Pro Tennis WTA Tour22.10.2002, Jens Bischoff
Pro Tennis WTA Tour

Im Test:

Trotz der am weitesten zurückreichenden Videospielwurzeln (Pong) führte Konsolentennis vor Segas grandioser Virtua-Tennis-Serie eher ein Schattendasein und seither gab es kaum ernsthafte Konkurrenten, die es mit der Dreamcast-Referenz hätten aufnehmen können. Auch das recht ordentliche Slam Tennis bot keine gleichwertige Alternative. Jetzt versucht Konami mit Pro Tennis WTA Tour Filzball begeisterte Xbox-Besitzer ans virtuelle Racket zu locken.

Lizenzierte Tennisdamen

Auch wenn es in Pro Tennis WTA Tour nur weibliche Tenniscracks gibt, rekrutieren sich diese dank offizieller WTA-Lizenz doch wenigsten aus realen Pofis des internationalen Damentennis. Insgesamt stehen Euch 20 mehr oder weniger namhafte Spielerinnen wie Jennifer Capriati, Martina Hingis, Serena Williams, Lindsay Davenport, Monica Seles oder Anke Huber zur Verfügung, die alle individuelle Spieleigenschaften besitzen.

Sind die Unterschiede zwischen den Toppspielerinnen diesbezüglich noch relativ gering, muss man bei in der Weltrangliste schlechter Platzierten laut Statistik dagegen deutliche Einbußen bei Technik, Ausdauer, Schlagkraft, Geschwindigkeit und Treffsicherheit hinnehmen. Zu dumm nur, dass diese Unterschiede spielerisch genauso wenig auffallen wie die Einflüsse der drei unterschiedlichen Bodenbeläge Hartplatz, Rasen und Sand...

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Enttäuschendes Spielangebot

Ernüchterung macht sich auch bei den zur Verfügung stehenden Spielmodi breit: Freundschaftsspiele sowie ein Turnier- und Saisonmodus sind alles, was das Konami-Tennis zu bieten hat. Ähnlich karg sieht es auch bei den Spieloptionen aus: Neben ein paar Standardmodifikationen klingt gerade mal der zuschaltbare Konditionsabbau interessant. In der Praxis ist davon aber einmal mehr kaum etwas zu spüren...

Zumindest kann man sämtliche Spielmodi sowohl als Einzel als auch als Doppel bestreiten, wobei bis zu vier menschliche Spieler gleichzeitig auf dem Court sein können. Bei einem Turnier lassen sich sogar bis zu 64 Spieler anmelden. Ansonsten muss man mit CPU-Partnern bzw. -Gegnern Vorlieb nehmen, deren Können sich in vier Stufen von geradezu lächerlich bis nahezu unbezwingbar festlegen lässt.

Augen zu und durch

Hat man sich dann auf einem der insgesamt zehn fiktiven Courts eingefunden, reibt man sich zunächst vermutlich erst einmal ungläubig die Augen und schaut nach, ob man wirklich die Xbox und nicht etwa versehentlich seine alte PSone angeschlossen hat. Die Spielermodelle sehen aus und bewegen sich wie oberflächlich geliftete Capcom-Zombies und selbst die Zuschauertapeten kleben apathisch auf ihren Rängen als würden sie ihren Augen nicht trauen, was da unten auf dem Platz vor sich geht. In den Replays erwacht das Publikum zwar schlagartig zum Leben, aber wohl kaum aufgrund spektakulärer Ballwechsel, die es kaum gibt, sondern wohl eher weil die Spielerinnen mit einer Serie spastischer Anfälle so etwas wie Zeitlupe zu simulieren versuchen.

Ruhe, bitte!

Die Soundkulisse gibt sich genrebedingt schlicht, aber halbwegs realistisch - auch wenn sich die englische Sprachausgabe auf ein Minimum beschränkt. Aufgelockert wird das stete Schweigen von individuellem Gestöhne der Spielerinnen sowie sich ständig wiederholenden Zuschauerrufen - doch auf ein "Silence, please!" wartet man bei den teilnahmslosen Schiedsrichtern leider vergebens. Auch statt des nervigen Gedudels in den Menüs hätte man sich lieber Stille gewünscht, aber angesichts der gebotenen Optionsarmut wird man davon ohnehin nie lange belästigt. Die Präsentation lässt sowieso an allen Ecken und Enden zu wünschen übrig. Nicht einmal ein Intro hat man dem Magertennis spendiert und deutsche Bildschirmtexte hatte unser Testmuster ebenfalls nicht zu bieten.

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Unausgegorene Spielmechanik

Lässt man die Beleidigungen für Augen und Ohren einmal beiseite, entpuppt sich allerdings auch das Gameplay als Rohrkrepierer erster Güte. Um einen Ball anständig zu treffen, muss man stets zweimal einen der vier Schlagknöpfe betätigen. Mit dem ersten Druck holt man aus und mit dem zweiten sorgt man dafür, dass der Return nicht Richtung Wolken geht - was angesichts der hakeligen Steuerung jedoch ständig passiert. Zwar können Anfänger auch sämtliche Schlagarten mit ein und demselben Knopf auslösen, am chaotischen Timing ändert dies jedoch rein gar nichts. Hat man einmal ausgeholt, lässt sich die Animation auch nicht mehr abbrechen und wenn man Pech hat, bekommt man den Ball mitten ins Gesicht, ohne dass man etwas dagegen tun könnte.

Planloses Umherirren

Wenigstens bei hohen Bällen bekommt man eine Landemarkierung angezeigt, um sich für einen erfolgreichen Return in Position zu bringen. Ansonsten ist das richtige Stellungsspiel aber meist reine Glückssache, denn die merkwürdige Flugbahn des Balles können wohl nur Konami-Entwickler nachvollziehen und sollte man dennoch einmal richtig stehen, reicht die Zeit so gut wie nie aus, um hart und gezielt zurückzuspielen. Die Folge: Ihr retourniert mit einer Kerze, die Euch Euer Gegner meist unerreichbar zurückschmettert. Selbst wenn Ihr danach die Ecke erahnt, habt Ihr so gut wie keine Chance, den Ball noch zu erreichen, denn für eine elegante Hechtrolle oder Ähnliches sind sich die fußlahmen Polygondamen ohnehin zu schade.

Fazit


Pro Tennis WTA Tour ist Tennis zum Abgewöhnen. Mit einer völlig verfehlten Steuerung und träge umherzuckelnden Tennisdamen versucht ihr unrealistische Flugbahnen vorherzusehen, um wenigstens hin und wieder einen sauberen Return abzuliefern. Gelingen tut dies aber so gut wie nie und wenn doch, werdet Ihr mit ruckeligen Replays und peinlichen Animationen malträtiert. Die dürftige Präsentation und das mickrige Angebot an Spielmodi und -optionen machen die Enttäuschung letztendlich perfekt. Schade um die Lizenz, aber Boris Beckers Steuerakte zu lesen ist vermutlich zehnmal so spannend wie eine Partie WTA Tour. Wer nicht gerade masochistisch veranlagt ist, sollte sich lieber das um Klassen bessere Slam Tennis oder besser noch einen Dreamcast samt Virtua Tennis 1 & 2 zulegen, wogegen Konamis Filzballdebakel wie ein zufällig spielbarer Bug wirkt.

Pro

<li>Vier-Spieler-Modus</li><li>20 Original-Spielerinnen</li><li>zwei Steuerungsvarianten</li><li>authentische Soundkulisse</li><li>variabler Schwierigkeitsgrad</li><li>aktivierbarer Konditionsverlust</li><li>Landemarkierungen bei hohen Bällen</li>

Kontra

<li>nicht lokalisiert</li><li>träges Gameplay</li><li>miese Steuerung</li><li>ruckelnde Replays</li><li>nur drei Spielmodi</li><li>mäßige Animationen</li><li>spärliche Präsentation</li><li>konfuses Stellungsspiel</li><li>unrealistische Ballphysik</li><li>nur zwei Kameraperspektiven</li>

Wertung

XBox

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