Charlie und die Schokoladen-Fabrik04.09.2005, Jens Bischoff
Charlie und die Schokoladen-Fabrik

Im Test:

Leseratten und Kinogänger kennen die Geheimnisse von Willy Wonkas exotischer Süßwarenanlage vermutlich bereits. Im Videospiel zu Charlie und die Schokoladen-Fabrik habt ihr aber erstmals selbst die Gelegenheit als Charlie Bucket in das bizarre Bonbonwunderland abzutauchen. Trotzdem sollten interessierte Naschkatzen lieber einen großen Bogen um diese Lizenzverwurstung machen, unter deren einladenden Zuckerguss jede Menge minderwertige Zutaten gepantscht wurden.

Wohlschmeckende Fassade

Eigentlich wäre Roald Dahls Romanvorlage bzw. Tim Burtons gleichnamige Verfilmung gar keine schlechte Grundlage für ein phantastisch-skurriles Videospielabenteuer gewesen.

"Hey Kurzer, versuche so schnell wie möglich aus diesem Stück Software-Sondermüll zu verschwinden!" - "Keine Sorge Opa, ich befriedige hier nur meine masochistischen Triebe..."
 Doch irgendwie haben die Entwickler von High Voltage wohl weder Lust, Zeit noch Talent gehabt, um das Thema originell und zielgruppengerecht zu verarbeiten. Auf den ersten Blick scheint die bunte Schokoladenwelt zwar noch in Ordnung: Der Preis ist fair, die Charaktere wurden von den deutschen Originalsprechern der Kinovorlage vertont, der Soundtrack plätschert verführerisch süß aus den Boxen und die Szenerie wirkt wie ein kindgerechter LSD-Trip durchs Schlaraffenland.

Des Pudels Kern

Doch schon bald beginnt die schmackhafte Fassade zu bröckeln und entblößt ihren bitteren Kern: Der Kameramann scheint völlig betrunken, die Steuerung ist bockiger als ein Kleinkind, dem man seinen Lieblingslutscher weggenommen hat, die Kollisionsabfrage zickt herum wie ein ins Bein geschossener Epileptiker und die KI der zu kommandierenden Umpa-Lumpa-Wichte kommt nicht über das Niveau einer Scheibe Brot hinaus. Zudem ruckelt das Ganze als litte die Grafik-Engine unter Parkinson, während sich das stupide und monotone Gameplay maximal an grenzdebile Vorschüler richten dürfte.

Spielspaß, wo bist du?

Das Level- und Missionsdesign muss jedenfalls der Feder eines sadistischen Idioten oder einem Design-Tool für lerngestörte Schimpansen entsprungen sein. Wer könnte schon Spaß daran haben, ständig die gleichen dämlichen Aufgaben zu lösen und zwischendurch ein paar hakelige Sprungpassagen und Geschicklichkeitsprüfungen zu absolvieren? So schlurft ihr die meiste Zeit durch die Gegend, versucht hirnamputierten Arbeitstrollen beizubringen euch zu folgen, irgendwelche Maschinen zu reparieren,

Wo bin ich hier? Was mach ich hier? - Steuerung, Kameraführung und Kollisionsabfrage sind die reinste Katastrophe...
 Süßigkeiten einzusammeln oder Mechanismen zu bedienen. Und wenn ihr mal nicht weiter wisst, fragt ihr einfach euren senilen Großvater per Knopfdruck um Rat.

Nichts wie weg hier!

Ansonsten schmeißt ihr Bonbons in der Gegend rum, klebt euch Kaugummiblasen unter den Hintern, macht in einer Kandishülle einen auf Super Monkey Ball für Arme oder versucht mit einem Schluck Schwebebrause dem ganzen Elend zu entfliehen. Alternativ könnt ihr angestaute Aggressionen und Frust auch an lästigen Wonkabots auslassen, indem ihr die patrouillierenden Blechkübel in Fallen lockt, sie geliert oder in die Luft jagt - sofern euch die katastrophale Kollisionsabfrage nicht manövrierunfähig durch die Gegend teleportiert. Daher ist es weitaus befriedigender, das Spiel als Dart-Scheibe umzufunktionieren oder seinem Erzfeind anonym zum Geburtstag zu schenken. Am besten ist allerdings, ihr legt es euch erst gar nicht zu - es sei denn, ihr wollt irgendwelche masochistischen Triebe befriedigen...     

Fazit

Also wenn Lizenzabzocke einen Geschmack hätte, würde sie vermutlich nach Willy-Wonka-Schokolade von High Voltage Software schmecken. Was die nämlich im Fahrwasser des gleichnamigen Kinofilms ahnungslosen Kindern oder Eltern unterzujubeln versuchen, muss man sich erst einmal trauen. Das Spiel wirkt jedenfalls völlig unfertig, unausbalanciert und macht so viel Spaß wie der Besuch eines überlasteten Klärwerks im Hochsommer. Aber genau da haben die Entwickler scheinbar ihre Ideen her, denn wie sonst kann so viel digitaler Dünnpfiff in nur einem Spiel zusammenkommen? Erspart euch diesen Griff ins Klo und lasst euch Scheiße nicht als Schokolade verkaufen. Investiert euer Geld lieber in ein paar echte Tafeln und den Rest in die Roman- oder Filmvorlage - da habt ihr wesentlich mehr von.

Pro

bizarre Spielwelt
hübsche Animationen
reduzierter Verkaufspreis
hochkarätige Lokalisierung
atmosphärischer Soundtrack

Kontra

miese KI
üble Kamera
Dauergeruckel
ödes Gameplay
geringer Umfang
unhandliche Steuerung
zickige Kollisionsabfrage

Wertung

XBox

Katastrophal schlechte Lizenzverwurstung des gleichnamigen Tim Burton-Films.

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