Ninja Gaiden24.05.2004, Mathias Oertel
Ninja Gaiden

Im Test:

Mit großen Vorschuss-Testlorbeeren aus Japan und den USA macht sich der Ninja Ryu Hayabusa nun auch in Europa auf, um die Xbox-User zu begeistern. Doch kann der schwertschwingende Held aus alten NES-Zeiten tatsächlich als Kaufgrund für die Xbox herhalten oder ist Ninja Gaiden nur ein einziger Hype? Im Test versuchen wir die Antwort zu finden.

Aller Anfang ist schwer

Versteht mich nicht falsch: Ich bin kein Xbox-Hasser, verstehe mich nicht als Gelegenheits-Zocker, spiele auch Samurai-Spiele wie Onimusha, Sword of the Samurai oder die Dynasty Warriors-Serie sehr gerne und kann mich an fordernden Spielen mit schmucker Optik laben.

Doch Ninja Gaiden macht es mir nicht leicht, mich mit diesem Spiel anzufreunden.

Ich weigere mich strikt, dem neuen Spiel von Team Ninja den Award zu geben, selbst wenn es zu einigen Hassmails und bösen Kommentaren führen sollte.

Dabei stört mich eigentlich weniger, dass sich Ninja Gaiden in vielen Punkten bei Capcoms Onimusha-Serie bedient hat. Denn immerhin hat man sich bemüht, das Spielprinzip nicht 1:1 zu kopieren, sondern hat ein paar bekannte Elemente eingebaut und aufgewertet, die den Titel eigentlich vollends empfehlenswert machen würden. Der sinnvoll einzusetzen Power-Block, den man beherrschen muss, um auch nur ein bisschen vorwärts zu kommen, gehört z.B. dazu. denn auch wenn er nichts grundlegend Neues bietet, wird er im zunehmenden Spielverlauf wichtiger als bei der Konkurrenz und eröffnet bereits nach einigen Levels den Start für grandiose Kombos.

Sieht nicht nur aus, wie ein grafisch aufgemotztes Onimusha, sondern spielt sich auch fast so - nur nicht so atmosphärisch dicht und mit einem deutlich unausgewogeneren Leveldesign gesegnet.

Auch die zahlreichen neuen Techniken und magischen Fähigkeiten wie Feuerbälle und Schutzschild bieten eigentlich genügend Motivation, um sich durch die teilweise ausschweifend großen Abschnitte zu metzeln.

     __NEWCOL__Die erschreckend schwache Story, die in der so wichtigen Anfangsphase erstaunlich unspektakulär erzählt wird und erst später mit grandiosen Rendersequenzen punkten kann, präsentiert sich allerdings nicht als Freudenspender: Die Charaktere bleiben erzählerisch an der Oberfläche kleben und wieso man letztlich dem Drachenschwert hinterher jagt, ist vollkommen unerheblich.

Und wieso, liebes Team Ninja, wendet ihr euch mit einem Titel, der eigentlich dazu prädestiniert ist, als Kaufgrund für die Xbox herzuhalten, mit dem Schwierigkeitsgrad nur an die Hardcore- bzw. Ultrahardcoregamer?

Fulminante Grafik mit klasse Effekten gibt es von Anfang bis Ende. Einen überharten Schwierigkeitsgrad allerdings auch.

Schwer ist leicht was...

Ich betone noch einmal: Ich habe nichts dagegen, wenn mich ein Spiel fordert und sogar dazu bringt, das Pad an die Wand zu schmeißen und den Bildschirm fluchend anzubrüllen. Doch Ninja Gaiden führt dieses Prinzip etwas zu weit. Bereits der erste Endboss fordert alles vom Spieler – und das, nachdem man sich bereits auf dem Weg dorthin gegen zahlreiche clever agierende Gegnern, die sich auch nicht scheuen, euch geschickt einzukreisen, beweisen musste.

Insofern begrüße ich die Möglichkeit, mit dem Block auch von hinten ankommende Angriffe abzuwehren. Timing und Geschick sind gefragt, um sich auch nur den kleinsten Meter nach vorne bewegen zu können.

Doch spätestens im zweiten Level dürfte bei Gelegenheitsspielern das Ende der Fahnenstange erreicht sein.      

In einem eingegrenzten Areal stürmen berittene Krieger auf euch zu, denen ihr ausweichen müsst, um dann den richtigen Zeitpunkt zum Angriff abzuwarten. Habt ihr sie endlich vom Pferd runter, geht es in den Kampf Mann-gegen-Mann. Und das alles, während die noch auf ihren Rossen sitzenden Feinde euch weiter beharken und auch fleißig eine Nachschubwelle nach der anderen anrollt.

Wohl dem, der sich beim Händler kurz vorher mit Heiltränken bis zum Abwinken eingedeckt hat. Denn es führt kein Weg zu dem Heilsspender zurück: Stattdessen wartet nach der harten Schlacht ein weiterer Bossgegner, bei dem viele Anfänger die Segel streichen dürften.

Doch es ist nicht nur allein der herbe Schwierigkeitsgrad, der das Gemetzel nur für die Hardcore-Spielergemeinde uneingeschränkt empfehlenswert macht.

Eine übersichtliche Kamera wie hier gibt es selten. Meist seid ihr damit beschäftigt, zu raten, woher die Gegner als nächstes kommen.

Sichtprobleme

Das bereits erwähnte Beispiel vom Händler, zu dem es keinen Weg mehr gibt, zeigt, dass das Leveldesign nicht ganz ausgereift wirkt – auch wenn mit zunehmender Spieldauer eine Tendenz nach oben spürbar ist.

Einfache Rätsel, Kombos (fast) ohne Ende, Upgrades, spektakuläre Moves, Magie, neue Waffen: all diese guten Ideen verpuffen neben den suboptimalen Speichermöglichkeiten, die zwar löblicherweise meist vor den Bossen liegen, euch aber in den weiträumigen Abschnitten zu selten geboten werden.

Den Vogel schießt jedoch die Kameraführung ab. Sicher: Man kann die opulente Grafik mit der vorgegebenen Perspektive meist mit strahlenden Augen genießen, doch dem Titel zuträglich ist sie nicht. Denn die ganze Pracht ist mir vollkommen egal, wenn ich um eine Ecke biege und mich vier bis fünf Gegner angreifen, ich aber letzten Endes nur einen oder zwei von ihnen sehen kann und mir dementsprechend keine Chance bleibt, eine Taktik zurecht zu legen.    __NEWCOL__Und auch die Möglichkeit, mit einem Druck auf die R-Taste die Kamera hinter Ryu zu zentrieren, kann nicht helfen, die abgrundtief schlechte und für ein derart hektisches Action-Game sträflich langsame Kamera in erträgliche Bereiche zu hieven.

In den seltensten Fällen hat man bei einem Kampf gegen mehrere Gegner eine gute Übersicht.

Und anstatt dem Spieler die Möglichkeiten zu geben, mit dem rechten Stick nachzujustieren, schaltet Ninja Gaiden bei Betätigung in einen Ego-Modus, in dem man sich zwar neu ausrichten kann, aber auch vollkommen wehrlos den Angriffen gegenübersteht.

Dabei liegen die Qualitäten des Spieles auf der Hand: Die Action ist abwechslungsreich, führt euch durch eine immense Anzahl von Abschnitten und wartet immer wieder mit neuen Überraschungen auf Spieler, die gewillt sind, sich durch den Morast aus Frust und überharter KI zu wühlen.

Optikschmaus

Nicht vergessen sollte man die Grafik, die mit zum Besten gehört, was ausgehungerte Augen derzeit im Konsolenmarkt genießen können. Jederzeit feine Animationen, grandiose Spezialeffekte, die vor allem bei Power-Combos auftreten und hochaufgelöste Texturen in den großräumigen Arealen zeigen, dass Team Ninja die Grafikfähigkeiten der Xbox voll und ganz im Griff hat.

Ninja Gaiden ist eine klasse Grafikdemo mit einigen spielerischen Schwächen.

Da die Akustik mit ihrem imposanten Aufeinandertreffen von Stahl auf Stahl bzw. Stahl auf Körper sowie einer dezent eingesetzten, stets passenden Musik und guter (englischer) Sprachausgabe ebenfalls überzeugen kann, ist es höchst bedauerlich, dass sich nur ein kleiner Teil der Käufer an der Technik laben wird.

Denn um die letzten Abschnitte mit all ihrem Grafikpomp in Augenschein nehmen zu können, ist nicht nur ein dickes Frustrationsfell, sondern eine perfekte Beherrschung aller Steuerungsmöglichkeiten Voraussetzung.     

Fazit

Auch wenn vergleichsweise wenige Kontrapunkte auftauchen, schrammt Ninja Gaiden ein gutes Stück am Award vorbei, den man nach den überschwänglichen US-Reviews eigentlich für sicher gehalten hätte. Ist das Ninja-Gemetzel ein gutes Spiel? Zweifellos. Doch vom Schwierigkeitsgrad her richtet sich Ryus Rachefeldzug eindeutig an die härtesten der Hardcore-Gamer, denen häufige Frustmomente nichts ausmachen. Casual Gamer können froh sein, wenn sie über den zweiten Level hinauskommen. Doch auch die Freaks werden sich immer wieder über die unausgereifte und nur in Ausnahmefällen die beste Position einnehmende Kameraführung ärgern, die ein ständiges Nachjustieren fordert. Dabei stimmt das technische Umfeld eigentlich von Anfang bis Ende (die magere Story mal ausgenommen): Die Steuerung reagiert gut und sehr direkt, die Grafik gehört mit zum Besten, was die Xbox zu bieten hat und die Akustikkulisse überzeugt ebenfalls. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich allerdings in jedem Fall zur Onimusha-Trilogie greifen, die ein ähnliches Spielprinzip verfolgt, dabei zwar optisch nicht ganz so imposant wirkt, aber sowohl in punkto Atmosphäre als auch im Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad einfach durchdachter und schlichtweg besser ist.

Pro

feine Grafik
fordernde KI
sauber inszenierte Bosskämpfe
zahlreiche Waffen und Extras
umfangreiches Bewegungsarsenal
feine Rendersequenzen
passende Soundkulisse
klassische Ninja Gaiden-Spiele als Bonus
fulminant inszenierte Action

Kontra

katastrophale Kameraführung
hammerhart
schwache Story
unglückliches Leveldesign

Wertung

XBox

Fordernde Schwertkampfaction mit Prachtgrafik!

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