses Jahr mit Teil 5 starten möchte. Und das setzt sich bei Ähnlichkeiten der Story bzw. Hauptfiguren fort. Beide setzen auf Jugendliche bzw. junge Erwachsene als Protagonisten. Elemente, die sich um Verantwortung, Loyalität oder das Erwachsenwerden drehen, findet man ebenfalls hier wie da. Sowohl in Persona als auch in
Tokyo Mirage kämpfen die Hauptfiguren gegen eine geheimnisvolle Macht, die sich in ihrer Welt breit macht. Doch wo die Persona-Serie auf düstere Mystery setzt, in der die High-School-Schüler mitunter auch noch in einer Art „Lebensimulation light“ ihren Tagesablauf bzw. ihr Schulleben planen, konzentriert man sich hier auf die Kernelemente des japanischen Rollenspiels: Dialog, Level- bzw. Dungeonerforschung, Kämpfe und Charakteraufstieg – in dieser Schleife als Dauerberieselung.
Die aufwändig inszenierten Rundenkämpfe gehören zu den Höhepunkten von Tokyo Mirage Sessions.
Zudem entfernt man sich vom High-School-Thema und verlagert die Erzählung in die Welt der leichten Unterhaltung, der darstellenden Künste und der japanischen Pop-Kultur mit ihrer Idolisierung. Die Protagonisten sind Gesangsstudenten, Schauspielschüler oder Performance-Künstler. Und die geheimnisvolle Macht, die in diesem Fall das reale Tokyo mit seinen Sehenswürdigkeiten und Distrikten wie Shibuya oder Harajuku heimsucht, wird ebenfalls passend in Personenkult und Künste eingebunden. Im Prolog wird man Zeuge eines geheimnisvollen Vorfalls, bei dem das Publikum eines gesamten Opernhauses – mit Ausnahme einer der Hauptfiguren – verschwindet und ist sogar Zuschauer einer japanischen Casting-Show, die dann allerdings aus dem Ruder läuft. Später kommen ständig weitere Referenzen zu J-Pop, Personenkult und Pop-Kultur hinzu – auch wenn die Story keine großen Überraschungen bietet und zu Vorhersehbarkeit neigt, wird sie unterhaltsam dargestellt. Teilweise auch über Social-Media-Dialoge, denen man auf dem Wii-U-Gamepad folgt, das ansonsten aber kaum sinnvoll genutzt wird und auch kein Spiel abseits des TV ermöglicht.
FE-Mirage statt Persona
Die Präsentation ist durchgehend stimmungsvoll und auf die Themen Popkultur sowie Idolisierung zugeschnitten, könnte aber hier und da aufwändiger sein.
Um dem Shin-Megami-Tensei-Ansatz weiterhin gerecht zu werden, gibt es hier mit den so genannten „Mirages“ eine Variation der Personas, die in der „Hauptserie“ beschworen werden können. Darunter fallen aber nicht nur die Gegner, sondern auch quasi „gute Geister“ aus einer anderen Dimension, die mit der jeweiligen Spielfigur im Kampf zu ihrer „Carnage Form“ verschmelzen. Und hier kommt endlich
Fire Emblem ins Spiel. Denn die Mirages der Spielerfiguren, die unter dem Deckmantel einer Künstleragentur (ja, alles ist ein wenig skurril) in etwa die Mirage-Version der Ghostbusters darstellen, stammen alle aus der Welt von Nintendos hoch gelobter Taktik-Rollenspielserie. Chrom z.B., der den Hauptcharakter Itsuki Aoi unterstützt, stammt ebenso aus
Fire Emblem: Awakening wie Tharja oder Virion. Draug wiederum ist u.a. in Fire Emblem: Mystery of the Emblem spielbar, während andere Figuren aus der Akaneia Saga auf SNES stammen. Die Verbindung der Serien in dieser Form wirkt zwar leicht konstruiert, aber niemals erzwungen und wird zum einen plausibel erklärt und zum anderen harmonisch eingebunden.
Dennoch werden sich Fire-Emblem-Fans vermutlich wünschen, dass „ihre“ Inhalte besser und häufiger zur Geltung kommen würden. Denn im Kern ist Tokyo Mirage ein hinsichtlich der Komplexität und damit der Zugänglichkeit heruntergeregeltes Shin Megami Tensei, bei dem die Figuren mit Ausnahme von Tiki, die hier als Vocaloid auftaucht, nur einen gelungenen Cameo-Auftritt hinlegen. Der wertet das Rollenspiel zwar auch hinsichtlich des Artdesign auf, hätte aber auch problemlos mit x-beliebigen anderen Figuren erledigt werden können. Immerhin kommt auch beim rundenbasierten Kampfsystem die Vermengung beider Serien zum Tragen. Während man aus Fire Emblem das Schere-Stein-Papier-Prinzip hinsichtlich der Effektivität bestimmter Waffen kennt, wurden aus Shin Megami Tensei die Anfälligkeiten für bestimmte Elemente übernommen.