ZombiU26.09.2012, Michael Krosta
ZombiU

Vorschau:

Der Survival Horror von damals wird heute immer mehr von stupider Action verdrängt: Statt gezielten Schockeffekten und packender Atmosphäre servieren die Hersteller lieber Explosionen im Sekundentakt, wilde Ballereien und Roundhouse-Kicks. Deshalb wird die Sehnsucht nach Nervenkitzel und Angstschweiß mittlerweile vornehmlich von unabhängigen Produktionen gestillt - man denke nur an Amnesia oder das Projekt Slender. Doch es gibt Hoffnung: Mit Zombie U will Ubisoft ebenfalls zurück zu den Wurzeln. Wir konnten uns davon überzeugen, dass die Franzosen es ernst meinen...

Vereinigtes Zombiereich

Okay, das Szenario von einer Epidemie, die einen Großteil der Menschheit ausrottet und in faulige Untote verwandelt, reißt heute niemanden mehr vom Hocker. Trotzdem bietet es immer noch die ideale Grundlage für die Apokalypse und den drohenden Überlebenskampf - und das gilt nicht nur für angesagte TV-Serien wie The Walking Dead, sondern eben auch für Zombie U. Doch während in Kirkmans Kult-Comic die Charaktere und Konflikte innerhalb der Gruppe im Vordergrund stehen, schlägt man sich hier alleine durch die Trümmer von realen Schauplätzen wie London. Die einzelne Figur spielt dabei eine untergeordnete Rolle - kein Wunder, denn häufiges Sterben auf der Suche nach einem Ausweg steht bei Zombie U auf der Tagesordnung und macht einen großen Teil der Spielerfahrung aus. Heutzutage könnte man erwarten, einfach beim nächstgelegenen Kontrollpunkt einen neuen Versuch wagen zu können. Aber nicht hier: Wer stirbt, der ist und bleibt tot! Und so schlüpft man beim nächsten Versuch in einen völlig neuen Charakter, der per Zufallsgenerator im Schutzraum zusammengewürfelt wird. Sämtliche Verbesserungen, die man mit dem Vorgänger erreicht hat, sterben mit ihm - man startet wieder bei null.

Der Preis des Überlebens

Von Zombies umzingelt? Eine solche Situation überlebt man entweder nur mit Glück oder einem vollen Magazin.
Von Zombies umzingelt? Eine solche Situation überlebt man entweder nur mit Glück oder einem vollen Magazin.
Das einzig Positive: Alle Gegner, die man zuvor bereits beseitigt hat, stehen nicht wieder auf. Erreicht man den Leichnam des erfolglosen Vorgängers (…der einem unter Umständen aber auch als Zombie entgegen treten kann), darf man sich sogar wieder den Großteil der alten Ausrüstung aneignen. Dazu gehören nicht nur Waffen vom Revolver über die Schrotflinte bis hin zum Scharfschützengewehr und einer Armbrust, sondern auch Molotow-Cocktails, Verbandszeug und eine Giftspritze, mit deren Hilfe man quasi eine zweite Chance nach einer Attacke bekommt, da sie den bissigen Gesellen sofort niederstreckt.

Der Tod ist allgegenwärtig - wer hier mit einer Call of Duty-Attitüde heran geht, wird nicht weit kommen, obwohl die gewählte Ego-Ansicht und der Revolver im Inventar zunächst den Eindruck vermitteln. Doch Munition ist rar und im Nahkampf mit Holzplanken, Kricketschlägern und Rohren stellt man fest, dass die faulige Brut viel einstecken kann. Gut so, denn so bekommt man endlich wieder Respekt vor den Untoten: Schon bei nur einem Zombie stellt sich eine gewisse Ehrfurcht ein, denn ich weiß, dass ich keine Chance mehr habe, wenn ich das Biest zu nah an mich heran kommen lasse. Muss ich mich gar um zwei oder mehr gleichzeitig kümmern, schlägt die Angst schnell in Panik um - vor allem in engen Gängen wie Abwasserkanälen oder U-Bahn-Schächten, die nicht viel Raum für Fluchtwege lassen.       

Spannungselement Controller

Der Controller ist hervorragend in den Spielverlauf eingebunden.
Der Controller ist hervorragend in den Spielverlauf eingebunden.
Damit man überhaupt den Hauch einer Chance hat, fungiert der Bildschirm des Wii U-Controllers als Bewegungsmelder - vergleichbar mit dem Motion Tracker aus dem Film Aliens. Wird eine Bewegung registriert, wird sie sofort erfasst und leuchtet zusammen mit einem Soundeffekt als roter Punkt auf dem Display auf. Problem dabei: Es muss sich nicht immer nur um Zombies handeln, denn auch Bewegungen von Tieren wie Ratten lösen die Erkennung aus. Umgekehrt müssen Zombies nicht zwingend durch die Gegend torkeln, sondern können auch einfach still hinter einer dunklen Ecke oder hinter einem Wasserfall lauern. Unangenehme Überraschungselemente gibt es also mehr als genug und der Tracker ist kein Garant dafür, den Durchblick zu behalten.

Vor allem, wenn man gerade mit einem Gegner beschäftigt ist, bleiben die Augen in der Regel auf dem TV-Bildschirm, so dass man in der Hektik gar nicht mitbekommt, wenn der Bewegungsmelder ausschlägt und weitere Zombies ankündigt. Vor allem der Gebrauch von Schusswaffen erhöht das Risiko, gleich eine ganze Meute anzulocken: Ihr Hirn mag zwar Matsch sein, doch das Gehör der Untoten funktioniert immer noch exzellent.

Alles ist wertvoll

Nahkampfwaffen sind die bessere Wahl, wenn man keine Aufmerksamkeit erregen will.
Nahkampfwaffen sind die bessere Wahl, wenn man keine Aufmerksamkeit erregen will.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Ressourcenmanagement. Alles, was man in Kisten oder beim Durchsuchen der Leichen finden kann, sollte ins Inventar wandern. Der Platz ist zwar beschränkt, doch lassen sich Gegenstände auch in den Schutzräumen lagern, so dass auch der nächste Überlebende sofort Zugriff auf sie hat. Generell gilt: Sparsamkeit ist oberste Pflicht in diesem Überlebenshorror! Jede Kugel ist wertvoll, jeder Verbandskasten ein Segen und jeder getötete Zombie ein Schritt weiter in Richtung Rettung. Anstatt es mit drei Gegnern gleichzeitig aufzunehmen und Unmengen an Munition zu verschwenden, sollte man zunächst die Augen nach einem explosiven Fass offen halten und mit nur einer Kugel maximalen Schaden anrichten. Geht man mit Pfeil und Bogen auf Zombiejagd ist es ratsam, die Pfeile im Anschluss wieder aus den Köpfen und Körpern der Opfer einzusammeln, denn ich kann nicht oft genug betonen, dass Nachschub hier Mangelware ist. Falls nichts mehr hilft, muss man die bissigen Mistkerle einfach wegstoßen und die Beine in die Hand nehmen.

Durchblick mal anders

Das Inventar organisiert man mit dem Controller. In dieser Phase ist man allerdings schutzlos.
Das Inventar organisiert man mit dem Controller. In dieser Phase ist man allerdings schutzlos.
Das Display des Wii U-Controllers hat noch mehr zu bieten als den Bewegungsmelder und die Inventarbedienung via Touchsteuerung. Ist man im Besitz eines Scharfschützengewehrs, fungiert es auch im Zusammenspiel mit den Bewegungssensoren als Zielfernrohr oder dient an einem elektronischen Türschloss als Tastenfeld. Hält man die linke Schultertaste gedrückt, wird außerdem in einen Analysemodus umgeschaltet, mit dessen Hilfe man z.B. Gegner erspähen und markieren kann.  Cool ist auch der Einsatz in den verwinkelten Abwasserkanälen, wo man die aufgemalten Richtungspfeile an Wänden sowie Türmechanismen nur mit Hilfe des Controller-Bildschirms erkennen kann. Hier ergibt die Aufteilung auf die beiden Displays endlich einen Sinn und ist sogar ein wesentliches Spannungselement.

Ebenfalls nicht zu verachten ist die Taschenlampe, denn abgesehen von der chaotischen Oberfläche sind die Schauplätze meist von düsterer Natur, bei denen selbst der kleine

Wird es später noch weitere Mutationen geben als den gemeinen Zombie?
Wird es später noch weitere Mutationen geben als den gemeinen Zombie?
Lichtkegel für die Orientierung unverzichtbar wird. Zumindest so lange man Strom hat, denn genau wie bei F.E.A.R. lässt die Batterieleistung der Taschenlampe kontinuierlich nach, regeneriert sich aber auch rasant, sobald man sie ausschaltet. Doch wirft man nicht regelmäßig ein Auge auf die Anzeige, kann es schnell passieren, dass im Eifer des Gefechts zuerst das Licht und im Anschluss auch das Lebenslicht erlischt.

Das Herumwühlen im Rucksack ist ebenfalls ein Risikofaktor, denn die klassische Pause-Funktion beim Durchforsten des Inventars gibt es hier nicht. Erst wenn man überzeugt ist, wirklich sicher zu sein, sollte man sich dem Inhalt seines Rucksacks widmen. Ist man im Wasser unterwegs, schnallt der Charakter ihn jedoch ab und hält ihn über dem Kopf. Das bedeutet gleichzeitig, dass man in diesen Momenten wehrlos ist. Entsprechend steigt der Puls noch mal deutlich an, wenn plötzlich ein Körper auf einen zutreibt...

Mangelnde Abwechslung?

Kooperative Elemente soll es ebenfalls geben.
Kooperative Elemente soll es ebenfalls geben.
Zombies sind für Entwickler sicher eine dankbare Gegner-Spezies: Per Copy & Paste bevölkert man schnell die Spielwelt und die KI ist bei Untoten ebenfalls keine große Herausforderung. Die Monster wollen nur fressen, doch rennt eins von ihnen wie bescheuert gegen eine Wand, nimmt man es ihm auch nicht übel - es ist halt nur ein Zombie ohne Hirn und Verstand. Doch es gibt ein Problem: Wenn man sich immer nur mit den gleichen Untoten anlegt, wird es irgendwann langweilig. Dem versuchen die Entwickler mit verschiedenen Variationen entgegen zu wirken. So habe ich z.B. Bekanntschaft mit einem Exemplar gemacht, das eine explosive Gasflasche auf den Rücken geschnallt hatte. Trifft man ihn, jagt man in der Regel nicht nur den Träger, sondern auch gleich sich selbst mit in die Luft. Also helfen hier nur gezielte Kopfschüsse oder die Behandlung mit Nahkampf-Equipment. Vermeintliche Leichen, die zusammengesackt am Wegesrand hocken, können außerdem wieder zu untotem Leben erwachen - Vorsicht ist also jederzeit angebracht.

In London haben die Untoten die Macht übernommen.
In London haben die Untoten die Macht übernommen.
Trotzdem vermisse ich bisher mehr Abwechslung beim Gegnerdesign. Es mangelt noch an zusätzlichen, vielleicht auch außergewöhnlichen Mutationen oder größeren Bossen. Ich hoffe, Ubisoft hat in dieser Hinsicht noch ein paar Überraschungen im Ärmel, damit dem Überlebenskampf nicht die Motivationspuste ausgeht.

Vertrauensbeweise

Scheinbar hat man sich von Dark Souls inspirieren lassen, denn genau wie im anspruchsvollen 3D-Rollenspiel von From Software kann man auch hier anderen Spielern Nachrichten hinterlassen, die aus einem Set vorgegebener Symbole zusammengebaut werden. Dadurch lassen sich andere Überlebende z.B. vor bevorstehenden Gefahren warnen oder zu Nachschub führen. Auf der anderen Seite kann man sie durch Hinweise auch auf die falsche Fährte bringen und gezielt in die Pfanne hauen. Wie bei Dark Souls muss man also genau abwägen, ob man den Nachrichten vertraut oder sie besser ignoriert.

Ausblick

ZombiU markiert für mich den bisherigen Höhepunkten im Start-Lineup der Wii U. Endlich habe ich wieder den nötigen Respekt vor jedem einzelnen Zombie, spüre die Panik im Nacken und lerne mein virtuelles Leben wieder zu schätzen - auch wenn es mir hier extrem oft genommen wird, denn jeder kleine Fehler und Übermut wird bestraft. Knallhart. Eiskalt. Ohne Gnade. So ein Überlebenskampf ist ja auch kein Kindergeburtstag.  Allerdings finde ich es etwas schade, dass die Charaktere im wahrsten Sinne des Wortes austauschbar sind und es keine echte Geschichte zu erzählen gibt. Zudem habe ich die Befürchtung, dass man sich irgendwann an den Zombies satt gesehen hat und die Abwechslung entsprechend zu kurz kommen könnte. In der ersten Stunde, die ich bisher anspielen konnte, merkte ich davon aber noch nichts: Trotz der durchschnittlichen Technik war mein kleiner Streifzug durch das zerstörte London herrlich intensiv, packend und mit Schockmomenten gespickt - also genau das, was man von klassischem Survival Horror erwartet. Einen wesentlichen Anteil daran trägt neben dem hohen Schwierigkeitsgrad selbstverständlich der Wii U-Controller, der mit seinen Funktionen hervorragend ins Spieldesign integriert wurde. Während das zweite Display bei vielen Titeln nur ein netter Zusatz bleibt, liefert es hier durch die clevere Einbindung sogar einen Mehrwert. In dieser Form ist ZombiU derzeit auf keinem anderen System möglich. Echte Überlebensexperten dürfen sich außerdem auf einen Hardcore-Modus freuen, bei dem man lediglich einen Charakter zur Verfügung hat. Stirbt er, geht es ganz an den Anfang des Spiels und nicht zum letzten erreichten Schutzraum zurück. In Zeiten, in denen Traditionsserien des Survival Horrors immer mehr zu reinen Actionspielen mutieren, empfange ich Titel wie ZombiU mit offenen Armen und lasse mich dafür sogar gerne beißen.


Eindruck: gut

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