Fluch der Karibik05.10.2003, Jens Bischoff
Fluch der Karibik

Im Test:

Während die Karibik heutzutage ein beliebtes Urlaubsziel ist und mit weißen Sandstränden, türkisblauem Meer und luxuriösen Hotelanlagen lockt, war es früher eher ein ungemütlicher Tummelplatz ausbeuterischer Kolonialmächte, raffgieriger Piraten und gefährlicher Epidemien. Wenn es nach Ubi Softs Leinwandadaption Fluch der Karibik (ab 29,95€ bei kaufen) geht, trieben selbst Untote vor knapp vierhundert Jahren dort ihr Unwesen. Was angehende Xbox-Kapitäne auf dem verfluchten Archipel noch so alles erwartet, erfahrt Ihr in unserem ausführlichen Test-Logbuch.

Lizenzierte Seebären

Eines gleich vorweg: Mit der Handlung des gleichnamigen Kinofilms mit Keira Knightley und Johnny Depp hat Akellas Fluch der Karibik, das eigentlich als Nachfolger von Sea Dogs geplant war, nur wenige Gemeinsamkeiten. Zwar geht es nach wie vor um das mit einem geheimnisvollen Fluch belegte Geisterschiff Black Pearl, aber die darum herum gestrickte Story konfrontiert Euch mit völlig anderen Schauplätzen, Charakteren und Ereignissen.

Kapitän zwischen den Fronten

So startet Ihr Eure Laufbahn als englischer Kapitän einer mickrigen Logger, die von einem Sturm gebeutelt im Hafen der britischen Kolonie Oxbay vor Anker liegt. Nach einer kleinen Einweisung Eures Bootsmanns gilt es zunächst einmal die Fracht zu löschen, Schäden zu reparieren und neue Crew-Mitglieder anzuheuern, um wieder in See stechen zu können.

Doch kaum habt Ihr den Hafen verlassen, kommt es zu einer Invasion durch die französische Flotte. Da die Besatzer auf Engländer gar nicht gut zu sprechen sind, gibt es vorerst also kein Zurück und Ihr landet früher oder später im Haus des englischen Gouverneurs auf Redmond, um einen Lagebericht abzugeben.__NEWCOL__Im Dienste ihrer Majestät

Und ehe Ihr es Euch verseht, seid Ihr auch schon ein Teil der englischen Kriegsflotte und Handlanger des zwielichtigen, aber großzügigen Gouverneurs. Im weiteren Spielverlauf könnt Ihr aber auch Aufträge für die französische, spanische, portugiesische oder holländische Krone übernehmen, Euch als Handelsmann oder Schmuggler versuchen oder gar als Pirat das idyllische Archipel unsicher machen - die Wahl Eurer Tätigkeit bleibt nämlich wie die zeitliche Fortführung der spannenden, aber leider nicht allzu umfangreichen Story Euch überlassen.

Individueller Protagonist

Auch bei der Entwicklung Eures Charakters habt Ihr vollkommen freie Hand. Durch erfolgreich zu Ende gebrachte Aufträge, gewonnene Kämpfe und andere besondere Leistungen erhaltene Erfahrungspunkte bescheren Euch bei einem Level-Up nämlich nicht nur einen Anstieg der Lebensenergie, sondern auch frei verteilbare Fähigkeits- und Talentpunkte.

So entscheidet einzig und allein Ihr, welche Eurer zehn Talente wie Führerschaft, Nahkampf, Handel oder Glück Ihr verbessern und welche von insgesamt 35 speziellen Fertigkeiten Ihr Euch aneignen wollt.

Aller Anfang ist schwer

Da der Spielverlauf sehr offen ist, kann es auch schon einmal vorkommen, dass man sich übernimmt. Vor allem zu Beginn des Spiels weist einen der übertrieben hohe Schwierigkeitsgrad gnadenlos in seine Schranken. Bis man seine erste Seeschlacht gewonnen oder ein feindliches Banditenrudel mit Säbel und Pistole erfolgreich zur Strecke gebracht hat, vergehen einige Spielstunden. Zum Glück dürft Ihr jedoch fast jederzeit den Spielstand sichern, um den Frust über das häufige Sterben in Grenzen zu halten. Doch auch aufgrund zahlreicher Bugs und verschwindender Spielstände ist häufiges Speichern nie verkehrt.

Keine Qualitätsarbeit

Das Spiel wirkt einfach an vielen Stellen unfertig. Bestenfalls resultiert dies in zweifelhaften KI-Routinen, kleinen Ungereimtheiten im Logbuch, bei Dialogen oder während des Storyverlaufs bzw. gar vorteilhaften Bugs wie dem Verschwinden lassen lästiger Feindschiffe auf hoher See.

Schlimmstenfalls gehen aber wie gesagt ganze Spielstände verloren oder Ihr segnet trotz aktivierter Pausefunktion das Zeitliche. Zudem positionieren sich Kamera und Crew-Mitglieder oft sehr unvorteilhaft, so dass Ihr gelegentlich völlig die Übersicht verliert oder irgendwo komplett feststeckt und auch sonst gibt sich die Steuerung des Helden oft recht hakelig.__NEWCOL__Helfende Hände

Als Ausgleich für die zuvor genannten Handicaps kann man sich dafür an Land auf eine automatische Zielhilfe, sich selbst regenerierende Lebensenergie und unbegrenzt Munition freuen. Auf See kann man hingen aussuchen, ob man die Kanonen manuell ausrichten will oder das Anvisieren lieber den CPU-gesteuerten Kanonieren an Bord überlässt, Reparaturen werden ausreichend Segeltuch und Planken vorausgesetzt automatisch durchgeführt und verschossen werden kann nur, was sich auch an Bord befindet. Zur Auswahl stehen neben normalen Kanonenkugeln auch Segel zerfetzende Kettenkugeln oder Matrosen dezimierende Kartätschen.

Imposante Seeschlachten

Wem die teils spektakulären Seegefechte übrigens etwas zu träge ablaufen, kann sie mit einer Zeitraffer-Funktion beschleunigen. Doch die Trägheit der Schiffe ist durchaus realistisch und spürbar von der Größe des Boots, der Anzahl gesetzter Segel und der Talentwert des Kapitäns abhängig. Natürlich spielen auch Wind und Witterung eine entscheidende Rolle.

So können heftige Stürme weit mehr Schaden anrichten als feindliche Kanonenkugeln. Alternativ kann man aber auch versuchen, gegnerische Schiffe zu entern und Seeschlachten nicht mit Kanonengedöns, sondern mit Säbelrasseln für sich zu entscheiden.

Klein, aber fein

Leider ist die karibische Spielwelt äußerst klein geraten und besteht nur aus einer Hand voll nahe beieinander gelegener Inseln, die zudem auch noch alle sehr ähnlich aussehen. Meist gibt es auf jedem Eiland ein bis zwei Siedlungen inklusive Fort, einen überschaubaren Dschungel und ein paar abgelegene Buchten für den Absatz von Schmuggelgütern.

Auch Minen, Höhlen und andere Schlupflöcher sind hin und wieder vorhanden, aber allzu viel zu entdecken gibt es leider nicht und auch die NPCs bleiben eher blass. Dafür sind die Inseln selbst allerdings liebevoll und detailliert in Szene gesetzt und lassen zu jeder Tages- und Nachtzeit echtes Karibik- und Freibeuter-Feeling aufkommen.

Stimmungsvolle Edeloptik

Zwar ist der Tages- und Wetterwechsel nur auf hoher See dynamisch, aber das Ergebnis sieht sowohl an Land als auch an Bord Eures Schiffes umwerfend aus. Vor allem die hervorragenden Licht- und Wassereffekte sorgen für unvergleichliche Eindrücke. Darüber hinaus werdet Ihr mit gestochen scharfen Texturen, optionaler Ego-Perspektive und einer schier grenzenlosen Weitsicht verwöhnt. Dass die Bildrate bei so viel Grafikpracht hin und wieder etwas absackt und es keinen 60Hz-Modus gibt, ist nicht weiter tragisch - nur wer häufig mit vierköpfiger Party längere Landgänge unternimmt, würde für ein flüssigeres Scrolling gerne auf ein paar andere optische Annehmlichkeiten verzichten.__NEWCOL__Durchwachsene Soundkulisse

Die Akustik kann mit der grafischen Präsentation leider nicht ganz mithalten: Der stimmungsvolle Soundtrack ist zwar tadellos, aber die restliche Soundkulisse wirkt äußerst altbacken. Statt einzelner, ortsbezogener Umgebungsgeräusche in Dolby Digital wird der Spieler nämlich in erster Linie mit oft billig gemachten Stereo-Soundschleifen beschallt, die nicht einmal zum Geschehen passen.

Auch die spärliche deutsche Sprachausgabe wirkt mit ihren gekünstelten Akzenten eher unfreiwillig komisch als atmosphärisch. Inhaltlich ist die Lokalisierung jedoch weitestgehend in Ordnung und die gelegentlichen Multiple-Choice-Dialoge sind mitunter sogar sehr unterhaltsam.

Teleports statt Automaps

Vorgerenderte Zwischensequenzen haben hingegen Seltenheitswert - nicht einmal ein Intro haben die Entwickler dem ansonsten prächtig präsentierten Titel spendiert. Auch auf Land- oder Seekarten müsst Ihr verzichten. Die Orientierung fällt aufgrund der sehr kompakten Spielabschnitte aber ohnehin nur selten schwer und zudem gibt es in Siedlungen sowie Küstennähe eine praktische Schnellreisefunktion, die Euch auf Knopfdruck in Sekundenschnelle ans gewünschte Ziel bringt. Dafür muss man allerdings viele lästige Ladezeiten und unüberwindbare Barrieren über sich ergehen lassen, die den Forscherdrang immer wieder eindämmen.

Fazit


Wer von Akellas Fluch der Karibik eine angemessene Fortsetzung zu Sid Meiers Freibeuter-Epos Pirates! erwartet hat, wird sicher enttäuscht sein, denn der Erkundungsdrang wird in der viel zu knapp bemessenen Spielwelt meist schon nach wenigen Seemeilen von unsichtbaren Barrieren gestoppt. Eine Hand voll kleiner Inselchen sind einfach zu wenig, um anspruchsvolle Seebären langfristig bei Laune zu halten. Nichtsdestotrotz wird einem die überschaubare Spielwelt äußerst hübsch und liebevoll präsentiert und auch die nahezu uneingeschränkte Handlungsfreiheit macht sich positiv bemerkbar. Zudem ist die Hauptgeschichte recht spannend, wenn auch nicht gerade umfangreich. Aufgrund des vor allem zu Beginn sehr hohen Schwierigkeitsgrads sollte man aber ohnehin erst einmal ein paar Monate sein Heil in der Flucht suchen und sich als auftragswilliger Händler statt als furchtloser Seeräuber verdienen. Später kann man sich dafür auf spektakuläre Seeschlachten oder fechtintensive Schatzsuchen freuen. Schade nur, dass man sich auch als Konsolenbesitzer während des Karibik-Aufenthalts mit zahlreichen Bugs und Ungereimtheiten abfinden muss, die den Spielfluss teils empfindlich stören - doch zum Glück kann man genauso konsolenuntypisch fast immer und überall speichern.

Pro

<li>günstiger Preis</li><li>spannender Plot</li><li>zahlreiche Side-Quests</li><li>hervorragende Weitsicht</li><li>großer Handlungsfreiraum</li><li>atmosphärischer Soundtrack</li><li>idyllische & detaillierte Edeloptik</li><li>einfaches Charakter-Management</li><li>hübsche Wetter- und Witterungseffekte</li><li>nahezu uneingeschränktes Speichersystem</li><li>praktische Schnellreise- und Zeitrafferfunktionen</li>

Kontra

<li>schwache KI</li><li>zu kleine Spielwelt</li><li>kaum Storysequenzen</li><li>viele lästige Ladezeiten</li><li>keinerlei Kartenfunktion</li><li>blasses Charakterdesign</li><li>etwas hakelige Steuerung</li><li>teils ziemlich störrische Kamera</li><li>gelegentlich recht niedrige Bildrate</li><li>zahlreiche Bugs & Ungereimtheiten</li><li>unausbalancierter Schwierigkeitsgrad</li>

Wertung

XBox

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.