Affordable Space Adventures14.04.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Das Gamepad als Cockpit

Endlich wird das Wii-U-Gamepad wieder richtig ausgenutzt: In Affordable Space Adventures liegt ein ganzes Cockpit aus Schiebereglern auf dem Touchscreen. Funktionen wie Anti-Schwerkraft, Entschleuniger und Masse-Generator erfordern viel Feingefühl, wenn man nicht in außerirdischen Fallen zerquetscht werden will. Ein erfrischender Arcade-Titel?

Weltraumreisen für Jedermann!

Seltsam, dass nicht früher jemand drauf gekommen ist: Der Touchscreen der Wii U ist schließlich wie gemacht für ein virtuelles Cockpit voller Regler. Allzu viele sind es zwar nicht – im Gegensatz zum Mech-Klassiker Steel Battalion besitzen aber alle davon eine wichtige Funktion. Nach einer kurzen Gewöhnungsphase fühlt es sich richtig natürlich an, das kleine Touristen-Raumschiff mit Hilfe virtueller Knöpfe durch außerirdische Grotten zu navigieren. Ich drehe den Schubregler voll auf, um mit Schmackes eine Barriere aus dem Weg zu stupsen. Nur nicht zu viel Power, sonst überhitzt der kleine Verbrennungsmotor und Flammen züngeln aus dem Maschinenraum. Im Wasserbecken dahinter muss ich die Maschine ohnehin deaktivieren; stattdessen drehe ich den Massegenerator auf, sinke wie ein Stein zu Boden und rutsche mit einem kratzenden Schleifgeräusch eine Schräge hinab. Na also: Nachdem ich die Masse wieder verringert habe, tauche ich am anderen Ende des Beckens auf – und schlüpfe durch den Ausgang des kleinen Levels. Jedes davon ist nur wenige Minuten kurz, so dass sich die Wunderwelt unter der Erde in gut verdaulichen Häppchen erkunden lässt.

Das Cockpit für den Schoß: Die Steuerungs-Systeme auf dem Gamepad erfordern viel Fingerspitzengefühl.
Auch davon abgesehen müssen Anfänger keine Angst haben, mit wirren Funktionen oder Hebeln überlastet zu werden. Im Kern ist Affordable Space Adventures ein einfaches Erkundungsspiel im Stil des Arcade-Klassikers Thrust, allerdings garniert Entwickler KnapNok Games das Prinzip mit einigen interessanten Antriebssystemen. Sie werden allesamt behutsam im Laufe des Spiels erklärt, um den Piloten nicht zu überfordern. Die Flugrichtung steuere ich intuitiv mit dem linken Stick, die nötigen Feinheiten werden mit den Reglern und einigen Knopf-Shortcuts dazu geschaltet.

Fingerspitzengefühl gefragt

Auch das vergilbte Retro-Handbuch des Vehikels wurde charmant gestaltet, davon abgesehen begrenzt sich die Rahmenhandlung leider auf das Nötigste: Als Weltraumtourist habe ich mir ein robustes kleines Ausflugsschiff gemietet, um eine außerirdische Höhlenwelt zu erkunden. Laut Broschüre ist sie natürlich völlig sicher, in Wahrheit spuken aber allerlei fiese Wachroboter in den Grotten herum, die von einem vor Urzeiten abgestürzten Alien-Schiff stammen sollen. Im Gegensatz zu Pixeljunk Shooter oder Metroid: Prime wird das Thema aber kaum vertieft. Stattdessen konzentriert sich das Spiel auf die Erkundung, Rätsel und geschickte Manöver. Um z.B. einen Schalter zu erreichen, muss ich mit dem robusten Schiffchen coole akrobatische Manöver meistern: Ich fahre das rutschige Fahrgestell aus und gebe ordentlich Schub, damit das Vehikel über eine Schiene schliddert und schließlich in die Höhe zum Schalter geschleudert wird.

Urlaub mal anders: Die Erforschung außerirdischer Grotten birgt enige Gefahren.
Leider lauert daneben ein Verteidigungsroboter, der mich binnen Zehntelsekunden mit dem Maschinengewehr durchlöchert. Als ich ihn mit meinem Lichtkegel scanne, erfahre ich immerhin, dass er auf Elektrizität reagiert. Also versuche ich, die Spannung möglichst niedrig zu halten und reduziere sämtliche elektrischen Systeme aufs Minimum. Leider bleibt so nicht mehr genügend Schwung, um mich nach oben zu schubsen. Nach kurzem Grübeln geht mir ein Licht auf: Ich bringe mein Schiff mit maximalem Schub in Wallung und schalte kurz vorm Ziel den Elektromotor ab. Bingo: Der Wächter registriert mich nicht, als ich in seinen Radius eindringe. Also muss ich nur noch mit dem richtigen Timing eine Leuchtrakete auf den Schalter abfeuern – und genügend Schwung einkalkulieren, damit ich wieder in Sicherheit rutsche.

Erhebende Experimente

Wenn es klappt, sorgen die Berechnungen für richtig schöne Erfolgserlebnisse. Mit der Zeit habe ich mein kleines robustes Schiffchen richtig lieb gewonnen, weil sich so viel damit anstellen lässt. Fahre ich das klebende Fahrgestell aus, reise ich auch über Kopf an beweglichen Teilen mit. Hitzeempfindliche Gegner lassen sich mit dem Verbrennungsmotor austricksen. Da sie oft zusätzlich auf Lärm reagieren, muss ich den Schub trotzdem vorsichtig dosieren. Manchmal deaktiviere ich sogar das Stabilisierungs-System und ruckle dementsprechend wild eiernd durch die Luft – anderswo schlüpfe ich durch Portale oder kippe ich das Gamepad, um mein Raumschiff auszurichten und durch eine schmale Lücke zu passen. Die Entwickler beweisen viel Fingerspitzengefühl dafür, wie man Nintendos Controller sinnvoll mit dezenten Bewegungen in ein Spiel einbindet. Auch die mysteriöse Höhlenwelt trägt ihren Teil zur Faszination bei, z.B. mit fiesen Fallen wie den ledrig quietschenden Greifarmen. Sie strecken sich erbarmungslos in die Richtung des Schiffes aus, um ihn schließlich wie eine fleischfressende Pflanze zu zerquetschen. Durch den gekonnt ausbalancierten Wechsel zwischen Puzzles und Geschicklichkeitsabschnitten ergibt sich ein schöner Spielfluss.

Achtung, Rätsel!
Schade, dass visuell deutlich weniger Aufwand ins Abenteuer geflossen ist. Auf den ersten Blick wirkt es zwar durchaus stimmungsvoll, die schummrigen Szenarien mit der Schiffsfunzel auszuleuchten, es mangelt aber an Details und Abwechslung. Oft begegne ich hunderte von Metern weit recht ähnlichen Felsformationen. Schade außerdem, dass rund die Hälfte der Zeit leichte Ruckler auftreten. Den Spielfluss stört das zwar nicht, trotzdem wäre es ohne natürlich schöner.

Fast wie auf der Brücke

Sehr gelungen wirkt dagegen der ruhig und geheimnisvoll gehaltene Soundtrack. Nur ab und zu durchsticht ein fremdartiges Klingeln oder Quietschen die ruhigen Akkorde und das Rauschen des Windes. Einen Online-Koop haben sich die Entwickler gespart – lokal gibt es aber eine schöne Möglichkeit, den Piloten zu unterstützen:

Achtung, Viech!
Wer möchte kann jederzeit mit Wiimote (plus Nunchuk) oder Pro-Controller ein- und wieder aussteigen, um dem Piloten einige Funktionen abzunehmen. Einer steuert die Funzel und scannt gefährliche Fallen, der zweite steuert das Schiff, während der dritte Spieler auf dem Touchscreen die Regler betätigt. Mit vereinten Kräften kann die Reise etwas einfacher werden – natürlich nur, sofern man sich vernünftig abspricht und Kommandos gibt. Für Anfänger gibt es übrigens auch einen leichteren Modus mit vereinfachter Steuerung.

Fazit

Affordable Space Adventures beweist, wie sinnvoll sich das Gamepad der Wii U einsetzen lässt. Das Hantieren mit zahlreichen Reglern, Antriebs- und Stabilisationssystemen erzeugt ein cooles Spielgefühl, welches das klassische Arcade-Prinzip deutlich aufwertet. Nur wenn ich im passenden Moment Schub gebe, zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor wechsle und feinfühlig an den Reglern spiele, gelingen die akrobatischen Manöver zum Austricksen von Schwerkraft und außerirdischen Fallen. Der lokale Koop ist ebenfalls gelungen, da sich Steuerfunktionen wie bei einer echten Crew aufteilen lassen. Schade, dass man nicht auch online zusammenarbeiten darf. Außerdem wirken die Story und einige Kulissen etwas trist. Davon abgesehen steckt aber ein faszinierender Mix aus Puzzles und Geschicklichkeit im Spiel, der das Gamepad so gut ausnutzt wie kaum ein anderer Titel!

Pro

mysteriöse Höhlen voller fieser Fallen
coole Navigation mittels zahlreicher Motoren, Techniken und Regler
ausgewogener Mix aus Erkundung, Rätseln, Geschicklichkeit und Koordination
hervorragender Einsatz des Wii-U-Gamepads
gut ausbalancierte Kopfnüsse
zwei Freunde können lokal auf sinnvolle Weise helfen
stimmungsvolle Beleuchtung
geheimnisvoll ruhiger Soundtrack
charmant präsentiertes Raumschiff-Handbuch

Kontra

minimalistische Geschichte
Höhlenwände mitunter etwas trist und repetitiv
kein Online-Koop
leichtes Ruckeln

Wertung

Wii_U

Cleveres Navigations-Spiel in fallengespickten Höhlen, welches die Möglichkeiten des Gamepads vorbildlich ausnutzt.

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