NHL Rivals 200411.12.2003, Jörg Luibl
NHL Rivals 2004

Im Test:

So langsam gewinnt die Xbox an Sportprofil: Nach Tennis, Basketball und Snowboarden können sich mit NHL Rivals auch Eishockey-Fans endlich austoben. Und selbstverständlich lockt die von Microsoft entwickelte Puckjagd auch mit kompletter Xbox Live-Unterstützung. Wir haben on- und offline das Eis spritzen und die Banden krachen lassen.

Warum Rivalen?

Microsoft hat aus einem eher herkömmlichen Modus gleich einen Untertitel gebastelt: Denn im schnellen Spiel treten automatisch zwei Erzfeinde, wie z.B. die Toronto Maple Leafs und die Montreal Canadians, gegeneinander an, damit sofort Derby-Stimmung und öfter Zweikämpfe aufkommen; europäische Spieler dürfte das eher kalt lassen.

Die Stadien werden architektonisch korrekt dargestellt und das Publikum wirkt aufgrund komplett animierter Polygone sehr natürlich. Die Kulisse ist einfach stimmig.

Ansonsten geht es mit den Playoffs, der Saison und Turnieren ebenfalls bekannt zur Sache. Echte Fans werden allerdings einen Franchise-Modus vermissen, der euch einen Verein über Jahre hinweg führen lässt – schon nach einer Saison wird abgerechnet. Auch Minispiele oder Herausforderungen à la ESPN NHL Hockey 2K4 sind Fehlanzeige. Dafür gibt`s ein freies Training, wo ihr euch mit eurem Team in Ruhe mit der Steuerung vertraut machen könnt, bevor vielleicht das erste Online-Duell ansteht.

Kufenalarm im Internet

Egal ob mal eben zwischendurch, engagiert in einer weltweiten Rangliste oder in privaten Turnieren – dank Xbox Live weckt NHL Rivals schnell die Online-Lust. Und gerade gegen menschliche Gegner entwickeln die ausführlichen Statistiken zusammen mit der Sprachfunktion schnell ein motivierendes Mittendringefühl; auch die ständig aktualisierten Teamdaten dürften Fans ins Internet locken. Zwar gibt es ab und an Verbindungsabbrüche und leichte Slowdowns, aber im Großen und Ganzen läuft die Puckjagd stabiler und flüssiger als so manches PC-Duell mit der EA-Konkurrenz.__NEWCOL__Ein kleines Sahnehäubchen ist zudem der Pick up-Modus, denn hier könnt ihr online knackige 1-on-1-, 2-on-2- oder 3-on-3-Matches fast ohne Regeln auf kleineren Eisflächen unter freiem Himmel austragen – eine sehr schöne Abwechslung. Schade ist, dass man diesen Modus nicht offline gegen die KI wählen kann.

Klasse Pass-System

Wie lange habt ihr gebraucht, um bei NHL 2004 eine Passquote von 70 oder mehr Prozent zu ergattern? Egal, denn NHL Rivals ermöglicht einen leichteren Einstieg: Das Passen bietet alle bekannten Möglichkeiten - also je nach Knopfdruck kurz oder lang, flach oder gelupft. Hinzu kommt ein fast schon Tennis-ähnlicher Lob zur Rettung in bedrängten Situationen.

Die Spieler werden komplett in Echtzeit auf das Eis gespiegelt, wirken aber ingsesamt etwas bullig. Vielleicht hat man sich aber zu sehr an den EA-Stil gewöhnt...

Insgesamt ist alles wesentlich einfacher, und dank der Einbindung des rechten Analogsticks, auch intuitiver umzusetzen als in NHL 2004 : Ihr könnt also nach rechts skaten, und dann schnell mit dem rechten Stick nach links passen.

Ab in die wilde Natur! Was gibt es Schöneres, als auf einem einsamen kanadischen See den Puck zu jagen? Leider ist die Idylle nur online zugänglich.

Profis setzen auch gerne R3 ein, um den Puck während des Spurts plötzlich für den nachkommenden Mitspieler schlagschussbereit liegen zu lassen – wenn das online klappt und der Puck im Netz zappelt, ist die Freude riesengroß!

Das Pass-System ist in jeder Hinsicht komfortabel, was wiederum nicht heißt, dass man die Scheibe kinderleicht durch die Reihen jagen oder ein One-Timer-Festival abfackeln kann.

Die leicht schräge Draufsicht passt wie die Faust aufs Taktikauge von NHL Rivals. So lassen sich tödliche One-Timer am besten vorbereiten! 

Zwar werden selbst Einsteiger sehr schnell mit der sauberen Steuerung klarkommen, aber sie verlangt viel Verständnis für die Skatewege und ein gutes Auge, denn die Kollisionsabfrage zwischen Puck und Spielern reagiert einwandfrei. Außerdem passt die defensive KI höllisch gut auf. Am Ende wird nur ein taktisch kluger Spielaufbau belohnt.

Dekes & Checks

Allerdings bringt das ausgefeilte System einen Nachteil mit sich: Für Dekes, also elegante Täuschungen und Drehungen, steht der rechte Analogstick nicht zur Verfügung. Lediglich ein Button bietet die Möglichkeit für kleine Manöver, aber selbst diese sind trotz ansehnlichem Sich-durch-die-Beine-Spielen im Vergleich zu NHL 2004 oder gar ESPN NHL Hockey 2K4  ausgesprochen bescheiden.

Man kann die Verteidiger und den Torwart einfach nicht so spektakulär und vor allem präzise umkurven, wodurch das gewisse Etwas und die kreative Freiheit fehlen. Ausgeglichen wird das jedoch durch zwei Feinheiten: Zum einen durch die Pivot-Fähigkeit, also das plötzliche Tempo rausnehmen inklusive 180-Grad-Drehung mit dem Puck. __NEWCOL__Denn so lassen sich wiederum in der Offensive herrliche Pässe spielen und Überzahlsituationen ausnutzen, und in der Defensive gut getimte Checks setzen. Zum anderen durch die Spezialeigenschaften der "Sniper": Denn nur diese können Schüsse antäuschen und tödlicher einnetzen.

Besser sieht es schon in der Defense aus: Ihr könnt Angreifern den Puck stibitzen, sie checken, an die Bande drücken und dort außer Gefecht setzen oder euch mutig in einen Schlagschuss werfen. Und wenn ihr einen "Crusher" steuert, sorgen fulminate Checks für Terror auf dem Eis. Der letzte Spielertyp mit besonderen Talenten ist der "Agitator" – er kann den Gegner reizen und hervorragend Strafminuten rausholen.

Taktische Sprints?

Trotzdem ist der Spielfluss wesentlich behäbiger als bei der Konkurrenz von EA und Sega: Das liegt vor allem am Speed-Balken, der bei einem Sprint viel zu schnell abnimmt und sich erst wieder aufladen muss.

Es wird gehakt, gedrückt und gecheckt. Allerdings fehlt trotz einiger herrlicher Stolper- und Fall-Animationen der letzte Pfeffer in der Präsentation. Insgesamt ist die Optik gut, aber nicht berauschend.

Im Zusammenspiel mit den mageren Dekes verliert NHL Rivals hier zwar klar an spektakulärer Brisanz, aber gewinnt gleichzeitig an taktischen Möglichkeiten und authentischem Flair. Man muss seinen Sprint eben zum richtigen Zeitpunkt einsetzen und kann nicht ständig wie Sonic über das Eis rasen!

Zufallstore? Keine Chance!

Wer NHL 2004 kennt, wird sicher das ein oder andere Tor beim wilden Rumgestocher vor dem Kasten oder als Abstauber dank flüchtiger Pässe erzielt haben. Der Faktor Zufall wird euch auch hier begegnen, aber wesentlich seltener.

Aufgrund der sehr guten Torwart-KI sind die Maskenmänner ein Alptraum für alle Torjäger. Aber mit etwas Übung lassen sich selbst Ed Belfour & Co knacken...

Erstens ist die KI der Schlussmänner erschreckend gut, so dass nur wirklich klasse Schlagschüsse oder tödliche One-Timer das Netz zappeln lassen. Es gibt Spiele, in denen Monstren wie Maple Leafs-Goalie Ed Belfour mehrere Dutzend Schüsse aus allen möglichen Distanzen vernaschen, bis man fast verzweifelt.

Ich habe jedenfalls noch nie so wenig Tore durch Alleingänge erzielt, und mich in den ersten Spielen an die Pro Evolution Soccer -Anfänge erinnert. Doch ähnlich wie bei Konamis Top-Titel kann man seine Fähigkeiten mit viel Geduld enorm verbessern. Insbesondere, wenn man sein Pass-Spiel perfektioniert und auf One-Timer setzt. Wer über Xbox Live auf eingespielte Cracks trifft, wird schon bald ein Lied davon singen können.

Zu viel des Guten ist für mich jedoch der zweite Punkt: Denn der Puck prallt im sensiblen Raum vor dem Tor automatisch am Goalie ab! So ist es unheimlich schwer, im Alleingang seine Fänge zu umkurven, zumal die Dekes ohnehin keine manuelle Bewegung des Stocks ermöglichen. Schade, dass Microsoft hier auf ein Feature verzichtet, das sowohl optisch als auch spielerisch jedes Eishockey-Herz höher schlagen lässt.

__NEWCOL__Kulisse & Musik

Auf den ersten Blick bietet Microsoft die gleiche Hochglanzoptik in den Eistempeln wie die Konkurrenz: Schöne Spiegelungen, Echtzeit-Schatten, gute Gesichtstexturen, ein komplett bewegtes und verblüffend natürlich wirkendes Polygonpublikum sowie ansehnliche Check- und Schlagbewegungen. Auch das Reinspringen in den Schlagschuss und das Skaten wurde sehr gut animiert. Über die recht bulligen Spielerfiguren, die alle Stiernackenqualität haben, lässt sich schon streiten.

Doch schon nach wenigen Spielen vermisst man das adrenalinhaltige Mittendringefühl, das NHL 2004 und ESPN NHL Hockey 2K4 so auszeichnet: Die Checks krachen weniger satt, das Publikum feiert weniger frenetisch, das Eis spritzt weniger partikelfreudig. Hinzu kommen einige zittrige Animationen, die vor allem in den Zeitlupen offenbart werden. Und obwohl das Boxen sogar mehr Hiebe, Griffe und Deckungen bietet als alle anderen Spiele, taumelt es aufgrund der peinlichen Streichholz-Knockouts am Rand der Lächerlichkeit.

In den Wiederholungen zeigen sich ab und zu einige hässliche Zitteranfälle; auch beim Spielerwecshel und den Strafminuten gibt`s diese Aussetzer.

Rockige Beats begegnen euch in den Menüs, die von Styx, Journey, Joe Walsh bis hin zu Pat Benetar reichen – sehr angenehm und durchaus passend zum ruhigeren Spielgefühl. Der komplette Soundtrack kann auch mit Dolby 5.1 zu akustischen Raumflügen abheben und ist als CD erhältlich. Die englischen Kommentare von John Davidson und Sam Rosen begleiten das Spiel zwar kompetent, aber auf Dauer ohne genug Witz und Herzblut - das Duo aus ESPN NHL Hockey 2K4  ist eine Klasse besser. 

Fazit

NHL Rivals ist ein erfrischend anderes Eishockeyspiel: Es ist taktischer und weniger zufallsanfällig als die aktuellen Titel aus dem Hause EA oder Sega. Auch die Spezialeigenschaften der Spieler bereichern die Puckjagd um eine individuelle Komponente. Hinzu kommen ein intuitives Pass-System und eine grundsolide Steuerung, mit der sowohl Einsteiger als auch Profis schnell warm werden. Auch die Zuschauerkulisse überzeugt mit den derzeit besten animierten Polygonfans im Genre. Aber all die Freude erhält einige entscheidende Dämpfer, die Microsofts Puck-Premiere ein wenig den Glanz rauben: Der Spielaufbau ist aufgrund der schnell versiegenden Sprintpuste recht behäbig und die Dekes wurden viel zu spartanisch inszeniert. Und optisch kann NHL Rivals zwar Feuer, aber kein Inferno entfachen. Alles ist hochpoliert und gut animiert, doch die Checks krachen nicht fett genug, das Eis spritzt wenig partikelfreudig und die Bewegungen sind trotz der Vielfalt ab und zu unverständlich zittrig. Auch akustisch bleibt man hinter der Genre-Spitze zurück. Einen Joker hat das Spiel jedoch noch: den Online-Modus. Gerade über Xbox Live gewinnt das Ganze schnell an Reiz, denn das Spiel läuft flüssig, die Modi sind abwechslungsreich und die Statistiken bieten eine klasse Übersicht. Aber all das bietet auch das grandiose ESPN NHL Hockey 2K4, in dessen Schatten NHL Rivals trotz aller ambitionierter Ansätze letztendlich versinkt.

Pro

Online-Modus
taktisches Spiel
guter Soundtrack
gutes Pass-System
klasse Torwart-KI
gutes Bullie-System
sehr wenig Zufallstore
grundsolide Steuerung
inklusive freiem Training
motivierendes Pick up-Play
hervorragendes Polygonpublikum
abwechslungsreiche Animationen
Ermüdung & Spezialeigenschaften

Kontra

kein Franchise-Modus
Zuschauerakustik etwas fade
recht behäbiger Spielaufbau
schwer einzusetzende Dekes
wenig prickelnde Präsentation
teilweise zittrige Animationen
Pick up-Play nur online zugänglich
unfreiwillig komische Boxkämpfe

Wertung

XBox

Knallharte Duelle über Xbox Live!

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