Darkwatch20.10.2005, Jens Bischoff
Darkwatch

Im Test:

Was haben deutsche Soldaten, Terroristen und Aliens gemeinsam? Sie sind alle beliebte Feindbilder in Ego-Shootern. So beliebt, dass einem die dazugehörigen Military-, Anti-Terror- und Science-Fiction-Shooter quasi schon zum Hals raus hängen. Schön, dass die High Moon Studios mit Darkwatch (ab 149,99€ bei kaufen) zeigen, dass es auch noch andere Szenarien gibt. Wie oft macht man schon als schießwütiger Halbvampir Jagd auf untote Cowboys und Indianer?

Überfall mit Folgen

Zugegeben: Auch Darkwatch erfindet das Genre nicht neu, aber das bizarre Setting wirkt angenehm unverbraucht und wird obendrein überaus stylisch und durchaus abwechslungsreich präsentiert. Wir befinden uns im Wilden Westen Amerikas und schreiben das Jahr 1876.

Schweigsamer Held: Jerichos Lippen bleiben selbst während der Storysequenzen verschlossen (PS2).
 Ihr seid Jericho Cross, ein in die Jahre gekommener Outlaw, der sich gerade aufmacht, den letzten Coup seiner Verbrecherkarriere durchzuziehen. Doch Jericho ist einfach zur falschen Zeit am falschen Ort, denn statt Gold und Silber schlummert im Panzerschrank des von ihm überfallenen Zugs etwas ganz anderes: der Vampirfürst Lazarus Malkoth.

Doch bevor Jericho überhaupt weiß, was er mit der Sprengung des Tresors angerichtet hat, spürt er bereits ein Stechen in der Halsgegend, gefolgt von einem unstillbaren Durst nach Blut. Klare Sache: Ihr wurdet von Lazarus gebissen und seid auf dem besten Weg, ebenfalls ein Vampir zu werden. Der Vampirfürst selbst ist hingegen schon längst über alle Berge und bereits fleißig damit beschäftigt, eine Armee von Zombies und Blutsaugern um sich zu scharen. Nun liegt es an euch, dem blutrünstigen Treiben ein Ende zu setzen oder selbst eine Kreatur der Nacht zu werden. Die Zeit drängt jedenfalls, denn wenn ihr Lazarus nach 24 Stunden nicht den Garaus gemacht habt, ist euer Schicksal besiegelt.

Übernatürliche Kräfte

Eigentlich ein hoffnungsloses Unterfangen, doch die fortschreitende Verwandlung lässt euch nicht nur nach Blut dürsten, sondern hat euch auch eine Reihe übernatürlicher Fähigkeiten in die Wiege gelegt. So umgibt euch ein sich im Schutz der Dunkelheit immer wieder regenerierendes Blutschild, das euch vor Verletzungen bewahrt und nehmt ihr doch einmal Schaden, könnt ihr mit dem noch warmen Blut getöteter Gegner verlorene Lebensenergie schnell wieder zurück gewinnen. Zudem wurden eure Sinne geschärft, so dass ihr Gegner und wichtige Objekte selbst im dicksten Nebel und in dunkelsten Ecken durch eine Art aktivierbare Wärmebild-Sicht im Nu aufspüren könnt.

Nahkampfpflicht: Erst wenn ihr die Prüfungen der Darkwatch besteht, gehört ihr dazu (Xbox).
 Auch eure Sprungkraft hat sich durch Lazarus‘ Biss enorm gesteigert - ihr könnt sogar problemlos über meterlange Abgründe gleiten.

Gut oder böse?

Im Verlauf des Spiels erlernt ihr darüber hinaus auch noch spezielle Vampirkräfte, mit denen ihr Widersacher vorübergehend in die Flucht schlagen, gegeneinander aufhetzen oder mit Blitzen malträtieren könnt. Welche der insgesamt acht Kräfte ihr erlangt hängt dabei von eurer Gesinnung ab. Denn wie seit Knights of the Old Republic in Mode, könnt ihr Jericho auf den Pfaden des "Guten" oder des "Bösen" wandeln lassen, indem ihr gewisse Blutopfer annehmt oder verweigert, was sich zum Teil auch auf die Zwischensequenzen auswirkt. Später entscheidet ihr dadurch sogar darüber, welchen Endgegner und Abspann ihr zu Gesicht bekommt. Insgesamt ist das System aber recht simpel gehalten, so dass es wenig Platz für Experimente gibt. Das Ziel ist, entweder gut oder böse zu sein - Grauzonen gibt es nicht und auch die jeweils erlangten Vampirkräfte unterscheiden sich nicht allzu sehr voneinander.        

Zwischen Lauf und Kolben

Im Kampf gegen sichelschwingende Skelette, untote Cowboys, Indianer-Zomies und besessene Saloon-Damen greift ihr ohnehin die meiste Zeit zu eher konventionellen Waffen wie Pistole,

Sattelfest: In den Missionen seid ihr teils auch mit Ross oder Dampfwagen unterwegs (Xbox).
 Doppel-Revolver, Karabiner, Scharfschützengewehr oder Schrotflinte, wobei letztere merkwürdigerweise über keinerlei Streuung verfügt und selbst direkt vor einem stehdende Gegner verfehlen kann... Natürlich gibt es auch ein paar exotischere Peacemaker wie eine Armbrust, die Explosivbolzen verschießt, eine zu einer Art Raketenwerfer weiterentwickelte Signalkanone oder ein streitkolbenähnliches Szepter. Auch Dynamitstangen und Splittergranaten (PS2-exklusiv) stehen zur Verfügung. Darüber hinaus besitzt jede Waffe einen klingenbewehrten Kolben, mit dem ihr im Nahkampf herrlich Munition sparen könnt. Insgesamt können nämlich nur maximal zwei Waffen gleichzeitig mitgeführt werden, die ihr aber jederzeit gegen gefundene Schießprügel oder die von getöteten Gegnern austauschen könnt.

Nur laufen ist langweilig

Manchmal dürft ihr auch eine stationäre Gatling-Gun bemannen oder einen Kanonenturm für eure Zwecke missbrauchen. In bestimmten Missionen klemmt ihr euch sogar hinters Steuer eines dampfbetriebenen Geschützwagens oder sattelt euren Hengst Shadow, was das auf Dauer doch etwas monotone Revolverheldendasein angenehm auflockert - wenn auch viel zu selten.

Kopflos: Mit gezielten Schüssen könnt ihr den Gegnern einzelne Körperteile entfernen (PS2).
Zudem sind die 18 (PS2) bzw. 17 (Xbox) Story-Kapitel recht schnell gemeistert sind. Je nach Spielweise und Schwierigkeitsgrad ist der Ballerspaß nach sechs bis acht Stunden nämlich schon vorbei. Zwar könnt ihr durch besondere Leistungen in bestimmten Kapiteln noch ein paar Artworks freischalten, aber der Wiederspielwert ist dennoch recht gering.

Geselliges Mit- und Gegeneinander

Zum Glück gibt es aber noch die Möglichkeit, sich mit diversen Multiplayer-Modi zu beschäftigen. Auf der PS2 ist hier jedoch nur der exklusive, aber sehr reizvolle Koop-Modus erwähnenswert, der euch den Story-Modus auch zu zweit erleben lässt. Die Zwei-Spieler-Duelle via Splitscreen sind hingegen ziemlich witzlos. Xbox-Besitzer haben‘s da wesentlich besser. Zwar müssen sie auf den Koop-Modus gänzlich verzichten, freuen sich aber dafür über exklusive Team-Modi für bis zu vier Spieler via Splitscreen oder bis zu 16 Spieler über Xbox Live, was zumindest auf lange Sicht das motivierendere Angebot darstellt. Schade nur, dass auf den Darkwatch-Servern meist nicht viel los ist, so dass das Teilnehmermaximum nur äußerst selten erreicht wird.

Nahaufnahme: Mit dem Scharfschützengewehr sind auch weit entfernte Gegner leichte Ziele (Xbox).
Dazu trägt auch die von der Verbindungsqualität des Hosts abhängige Mitspielerbegrenzung bei, die auf der anderen Seite aber natürlich dafür sorgt, dass Lags und ähnliches Seltenheitswert haben.

Solide Technik

Performance-Einbußen gibt es somit eigentlich nur im Splitscreen-Modus, wo die Bildrate doch teilweise spürbar absinkt. Im Einzelspielermodus läuft Darkwatch jedoch gerade auf der Xbox jederzeit absolut flüssig und das obwohl es nicht einmal einen 60Hz-Modus gibt. Doch auch auf der PS2 gibt es trotz niedrigerer Bildrate keine gravierenden Einbußen. Bei Polygonzahl, Effekten und Texturqualität gibt es hingegen gar keine nennenswerten Unterschiede. Die vorwiegend düsteren Schauplätze wurden recht hübsch in Szene gesetzt und bieten dank Havok-Physik-Engine zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten, während sich die in ihre Einzelteile zerlegbaren und mit Ragdoll-Phyiscs versehenen Gegner zwar nicht gerade vielfältig, aber wenigstens stimmungsvoll designt und animiert präsentieren.     

Einfache Handhabung

Auch die Steuerung zeigt sich bis auf die etwas ungenaue Zielfunktion, die oft eindeutige Treffer verweigert, sehr solide, wobei der PS2-Controller bezüglich der Kräftewahl und -aktivierung dezente

Furioser Auftakt: Schon zu Spielbeginn bekommt ihr es mit Vampirfürst Lazarus persönlich zu tun (PS2).
 Vorteile gegenüber dem Xbox-Pad bietet. Die Handhabung ist aber auf beiden Konsolen einwandfrei und geht schnell in Fleisch und Blut über. Sogar an eine Anpassung der Stickempfindlichkeit wurde gedacht. An die Implementierung einer Kartenfunktion hingegen nicht, obwohl man diese angesichts der sehr kompakten und geradlinigen Areale auch nicht wirklich vermisst. Etwas befremdlich wirkt jedoch die recht niedrige Blickhöhe, die hinter eurem Alter-Ego fälschlicherweise einen Zwerg vermuten lässt. Dabei fällt Mister Cross weniger durch einen zwergenhaften Körperwuchs als eher durch seine Schweigsamkeit auf. Nicht einmal in den Zwischensequenzen kommt ihm ein Wort über die Lippen, was angesichts der hervorragenden deutschen Synchro inklusive prominenter Sprecher und Sprecherinnen eigentlich schade ist. Wer will, kann übrigens trotzdem auch den englischen Originalton aktivieren - eine wirklich vorbildliche Lokalisierung.

Spiel mir das Lied vom Tod

Die restliche Soundkulisse weiß ebenfalls zu gefallen und erklingt sogar in Dolby Digital (Xbox) bzw. Pro Logic II (PS2). Zum atmosphärisch düsteren Western-Soundtrack zählt sogar das Titelthema aus Ennio Morricones Filmklassiker "Zwei glorreiche Halunken". Wie im Film seid ihr übrigens auch im Spiel nicht immer allein unterwegs: Schon gleich zu Beginn führt euch Cassidy Sharp von der titelgebenden Darkwatch,

Berserkermodus bereit: Je nach Gesinnung könnt ihr gute oder böse Vampirkräfte aktivieren (Xbox).
 eine uralte Organisation, die sich dem Kampf gegen das übernatürliche Böse auf dieser Erde verschrieben hat, durch die ersten Spielabschnitte. Später begleiten euch dann teils sogar ganze Darkwatch-Verbände, mit denen ihr Seite an Seite gegen die Vampirbedrohung ankämpft. Dann gilt es übrigens wie im kooperativen Storymodus auf der PS2 ganz besonders zielsicher zu schießen, um Kollateralschäden zu vermeiden.

Dumm, aber menschlich

Meist gehen eure KI-Mitstreiter jedoch strikt nach Skript vor, wodurch sie nicht gerade glaubhaft wirken. Auch die klonartige Intelligenz der Gegner legt eure Stirn hin und wieder in Falten, wenn ein ganzes Rudel Cowboy-Zombies schön brav nacheinander auf identischen Bahnen in dieselbe Todesfalle läuft. Ansonsten suchen sie jedoch meist recht überzeugend Deckung, hechten gelegentlich aus der Schusslinie oder machen sich nach einer Dynamit-Offensive aus dem Staub. Hin und wieder klemmt bei ihnen sogar mal der Nachlademechanismus, was sie kurz fluchen und hektisch an der Waffe rütteln lässt, wodurch sie fast schon wieder menschlich wirken. Human sind übrigens auch die fair verteilten Rücksetzpunkte,

Duchwachsenes Vergnügen: Deathmatchs für gerade mal zwei Spieler sind recht witzlos (PS2).
 an denen euer Fortschritt automatisch gesichert wird, während insgesamt vier Schwierigkeitsgrade für individuelle Herausforderung sorgen. Schade nur, dass es keine richtigen Zwischengegner gibt und es die Entwickler dafür mit dem Gegner-Respawn teils etwas übertrieben haben.

Verschenktes Potential

So spielt sich Darkwatch am ehesten wie eine Horror-Version von Serious Sam, was nicht nur an den Sprengstoffbeladenen Kamikaze-Skeletten liegt, die an die Selbstmordmutanten erinnern, mit denen es Sam Stone immer wieder zu tun hat. Schleich- oder gar Rätselelemente sucht ihr in Darkwatch jedenfalls vergeblich - das Gameplay ist eindeutig auf kompromisslose Run‘n‘Gun-Action ausgelegt. Lediglich wenn Tageslicht ins Spiel kommt, wird es ein wenig taktisch, denn im Sonnenlicht versagen Vampirkräfte, Blutschild & Co, was euch zu leichter Beute macht und quasi von Schatten zu Schatten huschen lässt, um zu überleben. Doch leider wurde das Potential dieser verhängnisvollen Achillesverse nicht annähernd ausgeschöpft, denn gerade dieses Feature hätte für unglaublich Spannung sorgen können, wenn zum Beispiel auch die Gegner allergisch auf UV-Licht reagiert hätten.    

Fazit

Trotz mehrfach wechselnder Publisher hat es Darkwatch am Ende doch noch zur Marktreife gebracht und dank Ubisoft auch nach Europa geschafft - und das sogar ungeschnitten sowie vorbildlich lokalisiert. Die Entwickler entführen euch in ein bizarres Horror-Western-Szenario, das frisch und unverbraucht wirkt. Spielerisch wird euch hingegen eher ein traditioneller Fun-Shooter à la Serious Sam vorgesetzt, der mit übersinnlichen Spezialkräften, einem Moralsystem sowie Fahr- bzw. Reitpassagen verfeinert wurde. Leider ist das vampiristische Wildwest-Abenteuer jedoch recht kurz geraten und der Mehrspieler-Part ein zweischneidiges Schwert: Während PS2-Spieler nur zu zweit, aber dafür auch kooperativ ans Werk gehen können, bekriegen sich Xbox-User online mit bis zu 15 Gleichgesinnten, müssen auf einen Koop-Modus jedoch komplett verzichten. Trotzdem hat man auf beiden Systemen auch abseits der Einzelspielerkampagne seinen Spaß - eine gleichmäßigere Verteilung wäre allerdings wünschenswert gewesen. Ansonsten unterscheiden sich die beiden Fassungen nur geringfügig voneinander, wobei der auf der Xbox flüssigeren Bildrate auf der PS2 zusätzliche Splittergranaten sowie ein exklusiver Bonuslevel gegenüber stehen. Run‘n‘Gun-Fans, die keine Soldaten, Terroristen oder Aliens mehr sehen können, satteln also je nach persönlicher Multiplayer-Vorliebe die PS2- oder Xbox-Pferde.

Pro

stylisches Ambiente
vier Schwierigkeitsgrade
hervorragende Lokalisierung
kooperativer Story-Modus (PS2)
auflockernde Reit- & Fahrpassagen
Vier-Spieler-Splitscreen-Modus (Xbox)
exklusive Zusatzwaffe & -mission (PS2)
hübsche Physik-Engine & Ragdoll-Effekte
exklusive Splitscreen- & Onlinemodi (Xbox)
„gute“ & „böse“ Charakterentwicklung möglich

Kontra

keine Kartenfunktion
hakeliges Zielsystem
keine Zwischenbosse
ziemlich kurz & linear
geringe Gegnervielfalt
auf Dauer recht monoton

Wertung

XBox

PlayStation2

Stylischer, aber kurzer Wildwest-Shooter mit Vampirthematik.

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