Pokémon Tekken18.03.2016, Alice Wilczynski
Pokémon Tekken

Im Test: Der Pikachu-Prügler

Zum zwanzigjährigen Jubiläum der Taschenmonster holt Nintendo zum Rundumschlag aus. Nachdem in diesem Jahr nur die Unterwegs-Spieler mit Rumble World oder Super Mystery Dungeon ihre Pokémon-Dosis bekommen haben, ksind Pikachu und Co jetzt auch auf Wii U am Zug – und das nicht in irgendeinem Spiel. Pokémon Tekken (ab 40,00€ bei kaufen) verspricht vom Namen her große Prügelkunst mit populären Monstern. Ob das Konzept aufgeht, verraten wir im Test.

Tekémon Pokken?

Eigentlich war es ein cleverer Schachzug von Nintendo: Man holte sich mit Namco Bandai und dort mit Tekken-Produzent Katsuhiro Harada eine der Prügelspiel-Schmieden schlechthin an Bord, um ein Beat-em-up im Pokémon-Universum zu inszenieren. Doch gleichzeitig nehmen damit die Erwartungen natürlich einen Höhenflug auf. Denn ein Tekken im Namen suggeriert schnelle Prügelaction mit einem umfangreichen Kombosystem - und natürlich eine schnieke Kulisse. Zumindest Letzteres findet sich auch in Pokémon Tekken: Die abwechslungsreichen Kampfarenen bieten zahlreiche Details, könnten aber sowohl bei den Kameraflügen vor dem Start als auch während der Duelle mehr Bewegung im Hintergrund bieten. Die Taschenmonster, die in den Ring steigen, können sich ebenfalls sehen lassen: Durch die Bank gut designt und bis auf ganz wenige Ausnahmen mit geschmeidigen Bewegungen versehen sowie unterstützt von ansehnlichen Effekten, machen die Auseinandersetzungen einiges her.

Pikachu verprügeln? Ja bitte!
Hinsichtlich des Kampfsystems sieht die Sache allerdings anders aus. Im Wesentlichen eine Light-Version von Tekken, ist die Kombomechanik und damit auch die Dynamik in den Gefechten überschaubar. Aber damit ist es perfekt geeignet, um Einsteiger in die Welt der Prügelspiele ins Boot zu holen. Und es ist trotz klarer Defizite gegenüber der Beat-em-up-Elite mit starkem und schwachem Angriff, Knopfdruck-Sprung und Block umfangreich genug, um die aus den Taktik-Rollenspielen bekannten Spezialangriffe der 16 integrierten Taschenmonster ansprechend zu inszenieren und leicht zugänglich zu machen. Zumal man im „Synergiestatus“, der sich durch Phasenwechsel aufladen lässt, nicht nur gewaltige Finisher vom Stapel lassen kann, die selbst die Critical Arts von Street Fighter 5 Staub schlucken lassen, sondern das Moveset hier ebenfalls variiert. Doch erfahrene Spieler, die vielleicht eine ungewöhnliche Alternative zu Tekken, Street Fighter, BlazBlue und Co suchen, werden nicht fündig und zudem massiv unterfordert – auch bedingt durch den sehr weit unten angesetzten Standard-Schwierigkeitsgrad. Immerhin: Die Gefechte werden durch ein Phasensystem aufgelockert. Man startet immer in der Feldphase, in der man sich frei in der Arena bewegen darf und versucht, entweder den Kontrahenten mit Distanzangriffen zu beharken oder über eine der leicht zu erreichenden Nahkampfkombos die Duellphase einzuleiten. Hier wird klassisch nur noch auf einer Ebene gekämpft, wobei  natürlich auch hier wieder Möglichkeiten entstehen, wieder ins Feld zurückzukehren.   

Pikachu, Pikachu, Mewtwo, Mewtwo & Co

Die als Duo auftretenden Unterstützungs-Pokemon, von denen man sich pro Runde eines aussuchen kann, bringen eine interessante Komponente in die Gefechte.
Zusätzlich kommt mit den insgesamt 15 Duos, die als Unterstützungs-Pokémon zur Verfügung stehen, die aber nicht frei zusammengestellt werden können, eine leicht taktische Ebene ins Spiel. Zuerst wählt man eines der Duos, aus dem man schließlich vor jeder Runde seinen Unterstützer festlegt. Diese unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Wartezeit, bis man sie einsetzen kann. Auch die Art der Unterstützung ist dreigeteilt und vom jeweiligen Pokémon abhängig. Während die einen wie z.B. Emolga oder Cubone „nur“ angreifen und dem Kontrahenten zusätzlichen Schaden zufügen, gibt es auch „Störer“, die nicht nur Schaden anrichten, sondern auch negative Effekte auf den Gegner haben. In diese Kategorie gehören z.B. Fennekin oder Rotom. Zu guter Letzt gibt es noch Hilfs-Pokémon wie Sylveon oder Cresselia, die Einfluss auf die Werte des Hauptkämpfers haben.

Doch auch mit den 30 Unterstützern ist die Zahl an Monstern, die ihren Weg in diesen Prügler gefunden haben, angesichts von insgesamt über 700 bislang bekannten Viechern gering: Als eigentliche Kämpfer stehen gerade mal 16 zur Verfügung. Klar kann man argumentieren, dass ein Street Fighter 5 auch nicht mehr hat. Aber zum einen hat man dort bereits Aussicht auf Erweiterung, während für Pokémon Tekken (oder Pokken Tournament, wie es in den USA und Japan heißt) kein Ausbau der Kämpferriege geplant ist. Zum anderen wird die Zahl hier noch relativiert, da Mewtwo und Pikachu in zwei Varianten (Pikachu Libre, Shadow Mewtwo) vorhanden sind. Zudem ist die Balance hinsichtlich Lebenspunkten, ausgeteiltem Schaden etc. hier nicht so gut gelungen. Einerseits versucht man, mit den Eigenheiten den spielerischen Ursprüngen der Pokémon gerecht zu werden. Doch sowohl im sauber laufenden Online-Kampf als auch im Sofa-Duell kann man sich bedingt durch die nicht immer gegebene Ausgewogenheit ohne eigenes Verschulden auf der Verliererstraße wiederfinden.

Redundante Personalisierungsflut

Das nennenswerteste der staubtrocken inszenierten Kampagne ist das umfangreiche freispielbare Material.
In der Kampagne, die einen als Trainer mit einem Pokémon seiner Wahl zusammenbringt und mit dem man schließlich über dutzende aneinandergereihte Kämpfe in den Offline-Ligen aufsteigt, gibt es diese Probleme nicht. Zum einen, weil der Schwierigkeitsgrad bis auf ein paar fordernde Schlüsselkämpfe sehr moderat aufgestellt ist. Zum anderen, weil man hier sehr schnell im Level aufsteigt und damit seinem Lieblings-Monster in vier Bereichen (Angriff, Verteidigung, Synergie, Special) einen Aufstiegspunkt geben kann, die sich bereits kurzfristig bemerkbar machen. Angesichts der mindestens soliden Geschichten, die nicht nur die Hauptserie, sondern selbst Ableger wie Rumble World bieten, ist die Kampagne hier jedoch enttäuschend. Kampf reiht sich an Kampf, nur gelegentlich durchzogen von belanglosen Gesprächspassagen, die nur noch von der nervenden und immerhin optional zügelbare Mentorin übertroffen werden, die einen von Anfang bis Ende zutextet - dies allerdings nur in Englisch mit sauberen deutschen Untertiteln.

Es stehen insgesamt 15 Pokémon-Kombinationen als Unterstützer zur Verfügung.
Was wäre hier nicht alles möglich gewesen: Man ist als Trainer unterwegs und muss sich nicht nur als Meister eines, sondern mehrerer Pokémon beweisen. Man folgt in bester Arcade-Modus-Manier einem Pokémon durch 15 Kämpfe bis zum Endgegner und sieht dann eine individuelle Endsequenz. Man braucht nicht einmal viel Fantasie, um sich noch mehr Variationen einfallen zu lassen, die näher an beiden vermeintlichen Quellen liegen. Doch was hier angeboten wird, ist bieder, staubtrocken und spätestens nach der zweiten Liga völlig belanglos. Immerhin: Man bekommt im Laufe seiner Trainerkarriere haufenweise Personalisierungsoptionen, mit denen man nicht nur seinen Avatar oder seinen Online-Auftritt, sondern auch die Nerv tötende Begleitung personalisieren kann. Doch auch das kann mich nicht dazu reizen, nach dem Ende nochmals das Wii-U-Gamepad oder einen Pro Controller in die Hand zu nehmen.

Fazit

Vielleicht habe ich meine Erwartungen angesichts der potenziell viel versprechenden Verbindung von Tekken und Pokémon zu hoch geschraubt. Doch der Spagat, den die Prügeleien der Taschenmonster hier eingehen, gelingt nur eingeschränkt. Für ein Spiel, das Tekken im Namen trägt, ist das Kampfsystem trotz guter Ansätze, einer gelungenen Steuerung sowie akkurater Kollisionsabfrage zu träge und bietet nur überschaubare Kombos. Für ein Pokémon gibt es hier zudem nix zu sammeln, eine vollkommen zu vernachlässigbare Geschichte und überhaupt zu wenig Inhalte: Vor allem die geringe Zahl an 16 Kämpfern stößt sauer auf. Die Kampagne ist eine dröge Aneinanderreihung von Kämpfen, die aber immerhin durch eine immense Auswahl an freispielbaren Gegenständen für Motivation sorgt. Und: Die Kulisse ist durch die Bank sehenswert und bietet mit den aufwändigen Synergie-Attacken, die selbst viele Critical Arts von Street Fighter 5 alt aussehen lassen, immer wieder Höhepunkte. Unter dem Strich bleibt ein solider, aber in vielerlei Hinsicht belangloser Prügler, der sich vornehmlich an Einsteiger richtet.

Pro

akkurate Steuerung
saubere Kampfmechanik
gute Kollisionsabfrage
saubere Online-Kämpfe
interessantes Konzept mit Unterstützung-Pokémon
ansehnliche Kulisse
umfangreiche Personalisierung

Kontra

nur 16 Kämpfer (davon Pikachu und Mewtwo in je zwei Varianten)
redundante Kampagne
nur englische Sprachausgabe
Kämpferriege nicht ausgewogen

Wertung

Wii_U

Pokémon Tekken setzt sich nicht nur mit dem Namen zwischen alle Stühle. Trotz ordentlicher Kampfmechanik ist das Prügeln mit Pikachu & Co nur ein solides Kampfspiel für Einsteiger.

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