The Suffering: Ties that Bind29.10.2005, Mathias Oertel
The Suffering: Ties that Bind

Im Test:

Anno 2004 konnten zahlreiche neue Franchises Fans und Presse begeistern. Dazu gehörte z.B. auch Midways Überraschungshit The Suffering, der knallharten Gefängnishorror und imposante Action zelebrierte. Mit welchen Mitteln möchte die Fortsetzung The Suffering – Ties that Bind vor allem auch angesichts von Konkurrenz-Titeln wie dem phänomenalen F.E.A.R. sein Revier verteidigen?

Der Horror in dir

Was würdet ihr tun, wenn in euch ein Monster schlummert, das unbedingt raus möchte – selbst wenn es zu Lasten eurer Menschlichkeit geht? Mit dieser simplen Fragestellung hat es das Team von Surreal Software letztes Jahr geschafft, in The Suffering ein klaustrophobisches Horror- Spektakel auf die Beine zu stellen.

Das Figurendesign ist bizarr und erinnert immer wieder an Clive Barkers düstere Fantasien - klasse!
Ein von abnormen Monstrositäten und wahnsinnigen Wissenschaftlern belagertes Gefängnis, ein zerrissener, (vermutlich) unschuldiger und von Visionen geplagter Gefangener namens Torque mittendrin und obendrauf viel Action – das war die Erfolgsformel.

Die gleiche Formel findet ihr auch in der Fortsetzung. Dabei hat es das Team aber geschafft, die etwas schwachbrüstige, wenngleich intensiv erzählte Geschichte des ersten Teils nicht nur adäquat fortzuführen, sondern mit geschickten, teilweise interaktiven Rückblenden auch einige offene Fragen des Vorgängers zu lösen. Gleichzeitig wird die Hauptfigur Torque dank zahlreicher Visionen und Flashbacks für den Spieler transparenter. Die Grenzen zwischen Wahrnehmung und Realität verschwimmen und sorgen so Spannung.

Stadt statt Knast

Mit der Entscheidung, das Geschehen für die abscheulichen Ereignisse rund um Torque aus den räumlich engen Gefängnisbauten in das mittlerweile nicht mehr so malerische Baltimore zu verlegen, öffnet den Entwicklern einige Türen: Zwar kann man nicht mehr auf das klaustrophische Element des Zellenkomplexes zurück greifen, doch dafür kann man die ganze Stadt wie Silent Hill im Horror versinken lassen. Überhaupt wirkt das Baltimore wie eine Clive Barker-Version von Konamis Kleinstadt: Da lauern monströse Kreaturen, die hin und wieder den Zenobiten aus Barkers Hellraiser ähneln, da gibt’s Blut und Chaos an jeder Ecke. Eines hat man dabei jedoch vergessen: dem Spieler Raum zum Erforschen zu geben. Denn letztlich können die verwinkelten Gassen und düsteren Gebäude nicht verschleiern, dass das neue Abenteuer genau so linear abläuft wie der Vorgänger. Ja: die Atmosphäre zieht einen immer tiefer ins Geschehen. Und ebenfalls ja: die teilweise zelebrierte Gewalt der nach wie vor intensiv inszenierten Action hat ebenso ihren Anteil daran, die Motivation aufrecht zu erhalten. Aber das Prinzip hat auch schon im Vorgänger gewirkt und da die Stadt deutlich mehr Möglichkeiten zu bieten hätte, diese aber nicht mal ansatzweise ausgeschöpft werden, kommt unheimlich schnell ein "Kenn-ich-schon"-Gefühl auf.

Neben der Schulter-Kamera steht auch die Ego-Perspektive zur Verfügung.
Auch die Option, sich mit Torque zeitlich begrenzt in ein Monster zu verwandeln, das sich durch nahezu alles durchpflügen kann sowie die verschiedenen Enden, die durch die moralischen Entscheidungen eurerseits (helfe ich den  Unschuldigen oder nicht?) gebildet werden, kennt man aus dem ersten Teil und halten das qualitativ hohe Niveau. Trotzdem bleibt beständig der Wunsch nach mehr Freiheit als in The Suffering. Stattdessen haben die Entwicker beschlossen, Stagnation auf hohem Niveau zu produzieren. Denn mit der sinnvollerweise verbesserten Steuerung sowie der wie bereits erwähnt gut weiter geführten Story wirkt alles eher wie eine Erweiterung als ein eigenständiger Titel.

  

Wie im Vorgänger könnt ihr jederzeit zwischen der Ego- und der Ansicht aus der Schulterkamera wechseln. Und beide haben sowohl ihren Reiz als auch ihre Berechtigung: Während die Ego-Ansicht mit Kameraproblemen aufräumt und vor allem auf dem PC eine leichtere Kontrolle garantiert, sorgt die Third-Person-Kamera für ein cineastischeres Erlebnis und wirkt auf mich sogar noch intensiver als das Hineinschlüpfen in den Anti-Helden Torque.

Wie es sich für moderne Action gehört, gibt es natürlich fette Wummen, um den Monstermassen den Garaus zu machen.
Was allerdings viele abschrecken dürfte, ist der sehr wechselhafte Schwierigkeitsgrad. Im Allgemeinen gut ausbalanciert, nimmt das Gemetzel, das sowohl mit Projektilwaffen als auch mit Keulen, Messern usw. durchgeführt werden kann, auf einmal eine unerwartete Wendung Richtung "Massive Frustgefahr": Während ihr eigentlich permanent gegen irgendwelche Albtraumgestalten antreten müsst, wird dieses Action-Stakkato urplötzlich zu einem Wirbelsturm, der euch mit enormen Gegnerhorden an den Rand des Wahnsinns führt und bei einigen zu neuen Maus- oder Pad-Weitwurfrekorden führen könnte. Weniger, aber dafür intensiver, wäre hier mehr gewesen. F.E.A.R. z.B. hat den wesentlich besseren Rhythmus aus Action- und Ruhephasen.

Gleichbleibend gut

Da die Entwickler nur leichtes Feintuning vorgenommen haben, wird es die wenigsten verwundern, dass ein Jahr nach dem Original auch die Grafik wenig mehr als Feinschliff erfahren hat. Dies wiederum bedeutet, dass PC-Spieler die am besten aussehendste Version bekommen, gefolgt von der Xbox und der PS2.

Hinter jeder Ecke lauern Monster!
Allen gemeinsam ist jedoch eine insgesamt deutlich hinter Spielen wie F.E.A.R. oder auch Doom 3 zurück liegende Optik, was vor allem an den nicht immer überzeugenden Texturen liegt. Das soll jedoch nicht heißen, dass das Zuschauen eine Qual ist: Die düsteren Umgebungen verströmen eine bedrohliche Atmosphäre und können auch mit dem einen oder anderen netten Effekt überraschen.

Gleiches gilt für die Figuren: Deutlich schwächer als bei den Referenz-Titeln können sowohl Texturen als auch die Animationen dafür sorgen, euch tiefer ins Geschehen zu ziehen.

Und damit der Horror nicht nur Auswirkungen im Kopf, sondern auch auf der Netzhaut hat, verfügen sie über ein Trefferzonen-System, das zudem noch unterschiedlich auf die zahlreichen Schusswaffen reagiert.

Besonderes Lob gebührt einmal mehr der Lokalisierung, die fast schon beispielhaften Charakter hat. Die deutschen Sprecher wurden gut ausgewählt, verpassen den Figuren ein deutliches Profil und bei der Übersetzung scheint nichts verschönt, sondern alles so verstörend und bedrückend belassen worden zu sein wie im Original.

Einzig die Musikuntermalung hätte ich mir etwas intensiver gewünscht, da die Kompositionen nur selten dazu beitragen, die Spannung zu erhöhen. 

Fazit

Uff – was für ein Monat für Horror-Fans! Erst F.E.A.R., dann steht noch Quake 4 auf dem Programm und auch The Suffering Ties that Bind ist nicht zu verachten. Doch trotz aller spannungs- und blutgeladenen Atmosphäre beginnt man schnell, den vergebenen Chancen nachzuweinen – vor allem, wenn man den Vorgänger kennt. Denn grundsätzlich bietet TTB nur ein konsequentes "More-of-the-Same", bei dem die Kontrolle verbessert wurde. Ja: die Geschichte um Torques Vergangenheit und deren Einfluss auf die Gegenwart wurde gut umgesetzt und bietet viele spannende sowie einige schockierende Momente und mehrere Enden. Doch die Action mit ihrem schwankenden, teilweise frustrierenden Schwierigkeitsgrad zeigt sich im Wesentlichen genau so wie in Teil 1 – und das bedeutet trotz eines ganzen Stadtgebiets als Spielwiese extreme Linearität. Die Entwickler berauben sich mit den "offenen" Straßenzügen gleichzeitig der klaustrophobischen Stimmung des ersten Teiles und schaffen keinen adäquaten Ersatz. Unter dem Strich solide, spannende Horror-Action, die es aber auf PC weder schafft, F.E.A.R. in Gefahr zu bringen, auf Konsolen auch nicht ein Kaliber von z.B. Resident Evil 4 erreicht noch über den ersten Teil hinauswächst.

Pro

bedrückende Horror-Atmosphäre
schöne Animationen
sehr gute Lokalisierung
imposant inszenierte Action
sowohl in der Ego- als auch Schulter-Kamera spielbar
akkurat reagierende Steuerung
exzellent eingesetzte Schock-Momente

Kontra

unausgewogener Schwierigkeitsgrad
linear
magere Soundkulisse
kaum Neuerungen zum Vorgänger
grafisch nicht up-to-date

Wertung

PlayStation2

PC

XBox

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