Mercenaries: Playground of Destruction19.03.2005, Paul Kautz
Mercenaries: Playground of Destruction

Im Test:

Man nehme: 52 Bösewichter. Einen zynischen Söldner. Ein riesiges Spielgebiet. Reichlich Explosives. Viele steuerbare Fahr- und Flugzeuge. Und jede Menge Action. Was wohl dabei herauskommt, wenn man all diese Zutaten in einen Topf gibt, und die Spielspaß-Flammen ordentlich schürt?

Das bessere A-Team

Das Leben als Söldner ist schön: Man wird für seine Arbeit großzügig entlohnt, man ist keiner Partei unterstellt, man kann die Klappe aufreißen. Okay, man ist recht unbeliebt, aber was macht das schon, wenn 100.000.000 Dollar winken? Dieser Inhalt der Microsoft-Portokasse winkt demjenigen, der den nordkoreanischen Diktator General Song (Ähnlichkeiten mit lebenden

Keine Blasen an den Füßen: Ihr könnt jedes Fahrzeug benutzen.
kleinen Personen sind rein zufällig) schnappt und ausliefert - und sich auch noch ganz nebenbei um seine 51 engsten Mitarbeiter kümmert. Zusammen ergibt diese Bande das so genannte »52er Deck« - ein Satz Spielkarten, ganz ähnlich denen, die den Soldaten im Irak-Krieg das Gesicht von Saddam und Co näher bringen sollten.

Ihr habt nun die Qual der Wahl unter drei Legionären. Ob ihr euch für den Schweden, die Britin oder den Amerikaner entscheidet, spielt im Grunde keine Rolle - der einzige Unterschied zwischen den Dreien besteht in ihrer Muttersprache, so dass sie bei der jeweiligen Spielpartei anfangs einen kleinen Vorteil haben. Parteien? Richtig, ihr seid nicht allein auf dem Schlachtfeld: Abgesehen von euch tummeln sich noch Chinesen, Nord- und Südkoreaner, die Alliierten sowie die Russenmafia in Nordkorea, alle mit eigenen Absichten und Vorgehensweisen. Als freier Söldner dient ihr natürlich unter jeder mit Geld winkenden Flagge, so dass ihr jederzeit entscheiden könnt, für welche Regierung ihr Aufträge erledigt. Denn natürlich kommen die 52 nicht einfach bei euch vorbei, ihr müsst sie finden und hops nehmen - dazu braucht ihr allerdings Informationen, die ihr von Kontaktmännern der jeweiligen Parteien bekommt. Je nachdem, wie und welche Missionen ihr erledigt, ändert sich euer persönliches Verhältnis zu den Fraktionen: die einen mögen euch auf Dauer mehr, die anderen weniger. Den aktuellen Status dieser Beziehungen könnt ihr jederzeit einsehen. Das ist selbstverständlich nicht nur oberflächlich: Befreundete Soldaten kämpfen an eurer Seite, anders herum werdet ihr schon von weitem bekämpft. Das beeinflusst natürlich die nicht-lineare Missionsstruktur, wobei ihr die Möglichkeit habt, euch verlorene Sympathien zurückzukaufen - wenn ihr genug Geld habt.

Des Teufels Advokat

Das Missionsprinzip ist nach den einführenden Aufträgen im GTA-Stil gehalten: Ihr könnt euch mehr oder weniger frei auf dem gewaltigen Gelände austoben, wobei kleine Icons den Weg zu potenziellen neuen Aufträgen weisen - falls ihr euch nicht auf das Mini-Radar verlassen wollt, könnt ihr euch jederzeit eure Position auf der zoombaren Karte nachschlagen. Nehmt ihr eine neue Mission an, bekommt ihr noch allerlei Hintergrundinformationen, und steht dann erstmal alleine da - denn jetzt kommt der Freiheitsaspekt von Mercenaries ins Spiel: Wie ihr eine Mission anpackt, ist ganz allein euch überlassen. Es gibt für die Aufgaben keine feste Strategie; ob ballernd oder schleichend, von nah oder fern, mit wehenden Fahnen oder unauffällig - es gibt immer mehrere Lösungen. Jagt ihr eine Person vom Kartendeck kommt noch hinzu, dass ihr die Bösewichter (wie in Oddworld: Strangers Vergeltung ) besser lebend fangen sollet - tot sind sie

Die Bosse bringen lebendig viel mehr Geld, müssen aber unter Lebensgefahr verhaftet werden.
zwar wesentlich leichter zu erwischen, aber nur halb so viel wert. Das Knifflige daran ist nämlich, dass ihr euch durch eine wild ballernde Leibgarde nahe genug an den Boss herankämpfen, ihm mit dem Gewehrkolben ein blaues Auge und auch noch Handschellen verpassen müsst. Trudelt der Abhol-Helikopter schließlich in der gesicherten Landezone ein, schultert ihr das zappelnde Bündel und ladet es in den Transporter - ka-tsching, da lacht die Kasse!

Das Geld investiert ihr in neue Waffen oder bessere Ausrüstung. Besonders wichtig wird schon nach kurzer Spielzeit »Merchant of Menace« - die offizielle Homepage der Russenmafia . Dort bekommt ihr nützliche Spezialwummen und mächtige Artillerieschläge - doch dazu gleich mehr. Ihr dürft zwar nur zwei Hauptwaffen nebst Granaten und etwas Zusatzausrüstung wie C4 mit euch herumtragen, allerdings könnt ihr die Knarren jederzeit gegen Waffen von gefallenen Gegnern eintauschen. Und da die Wege zwischen zwei Zielen teilweise sehr groß sind, könnt ihr jedes Vehikel benutzen: Ob Jeep, Truppentransporter, ziviles Fahrzeug oder Helikopter - das Beschlagnahmen funktioniert so einfach wie in der GTA-Serie. Manche Fahrzeuge haben auch Platz für mehrere Personen, so dass euch auf ein Hupzeichen befreundete Soldaten gerne Gesellschaft leisten und z.B. das montierte Gewehr besetzen. Die Steuerung der Vehikel ist von Typ zu Typ unterschiedlich einfach; ein flitziger Jeep lässt sich wesentlicher besser kontrollieren als ein behäbiger Panzer. Außerhalb der Fahrzeuge müsst ihr euch erst an das volle Pad gewöhnen, aber dank intelligenter Zielhilfen geht auch hier das Gegner-Zermürben lockern von der Hand. Etwas ärgerlich ist, dass ihr inmitten von Scharmützeln immer wieder mal auch eigene Truppen oder Zivilisten trefft - was natürlich mit einem »Kollateralschaden«-Abzug bestraft wird.            

Armageddon!!

Was Mercenaries wirklich einzigartig macht, ist die pure Freude an der Zerstörung - man beachte den auch in der deutschen Version vorhandenen Untertitel »Playground of Destruction«. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn mit genügend Firepower (sprich: genügend Geld) könnt ihr hier, wenn ihr wollt, ganze Städte bis auf die Grundmauern zerlegen - und zwar richtig fetzig! Speziell die bereits erwähnten Artillerieschläge, die es in mehreren Ausbaustufen gibt, baden den Screen in ein Feuermeer, bei dem man unwillkürlich das Ende der Welt nahen sieht. Gigantische Explosionen, dicke Rauchwolken, Schutt und Asche

Grafisch opulente Explosionen sind die Zuckerhaube auf der tollen Optik.
überall, dazu fantastische Partikeleffekte von sprühenden Funken bis zu waberndem Rauch. Die integrierte Havok-Physikengine legt noch eine Kohle auf: Es ist einfach unglaublich befriedigend, wenn nach einer erfolgreichen Raketenwerfer-Attacke ein wild loderndes Autowrack vorbeigeflogen kommt, und unter heftigem Getöse in der Landschaft aufschlägt. Ständig ist etwas los, Jets zischen fauchend über eure Köpfe hinweg, Soldaten schreien und ballern, überall brennt, explodiert oder passiert irgendetwas - so muss ein Schlachtfeld aussehen.

Ihr seht eurem Protagonisten grundsätzlich über den Kopf, nur bei der Benutzung des Fernglases gibt es eine Ego-Perspektive. Dadurch habt ihr einen problemlosen Blick auf die Landschaften: Ihr trabt weich animiert über Felder, durch Städte und Dörfer, militärische Befestigungen und Farmen, erklimmt Hügelketten und rast über betonierte Straßen. Die niedrig aufgelösten Texturen stören nur am Rande, ärgerlicher sind die gelegentlichen Slow-Downs und Pop-Ups, welche sich aber nie negativ auf das Spiel auswirken. Umrahmt wird die Optik von Echtzeit-Zwischensequenzen und gelegentlichen Filmen, die rasant aus echten Video-Aufnahmen zusammengeschnitten wurden. Leider bleibt die Story auf der Strecke, auch keine Charakterentwicklung weit und breit - da hat die GTA-Serie weiterhin die Waffe vorn.

Falls ihr mal nicht mehr weiter wisst, empfiehlt sich ein Blick in den PDA: Dieses praktische Tool beherbergt nicht nur die Karte und detaillierte Informationen über jedes Mitglied des 52er Decks, sondern auch eine umfangreiche Hilfedatei. Die informiert euch nicht nur über jeden neuen Waffentyp, sondern gibt auch wichtige Hinweise zur aktuellen Mission. Falls ihr merkt, dass euch die Gegnermassen über den Kopf wachsen, könnt ihr einen laufenden Auftrag auch abbrechen, verliert dadurch aber nicht nur Geld, sondern auch Sympathien - dürft aber, wie immer zwischen den Missionen, speichern.

Rabatz zu Chormusik

Neben den Hauptmissionen finden sich überall auch versteckte Aufträge, die ihr z.B. von Informanten bekommt. Die meisten Missionen haben außerdem Sekundärziele, die euch Extrageld oder gar Bonusmaterial einbringen. Im Laufe des Spiels könnt ihr nicht nur neue Kostüme, sondern auch zusätzliche Ausrüstung und mehr freispielen, wenn ihr z.B.

Den kenne ich doch: Eine der Bonusfiguren kommt von weit weit her.
wichtige Blaupausen findet oder Monumente zerstört. Das normale Spielerlebnis sollte euch 18 bis 20 Stunden bei der Stange halten, wer alles finden will, ist entsprechend länger beschäftigt. Leider bleibt das Vergnügen auf einen Spieler beschränkt, eine Multiplayervariante gibt es auf keiner Konsole.

Die Musik begleitet euch auf interessante Art und Weise: Die zum Teil aus der Feder von Michael Giacchino (der u.a. die MoH- & Call od Duty-Games sowie den Pixar-Hit »Die Unglaublichen« vertont hat) stammenden Kompositionen sind eine fetzige Mischung aus klassischen Kriegsthemen und modernen Rhythmen. Eingespielt vom Northwest Sinfonia erwarten euch nicht nur Orchesterklänge sondern auch Chöre - und die passen erstaunlich gut zum Krawumm-Spielprinzip. Dazu gibt es Subwoofer erschütternde Soundeffekte sowie professionelle deutsche Stimmen: Die Sprecher verstehen ihr Handwerk durch die Bank, und verpassen den Figuren dank witziger Sprüche ein cooles Profil - speziell die Dialoge mit Navigatorin Fiona sind super.      

Fazit

Lucas Arts - ist das nicht eigentlich seit Jahren nur noch ein Hort mehr oder weniger brauchbarer Star Wars-Games? Den ehemaligen Adventure-Göttern hätte man wohl am wenigsten zugetraut, ein derartiges Spiel herauszubringen. Ein Schubser von Pandemic macht das Wunder möglich: Mercenaries ist wie ein 80er-Jahre-Actionfilm; zum Teufel mit der Handlung, es muss nur ordentlich krachen! Das Gefühl, einen brachialen Artillerieschlag auf einen wild ballernden Gegner niederregnen zu lassen, die darauf folgenden gigantischen Explosionen, die in dicken Staubwolken zusammenkrachenden Gebäude, die vom Druck wie Flummis durch die Gegend springenden Autos – der Bildschirm wackelt am laufenden Band! Allerdings versteckt sich hinter der großartigen Hülle gelegentlicher Missionsleerlauf, die Abwechslung lässt auf Dauer spürbar zu wünschen übrig. Doch wenn man einfach nur immer wieder mal eine beeindruckende Zerstörungsorgie abfackeln möchte (schließlich trägt das Game nicht ohne Grund den Untertitel »Playground of Destruction«), dann ist Mercenaries ideal.

Pro

umwerfende Grafik
jede Menge Action
fetzige Explosionen
große Spielwelt
professionelle Sprachausgabe
cooler Humor
dramatischer Soundtrack
cleveres Parteiensystem
sehr offenes Spielfeld
nicht-lineares Spielprinzip
angenehm umfangreich
einfache Fahrzeugsteuerung

Kontra

gelegentliche Slowdowns
kein Mehrspielermodus
sporadische KI-Schwächen
Freund-/Feind-Unterscheidung nicht einfach
auf Dauer Leerlauf im Missionsdesign
dünne Story mit kaum Charakterentwicklung
voll beladenes Gamepad

Wertung

PlayStation2

Herrlich destruktive Zerstörungsorgie mit Extraportion Krawumms!

XBox

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