Splatoon27.05.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Es wird bunt auf der Wii U

Nintendo will Farbe in den Shooter-Alltag bringen: In Splatoon (ab 39,00€ bei kaufen) dienen die Farbspritzen nicht nur als Waffe, sondern sauen auch die Arenen mit der Farbe des eigenen Teams ein. Auf Knopfdruck kann man sogar durch die Lache tauchen, um den Gegner wie aus dem Nichts mit der fetten Malerrolle platt zu kloppen. Ein buntes Fest der Schadenfreude?

Flatsch!

Natürlich dreht sich Splatoon in erster Linie ums bunte Mehrspieler-Gemetzel. Da wir aber erst einige Stunden in den Modus für bis zu acht Personen hineinschnuppern konnten, konzentrieren wir uns im ersten Teil des Tests zunächst auf Spielmechanik, lokale Matches sowie die Story. Wir warten also ab, wie gut sich die Online-Performance zum Start am Freitag und in den Tagen danach schlagen wird. Bei den Stresstests mit der Demo und unseren ersten Stunden mit der Review-Fassung kam es nämlich gelegentlich zu Netzwerk-Problemen. Ursprünglich sollte Splatoon übrigens ein reiner Mehrspieler-Titel werden. Einige Monate vor Launch reagierte Nintendo aber auf die Kritik und stattete das Spiel noch mit einer kleinen Kampagne aus. Nach rund fünf Stunden ist man zwar schon durch, aber das Spielgefühl hebt sich deutlich ab. In Online-Spielen kämpft man blitzschnell und verbissen darum, möglichst viel Fläche der Arena mit seiner eigenen Farbe voll zu pladdern – und schießt nebenbei lästige Mitspieler über den Haufen. Der Story-Modus wirkt dagegen etwas ruhiger und erinnert mit seinen verwinkelten schwebenden Inseln voller Fallen und Klappmechanismen eher an Plattformer wie Super Mario Galaxy.

Knuffig aber nicht besonders clever: Die Gegner werden nur in unebenem Terrain zur Herausforderung.
Dass Nintendo den Modus eher als kleines Extra ansieht, erkennt man auch an der verschämten Art und Weise, mit der er in der Oberwelt präsentiert wird: „Ach ja, und dann ist da noch dieser schräge Typ“, erklärt mir das Tutorial und zeigt auf einen verschrobenen Seefahrer, der in einem Gulli verschwindet. Wenn ich hinterher springe, lande ich in einer unterirdischen Welt voller schwebender Inseln, zwischen denen ich mit Hilfe blubbernder Farbseile umher reise. Jedes Eiland besitzt eine Reihe versteckter Level-Eingänge, die ich mit der Farbspritze sichtbar mache.

Ständiger Wechsel zwischen Schießen und Abtauchen

Auch hier dreht sich alles um die Fähigkeiten meiner Farbspritze: Zuerst splattere ich einem bewaffneten Tentakelmonster eine volle Ladung entgegen, bis er schließlich zerplatzt. Anderswo kommt die Verwandlung in einen kleinen Tintenfisch zum Einsatz: Ich sprühe den Boden vor mir mit Farbe ein, verwandle mich per Knopfdruck in ein kleines Weichtier und tauche in die Farbe ein. Auf diese Weise flutsche ich viel schneller voran als ich zu Fuß laufen könnte. Lediglich trockene Flächen oder feindliche Farben bremsen mich aus. Wenn hinter der Biegung ein aggressiver Paintball-Spieler auftaucht und mich mit Farbe eindeckt, fügt mir das z.B. ziemlich viel Schaden zu. Also ziehe ich mich lieber hinter eine Deckung zurück, lade in der Farbe etwas Lebensenergie auf und verwandle mich in die menschliche Form zurück, um ihn mit Schmackes unter Beschuss zu nehmen.

Auch Farbgranaten sind hier nützlich: Manche explodieren prompt wie eine Wasserbombe, andere erst verzögert. Einige flitzen wie ein Torpedo am Boden entlang zum Ziel und hinterlassen eine nützliche Farbspur, in der ich schnell voran tauchen kann, um nachzusetzen. Schön gelöst ist auch das Aufladen der Munition: Die Spritze und Granaten greifen auf einen gemeinsamen Tank zurück, der sich schnell durch einfaches Abtauchen in freundlicher Farbe auflädt.

Eher Plattformer als Shooter?

Praktisch: Die Schwämme lassen sich mit der Kanone auf gigantische Größe auffüllen.
Ein Tauchgang erweist sich auch im Story-Modus als äußerst praktisch. Wenn ich erst einmal in der Farbe lauere, können mich die meisten Gegner nicht mehr orten. So pirsche ich mich effektiv auch an Scharfschützen heran. Manchmal thronen sie auf Podesten, an denen ich vor einer Attacke erst einmal mit Farbklecksen empor schwimmen muss – allzu weit schießt meine Spritze schließlich nicht. Die meisten Gegner lassen sich aber zu einfach austricksen, indem ich einfach ein wenig seitlich ausweiche oder zwischendurch in die Farbe abtauche. Auch die auf dem Feld herumlaufenden Paintball-Soldaten bieten nur simple Angriffsmuster. Wenn sie mich mit einem Farbstrahl-Stakkato überraschen, bin ich zwar im Handumdrehen tot und lande am letzten der zahlreichen Checkpoints - nach ein paar Auseinandersetzungen hatte ich mich aber bereits auf ihre Taktiken eingestellt. Sobald ich mich ihnen vorsichtig näherte und  im direkten Zweikampf verbissen draufhielt, hatten sie kaum noch eine Chance.

Die zu leichten Schusswechsel gegen KI-Gegner sind also ein klarer Schwachpunkt, doch zum Glück stehen sie nicht im Fokus der Story: Meist werden sie nur eingestreut, um die Sprung- und Geschicklichkeitspassagen kniffliger zu gestalten. Wenn ich mit dem passenden Timing einige Plattformen überqueren muss, wird es schon etwas anspruchsvoller. Ich spritze einen Pfad auf einen durch die Luft zischenden Würfel und baue auch vor meinen Füßen eine Rampe aus Farbe, um genug Geschwindigkeit für einen Sprung aufzubauen. Ich tauche ab, hüpfe im passenden Moment mit Schmackes über die Lücke und düse am schwebenden Quader empor. Oben angekommen tauche ich schnell unter einem Gitter hindurch, durch das ich der menschlichen Form nicht hätte schlüpfen können. Immer wieder lockern kleine mechanische Kniffe die Action auf gelungene Weise auf: Mal bewege ich eine Propeller mit meinem Farbstrahl, um Plattformen auszuklappen und sie danach schnell genug zu überqueren – anderswo saugen sich kleine Schwammquader voll, bis ich sie als Untergrund nutzen kann.

Sauerei erwünscht!

Auch auf den Schwämmen muss ich allerdings aufpassen, dass die gegnerischen „Oktorianer“ sie mir nicht mitten in der Luft unter den Füßen wegschießen. Wirklich knifflig wird es auch dort nicht, unterhaltsam und abwechslungsreich gestalten sich die Hüpfparcours aber allemal. Nach dem Aufladen einer entsprechenden Leiste kann ich außerdem eine Superwaffe einsetzen, die mich z.B. kurzzeitig in einer schusssicheren Kugel einschließt oder einen riesigen Farbtornado entfacht. Der im Gulli verschwundene Käpt’n Kuttelfisch erklärt mir zu Beginn des Abenteuers, dass die fiesen Oktorianer einen riesigen Elektrowels entführt haben, der normalerweise die komplette Stadt mit Strom versorgt.  Also klappere ich die Levels ab, an deren Ende ich jeweils einen kleinen, vor Strom knisternden Fisch befreie. Ab und zu faselt der Käpt’n mir ein paar mutmachende Parolen ins Funkgerät - davon abgesehen spielt die Rahmenhandlung aber kaum noch eine Rolle. Die Oktorianer wollten Rache „für die Schmach vor hundert Jahren“ nehmen, berichtet mein Auftraggeber mir; die örtlichen Nachrichten berichten außerdem von einer Ufo-Sichtung.

Tentakelmonster voraus!

Vorsicht, Farbdusche: Die Flüssigkeits-Physik ist Nintendo prima gelungen. Wenn man Wände ansprüht, kann man sogar an ihnen empor tauchen.
Immerhin haben sich die Entwickler aber ein paar lustige Endgegner ausgedacht. Ein fetter Domino-Stein und diverse Tintenfischmonster decken mich meist aus der Mitte einer kreisrunden Arena ein. Also halte ich mit meiner Spritze dagegen, flitze in der eigene Farbe zum Boss, zwinge ihn mit ein paar gezielten Schüssen in die Knie und malträtiere schließlich seine sich windende Tentakel-Schwachstelle, bis sie mit einem lauten Knall zerplatzt. Die große Schweinerei und auch andere glubschige Gegner wurden schön albern animiert.

Auch die perfekt sauberen 60 Frames (bis auf die Oberwelt) und die glaubwürdige Flüssigkeits-Physik schmeicheln den Augen. Wenn ich mit der Knarre du Granaten meine Umgebung einsaue, habe ich wirklich das Gefühl, das vor mir glänzende Farbe auf den Asphalt klatscht und sich mit anderen Tropfen verbindet. Die Hintergründe am Horizont wirken zwar etwas karg, das grafische Gesamtbild aber gelungen. Sehr cool ist auch der alberne Mix aus Rock- Punk- und Electro-Tracks. Die mit einem Wah-Wah gefilterten Gitarren passen prima zum Thema und sorgen im schnellen Spielablauf für den nötigen Adrenalinrausch. Dazu kommen wild blubbernde Sprachfetzen, die ebenfalls bestens zum Wasserschlacht-Thema passen. Zusätzlich lassen sich auch einige Geheimdokumente mit Konstruktionsplänen sammeln. Wer die in den Levels verstreuten Bonus-Punkte einsackt, kann Waffe, Farbtank und die Granaten ein wenig aufmotzen. Im Vergleich zur Shooter-Konkurrenz wirken die simplen Upgrades mickrig, passen aber gut zum Arcade-Ansatz des kurzen Spiels. Die Fortschritte lassen sich übrigens nicht in den Mehrspielerpart übernehmen: Dort gibt es ein eigenes, viel üppigeres Upgrade-System mit zahlreichen Waffengattungen, Perks und Klamotten – doch dazu später mehr.

Lokale Duelle auf TV und Gamepad

Dieser Quadratschädel stampft als erster Boss durch die Arena.
Ein wenig ausgetobt haben wir uns bereits im lokalen Zielscheiben-Duell, bei dem ein Spieler auf den Schirm des Gamepads schaut und der andere auf dem TV spielt, z.B. mit dem Pro-Controller. Ähnlich wie im altbekannten Modus King of the Hill flitzen zwei Spieler unter Zeitdruck zu markierten Arealen, um möglichst viele Ballons abzuballern. Wer früh genug dort ist, kann sich auch in der Tinte verstecken und sein Gegenüber mit einem Schwall Farbe überraschen – Schadenfreude garantiert!

Wie im Online-Spiel lassen sich hier die unterschiedlichen Waffen wie ein fetter Farbroller nutzen, der sich prima als Nahkampf-Keule eignet. Schade ist allerdings, dass im Zielscheiben-Duell nur zwei Spieler antreten dürfen – und das nur lokal. Online ist der Modus zumindest bislang nicht verfügbar. Immerhin wird die Grafik aber auch hier sauber und flüssig berechnet. Ein Versäumnis ist außerdem, dass sich der Hauptmodus „Herrschaft“ nur online und nicht lokal im Splitscreen spielen lässt. Als ich am Wochenende drei Freunde zu Gast hatte, wurden zwei von ihnen zum Zuschauen verdonnert – nicht gerade partytauglich…

Erste Eindrücke aus dem Online-Spiel

Auf die Mehrspieler-Matches werden wir im zweiten Teil des Tests näher eingehen, hier trotzdem schon einmal meine ersten Eindrücke: Wenn wir in der Review-Fassung genügend Spieler zusammenbekamen, gestalteten sich die Matches meist sehr lustig, schnell und actionreich. Ziel ist es, möglichst viel Fläche des Feldes mit dem eigenen Farbton zu bemalen. Die eher kleinen Areale befinden sich z.B. inmitten eines Skateparks oder in einem Einkaufszentrum. Praktisch ist der Sprung übers Spielfeld per Touchscreen: Wenn ich dort sehe, dass ich anderswo dringend gebraucht werde, tippe ich einfach auf einen Teamkameraden und springe binnen Sekunden übers Feld zu ihm, um dort beim Einfärben des gegnerischen Terrains zu helfen. Interessant sind die sehr unterschiedlichen Waffen, die sich nach Level-Aufstiegen aufmotzen lassen. Eine klassische Spritzpistole sprenkelt die Fläche langsam zu und erledigt Feinde auf mittlere Distanz, der fette Farbroller färbt dagegen komplette Stege im Handumdrehen ein und eignet sich prima als Nahkampfwaffe. Einfach in der Farbe verstecken, hinter einer Ecke lauern und schon erledigt man das überraschte Gegenüber mit einem kräftigen Schlag bzw. Spritzer aus der Luft – herrlich!

Links sieht man einen auf Grund gelaufenen Tintenfisch, in den sich der Spieler jederzeit verwandeln kann.
Gerade als Anfänger hatte ich viel Spaß mit dem Roller und befürchtete schon, dass er im Vergleich zu den Spritzen zu stark sein könnte. Nach meinen ersten Stunden kann ich die Befürchtung zumindest nicht bestätigen: Als ich mich auf die Taktik der Roller eingestellt hatte, konnte ich viele von ihnen mit einer normalen Spritze im Rückwärtsgang ausschalten. Eine gute Waffenmischung im vierköpfigen Team könnte sich auf lange Sicht als wichtig erweisen.

Halbfertig veröffentlicht?

Mit dem Scharfschützen bin ich allerdings auch nach mehreren Matches nicht wirklich warm geworden. Hier bietet es sich an, die Bewegungssteuerung wieder zu aktivieren, um präziser zielen zu können. Mit dem rechten Stick gestaltet sich das Anpeilen viel zu unpräzise. Bei anderen Waffen kommt es dagegen nicht so sehr auf Genauigkeit an, weswegen ich dort bislang lieber mit klassischer Zweistick-Steuerung spiele. Was sich ebenfalls bereits bemerkbar machte, ist der Mangel an Optionen im Matchmaking sowie der begrenzte Umfang: Die wenigen Karten wiederholten sich in der automatischen Spielersuche bereits häufig und das Spiel unterstützt nicht einmal Sprach-Chat.

In der Oberwelt lassen sich aufgemotze Exemplare der Waffen erwerben. Auch Kleidung mit kleinen Perks ist in Geschäften erhältlich.
Viele Modi und Optionen werden sogar erst mit einem kostenlosen Update im August nachgeliefert. Zum Launch soll man sich lediglich mit der automatischen Spielersuche in die Matches stürzen können. Die Möglichkeit, privat mit Freunden zu spielen oder vorab Vierer-Teams zu bilden, kommt erst mit dem großen August-Update. Dann sollen auch neue Karten, Ausrüstungsgegenstände und Modi wie „Operation Goldfisch“ oder „Turm-Kommando“ folgen. Außerdem hatte bereits die Testfassung gelegentlich mit Netzwerk-Problemen und Verbindungsabbrüchen zu kämpfen. Wenn ein Match lief, kam es bislang aber immerhin nicht zu Lags.

Update zum Online-Modus vom 2. Juni 2015:

Nachdem wir uns am Wochenende ausgiebig im Einsteiger-Modus Revierkampf ausgetobt haben, sind wir heute noch in den frisch veröffentlichten Modus Herrschaft eingetaucht. Nur wer sich bereits auf Level 10 hochgekämpft hat, darf in der neuen Spielvariante mitmischen. Sie läuft nach komplett eigenen Regeln ab und beeinflusst den zweiten Rang der Figur, der bei schlechten Leistungen auch fallen kann. Neben der Schnellfeuerwaffe N-ZAP '85 ist mit dem Heilbutt-Hafen auch eine neue Arena im Update enthalten. Der neue Modus Herrschaft funktioniert ähnlich wie in anderen Shootern. Hier muss man die ein bis zwei neutralen Zonen allerdings mit seinen Waffen einfärben, um ihn einzunehmen. Durch diesen Kniff sowie die eigenwilligen Splatoon-Mechaniken entfalten sich erfrischend neue Taktiken, die sich auch je nach Ausrüstung ändern. Stürme ich so schnell wie möglich zur Zone? Oder lege ich vor dem Zielgebiet erstmal einen großräumig farbigen Rückzugsraum an, in den wir zur Not flüchten können?

Kein monotoner Gebäudestreich-Simulator: Das Einfärben und Abtauchen spielt sich erfreulich frisch und dynamisch.
Wenn ich zunächst ein wenig den Boden anmale, lädt sich außerdem meine Spezial-Attacke auf. Danach kann ich meine Feinde z.B. genüsslich mit einer Kurzstreckenrakete aus dem Ring sprengen, damit wir blitzschnell nachsetzen und uns die Zone mit vereinten Kräften unter den Nagel reißen können. Wenn in der Mitte die Action tobt, kann es auch sinnvoll sein, sich auf den schmalen äußeren Pfaden am Gemetzel vorbei zu schleichen und dort ein wenig „bunte Infrastruktur“ aufzubauen. Danach postiere ich mich auf einer Scharfschützen-Plattform und zersplattere die Eindringlinge aus der Luft – was für ein Spaß!

Das flutscht ja prima!

Ein Großteil der Motivation von Splatoon rührt daher, dass sich die Tauch-Mechanik so gut anfühlt. Es ist fast so, als würde ich mir wie in der Kindheit meine eigene Seifenrutsche bauen, auf der ich danach frei herumschliddern kann. Das Prinzip fühlt sich dynamischer an als in klassischen Deckungs-Shootern, da ich fast überall meine eigenen Schutzzonen schaffen kann. Außerdem muss ich auch als Tintenfisch in Bewegung bleiben, da ich bei weitem nicht so sicher bin wie hinter einer Mauer und jederzeit einen Schwall feindlicher Farbe auf die Rübe bekommen kann.

Politisch korrekte Farbschlacht: Geschlecht und eine Reihe von Hautfarben lassen sich zu Beginn auswählen und jederzeit wechseln.
Auch die an Klamotten gebundenen Perks passen gut zum Arcade-Prinzip, da sie zwar Feintuning ermöglichen, aber nicht zu intensiv in die Chancenverhältnisse eingreifen. Eine Mütze bringt mir z.B. mehr Zähigkeit und einen dezent ergiebigeren Tank. Wenn ich sie eine Weile einsetze, levelt die Kleidung auf und schaltet einen weiteren Effekt frei. Auch Oberteile, Schuhe und Beinkleider stehen zur Wahl und motzen die Fähigkeiten leicht auf. Wer beim Einkleiden nur auf die Funktionen achtet, sieht modisch aber schnell ziemlich albern aus. Auf dem Schwarzmarkt kann man sich übrigens ebenfalls Accessoires bestellen. Sprecht dazu einfach den vertrauenswürdigen jungen Herren in der Seitengasse an und redet danach mit einem Mii, dessen Outfit euch gefällt.

Steinzeitliche Online-Anbindung

Klingt alles wahnsinnig spaßig, oder? Wäre es auch, wenn Nintendo den Online-Part nicht nach wie vor so halbherzig umsetzen würde. Von simplen Menüs und Lobbies über den Mangel an Optionen bis hin zum mickrigen Umfang hinterlässt alles im Online-Modus beinahe schon einen steinzeitlichen Eindruck. Das größte Manko ist natürlich der geringe Umfang. Nur sechs Karten – ist das euer Ernst? Bei der überschaubaren Größe hätten Nintendos Designer doch mindestens doppelt so viele aus dem Ärmel schütteln können. Und warum sind die Modi so seltsam beschränkt? Alles ist fein säuberlich getrennt: Beim Revierkampf gibt es nur Spiele ohne Rangliste, bei Herrschaft nur mit Rängen und das Zielscheiben-Duell bleibt komplett offline. In der automatischen Spielersuche gibt es nicht einmal Sortierfunktionen nach Region oder anderen Kriterien, um die Performance zu verbessern. Der allumfassende Minimalismus geht so weit, dass ich bei Netzwerk-Problemen nicht einmal die Spielersuche verlassen kann und die Konsole komplett neu starten muss – ist das etwa keinem Testspieler aufgefallen?

Bei den putzig brabbelnden Händlern deckt man sich mit neuen Pistolen und Klamotten ein. Letztere nehmen auch leichten Einfluss auf die Statuswerte.
Nach dem Neustart muss ich noch einmal lange Ladezeiten und die Flachwitz-Nachrichten der Sushi-Schwestern über mich ergehen lassen, bis ich endlich wieder in die Spielersuche darf. In den ersten Tagen liefen die Matches meist flüssig und lagfrei, es kam aber etwas häufiger zu Verbindungsabbrüchen oder Netzwerkproblemen als z.B. bei Titanfall, Evolve oder Plants vs. Zombies: Garden Warfare. Auch meine Freunde berichteten von ähnlichen Problemen. Wenn die Matches zustande kamen, konnte ich ihren Servern aber immerhin auf einfache Weise beitreten.

Freunde bleiben stumm

Unterhaltsam ist auch, dass ich danach abwechselnd im gleichen bzw. gegnerischen Team wie mein Freund spiele. So kann man sich gegenseitig immer mal wieder aushelfen oder auf die Nase geben; eine schöne Abwechslung! Schade ist natürlich, dass sich die Zusammensetzung der Mannschaften und andere Details in keinerlei Weise beeinflussen lassen. Und natürlich, dass Nintendo von vornherein bewusst auf Sprachchat verzichtet. Auf Beleidigungen anderer Spieler kann ich natürlich gerne verzichten, aber in Garden Warfare hat das Herumalbern mit Freunden viel zur lustigen Atmosphäre beigetragen. Gerade in Spielen mit ungewöhnlichen Mechaniken sammeln sich aus meiner Erfahrung eher am Teamplay orientierte Spieler, die sich beherrschen können. Nintendo hätte hier also nicht derart autoritäre Einschnitte einbauen müssen.  Mit einfachen Tastenkommandos kann ich immerhin andere Spieler zu meiner Position rufen, aber zwischendurch gibt es keine schnelle Möglichkeit der Verständigung. Also musste ich nebenbei einen Handy-Chat laufen lassen, um z.B. einem Freund mitzuteilen, dass ich kurz in die Oberwelt verschwinde, um mir neue Ausrüstung zu kaufen.  

Wer genügend Fläche eingefärbt hat, kann coole Spezial-Waffen entfachen: Dazu gehören ein Granaten-Hagel, Tinten-Bazookas, Kurzstreckenraketen und die Verwandlung in einen unbesiegbaren Riesentintenfisch.
Dort kann ich eine Reihe erfreulich unterschiedlicher Waffen mit der Spiel-Währung erwerben – ein entsprechendes Spieler-Level vorausgesetzt. Von einer Flinte mit Explosivgeschossen bis hin zu Distanzwaffen ist für jeden Geschmack etwas dabei und trotz der starken Unterschiede stimmt meist auch die Balance. Lediglich mit den Scharfschützengewehren bin ich selbst nach einigen Stunden nicht so gut ins Spiel gekommen. Die Bewegungssteuerung dagegen hat mich nach anfänglichen Zweifeln mittlerweile überzeugt: Sie benötigt zwar eine lange Eingewöhnung, reagiert dann aber sehr feinfühlig – vor allem auf lange Distanz und in schnellen Schusswechseln. Gerade Freunde von PC-Shootern kommen auf ihre Kosten, da man die Spitze des Controllers zum Zielen ähnlich wie die Maus bewegt. Ganz so präzise wie vorm Rechner wird es zwar nicht, es flutscht aber um einiges besser als das Anpeilen mit dem rechten Stick, was hier deutlich ungenauer umgesetzt wurde als in anderen Konsolen-Shootern.

Teamplay gewinnt

Vor allem im Ranglisten-Spiel macht sich Nintendos Fokus aufs Teamwork bemerkbar. Statt wie in Battlefield viele kleinen Boni für Team-Aktionen auszuschütten, zwingen die Entwickler die Mannschaften mit Hilfe der Regeln zur Zusammenarbeit: Nur wer hier ein Match gewinnt, streicht auch Punkte ein, daher legen sich alle von Natur aus für die gemeinsame Sache ins Zeug. Etwas ärgerlich ist natürlich, dass man auch bei einer Top-Leistung leer ausgeht, wenn sich der Rest des Teams dumm anstellt. Positiv fällt auf den ersten Blick das Fehlen von In-App-Käufen auf – schließlich soll auch das kommende August-Update kostenlos bleiben. Nintendo lässt sich das gewinnbringende Geschäft mit Extra-Inhalten aber nicht komplett durch die Lappen gehen: Im Laden gibt es schließlich Amiibo-Figuren, die als in die reale Welt ausgelagerte Mikrotransaktionen dienen und 20 Extra-Herausforderungen freischalten. Hat man sie gemeistert, gibt es zur Belohnung exklusive Ausrüstung und ein paar Minispielchen.

Fazit

Mein erster Eindruck von Splatoon ist zwiegespalten: Einerseits hatte ich schon viel Spaß an meinen ersten Online-Matches, weil sich die Spielmechanik so frisch anfühlt. Es ist einfach unheimlich cool, blitzschnell durch die Tinte zu tauchen, Gegner mit einem Farbschwall zu überraschen und immer wieder zwischen Kampf und Einfärben zu wechseln. Andererseits wirken der Umfang und die technische Umsetzung recht dürftig. Da ich aber noch nicht lang genug spielen konnte und wir abwarten wollen, wie sich der bislang etwas anfällige Netzcode zum Start schlägt, liefern wir die finale Wertung mit dem zweiten Teil des Tests nach. Zunächst geht es hauptsächlich um die Kampagne, die sich spielerisch erfreulich stark von den Online-Matches abhebt. Auch hier dreht sich das Spiel natürlich um die vielseitige Farbspritze und das coole Tauchen durch Farblachen als Tintenfisch. Trotzdem erinnert der Ausflug über die schwebenden Inseln mit ihren zahlreichen Fallen und Hindernissen eher an ein Jump-n-Run als an eine klassischen Shooter. Die Herausforderung besteht meist nicht im Besiegen der Gegner, sondern darin, geschickt über die Abgründe zu sprühen, springen und schwimmen. Etwas knackiger hätte es aber ruhig werden können; das Abenteuer richtet sich eher an Einsteiger als an Hüpf-Profis. Allein genommen wirkt der Einzelspieler außerdem etwas kurz, bietet aber eine willkommene  Abwechslung zum blitzschnellen Geballer. Aktuell würde ich Splatoon gerade noch im guten Wertungsbereich einordnen – ich bin gespannt auf die Matches zum offiziellen Start ab Freitag.

Update zum Online-Modus vom 2. Juni 2015:

Liebe Entscheidungsträger bei Nintendo - wenn ihr schon solch ein geniales Spielprinzip entwickelt, dann solltet ihr es auch mit mehr Ressourcen unterstützen! Von mir aus hätte Splatoon auch erst zum Weihnachtsgeschäft veröffentlicht werden können, wenn es dafür mehr Karten, Modi und Optionen gegeben hätte. Im momentanen Zustand wirkt das Spiel eher wie ein Early-Access-Titel, der beinahe zum Vollpreis verkauft wird. So hat man die Chance vertan, das Spiel von Anfang an zu einem Klassiker zu machen und verwässert die spannende Farbschlacht mit einem mickrigen Umfang und einer steinzeitlicher Online-Anbindung. Selbst Titanfall oder Plants vs. Zombies: Garden Warfare waren zum Start um einiges üppiger ausgestattet. Trotzdem ist mir ein frisches Spielgefühl mit starken Macken deutlich lieber als der hundertste polierte Standard-Shooter. Außerdem unterscheidet sich der Einzelspieler-Modus stark genug vom Online-Gemetzel, um die Probleme beim Umfang ein wenig aufzufangen. Wer Spaß an buntem Design und experimentellen Spielmechaniken hat, sollte Splatoon also ruhig eine Chance geben! 

Pro

tolle Spielidee mit dynamischem Wechsel zwischen Ballern und Einfärben
blitzschnelle, bis zur letzten Sekunde spannende Matches
cooles Abtauchen für "Klettern", Deckung und Auflauern
Einfärben und tauchen fühlt sich erstaunlich gut an
präzise (aber gewöhnungsbedürftige) Bewegungssteuerung
flüssig animierte Farb-Physik
sehr unterschiedliche Waffen machen die Matches interessant
trotz großer Waffen-Unterschiede stimmt die Balance meist
lustige Super-Attacken
Teamwork wird belohnt
verwinkelte Karten ermöglichen variantenreiche Manöver
motivierende, aber angenehm dezente Upgrades in Kleidungsstücken
abwechslungsreiche Plattform-Mechaniken im Einzelspieler-Modus
albernes Figuren-Design
unterhaltsame Bosskämpfe
durchgeknallter Rock- und Electro-Soundtrack
lustige lokale Zielscheiben-Duelle für zwei Spieler

Kontra

lediglich sechs Karten
nur zwei Karten in der Map-Rotation, die alle vier Stunden wechselt
bislang nur zwei Online-Modi
private Matches fehlen
keine Möglichkeit, Mitspieler lokal oder anderweitig zu filtern
gelegentliche Netzwerkfehler und Verbindungsabbrüche
sperrige Menüführung
kein Sprach-Chat und nur sehr simple Chat-Kommandos
kaum Statistiken oder Analyse-Tools
keine Wiederholungen oder Aufzeichnungen
Story-Modus etwas zu einfach und wenige Stunden kurz
KI-Gegner attackieren nur mit simplen Angriffsmustern
Haupt-Modi nicht im lokalen Splitscreen spielbar
ungenaues (optionales) Zielen mit dem rechten Stick
minimalistisch inszenierte Rahmenhandlung
Scharfschützen müssen lange üben, bis sie hohe Punktzahlen erzielen
lange Ladezeiten
am Horizont unscharfe, detailarme Hintergründe

Wertung

Wii_U

Splatoon ist blitzschnell, hochspannend und steckt voller frischer Ideen - der karge Umfang und die steinzeitlichen Online-Optionen drücken aber gewaltig auf die Motivation.

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