WWE Raw 204.10.2003, Mathias Oertel
WWE Raw 2

Im Test:

Mit einer großen Erwartungshaltung veröffentlicht, konnte der Xbox-Einstand von THQs WWE-Spielen letztes Jahr nur eingeschränkt überzeugen. Viele der angekündigten Features fehlten und der Spielumfang war eher gering. Doch jetzt ist der Nachfolger da und möchte verlorenen Boden wieder gut machen. Wir haben uns mit den schauspielernden Athleten in Raw 2 in den Ring begeben und verraten Euch im Test, ob sich das Spiel zum Wrestling-Prunkstück entwickeln konnte.

Nachholbedarf

Über Sinn und Zweck und den möglicherweise zweifelhaften Erfolg des in Amerika (und mit Einschränkungen auch Deutschland) beständig populären Sports Profi-Wrestling möchten wir hier gar nicht diskutieren. Fakt ist: die Fangemeinde ist groß.

Und das japanische Team von Anchor hat sich gewaltig ins Zeug gelegt, um die Fans zufrieden zu stellen.

So wurden beispielsweise die Matchtypen, die für Einzelmatches zur Verfügung stehen, massiv aufgestockt. Hardcore, Hell in a Cell, Cage, Royal Rumble, King of the Ring (um nur einige zu nennen) sollten nicht nur Gelegenheits-WWE-Zuschauern ein Begriff sein und sorgen für wesentlich mehr Abwechslung als in Teil 1. Zumal die meisten der Matchtypen auch in den Varianten Single, Tag Team, Tornado usw. zur Verfügung stehen.

Die unendliche Geschichte

Kernstück ist jedoch der Saisonmodus, der sich im weitesten Sinne am Kollegen Smackdown orientiert. Ziel ist es, auf lange Sicht den bzw. die WWE-Titel zu erlangen und so lange wie möglich zu verteidigen. Doch im Detail sind große Unterschiede im Saison-Modus von Raw 2 zu erkennen. Denn gilt es bei Smackdown, geskripteten Events zu folgen, entscheidet Ihr bei Raw 2 selber, mit wem Ihr Fehden beginnt, mit wem Ihr Euch verbündet usw.

Dazu stehen Euch vor jeder der drei Sendungen im Monat (Raw, Smackdown, Pay-Per-View) diverse Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung: Ihr könnt beispielsweise Gegner im Backstage-Bereich angreifen, ihnen Fallen stellen oder gar andere Wrestler gegen sie aufbringen. Natürlich könnt Ihr auch versuchen, Euch mit anderen Athleten zu verbünden, um einen eigenen Stall zu gründen.

Doch dies alles kostet "Spirit-Points". Und damit solltet Ihr vorsichtig umgehen. Denn falls Ihr vor Eurem Match wenig mentale Kraft zur Verfügung habt, seid Ihr im Kampf deutlich im Nachteil und könnt schnell gepinnt werden.

Glücklicherweise gibt es jedoch auch die Option "Ausruhen", die bei Erfolg die Spiritleiste wieder auffüllt.

Allerdings werden die verfeindeten Wrestler auch versuchen, Euch gezielt zu schwächen. D.h., sie werden Euch auch im Zweifelsfall angreifen und versuchen, in Eure Matches einzugreifen.

Alles in allem ein schöner Ansatz, der anfänglich enorm faszinieren kann. Allerdings bieten die Optionen spätestens ab dem dritten Jahr keine Abwechslung mehr, so dass sich die Saison für Einzelspieler etwas tot läuft.

Abhilfe schafft die Möglichkeit, mit bis zu vier Spielern die Saison anzugehen, wobei man positiverweise jederzeit ein- oder aussteigen kann. Die Zeit, in der man nicht aktiv am Geschehen teilnimmt, versucht der Computer, die Figuren Euren Grundeinstellungen entsprechend voranzubringen.

 

Alles klar im Ring?

Wie schon in Teil 1 ist der Kampfverlauf an sich langsamer gestaltet als in vergleichbaren Spielen und ist damit eher in den Bereich Simulation einzuordnen. Das heißt aber nicht, dass es den Kämpfen an Dynamik mangelt - ganz im Gegenteil: Action ist genug da, bekommt aber eine deutlich taktischere Note als bei Smackdown und Co.

Dies wird auch durch die Steuerung verdeutlicht, die nicht ganz so eingängig ist wie bei Smackdown und auch nicht so differenzierte Möglichkeiten wie beispielsweise WWF No Mercy oder Def Jam Vendetta bietet, aber für Taktiker und Lernwillige zahlreiche Finessen parat hat. So könnt Ihr z.B. ganz gezielt bestimmte Körperteile schwächen, um den Gegner dann mit einem Haltegriff zur Aufgabe zu zwingen.

Um die ganzen Möglichkeiten der Steuerung zu erfassen, lohnt es sich übrigens einen eigenen Wrestler von Grund auf zu erstellen und ihm auch die Moves von Hand zuzuordnen. Denn erst dann sieht man, über wie viele Angriffsmöglichkeiten die Wrestler verfügen.

Das Blocken und Kontern allerdings ist weit davon entfernt, einen überzeugenden Eindruck zu hinterlassen. Viel zu häufig scheint es glücksabhängig zu sein, ob man den Gegner erfolgreich abwehren kann.

Was die KI betrifft, findet man zwar eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorgänger, doch das Ende der Fahnenstange ist sicherlich nicht erreicht. Das krasseste Beispiel sind vermutlich die Wrestler, mit denen ich eine Fehde habe und die in einen Kampf von mir eingreifen, nur um meinen Gegner fertig zu machen, während ich ruhig abwartend in der Ecke stehe, bis sie wieder aus dem Ring verschwunden sind. Das muss nicht sein und raubt dem Saisonmodus die authentische Würze.

__NEWCOL__Umfangreich

Mit über 60 Wrestlern bietet Raw 2 das bislang umfangreichste Angebot an Athleten. Dabei ist man auch beinahe erschreckend aktuell: Neben Veteranen wie Stone Cold Steve Austin, Triple H oder Undertaker finden sich auch viele WWE-Newcomer wie John Cena, Rey Mysterio und natürlich Goldberg. Ultimo Dragon ist leider noch nicht dabei, die Basham Brothers samt Shaniqua ebenso wenig. Dafür allerdings hat man vermutlich das letzte Mal Gelegenheit mit Hulk Hogan in den Ring zu steigen, dessen Abgang aus der WWE vermutlich zu spät kam, um ihn aus dem Spiel zu nehmen.

Doch da es dieses Mal endlich mehr als genügend zusätzlichen Platz im Roster gibt, können sich Fans mit etwas Geduld im starken Editor selber alle Wrestler nachbauen, die fehlen, mittlerweile von uns gegangen sind oder in anderen Ligen kämpfen. Und mit ein wenig Feingefühl könnt Ihr auch Kain auf den neuesten Stand bringen. Denn obwohl er zu seinem aktuellen Video einmarschiert, hat er immer noch seine Maske auf.

Zwar fehlt die Möglichkeit wie bei Smackdown haarklein beispielsweise die Gesichstform zu verändern, doch mit den vorhandenen Versatzstücken können Wrestler wie Scott Hall, Mr.Perfect oder Hawk und Animal recht authentisch nachgebaut werden.

Natürlich könnt Ihr auch einen Athleten quasi frei nach eigenem Belieben bauen. Beeindruckend wie im letzten Jahr sind dabei die Auswahlmöglichkeiten, die sich um den Einmarsch drehen. Ihr könnt Lichter nach Euren Wünschen schalten, einfärben usw., Pyroeffekte auf die Zehntelsekunde genau zünden, ein eigenes Titantron-Video erstellen und endlich auch mit einer Musik aus Euren eigenen Soundtracks zum Ring marschieren.

Und dass der Saison-Modus mit einer selbst erstellten Figur gleich um so motivierender ist, braucht wohl kaum erwähnt werden.

Wrestler hui, Zuschauer pfui!

Auch wenn an allen Ecken und Enden an der Grafik geschraubt wurde: manche Probleme scheint das Team einfach nicht in den Griff zu kriegen. Dazu gehört zum Beispiel das nervige Clipping, das Wrestlingspiele seit Tag 1 quält. Sowohl Ringseile als auch in nicht ganz so starkem Umfang Körperteile verschmelzen mit den Wrestlern und sorgen so für unrealistische Momente.

Auch die Zuschauerkulisse ist immer noch nicht optimiert. In der Totale können die vollbesetzten Ränge zwar Stimmung verbreiten, doch sobald man die Zuschauer näher zu Gesicht bekommt, erkennt man auf den hinteren Rängen die üblichen, mit wenigen Phasen animierten Pappkameraden. Auf den Plätzen am Ring haben in Raw 2 zwar Polygonfiguren Platz genommen, doch angesichts der mäßigen Umsetzung hätten es die berühmt-berüchtigten Sprites auch getan.

Ganz anders verhält es sich bei den Wrestlern und der allgemeinen Präsentation: Die Figuren sehen schlichtweg grandios aus und wirken so realitätsnah wie bei keinem anderen Wrestling-Spiel. Die Texturen stimmen bis auf das kleinste Tattoo und die Animationen sind weitestgehend einfach nur klasse. Ab und an sind die Gangbewegungen zwar etwas unnatürlich, doch angesichts der umfangreichen Gesichtsanimationen und den wunderbar eingefangenen Verhaltensweisen, z.B. bei den Einmärschen, werden Fans gut entschädigt.

Das Vorhaben, mit Raw 2 die Fernsehshow so gut wie möglich zu simulieren, ist weitestgehend geglückt. Die übersichtlichen Menüs sind am Design der Raw-Show angelehnt und ermöglichen eine einfache Navigation. Auch die Zwischenbilder, die die Gegner des nächsten Kampfes zeigen und die authentischen Einmärsche geben einem das starke Gefühl, einer Fernsehübertragung beizuwohnen.

__NEWCOL__Bleibt noch die Kamera. Die bietet zumeist eine gute Übersicht und schaltet hin und wieder in eine andere Perspektive, um die Action stärker zu betonen. Dabei kommt es zwar vor, dass der Ringrichter ab und an im Weg steht, doch auch dieses Manko werden die Fans sicherlich verzeihen. Immerhin bekommen sie dafür nach spektakulären Finishing Moves eine stilechte Bild-im-Bild-Zeitlupe angezeigt.

Akustik-Wechselbad

Auch wenn viele Versuche, einen funktionierenden Kommentar in Wrestling-Spiele einzubauen, in der Vergangenheit gescheitert sind und man deswegen die Entscheidung der Entwickler, bei Raw 2 ganz darauf zu verzichten, nachvollziehen kann - irgendetwas fehlt. Angesichts der bereits erwähnten fernsehreifen Präsentation wäre ein Kommentar in irgendeiner Form das letzte I-Tüpfelchen. Denn ansonsten stimmt die Akustik: die Wrestler werden vom Ringsprecher motiviert angekündigt, die Schlaggeräusche sind gut und auch das Publikum geht während eines Kampfes euphorisch mit der Action im Ring mit.

Was die Einmarschmusiken betrifft, sind dieses Jahr auch fast alle Original-Themen mit von der Partie. Hin und wieder findet sich zwar eine Musik, die nicht ganz den Vorgaben entspricht - so z.B. bei Rob Van Dam oder auch bei Victoria, die in der Realität zu "All the things she said" von Tatu in den Ring steigt. Doch hier scheinen die Gründe eher im Lizenzbereich zu liegen. Denn bei genauem Hinhören stellt man fest, dass die Einmärsche der betroffenen Figuren nur die Instrumental-Teile der Songs wiedergeben - die Gesangsspuren, die den Song erst erkenntlich machen, wurden gelöscht. Wrestling-Fans werden trotzdem gut von der Soundkulisse bedient.

Fazit


Es geht doch! Nach dem drögen Vorgänger, der nur die ganz hartgesottenen Wrestling-Fans überzeugen konnte, präsentiert THQ nun einen in allen Belangen verbesserten Nachfolger. Der Simulationsansatz, der sich vor allem in einem bedächtigeren Matchaufbau äußert, unterscheidet sich wohltuend von den actionbetonteren PS2- und GameCube-Kollegen und wird von einer gut funktionierenden Steuerung unterstützt, an der man nur das etwas umständliche Blocken und Kontern kritisieren muss. Matchtypen und Wrestler (fast auf dem neuesten Stand) sind ebenfalls genug vorhanden. Und wer etwas Geduld hat, wird mit dem starken Editor den Roster auch mit seinen persönlichen Favoriten wie z.B. Raven, Scott Hall, der LoD oder Sting auffüllen können. Der Saison-Modus, in dem Ihr eigene Storylines erleben könnt, ist sowohl für Einzelspieler als auch für Multiplayer-Partys interessant, kann aber nicht verhehlen, dass trotz zahlreicher Auswahlmöglichkeiten auf Dauer immer nur die gleichen Ereignisse abgespult wurden. Grafisch mit einigen der realistischsten Figuren und Texturpaletten ausgestattet, die bislang auf der Xbox zu sehen waren, stimmen nur die Zuschauerkulisse und die hin und wieder merkwürdigen Gehanimationen traurig. Raw 2 schafft es, die Schmach des Vorgängers vergessen zu lassen und präsentiert dem geneigten Wrestling-Fan ansprechende Simulations-Action, deren Präsentation so dicht am echten Produkt ist wie nie zuvor. Eingeschworene Fans der Smackdown-Serie werden sich mit dem langsameren Gameplay jedoch vermutlich nicht anfreunden können.

Pro

<LI>über 60 Wrestler<LI>Simulationsansatz<LI>durchdachte Steuerung<LI>zahlreiche Matchtypen<LI>interessanter Saison-Modus für bis zu vier Spieler<LI>starker Editor<LI>eigene Einmarschmusiken möglich<LI>haufenweise Platz für erstellte Wrestler<LI>gut aussehende Einmärsche<LI>zahlreiche Arenen<LI>TV-Präsentation</LI>

Kontra

<LI>Clipping-Probleme<LI>wenig Sprachausgabe<LI>nicht alle Animationen überzeugend<LI>grafisch misslungene Zuschauerkulisse<LI>auf Dauer Abnutzungserscheinungen im Saisonmodus<LI>KI-Probleme</LI>

Wertung

XBox

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