Without Warning12.11.2005, Jens Bischoff
Without Warning

Im Test:

Eigentlich klang das Konzept von Without Warning (ab 19,88€ bei kaufen) recht vielversprechend: Übernehmt in einer an die TV-Serie 24 angelehnten Zeit- und Perspektivenspielerei die Rollen von sechs mehr oder weniger wehrhaften Personen in einer von Terroristen besetzten Chemiefabrik, die nach Ablauf eines zwölfstündigen Ultimatums zusammen mit euch in die Luft zu fliegen droht. Doch leider wartet der Titel nicht mit Hochspannung und Dramatik auf, sondern versinkt schon nach kurzer Zeit in einer pomadigen Brühe aus Monotonie, Stümperei und Ideenlosigkeit.

Pfusch mit Tradition

Oh je, liebe Gebrüder Smith, da dachte man, dass mit dem kläglichen Tomb Raider: The Angel of Darkness der Tiefpunkt eurer Produzentenkarriere erreicht sei und dann schafft ihr es auch noch, das interessante Konzept von Without Warning in digitalen Dünnpfiff zu verwandeln... Egal, ob erzählerisch, spielerisch oder technisch - der Titel wirkt in jedem Bereich lieblos hingeschludert

Gesichtslähmung: Die Figuren geben ihre hohlen Sprüche ohne jede Lippenbewegung von sich (PS2).
und stümperhaft inszeniert. Die genau so abgedroschene wie belanglos erzählte Story um Terroristen, die mit einem Bombenanschlag auf eine hochgiftige Industrieanlage Millionen Menschenleben bedrohen, haut einen jedenfalls genau so wenig vom Hocker wie das Spielen eines weiteren Third-Person-Shooters, bei dem einem die katastrophale Steuerung mehr Schwierigkeiten bereitet als die unterbelichteten Klischee-Gegner.

Falsche Perspektive

Während der ersten Schritte durch die tristen Fabrikhallen denk ihr euch vielleicht noch, dass ihr einfach zu ungeschickt seid, den ersten der sechs spielbaren Protagonisten zielsicher durch die Gänge zu lotsen. Doch schon bald wird klar, dass Steuerung und Spielansicht einfach nicht zusammenpassen. Aus der Ego-Perspektive wäre vielleicht alles in Ordnung gewesen, aber bei dieser versetzen Schulteransicht funktioniert das vorgeschriebene Tastenlayout einfach nicht - vor allem, da das Zurücksetzen der Kamera nie so klappt, wie es eigentlich sollte. So stolpert ihr von Gegnerpulk zu Gegnerpulk und hofft, dass wenigstens die großzügige Zielautomatik ihren Dienst verrichtet.

Doch denkste! Das Fadenkreuz hüpft beim Zielen derart spastisch umher, dass ihr nur selten den gewünschten Gegner im Visier habt. Doch versucht am besten gar nicht, das Ziel zu wechseln, ihr würdet nur verzweifeln. Einfach draufhalten und Daumen drücken, dass eure Kugeln nicht in irgendwelchen gar nicht in der Ziellinie befindlichen Wänden oder Kisten stecken bleiben, was aufgrund der ungenauen Kollisionsabfrage leider ständig passiert. Doch manchmal kann genau dies sogar euer Vorteil sein, denn verirrt sich eine Kugel in ein Benzinfass, explodiert es,

Giftgas statt Bleivergiftung: Mit gezielten Schüssen nutzt ihr die Umgebung für euch (Xbox).
trefft ihr ein Leitungsrohr, strömen giftige Gase aus und landet ein Querschläger in einem Wassertank, entweicht heißer Dampf, der die Angreifer vorübergehend außer Gefecht setzt.

Überflüssiger Physikzauber

Die zerstörbare Leveleinrichtung kann euch jedoch auch zum Verhängnis werden, da die Terroristen anscheinend mit genau denselben Zielschwierigkeiten wie ihr zu kämpfen haben. Sucht also lieber nicht hinter Rohrsystemen, Silos oder Fässern Deckung, sonst drohen Verätzungen, Verbrühungen oder tödliche Verbrennungen. Auch Holzkisten sind kein gutes Versteck, da sie einem konzentrierten Bleihagel nur selten standhalten, während leere Kartonagen bei Explosionen schnell zu tödlichen Geschossen werden können. Schade nur, dass die gelungene Physik-Einbindung nur bei bestimmten Objekten zum Zuge kommt und die beschränkte Gegner-KI diese Interaktionsmöglichkeiten weitestgehend überflüssig macht, da ihr eure Umgebung eigentlich nur bei akuter Munitionsknappheit ins Spiel einbezieht.           

Gespenstisch

Allerdings wird nicht nur geballert. Hin und wieder müssen mittels mehr oder weniger primitiver Minispiele auch Schlösser geknackt,

Hallo, hier bin ich! - Die Gegner in Without Warning sind so blind wie ausgegrabene Maulwürfe (Xbox).
Leitungen überbrückt, Bomben entschärft oder Geiseln befreit werden. Dass sich letztere nach dem Entfernen ihrer Handfesseln einfach in Luft auflösen, darf euch nicht weiter verwundern, denn schließlich gibt es keine Möglichkeit anders aus den winzigen und hermetisch abgeriegelten Spielabschnitten zu fliehen. Dass aber auch die Terroristen ständig wie von Geisterhand in irgendwelchen dunklen Ecken oder Sackgassen auftauchen, nervt jedoch gewaltig. So könnt ihr nie sicher sein, dass die Luft rein ist, obwohl ihr bereits jede Ecke von Feinden gesäubert habt. Besonders ärgerlich, wenn nicht sogar unfair, sind in euren Rücken gebeamte Scharfschützen oder Selbstmordattentäter, die auch kurz vor Missionsende nicht davor zurückschrecken, eurem Leben ein jähes Ende zu setzen, ohne dass ihr überhaupt wisst, was passiert ist...

Das ist umso ärgerlicher, da es im Spiel weder Zwischenspeicher-, noch Rücksetzpunkte gibt und ein Ableben die komplette Wiederholung des aktuellen Einsatzes bedeutet. Eine weitere Gemeinheit stellen Schüsse dar, die euch selbst durch massive Hindernisse hindurch treffen können.  Und das nicht, weil die Gegner spezielle Geschosse verwenden,

Kaboom: An den Explosionen und Physik-FX im Spiel gibt es nicht viel zu kritisieren (PS2).
sondern weil es die verbuggte Kollisionsabfrage so will. Ein Witz ist auch die halbgare Kartenfunktion, die keinerlei Höhenunterschiede darstellt, unpassierbare Hindernisse unterschlägt oder sich einfach weigert, euren aktuellen Aufenthaltsort anzuzeigen. Verlaufen könnt ihr euch in den sich ständig wiederholenden Arealen aber zum Glück nur selten und auch das Absolvieren der immer gleichen Auftragsziele kostet nicht viel Anstrengung, weshalb sich neben Frust auch schnell Langeweile breit macht.

Stealth als Glücksspiel

Nicht einmal der gezwungen wirkende Charaktertausch nach jeder Mission sorgt für Abwechslung, da sich die sechs Protagonisten viel zu ähnlich spielen und nur zwei Spielansätze bieten: Schießen oder Schleichen. Es macht jedenfalls kaum einen Unterschied, ob ihr euch als einer von drei Marines oder als Wachmann durch die Anlage ballert bzw. ob ihr als Kameramann oder Sekretärin an ihnen vorbei huscht. Letzteres ist allerdings ein ziemliches Glücksspiel, da euch manche Terroristen nicht einmal wahrnehmen, wenn ihr direkt vor ihrer Nase zur Pfefferspray-Attacke ansetzt,

Als Tanja verrichtet ihr Löscharbeiten - beachtet die spektakulären Feuer- und Wassereffekte (Xbox).
 während andere regelrecht Röntgenblick-Qualitäten an den Tag legen und euch selbst regungslos hinter massiven Wänden kauernd ausfindig machen und dann zielstrebig auf euch zu zappeln.

Epileptiker und Bauchredner

Die Animationen sind teils wirklich unter aller Kanone: Getroffene Gegner purzeln mitunter geradezu zirkusreif entgegen aller physikalischen Gesetzmäßigkeiten über irgendwelche Brüstungen, wenn euer Protagonist eine Leiter erklimmt, meint ihr, er hätte einen epileptischen Anfall und Dialoge laufen ohne jede Lippenbewegung ab - selbst die Zwischensequenzen werden ausschließlich von mehr oder weniger talentierten englischen Bauchrednern bestritten, während die In-Game-Charakter-Samples teils an sprachlicher Peinlichkeit kaum zu überbieten sind. Die übrige Soundkulisse geht hingegen in Ordnung und präsentiert sich sogar in sattem Dolby Digital (Xbox) bzw. Pro Logic II (PS2). Auch grafisch gibt es ein paar hübsche Licht- und Explosionseffekte zu sehen, wobei die Xbox-Fassung minimal besser aussieht, während sich die PS2-Version dezent komfortabler steuert. Besonders spektakulär ist die audiovisuelle Präsentation jedoch nicht - Feuer und Wasser sehen beispielsweise aus, als hätte man sie aus irgendwelchen PSone-Librarys importiert...

        

Fazit

Wie kann man nach jahrzehntelanger Erfahrung im Videospielbereich eine an sich spannende Idee wie die von Without Warning nur so lieblos und dilettantisch umsetzen? Der Titel krankt an so vielen Mängeln, dass man eigentlich darauf wetten würde, es handle sich um eine überhastete Filmadaption. Mit großem Kino hat die spannungsarme Terroristenhatz aber reichlich wenig zu tun: Handlung, Dialoge und Charaktere sind so flach wie die Bergwelt Hollands und der im Mittelpunkt stehende Figuren- bzw. Perspektivenwechsel so dramatisch wie die Live-Übertragung eines Häkelturniers. Und welcher stumpfsinnige Sadist hat sich bitte diese spastische Steuerung bzw. Zielerfassung ausgedacht? Wahrscheinlich derselbe, der auch die hirnamputierte Gegner-KI und die haarsträubende Kollisionsabfrage auf dem Kerbholz hat... Na ja, das kommt halt davon, wenn man sich die Kosten für eine Qualitätsprüfung sparen will und jeden unbeaufsichtigt das machen lässt, was er am wenigsten kann. Doch wer soll so etwas kaufen? Höchstens unverbesserliche Trash-Sammler mit Hang zum Masochismus - also sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt!

Pro

60Hz-Modus
interessantes Konzept
nette Physik-Einbindung
ordentliche Soundkulisse
sechs spielbare Charaktere

Kontra

lächerliche KI
hakelige Steuerung
dürftige Lokalisierung
spastisches Zielsystem
stümperhafte Animationen
unausgereifte Kartenfunktion
ödes Level
& Missionsdesign
hanebüchene Story & Dialoge
haarsträubende Kollisionsabfrage
unausgewogener Schwierigkeitsgrad
keine Speicher
bzw. Rücksetzpunkte

Wertung

XBox

PlayStation2

Spannungsarme und stümperhaft inszenierte Terroristenjagd für die Tonne.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.