Brute Force05.06.2003, Mathias Oertel
Brute Force

Im Test:

Nach langer Wartezeit ist es endlich da: Brute Force. Das PC-bewährte Team von Digital Anvil möchte in seinem Xbox-Debüt mit actionbetontem Gameplay das Genre der Team-basierten Taktikshooter aufrollen und so ganz nebenbei grafische Glanzpunkte setzen sowie am Thron von Halo nagen. Ob die Xbox mit einem neuen Stern am Action-Himmel strahlen kann, erfahrt Ihr im Test.

Taktik oder Action?

Da die Story, so ansprechend sie auch mit Render-Videos und Sequenzen in Spielgrafik erzählt wird, weitestgehend vernachlässigt werden kann (vier Spezialisten gegen den Rest der Alien-Welt), konzentrieren wir uns auf das Wesentliche: das angestrebte Spielziel Taktik-Action.

Die Voraussetzungen dafür sind gut: Ihr habt volle Kontrolle über ein Team von maximal vier Spezialisten, die alle mit besonderen Eigenschaften, Fähigkeiten und Waffenvorlieben gesegnet sind, wobei Ihr jedoch nur zwei Waffen gleichzeitig tragen könnt. Das Ziel ist es, mit der richtigen Figur zur richtigen Zeit die richtige Aktion durchzuführen, ohne den Rest des Teams zu verlieren.

Ihr werdet von Brute Force behutsam an die auf Euch in der Kampagne wartenden Aufgaben herangeführt, indem Ihr anfangs nur einen Recken zur Verfügung habt und die anderen in den ersten Missionen befreien müsst bzw. zur Seite gestellt bekommt.

Team-Probleme

Doch mit zunehmender Truppengröße wachsen die Probleme und machen die Schwierigkeiten mit der Spielmechanik deutlich. So lange Ihr allein unterwegs seid, entwickelt das Spiel eine schöne Eigendynamik und sorgt dank der eingängigen Steuerung und permanent auf Euch einströmenden Gegnerscharen für Action pur.

Seid Ihr allerdings mit mehreren Figuren auf der Jagd, beginnt es, kompliziert zu werden. Denn obwohl Ihr den Kollegen mit vier Befehlen eine Marschroute vorgeben oder sie auf einer Übersichtskarte zu einem bestimmten Ort führen könnt, lässt die Umsetzung zu wünschen übrig.

Denn die KI der eigenen Mannen, Monster und Damen lässt mehr als zu wünschen übrig.

Sie geben sich zwar redlich Mühe, sich zu verteidigen, doch selbst wenn Ihr ihnen den Feuer-Befehl gebt, rückt Euer Team den Gegnern nicht so auf den Pelz, wie Ihr es Euch vorgestellt habt. Das geht sogar so weit, dass man das Gefühl hat, Euer Sniper wüsste nicht, wie man das Zielfernrohr einsetzt.

Zudem machen die Gegnerfluten es unheimlich schwer, gezielt Taktiken einzusetzen. Dagegen hilft nur eines: die Figuren mit schwacher Energieleiste irgendwo parken, mit den Tanks aufräumen und dann den Rest des Teams nachholen.

Action pur

Lässt man die Taktik-Komponente beiseite, bleibt im Kern für Einzelspieler ein anspruchsvolles Action-Spiel, das im Vergleich zu vielen Kollegen (Ego-Shooter eingeschlossen) trotz relativ gleich bleibendem Grundprinzip selten an den Rand der Eintönigkeit gerät.

Das Level-Design ist clever, die Gegner tauchen immer wieder überraschend auf und sorgen für glühende Gewehrläufe. Insofern kann man Brute Force im Action-Bereich durchaus als Alternative zu Halo sehen - auch wenn es nie ganz die Klasse des Bungie-Werkes erreicht.

Das Missionsdesign ist vielfältig gestaltet, läuft aber egal ob Stealth oder "Seek-and-Destroy" meist nur auf Feuergefechte hinaus, die von hin und wieder auftauchenden und einfach zu lösenden Schalter-Rätseln unterbrochen werden. Insofern hat man hier wieder eine Chance verschenkt, für Einzelspieler mehr Taktik ins Spiel zu bringen.

Taktik mit mehreren

Hat man ein paar Freunde (vorzugsweise mit Xbox) zur Hand, kann jeder eine der Figuren übernehmen und die Kampagne jederzeit kooperativ durchspielen. Am Splitscreen ist der Ausschnitt zwar etwas klein, weswegen System-Link zu bevorzugen ist, doch im Endeffekt reicht auch das Gewühl an einem Bildschirm, um den erwünschten Taktik-Einschlag herzustellen.

Und siehe da: sind die KI-Probleme beseitigt, macht das Team-Spiel einen Heidenspaß. Man kann sich Befehle und Beschimpfungen zubrüllen und hoffen, dass der Mitspieler seine Aufgaben zur Zufriedenheit erfüllt. Hier wird eine Kooperations-Intensität erreicht, wie sie Halo eigentlich hätte bieten können, und hier ist auch definitiv die Stärke von Brute Force sowie der einzige spielerische Punkt zu finden, in dem Digital Anvil den Kollegen von Bungie voraus ist.

Zusätzlich gibt es noch die üblichen Deathmatch und Team Deathmatch-Optionen für bis zu acht Spieler, um ungezwungene Duelle jenseits der Kampagne zu erleben. Xbox Live ist zwar integriert, wird jedoch nur für Content-Downloads genutzt.

Liebe auf den zweiten Blick

Wenn man sich Brute Force das erste Mal anschaut, fragt man sich unwillkürlich, wo die ganze Entwicklungszeit grafisch abgeblieben ist. Doch bereits nach kurzer Zeit entdeckt man aufwändige und im Laufe des Spieles auch äußerst abwechslungsreiche Texturen in den großräumigen Arealen. Subtile Wetter- und Lichteffekte sorgen ebenfalls für eine schöne Atmosphäre.

Was Charakterdesign und Animationen betrifft, wird ebenfalls eine überdurchschnittliche Arbeit abgeliefert, ohne jedoch herausragend zu sein. Denn dafür bewegen sich viele der Figuren, die Hauptcharaktere eingeschlossen, einfach hin und wieder zu staksig. Zudem greift jedes Teammitglied auf das gleiche Animationsrepertoire zurück. Hier hätte etwas Abwechslung Not getan und gleichzeitig noch die Eigenheiten der verschiedenen Figuren betont.

Gut gelungen -und in einem Action-Spiel sicherlich eines der wichtigeren grafischen Elemente- sind die imposanten Explosionen, Waffeneffekte und was man sonst noch von einem Spiel dieser Art erwartet.

Bei all der Pracht läuft die Engine im Einzelspieler-Modus zumeist ruckelfrei und bricht nur bei großen Gegnermassen mit gleichzeitig stattfindenden Bombast-Explosionen etwas ein.

Im Splitscreen-Betrieb mehren sich die Fehlzündungen des Grafik-Motors, jedoch nie so weit, dass sie das Spiel maßgeblich zum Negativen beeinflussen.

Abgerundet wird das insgesamt gute Grafikerlebnis durch aufwändig produzierte Render-Videos.

__NEWCOL__Gewöhnungsbedürftige Akustik

Obwohl die Musik hochwertig produziert wurde und optimal zum Geschehen passt, werden sich die meisten vermutlich erst nach ein bisschen Eingewöhnungszeit daran gewöhnen. Die teilweise minimalistischen und hin und wieder sogar merkwürdig sphärischen Klänge sind sicherlich nicht jedermanns Sache, erhöhen die Atmosphäre und Spannung jedoch ungemein.

Bei der Sprachausgabe gibt es ebenfalls wenig zu bemängeln. Die Sprecher für die deutsche Fassung sind gut ausgewählt und sorgen für eine professionelle Vertonung.

Allerdings bleibt bis zum Schluss offen, ob sich Brute Force eher als "ernstes" Action-Spiel sieht oder nicht.

Von Zeit zu Zeit gibt es Kommentare, die wie in einem guten Action-Film versuchen, nach einem heißen Feuergefecht Witz in die Sache zu bringen. Doch der Humor wirkt leider ein wenig aufgesetzt und nötigt einem nur selten ein Lächeln ab.

Das Problem mit den Sprachsamples der Gegner ist wie so häufig die hohe Wiederholrate, die beim Kampf gegen 20 Mutanten, die einen mit Blei voll pumpen wollen, wirklich nerven kann. Doch abgesehen davon wird mit der Soundkulisse eine adäquate Untermalung für das Action-Feuerwerk geschaffen.

Fazit


Als Actionspiel gandenlose Unterhaltung, als Taktik-Shooter nur Mittelklasse - damit lässt sich Brute Force am einfachsten beschreiben. Für ein Spiel, das sich das Credo Taktik auf die Verpackung schreibt, kommt dieser Aspekt für Einzelspieler einfach zu kurz. Was vor allem der eher madig reagierenden KI der Gefährten zuzuschreiben ist. Am einfachsten sind die umfangreichen Abschnitte zu bewältigen, wenn man seine zwei "Tanks" wählt und die Unterstützungsklassen irgendwo parkt, wo sie nicht angegriffen werden können. Und das kann es ja wirklich nicht sein. Als reinrassiger Action-Shooter hingegen überzeugt Brute Force auf breiter Linie. Es ist permanent was los, die Bildrate stürzt nur selten ab und die Grafik an sich wirkt auf den ersten Blick zwar nicht opulent, bietet aber bei genauem Hinsehen schöne Texturen und feine Explosionen, die das Herz vieler Pyromanen höher schlagen lassen dürften. Der ganze Reiz und auch die gewünschten Taktik-Elemente entfalten sich jedoch erst im Koop-Modus, den man jedoch vorzugsweise per System-Link spielen sollte, da der Splitscreen auf Dauer zu wenig Übersicht bietet. Nicht ganz der erhoffte Überflieger, aber in jedem Fall ein mehr als gelungener Action-Titel, der Halo nicht komplett ersetzen, jedoch für sehr gute Unterhaltung sorgen kann.

Pro

<li>feine Third-Person-Action</li><li>schöne Grafik</li><li>einfache Steuerung</li><li>gute deutsche Sprachausgabe</li><li>per System-Link mit bis zu acht Spielern möglich</li><li>weitreichende Kampagne</li><li>stimmige Soundkulisse</li><li>vier unterschiedliche Charaktere</li><li>Content-Download über Xbox Live</li>

Kontra

<li>leichte Fehler in der Textübersetzung</li><li>Taktik-Komponente zu vernachlässigen</li><li>mäßige KI der Team-Mitglieder</li><li>trockene Präsentation</li><li>magere Story</li>

Wertung

XBox

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