Full Spectrum Warrior02.07.2004, Mathias Oertel
Full Spectrum Warrior

Im Test:

Auf der letzten E3 als eines der Highlights gefeiert, geht Full Spectrum Warrior (ab 1,87€ bei kaufen) an den Start, um die Squadleader unter euch bis zum Letzten zu fordern. Mit einer Grafik, die eines waschechten Shooters würdig ist und einer feinen Akustik soll das ungewöhnliche Taktik-Gameplay neue Standards setzen. Wir haben uns ins Zielgebiet nach Zekistan begeben und klären im Test, ob der Fronteinsatz das hält, was die Vorschusslorbeeren versprachen.

Die Army macht´s möglich

Die brisante und hochaktuelle Kriegs-Thematik des Spieles lässt sich ganz einfach erklären: Pandemic wurde von der US Army beauftragt einen "Squad-Simulator" für Trainingszwecke zu entwickeln. Doch im Laufe der Produktion schien man bei den Entwicklern der Meinung zu sein, dass der Titel mit Feinarbeit und einer Anpassung an den stromlinienförmigen Software-Markt auch bei Zivilisten großen Anklang finden könnte. Und siehe da: Full Spectrum Warrior war geboren und avancierte auf der E3 2003 zu einem der Top-Hits.

Zekistan in Not

Der Nahost-Staat Zekistan ist zwar nur fiktiv, doch das Szenario erschreckend real: In diesem Zwergstaat hat ein Diktator die Macht an sich gerissen und im Auftrag der  NATO findet eine Befreiungsaktion statt, an deren Ende die Entmachtung des Landesherrschers steht, der natürlich auch Verbindungen zu terroristischen Gruppen hat.

Diese Deckungsmöglichkeit wird bald nutzlos sein: Viele Objekte sind voll zerstörbar.

Für einige mögen diese erfundenen, aber dennoch deutlich in der Realität verankerten Anspielungen fragwürdig sein, doch das Szenario passt trotz allem optimal zu der Militär-Simulation.

Es wird persönlich

Und das ist eigentlich schon alles, was man von Zekistan wissen muss. Vor den einzelnen Missionen bekommt ihr in gut gelungenen Cut-Scenes in Spielgrafik eure Aufgabe erklärt – und ab dann heißt es: Befehle befolgen und geben.__NEWCOL__Dass trotzdem eine enorme emotionale Anbindung an die acht euch anvertrauten Marines aufgebaut wird, liegt an dem stimmungsvollen Intro: Jedes der Squadmitglieder wird kurz vorgestellt und in den Unterhaltungen, die auch während der Einsätze fortgeführt werden, werden sowohl Persönlichkeit als auch die Verhältnisse der Figuren untereinander vertieft.

Gemeinsam sind wir stark: Das Team arbeitet immer zusammen, Einzelgänger sind unerwünscht!

Action oder Taktik?

Das Spielgefühl von Full Spectrum Warrior zu beschreiben, fällt nicht leicht. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Taktik-Shooter von der Stange. Doch schon beim guten und umfangreichen Tutorial wird klar, dass Action zwar da ist, aber von einem intensiven Gefühl der (An-)Spannung in den Hintergrund gerückt wird.

Denn anstatt euch wie bei Militär-Action üblich das Gewehr in die Hand zu geben, seid ihr für zwei Squads zu je vier Mann (Team Leader, Automatic Rifleman, Rifleman, Grenadier) verantwortlich. Ihr erteilt Befehle, die daraufhin getreu den Army-Statuten und –Verhaltensregeln umgesetzt werden.

Die Steuerung ist unheimlich eingängig und intuitiv: Ihr könnt mit dem linken Stick einen Cursor verschieben, der an "Deckungspunkten" kontextsensitiv seine Form verändert, so dass ihr nun eurem Team den Marsch-Befehl geben könnt.

Das Wichtige hierbei ist, dass ihr nur als Team agieren könnt: Alle Befehle werden von der gesamten Gruppe ausgeführt. Wer sich also überlegt, sein Team zu splitten, um eventuell seinen Automatic Rifleman in eine bessere Position zu bringen, handelt entgegen der Army-Richtlinien.

Daher ist vorausschauende Planung gefragt. Allerdings ist Vorsicht angesagt: Wer sein Team ohne Deckung über offenes Gelände spazieren lässt, riskiert schnell Verwundete oder sogar Verluste. Da die Army jedoch verständlicherweise etwas dagegen hat, wenn die Soldaten in Body-Bags nach Hause kommen, heißt es nach zwei Abschüssen Game Over. Großzügig verteilte Speicherpunkte sorgen dafür, dass ihr das Spiel von einem gesicherten Kontrollpunkt wieder aufnehmen könnt.

So bewegt man sich von einer Ecke zu einem zerbombten Fahrzeug zu einem Container, taxiert das vor einem liegenden Gelände und kann sogar Unterstützung von einem Aufklärungshubschrauber anfordern, der auf eurem GPS die erkennbaren Gegner markiert.

Doch ihr dürft nie vergessen, dass einige Feinde auch unentdeckt irgendwo lauern können.

Kämpfe in Gebäuden gibt es leider keine, doch die Straßenkämpfe sind auch so schon nervenaufreibend genug.

Natürlich werdet ihr in dem krisengeschüttelten Zekistan immer wieder in Feuergefechte geraten. Und auch hier zeigen sich die Kontrollmechanismen als solide und leicht zu erlernen: Sperrfeuer, Einsatz von Granaten usw. gehen einfach von der Hand, müssen aber trotzdem überlegt eingesetzt werden, da euch nur begrenzte Munitionsvorräte in der fest vorgeschriebenen Squad-Bewaffnung zur Verfügung stehen.

Und wenn alle Stricke reißen, dürft ihr in manchen Missionen einen ohrenbetäubenden und Bildschirm erschütternden Artillerieschlag anfordern!

__NEWCOL__Spannung pur

Zugegeben: beim kurzfristigen Zuschauen entwickelt das Spiel kaum seinen Reiz. Und auch die pure Beschreibung der Gameplay-Mechanismen reicht nicht, um die Intensität von Full Spectrum Warrior anschaulich zu machen.

Bei unerwartetem Beschuss reagiert die Team-KI eigenständig und versucht, ein kleinstmögliches Ziel zu bieten.

Doch wer allen Vorbehalten zum Trotz das Pad in die Hand nimmt und nach dem Boot-Camp in den Einsatz nach Zekistan zieht, wird so schnell nicht mehr von dem Spiel loskommen.

Die Anspannung, die man als Squad-Leader in den Krisengebieten spürt, ist immens hoch, und die Missionen stellen eine gewaltige Herausforderung dar.

Meist geht es zwar "nur" darum, bestimmte Zielpunkte zu sichern, Technikern Geleitschutz zu geben und "einfach" zu überleben, doch selbst ein scheinbar gesicherter Ort birgt seine Gefahren, wenn urplötzlich ein Gegner mit Granatwerfer auf einem Dach auftaucht - nie kann man sicher sein, ob hinter der nächsten Ecke nicht doch ein Feind lauert. Und spätestens, wenn ihr dem ersten Panzer gegenüber steht, sprengt der Adrenalinspiegel die Skalen.

Und das alles, ohne jemals selber den Feuerknopf drücken zu müssen. Insofern ist Pandemic ein kleines Kunstwerk gelungen: Mit einfachsten Steuermechanismen ein edles und forderndes Spielvergnügen im Taktikgenre abzuliefern, das das Gefühl eines Action-Titels vermittelt.

Denn obwohl ihr keinen direkten Einfluss auf die abgefeuerten Schüsse habt, kommt die Action und damit die Atmosphäre nicht zu kurz.

Wenn Team Alpha beispielsweise unter Dauerbeschuss steht und womöglich RPGs (Rocket Propelled Grenades) ins Sichtfeld rücken, ist Hektik angesagt: Schnell und gefahrlos muss Team Bravo (in manchen Missionen habt ihr sogar noch ein drittes Team) in Stellung gebracht werden, um die Gegner von einem anderen Winkel her zu überraschen und auszuschalten.

Immer an der Wand lang. Wer sich in offenes Gebiet begibt, wird schnell zur wandelnden Zielscheibe.

Dabei reagiert die KI erstaunlich variantenreich: Sie rottet sich zusammen, ergreift auch mal die Flucht und stellt euch immer wieder vor neue Herausforderungen. Neben den vom Spiel geskripteten und damit vorgesehenen Feindes-Ansammlungen sorgen zufällig verteilte Zivilisten und Gegner für zusätzliche Spannung.

Einige werden vielleicht das Feature eines Kampfes in Gebäuden vermissen. Doch die Marines sind in erster Linie dafür da, die Straßen, weiträumigen Areale und Industrieanlagen zu sichern – die "Aufräumarbeiten" erledigen die Special Forces, wie z.B. in Kapitel 3: Hier müsst ihr zwei Eingänge eines Hotels bewachen, damit ein Ranger-Trupp die Herberge säubern kann. Da die gegebenen Deckungsmöglichkeiten nie einen kompletten Schutz gegen beide Ausgänge bieten, müsst ihr hier nicht nur überlegt, sondern vor allem schnell handeln.

Vorsicht im Feld

Als ob ihr mit den bewaffneten Gegnern nicht schon genug zu tun habt, gibt es weitere Faktoren, die euch das Leben schwer machen: Zivilisten sowie hin und wieder auftauchende und unabhängig von euch kämpfende alliierte Soldaten müssen erkannt werden und nicht im Eifer des Gefechtes als Opfer auf der Straße zurückgelassen werden. __NEWCOL__Die eigenen Teams müssen bei ihren Sperrfeuern, dem Flankieren von Gegnern und den zwangsläufigen Granatwürfen aufpassen, sich nicht selber auszuschalten. Und vor allem das Sperrfeuer ist ein wahnsinniger Munitionsfresser: Zwar gibt es hin und wieder Trucks, an denen ihr Munition aufstocken und Verletzte wieder einigermaßen auf die Beine stellen könnt, doch in späteren Missionen sind diese Unterstützungs-Vehikel dünn gesät.

Weiterhin sollte man auch den Zustand der Deckung im Auge behalten. Während Hausmauern und Container unzerstörbar sind, bieten Fahrzeuge, Holzkisten oder ein Sofa z.B. nur kurzzeitigen Schutz und können schnell zerstört werden. So geratet ihr immer wieder unter Zugzwang, könnt dieses System aber auch für eure Angriffe einsetzen, wenn ihr erkennt, hinter was für einem Typ Deckung sich der Gegner verschanzt hat.

Solltet ihr Glück im Unglück haben und ein Mitglied des Teams wird von einem Treffer nicht getötet, sondern nur verletzt, müsst ihr nicht nur auf seine tatkräftige Unterstützung verzichten: Gemäß der Prämisse "Keiner bleibt zurück" wird der verwundete Kamerad geschultert und mitgenommen, in der Hoffnung, baldmöglichst einen Truck mit Armee-Arzt zu finden.

Dass die Truppe dadurch langsamer wird, macht die Angelegenheit nicht einfacher...

Enge Gassen, offene Plätze und schweres Kriegsgerät bieten Spannung bis zum Abwinken.

Zwei Teams – zwei Anführer

Noch intensiver wird das Spiel über Xbox Live: Hier könnt ihr mit einem Freund ins Gefecht ziehen, wobei jeder ein Team übernimmt. Gute Kommunikation per Headset ist natürlich Voraussetzung, damit ihr nicht etwa bei einem Sperrfeuer die eigenen Mannen ins Visier nehmt.

Doch bei allen Vorzügen gibt es auch kleinere Macken, die das Spielgeschehen aber nur in den seltensten Fällen negativ beeinflussen und die mit der Kameraführung zu tun haben:

Ihr habt zwar jederzeit die Kontrolle über die Perspektive, doch in manchen Momenten (meist im Zusammenspiel mit geschlossen Ecken) kann man die Übersicht verlieren, da die Kamera nicht durch die Wände hindurchgeht und weiterhin standhaft versucht, sich hinter dem Anführer zu halten.

Ein weiteres Problem, das nicht nur in der angesprochenen Situation, sondern auch hinter bestimmten Deckungstypen auftaucht, ist die korrekte Platzierung des Cursors. Denn bei Bewegung des Richtungsanzeigers versucht die Kamera, automatisch mit dem Cursor mitzuschwenken. Ergebnis: Ihr könnt nicht sehen, wo das Ziel gesetzt wird.

Aber diese Probleme wurden auf ein absolutes Minimum reduziert, so dass Full Spectrum Warrior unter dem Strich als grandios umgesetzte und spannungsgeladene Squad-Simulation in die Software-Geschichte eingehen wird.

Wer sich so schnell durch die Gassen bewegt ist entweder auf der Flucht oder ein Fressen für die Geier. Langsam von Deckung zu Deckung schleichen ist sinnvoller.

Mittendrin statt nur dabei

Anstatt euch wie z.B. in Commandos oder Soldiers mit einer Vogelperspektive zu versorgen, seid ihr dank Schulterkamera mittendrin im Geschehen.

__NEWCOL__Und an allen Ecken und Enden werden die Grafikfähigkeiten der Xbox ausgenutzt, um mit einer stimmungsvollen und detaillierten Edel-Optik für Atmosphäre zu sorgen und einem das Gefühl zu geben, wirklich vor Ort zu sein.

Aufwändiges Design aller Figuren, bei denen nur die Zivilisten etwas blass bleiben und durchweg gelungene Animationen bilden den Grundstein der Grafikpracht. Und drum herum gibt es mit viel Liebe zum Detail gestaltete Umgebungen und feine Licht-, Rauch und Partikeleffekte, die sowohl die Gefahr der Straßenkämpfe als auch den Realismus-Anspruch großartig transportieren.

Das Charakterdesign ist schlichtweg grandios und durch die Eigenheiten der Figuren baut man schnell eine Beziehung zu ihnen auf.

Feine Akustik

Als ob die Optik nicht ausreichen würde, um Stimmung zu erzeugen, gibt es als Sahnehäubchen eine famose Soundkulisse: Angefangen von den alltäglichen Geräuschen wie Hühnergegacker in einer Seitenstraße bis zum pompösen Einschlag der RPGs seid ihr auch akustisch inmitten des Geschehens.

Dass die Sprachausgabe in Englisch gehalten wurde, ist bei der Thematik zu verschmerzen - deutsche Synchronstimmen hätten es aller Wahrscheinlichkeit nicht geschafft, die Intensität der gut gewählten Original-Sprecher zu replizieren.

Wohltuende Abwechslung im Vergleich zu üblichen Militär-Shootern gibt es auch im musikalischen Bereich: Anstatt euch mit heroischen Beats zu berieseln, gibt es kleine, aber feine Melodien, die direkt aus dem Film Black Hawk Down stammen könnten.

Fazit

Pandemic ist immer wieder für eine Überraschung gut, was das Team mit Full Spectrum Warrior eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die Squadleader-Simulation überzeugt u.a. mit einer nervenaufreibenden Atmosphäre, die vor allem von der exzellenten Grafik und der hervorragenden Akustik gebildet wird. Und selbst Action-Fans, die normalerweise nur reine Militär-Shooter wie Rainbow Six 3 & Co spielen, sollten dem Taktik-Spektakel einen Blick widmen. Denn bevor man sich versieht, nimmt einen der Einsatz mit Leib und Seele gefangen. Kleinere Mankos wie die trotz freier Kamera manchmal nicht mögliche optimale Positionierung und die daraus resultierenden Schwierigkeiten, den Cursor bestmöglich zu platzieren, kommen leider vor, sind aber so selten, dass sie den Spielspaß nicht in Gefahr bringen. Doch man kann reden, so viel man will: die Spannung, die bei den fairen, aber fordernden Missionen aufkommt, kann man nicht in Worte fassen, sondern muss man selbst erleben. Ein ungewöhnlicher, innovativer Titel, der allen Anhängern von Militär-Taktik lange Freude bereiten wird – vor allem, wenn man mit einem Freund kooperativ über Xbox Live an den Einsatz in Zekistan heran geht.

Achtung: Für alle, die bewegte Bilder bzw. weitere Informationen bevorzugen, wartet im Streaming-Bereich eine Video-Review sowie ein Video-Interview mit Greg Borrud von Pandemic.

4P|Stream: Video-Review (Laufzeit: 7:15 Min.)
4P|Stream: Interview mit Greg Borrud (Laufzeit: 16:25 Min.)

Pro

spannender Genre-Mix
gelungene Atmosphäre
klasse Sounduntermalung
exzellente Grafik
einfache Steuerung
gutes Missionsdesign
ansprechende KI
Ko-Op über Xbox Live spielbar
fair gesetzte Speicherpunkte
Army-Version als versteckter Bonus
Content-Download über Xbox Live geplant

Kontra

trotz freier Kamera ab und an nicht optimal einstellbar
in gewissen Positionen Cursor-Probleme

Wertung

XBox

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