Bayonetta 208.08.2014, Mathias Oertel
Bayonetta 2

Vorschau: Die Umbra-Hexe kämpft wieder

Vier Jahre ist es her, dass die Umbra-Hexe Bayonetta die PS3 und die Xbox 360 verzaubert hat. Der Titel überzeugte mit einem ausgefeilten Kampfsystem, einem fantasievollen surrealen Artdesign und einer sexy Hauptdarstellerin. Die einst von Devil May Cry dominierte "stylische Action" wurde kurzerhand neu definiert. Kann die exklusiv auf Wii U erscheinende Fortsetzung Bayonetta 2 (ab 29,90€ bei kaufen) dieses Kunststück wiederholen? Wir haben die ersten Stunden gespielt.

Die Hexe ist zurück

Was für ein Spektakel! Eine halbe Stadt wird in Schutt und Asche gelegt. Es finden Kämpfe auf den Tragflächen von Kampfjets statt, die mit Hochgeschwindigkeit durch Straßenschluchten fegen. Man kämpft hoch über der Stadt gegen einen Bildschirm füllenden Boss, der sich wie eine Mischung aus King Kong und Godzilla an ein Hochhaus klammert. Bei den extrovertierten Kamerafahrten erhascht man immer wieder Blicke auf die Vorzüge der weiblichen Anatomie - nie sexistisch, aber immer dabei, die Grenzen des guten Geschmacks auszuloten. Und dann ist der Prolog vorbei. Uff! Typisch für Segas Hexe, die jetzt für Nintendo antritt: Was bei anderen Spielen das Finale darstellt, ist hier nur der Anfang einer Reise, die von Höhepunkt zu Höhepunkt jagen möchte. Und das alles nur, um Jeanne, eine weitere Hexe, aus dem Vorhof der Hölle zu befreien.

Die Gefechte sind so effektgeladen wie eh und je.
Bayonetta ist zurück. Vier Jahre hat es gedauert, bis man ein neues Abenteuer erleben durfte - eine verdammt lange Zeit. Trotz des Systemwechsels fühlt sich das Spiel mit der Umbra-Hexe aber sehr vertraut an, beinahe so, als ob sie nie weg gewesen wäre. Das beginnt mit dem Einstieg, der eine Variante dessen darstellt, was man in Teil 1 erleben durfte, wobei sogar die Einführungen der anderen Figuren wie Rodin oder Enzo sehr ähnlich verlaufen. Das geht weiter mit dem Tutorial, das genauso aufgebaut ist wie bei Bayonettas erstem Auftritt. Und das endet nicht nur beim nahezu komplett übernommenen Kampfsystem, den Upgrade-Möglichkeiten oder Nebenaufgaben, sondern auch beim Artdesign. Kenner des ersten Teiles werden es zudem leichter haben, der anfangs wirren Erzählung zu folgen. Bayonetta 2 ist eine Fortsetzung, wie sie im Buche steht.

Die Last des Vorgängers

Zwar mit kurzen Haaren, aber so lasziv und zynisch wie immer: Bayonetta.
Das klingt negativer als es sich letztlich darstellt oder anfühlt. Denn Platinum Games stand vor einem gewaltigen Berg, der erklommen wird: Nicht nur, dass man mit der Fortsetzung die technischen Grenzen eines neuen Systems ausloten musste und diesen Job bis auf ganz seltene Bildrateneinbrüche mit Bravour erledigt. Zusätzlich musste man damit fertig werden, dass der erste Teil, der dem Spiel als Bonus beiliegen wird, in vielerlei Hinsicht Grenzen verschoben oder gesprengt hat. Das Artdesign z.B. hat seinerzeit mit seiner fantasievollen Interpretation religiöser Themen wie Engel und Dämonen für Staunen gesorgt - hier ist dieses Staunen nur noch für Spieler da, die den ersten Teil nicht kennen. Das soll zwar die Leistung der Entwickler nicht schmälern, macht aber das Dilemma deutlich, in dem sowohl Bayonetta als auch ich stecken. Denn unter dem Strich bekommt man hier nur mehr von allem - in der gleichen hohen Qualität, wie man sie erhofft hat. Aber nur selten mit dem Wow-Faktor, der einen im Vorgänger immer wieder innehalten und verwundert den Kopf schütteln ließ, was sich die Designer haben einfallen lassen.

Beim Artdesign bietet Bayonetta 2 weniger Überraschungen als der Vorgänger.
Diese Momente gibt es zwar hier auch, wenn man z.B. eine schick inszenierte Flutwelle auf ihrem Scheitelpunkt stoppt und dann durch den dadurch entstandenen Tunnel auf die andere Uferseite sprintet. Oder wenn ein Erdbeben vom Horizont auf den Spieler zukommt und noch eindrucksvoller als bei DmC: Devil May Cry die Umgebung verformt. Doch auch wenn es zahlreiche neue Gegnertypen gibt, wirkt gerade in diesem Bereich vieles hinsichtlich des Designs vertraut. Das Laufen an Wänden samt magenverdrehender Perspektivwechsel. Die ruhigen Momente, in denen man die schemenhafte menschliche Bevölkerung beobachten kann. Die Effektspektakel, wenn man Kombos vom Stapel lässt und aus einer anderen Dimension riesige Fäuste oder mit Stilettos bekleidete Füße den Schlaghagel beenden. Die „Klimax“-Finisher, die das Ende des Bosskampfes signalisieren und die den aus Haaren bestehenden Anzug der Hexe in ein riesiges Monster verwandeln, der den Feind seinem verdienten Ende zuführt. Während Bayonetta-Neulinge vermutlich den angesprochenen Wow-Faktor für sich entdecken und von der Reizüberflutung erschlagen werden, während sie versuchen, der hektisch erzählten Geschichte zu folgen, fühlen sich Spieler des ersten Teiles "nur" so, als ob man nach einer langen Reise wieder nach Hause kommt. Andererseits: Zuhause ist es immer noch am schönsten!

Hohe Qualität und niedriges Anforderungprofil

Denn man darf dabei nicht vergessen, dass natürlich auch die spielerischen Qualitäten der Umbra-Hexe immer noch im Überfluss vorhanden sind. Das Kampfsystem z.B. hat weder an Tiefe noch an Zugänglichkeit eingebüßt. Die Kombos fließen aus den Fingern, wobei gerade die für die zahlreichen Feinde verheerendsten Kombinationen viel Übung und gutes Timing erfordern.  Wie gehabt kann man in den Ladeschirmen an seiner Koordination feilen und sich die Tastenfolgen anzeigen lassen, um sie sich einprägen zu können. Allerdings wirken die Duelle auf dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden leichter als im Vorgänger. Zur Probe wurde der Einstieg in den ersten Teil nochmals gespielt und siehe da: Der Eindruck täuscht nicht. Der Zeitraum, in dem man die Tasten für die Kombinationen drücken muss, war im Vorgänger deutlich knapper. Auch das Fenster, in dem man per Ausweichen die Hexenzeit (die Bullet-Time der Bayonetta-Welt) aktiviert, ist großzügiger.

Platinum Games hat die Wii U bis auf wenige Ausnahmen im Griff: Die Action wird sauber inszeniert.
Das Ergebnis: Einer der Punkte, der Teil eins auszeichnete, wird deutlich geschwächt. Denn wollte man den Arena-Kämpfen nicht nur möglichst unbeschadet, sondern auch mit einem vernünftigen Kombozähler und damit einer guten Endbewertung entkommen, musste man sich anstrengen. Ganz abgesehen davon, dass Bayonetta ohnehin ab der zweiten Spielhälfte hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades in die Oldschool-Schublade unter "fordernd, aber fair" einsortiert werden durfte. Immerhin: Gegen Ende der für die Vorschau freigegebenen Spielzeit legten die Kämpfe gegen Standard-Feinde und vor allem gegen die Bosse an Anspruch zu. Man war gezwungen, die wieder vorhandenen Lollis zur Stärkung von Fähigkeiten oder zur Heilung einzusetzen. Das gibt Hoffnung, dass sich Bayonetta auch mit ihrer schicken Kurzhaar-Frisur nicht zwangsläufig dem Gelgenheitsspieler anbiedert, dem das Spiel "auf Teufel komm raus" hilft, bis ans Ende zu kommen.

Sperrig und sexy

Doch wer bislang kaum mit Spielen dieser Art in Verbindung gekommen ist, wird angesichts der Sperrigkeit von Themen und Artdesign vermutlich ohnehin kaum Gefallen an dem immerwährenden Konflikt zwischen Gut und Böse finden, der auch hier im Mittelpunkt steht. Von den sexuellen Anspielungen ganz zu schweigen.

Abgesehen vom Schwierigkeitsgrad zeigt die Hexe in der Fortsetzung genau das, was man erwarten konnte.
Denn nicht nur verbal lassen sich immer wieder zweideutige Anspielungen ausmachen, die allerdings bei den deutschen Texten mitunter verloren gehen. Bei den exotischen Kamerafahrten, mit denen in den Zwischensequenzen oder beim Einsatz von Finishern der Körper der Protagonistin eingefangen und ihre Rundungen ins rechte Licht gerückt werden, ist hingegen nichts zweideutig. Hier kokettieren Bayonetta und Platinum Games mit ihrer Sexualität - und das noch stärker als in Teil 1. Die Schwenks, Zooms und Drehungen auf die weiblichen Vorzüge der Hexenanatomie, die mit ihrem katzengleichen Hüftschwung darüber hinaus das Vorhandensein einer Wirbelsäule Lügen straft, gehen weiter als bei ihrem ersten Abenteuer. Und dennoch schafft man abermals das Kunststück, sie nicht sexistisch zu betrachten - allerdings ist zwischen dem, was gezeigt bzw. angedeutet wird und der Grenze des guten Geschmacks mitunter nicht mal mehr Platz für ein Staubkorn. Hier tanzt Platinum auf der Rasierklinge und schafft es hoffentlich bis zum Ende, sich nicht zu verletzen.

Denn wo im ersten Teil die Beziehungen zwischen Bayonetta und den anderen Figuren in den Zwischensequenzen für einen Gegenpol zu den sexuellen Andeutungen sorgten, habe ich hier ausgehend von dem bislang Gesehenen Bedenken. Zwar taucht mit Luka (aka Cheshire) ein alter Bekannter wieder auf, dessen Beziehung zur Hexe sich kaum geändert hat. Doch der neue Sidekick Loki, ein geheimnisvoller Magier, schafft es nicht, neue Verhaltensweisen oder Facetten an Bayonetta zu zeigen - ganz im Gegenteil, es wird dadurch eher eine weitere erotische Ebene hinzugefügt, von der ich trotz der klar vorhandenen selbstironischen Untertöne noch nicht vollends überzeugt bin. Die Dynamik und Spannung zwischen den beiden ist für mich zumindest bis Ende des vierten Kapitels nicht so interessant wie das beinahe mütterliche Verhältnis, das im Vorgänger zwischen der Protagonistin und Cereza aufgebaut wurde. Wobei die Geschichte im Allgemeinen bislang stringenter und mit deutlich weniger Facetten erzählt wird als im Vorgänger.

Ausblick

Kann Platinum Games den polarisierenden, überbordenden sowie in vielerlei Hinsicht Grenzen auflösenden Vorgänger toppen? Vermutlich nicht. Denn dazu wirkt vieles zu vertraut - angefangen vom Kampfsystem über das Artdesign bis hin zu den Umgebungsrätseln und den Nebenaufgaben. Doch eines lässt sich nach den ersten Stunden mit der jetzt kurzhaarigen Umbra-Hexe feststellen: Sie hat trotz nur weniger Neuerungen nichts von ihrer Faszination verloren - auch wenn Frischlinge im Bayonetta-Universum hinsichtlich der mitunter unübersichtlichen Erzählstruktur etwas im Regen stehen gelassen werden. Doch die Art und Weise, wie Action, Gegner und die Hauptfiguren inszeniert werden, ist immer noch gleichermaßen un- wie außergewöhnlich und stellt nach wie vor eine erfrischende Abwechslung dar. Zumal Bayonetta noch mehr als zuvor mit ihrer Sexualität spielt und Platinum Games gewillt scheint, die Kameraeinstellungen millimetergenau an die Grenze des guten Geschmacks zu führen. Nicht zu vergessen: Technisch hat das Team die Wii U gut im Griff und zelebriert bei nur sehr seltenen Bildrateneinbrüchen ein Effektfeuerwerk, das die Konsole in dieser Form noch nicht gesehen hat. Ein Schwachpunkt könnte allerdings der Schwierigkeitsgrad werden, der bislang deutlich niedriger liegt als im knackigen Vorgänger. Mal abwarten, wie sich die Hexe im Oktober zur angepeilten Veröffentlichung präsentiert. Doch der Hitstern scheint ihr nicht zu nehmen zu sein.

Einschätzung:
sehr gut (Fit 4 Hit)

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