187: Ride or Die27.09.2005, Jens Bischoff
187: Ride or Die

Im Test:

In GTA macht ihr Karriere als Gangster, in Midnight Club liefert ihr euch illegale Straßenrennen, in Burnout werden spektakuläre Crashs zelebriert, NBA Street protzt mit fetten HipHop-Beats. Ubisoft dachte sich wohl: Hey, das kann man doch ohne eigene Ideen alles in ein und dasselbe Spiel mixen und kräftig absahnen! Weit gefehlt...

Gute Idee, miserable Umsetzung

Eigentlich ist die Idee eines bleihaltigen Rennspiels im Gangstermilieu ja nicht schlecht. Wer würde sich kein Twisted Metal mit GTA-Setting und Pimp my Ride-Flair wünschen? Mit einem Soundtrack von Guerilla Black sowie prominenter Unterstützung von Schauspielern wie Larenz Tate (Menace II Society) und Noel Gugliemi (Training Day, The Fast and the Furious), die den Charakteren Aussehen und Stimme leihen,

Schade drum: Die Story gerät trotz hochkarätiger Darsteller zur unfreiwilligen Lachnummer.
hatte Ubisoft sogar blendende Voraussetzungen für ein solches Projekt. Trotzdem haben es die französischen Entwickler geschafft, 187 - Ride or Die zu einer unfreiwillig komischen Farce verkommen zu lassen: Die Story um einen Gangsterkrieg, den nur ihr und euer Auto entscheiden könnt, wirkt genauso ausgelutscht wie albern, während die stereotypen Charaktere und Dialoge, die man Tate, Gugliemi und Guerilla Black zu spielen bzw. sprechen gezwungen hat, die reinste Parodie sind.

Fuß am Gas, Finger am Abzug

Na ja, drücken wir bei Szenario und Handlung mal beide Augen zu und hoffen, dass das Gameplay wenigstens ansprechend umgesetzt wurde. Im Story-Modus absolviert ihr jedenfalls diverse Straßenrennen und –kämpfe, bei denen ihr euch hinters Steuer eines gepimpten Boliden klemmt und mit Waffengewalt unliebsame Konkurrenten von der Straße pustet. Alternativ könnt ihr auch einem Kumpel das Schießen überlassen und euch rein aufs Fahren und Driften konzentrieren. Klingt ganz interessant, macht aber eigentlich nur online oder via System-Link halbwegs Spaß, weil die KI-Gegner, mit denen man sich in den Story-Missionen duelliert, absolute Sonntagsfahrer sind.

Kampf den Dumpfbacken

Zwar dürft ihr via Splitscreen auch gegen einen Rivalen aus Fleisch und Blut antreten, aber leider nicht im Koop-Modus. Den gibt’s mit mehreren Teilnehmern nämlich nur über System Link und Xbox Live. Als Spielvarianten erwarten euch eine Reihe von Renn- und Kampfmissionen, die teilweise jedoch nur im Story-Modus zur Verfügung stehen und allesamt erst freigespielt werden müssen: Mal müsst ihr nur ein normales Wettrennen gewinnen, dann ein Deathmatch jeder gegen jeden bestreiten, einen Überlebenskampf gegen eine Reihe von Widersachern austragen,

Autopilot: Während ihr nach hinten schießt, übernimt die KI für ein paar Sekunden das Steuer.
einem Bandenmitglied Geleitschutz geben, der Polizei in einer Verfolgungsjagd entwischen, einen an Speed erinnernden Bombenritt überleben oder Rennen mit bestimmten Auflagen wie Waffenbeschränkungen oder Ausscheidungsrunden bestreiten.

Wo ist die Handbremse?

Während ihr via Splitscreen wie gesagt maximal zu zweit unterwegs seid, können über System-Link oder Xbox Live bis zu acht Spieler teilnehmen - allerdings nur, wenn ihr die Rennen kooperativ bestreitet, sprich ein Spieler steuert den Wagen, der andere gibt Feuerschutz. Wollt ihr gleichzeitig fahren und schießen, was dank automatischer Zielerfassung und vorübergehendem Autopilot bei Hecksalven kein allzu großes Problem darstellt, ist hingegen bei vier Mitspielern Schluss. Die Steuerung ist übrigens recht simpel und arcadelastig, lässt aber eine freie Konfigurationsmöglichkeit vermissen und wirkt teils etwas schwammig. Schlimmer ist allerdings, dass die Fahrzeuge im Spiel über keine Handbremse verfügen, was gerade bei Deathmatches einen gravierender Mangel darstellt, da die Manövrierfähigkeit nur mit der Fußbremse sehr eingeschränkt ist.       

Zwischen Langeweile und Frust

Einer weiteren Einschränkung unterliegt ihr auch bei der Fahrzeugwahl, denn statt jederzeit freien Zugriff auf alle Autos zu haben, müsst ihr je nach Spielvariante mit vorgegebenen Modellen Vorlieb nehmen, was Anfängern zwar zu Gute kommt, aber geübte Fahrer einfach nur nervt. Noch nerviger ist allerdings die völlig unausgereifte Spielbalance des Story-Modus:

Totalschaden in Zeitlupe: Crahs werden wie im Burnout-Vorbild spektakulär inszeneiert.
Es gibt nämlich weder einen variablen, noch irgendwie ansteigenden Schwierigkeitsgrad. So gewinnt ihr alle Rennen gegen die strohdummen KI-Konkurrenten bis zum Schluss mit links, während bei den Survival-Deathmatch bereits die erste Mission zur Geduldsprobe wird - und das nicht etwa, weil die Gegner so clever wären, sondern euch einfach durch ihre schiere Überzahl und sprunghaft ansteigende Treffgenauigkeit in Bedrängnis bringen.

Monotonie, wo man hinschaut

Zudem gestaltet sich der Spielablauf trotz diverser Aufgabenstellungen sowie freispielbarer Charaktere, Fahrzeuge und Spielabschnitte viel zu monoton, um im Einzelspielermodus längerfristig ans Pad zu fesseln. Auch das Streckendesign wirkt irgendwie limitiert und einfallslos. Zwar gibt es einige Abkürzungen, Hindernisse und Interaktionsmöglichkeiten - angesichts der unterirdischen Gegner-KI macht es aber kaum Sinn, diese auch zu nutzen, da halbwegs geschickte Fahrer auch so jedes Rennen mit links gewinnen - und das in der Regel sogar ohne Waffen- Power-Up- oder Turbogebrauch. Im Multiplayer sieht‘s da schon anders aus.

Die Deathmatch-Arenen kranken an mangelnder Waffen-Vielfalt und fehlender Handbremse.
Gegen erfahrene Spieler habt ihr ohne dicke Wummen, Reparatur-Kits oder Nitro-Einspritzung nämlich kaum eine Chance auf den Sieg. Vor allem der durch Drifts oder entsprechende Power-Ups aufladbare Turbo verschafft euch oft den entscheidenden Vorteil im Kampf um Platz eins.

Turbo rein und Feuer frei

Das Zünden des Turbos sorgt aber auch optisch für einen willkommenen Geschwindigkeitsrausch im sonst eher gemächlichen Rennalltag, während durch Waffengewalt entsorgte Gegner in spektakulären Crashs wichtige Sekunden verlieren. Bei der Waffenwahl hängt aber viel vom Zufall ab, da ihr beim Einsammeln lediglich über ein universelles Power-Up-Symbol düst und nie wisst, ob sich dahinter eine Schrotflinte, ein Maschinengewehr oder eine Uzi verbirgt. Lediglich Spezialwaffen wie Minen oder Raketenwerfer sind besonders markiert. Dafür könnt ihr bis zu zwei der insgesamt 14 Waffen gleichzeitig mit euch führen, diese bei Bedarf wechseln oder abwerfen und Gegnern ihre Schießeisen durch beherzte Rammattacken sogar abknöpfen. Unbegreiflich jedoch, dass es gerade bei Arenenkämpfen gar keine Waffen-Pickups gibt

Geteiltes Leid: Via Splitscreen dürfen selbst kooperativ nur maximal zwei Spieler auf die Piste.
und sich jeder bis zum Ende mit denselben Standardwaffen zur Wehr setzen muss. Eine Chancengleichheit, die schnell in Langeweile umschlägt.

Nicht hässlich, aber auch nicht hübsch

Technisch präsentiert sich 187 durchwegs solide, aber weitestgehend unspektakulär - vor allem die insgesamt 30 nicht lizenzierten Fahrzeugmodelle wirken trotz ansehnlichem Schadensmodell recht klobig und detailarm. Ähnliches gilt für die Streckenumgebung, die zwar mit ein paar netten Effekten ruckelfrei an euch vorüber zieht, aber auch mit ziemlich verwaschenen und einheitlichen Texturen aufwartet. Die Soundkulisse geht hingegen in Ordnung, jedenfalls wenn man auf Westcoast-HipHop und gekünsteltes amerikanisches Dauerfluchen steht, denn Sprachausgabe gibt‘s nur auf Englisch und holprige deutsche Untertitel nur bei Sequenzen und Menüs. Dafür bekommt ihr das Spiel jedoch zum Sparpreis, wobei sich allerdings die Qualitätssicherung auch die Entfernung des einen oder anderen Bugs im Belohnungssystem gespart zu haben scheint...    

Fazit

187 wirkt wie ein lieblos zusammengeschüttelter Mix aus Twisted Metal; Mario Kart, Grand Theft Auto und Burnout, den man in ein billiges HipHop-Outfit gezwängt hat. Leider wirken auch andere Elemente wie KI, Spielbalance und Steuerung reichlich billig, so dass selbst der günstige Preis nicht wirklich überzeugt. Ganz im Gegenteil, er bestätigt viel mehr, dass man sich diesen durch Einsparungen bei der Entwicklung erkauft hat, wovon nicht nur die halbherzige Lokalisierung, sondern auch das plumpe Szenario, die stümperhaften Dialoge und das abwechslungsarme Gameplay zeugen. Lediglich im Multiplayer kommt ansatzweise so etwas wie Spannung oder Spielspaß auf - vor allem der Koop-Modus sorgt für gelegentliche Kurzweil. Aber selbst hier bleiben die Budget-Gangster weit hinter den eigentlichen Möglichkeiten bzw. ihren unverkennbaren Vorbildern zurück und es macht sich schnell Langeweile breit. Solisten sollten hingegen sowieso einen großen Bogen um diesen altbackenen und unfreiwillig komischen Möchtegern-Gangster-Klamauk machen. Keep it real.

Pro

60Hz-Modus
günstiger Preis
nett inszenierte Crashs
unkompliziertes Gameplay
ordentlicher HipHop-Soundtrack

Kontra

statische KI
keine Handbremse
monotoner Spielverlauf
eingeschränkte Fahrzeugwahl
nicht konfigurierbare Steuerung
stereotype Charaktere & Dialoge
unausgewogener Schwierigkeitsgrad

Wertung

XBox

Unausgereifter Mix aus Shooter und Rennspiel mit unfreiwillig komischem Gangster-Setting.

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