Tao Feng: Fist of the Lotus26.05.2003, Jens Bischoff
Tao Feng: Fist of the Lotus

Im Test:

Wurde die Evolution des Beat`em-Up-Genres in letzter Zeit fast ausschließlich im grafischen Bereich vorangetrieben, will Mortal-Kombat-Urgestein John Tobias mit seinem jüngsten Projekt für Microsofts Xbox auch spielerisch etwas bewegen. So soll Tao Feng: Fist of the Lotus durch sein realistisches Interaktions- und Verletzungspotential jenseits traditioneller Rundenlimits ein ungeahnt intensives Kampferlebnis bieten. Welches Erlebnis der Titel uns beschert hat, erfahrt Ihr in unserer Testarena.

Auf zum Südpol

Die Hintergrund-Story von Tao Feng ist im Prinzip so haarsträubend und belanglos wie die der meisten anderen Genrevertreter auch: Am Südpol soll ein unsterblicher Chinese leben, der jedem anderen Unsterblichkeit gewährt, der ihm Schätze bringt und seinen Wächter vermöbelt. Zwei verfeindete Sekten halten das für ein tolles Angebot und machen sich auf ins ewige Eis. Da jedoch niemand den anderen ewig leben sehen möchte, versucht man sich unterwegs zunächst einmal gegenseitig den Garaus zu machen. Im Spiel selbst nennt sich das Ganze Quest-Modus und ist bereits nach sieben Keilereien vorbei. Anderswo heißt so etwas Arcade-Modus...

Beschränkte Möglichkeiten

Ansonsten könnt Ihr aus den üblichen Standardmodi wie Versus, Survival, Team-Battle, Turnier oder Training wählen - von spielerischer Evolution keine Spur. Na ja, schnappen wir uns mal eine der zwölf Spielfiguren und sehen weiter. Hm, sieht grafisch ganz lecker aus, auch wenn das Qualitätsniveau der Animationen nach den Charaktervorstellungen deutlich absackt und die fein modellierten Körper sich plötzlich unnatürlich träge und steif bewegen.__NEWCOL__Egal, experimentieren wir ein bisschen mit den Defensivmöglichkeiten herum: Schnelle Konter, gezielte Blocks, flotte Ausweichmanöver, fiese Stellungswechsel und taktisches Verspotten - alles drin, auch wenn Timing und Ausführung nicht immer ganz einfach sind.

Vergebene Müh

Gehen wir in die Offensive über, erfreuen wir uns an zahlreichen Schlag- und Trittkombinationen, brachialen Würfen, energiezehrenden Spezialangriffen und fulminanten Kombos. Allerdings sind Timing und Ausführung auch hier teilweise sehr gewöhnungsbedürftig. Muss man sich nämlich nicht nur Tastenkombinationen und -folgen merken, sondern auch noch individuelle Schlagrhythmen verinnerlichen. Bei über hundert Moves pro Charakter kein leichtes Unterfangen. Auch das Einstudieren der Bewegungen im erweiterten Trainingsmodus erweist sich in der Praxis als äußerst umständlich. Und hat man dann doch alles halbwegs unter Kontrolle, merkt man schnell, dass ein Großteil der Bewegungen eigentlich überflüssig ist.

Hals- und Beinbruch

Überflüssig ist im Übrigen auch das vermeintlich innovative Vorhandensein dreier Energiebalken, die sich nacheinander leeren und die Kämpfe eigentlich nur künstlich in die Länge ziehen. Ringuhr und Rundenbegrenzungen gibt es nur auf expliziten Wunsch, ansonsten spielt man bis zum finalen KO. Auf dem Weg dorthin kann man sich übrigens zahlreiche Verletzungen zuziehen, doch das grafisch durchaus überzeugende Schadensmodell ist spielerisch viel zu primitiv und willkürlich, um das Interesse auf sich zu ziehen. Lediglich die Entscheidung, mit angesammelter Chi-Energie verheerende Spezialattacken auszulösen oder doch lieber gebrochene Gliedmaßen zu heilen, bringt etwas Taktik und Spannung ins Spiel. Ansonsten sind die schlagkrafthalbierenden und zum Glück deaktivierbaren Einheitsverletzungen (Arm- oder Beinbruch) kaum nachvollziehbar und völlig überflüssig.

Interaktive Arenen

Überzeugender sind da schon die zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung. So könnt Ihr Euren Kontrahenten etwa gegen massive oder zerbrechliche Objekte schleudern und Euch selbst elegant um Pfosten schwingen oder von Wänden abstoßen. Die Einsatzmöglichkeiten sind jedoch begrenzt und verlieren angesichts der geringen Levelanzahl und -größe schnell an Attraktivität.__NEWCOL__Überhaupt ist der Spielumfang sehr bescheiden und freispielbare Extras Mangelware. Hinzu kommen Ungereimtheiten bei der Kollisionsabfrage sowie abrupte Kameraschwenks um 180°, die ohne Vorwarnung die Steuerung umkehren. Diese ist mit dem Microsoft-Pad zudem nicht sehr präzise und mangels Konfigurationsmöglichkeit auch nicht gerade Arcadestick-freundlich.

Ringrichter: Whoopi Goldberg

Auch die Lokalisierung hinterlässt trotz namhafter Synchronsprecher nicht gerade den besten Eindruck. Das liegt aber in erster Linie an der durchwachsenen Übersetzungsqualität. Vor allem die teils extrem peinlichen Kampfsprüche lassen einen schnell die Systemsprache der Xbox auf Englisch umstellen. Auch Blutgehalt und Schwierigkeitsgrad lassen sich regulieren - Letzterer sogar in sechs Stufen. Allerdings sind die Kämpfe auch auf der niedrigsten Stufe bereits rechts anspruchsvoll. Technisch ist Tao Feng bis auf gelegentliche Clipping-Fehler und Slowdowns recht solide und bietet sogar einen 60Hz-Modus. Spezialeffekte sowie Charakter- und Stage-Design sind mitunter sogar recht imposant. Originell ist auch die Highscore-Liste, die nicht nur Euren Namen und Punktestand, sondern auch Mitschnitte der Kämpfe abspeichert. Ansonsten ist die grafische Präsentation abseits der Kämpfe eher unspektakulär und die akustische durchgehend unauffällig.

Fazit


Eigentlich hat Tao Feng alles, was man von einem anständigen Prügelspiel erwartet, aber nichts, was es zu etwas Besonderem macht. Zwar hat man krampfhaft probiert, sich spielerisch von der Masse abzuheben, aber die meisten Ansätze gingen dabei nach hinten los. So ist der Wegfall des Rundenlimits reine Augenwischerei und das Verletzungs-Feature hoffnungslos primitiv. Lediglich die Interaktion mit der Umgebung ist halbwegs gelungen - aber keinesfalls neu. Zudem ist der Spielumfang in jeder Hinsicht mickrig, die Handhabung oft gnadenlos umständlich und die Präsentation ziemlich durchwachsen. Hinzu kommen steife Animationen und abrupte Kameraschwenks sowie eine gewöhnungsbedürftige Steuerung und ungenaue Kollisionsabfrage. Angesichts solcher Mängel verblassen selbst die detaillierten Charaktermodelle samt ihren dynamisch anschwellenden Blessuren. Nicht einmal zu zweit vermögen es die künstlich in die Länge gezogenen Tao-Feng-Fights dauerhaft an Pad oder Stick zu fesseln. Die Faust des Lotus` schlägt einfach zu weit am Ziel vorbei.

Pro

<li>ansehnliche Optik</li><li>sichtbare Verletzungen</li><li>interaktive Kampfarenen</li><li>originelle Highscore-Replays</li><li>umfangreiche Move-Paletten</li><li>taktisch angehauchter Spielverlauf</li>

Kontra

<li>steife Animationen</li><li>geringer Spielumfang</li><li>abrupte Kameraschwenks</li><li>unausgereiftes Gameplay</li><li>unspektakuläre Spielmodi</li><li>umständliche Handhabung</li><li>unveränderliche Steuerung</li><li>ungenaue Kollisionsabfrage</li><li>so gut wie keine freispielbaren Extras</li>

Wertung

XBox

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