GunGriffon: Allied Strike27.04.2005, Jens Bischoff
GunGriffon: Allied Strike

Im Test:

Mech-Fans aufgepasst: Es gibt ein neues GunGriffon von den Machern des Saturn-Originals - und zwar für die Xbox! Ja, da kitzelt es 32Bit-Veteranen verheißungsvoll in den Fingern, da werden Erinnerungen wach, die sogar den mauen PS2-Ableger vergessen machen, da lassen Hardcore-Zocker selbst ein Mech Assault oder Zone of the Enders links liegen. Doch freut euch nicht zu früh, denn Allied Strike hat mehr Retro-Flair als euch lieb sein wird: Eine Präsentation wie zu seeligen PSone-Zeiten, ein Spieldesign wie aus längst verdrängten 3DO-Tagen und eine Technik über die selbst die ersten PS2-Launchtitel die Nase gerümpft hätten - und das alles zum Vollpreis von stolzen 60 Euro...

Unterirdische Grafik

"Mann ist das hässlich - selbst für einen PS2-Starttitel...", werden wohl die ersten Worte sein, die einem beim Anblick von Allied Strike über die Lippen kommen. Peinlich nur,

Augen zu und durch: Ihr könnt in Third-Person- oder Ego-Ansicht durch die öde Pampa stapfen.
dass es sich beim jüngsten GunGriffon-Ableger nicht um ein jahrelang verschollen geglaubtes Launchprojekt für Sonys zweite Spielstation, sondern um ein topaktuelles Xbox-Spiel der jüngsten Generation handelt. Die gleiche Hardware also, auf der ein Mech Assault 2 vor kurzem noch für audiovisuellen Hochgenuss unter Anhängern fernöstlicher Stahlkoloss-Scharmützel sorgte.

Teure Zeitreise

Doch vergesst Mech Assault 1 und 2, vergesst alles was in den letzten sieben Jahren an Mech-Titeln auf den Markt kam, vergesst selbst den legendären GunGriffon-Erstling für den Saturn. Allied Strike entführt euch zurück in die Zeit als Levelbebauungen noch platte Bitmaptapeten waren, Kollisionsabfrage ein Fremdwort war, Animationen aus gerade einmal zwei, drei Frames bestanden, ein Spiel noch mit 16 Farben auskam und Sprachausgabe noch von den gebrochen Englisch sprechenden Entwicklern selbst beigesteuert wurde. Ja, ja, das waren noch Zeiten. Doch wer hätte gedacht, dass diese abseits von Retro-Compilations und Budget-Remakes jemals wiederkehren würden - vor allem in einem aktuellen Vollpreisspiel für Microsofts 128Bit-Schleuder...

Awards der Peinlichkeiten

Na ja, jammern hilft nichts und Game Arts ist selbst schuld, wenn sie ihr Image und das ihrer Kultserie mit einem solchen Totalschaden wie Allied Strike in Grund und Boden stampfen. Vielleicht hat man sie ja dafür bezahlt, das mit Abstand schlechteste GunGriffon aller Zeiten zu entwickeln - was ihnen zweifelsfrei gelungen ist. Doch nicht nur das, denn gleichzeitig dürfen sie auch den Award für das wohl hässlichste Xbox-Spiel, die wohl mieseste KI sowie die dilettantischste Präsentation der Neuzeit einstreichen - Glückwunsch! Die teils nicht einmal deutsch untertitelte englische Sprachausgabe ist an Peinlichkeit ebenfalls kaum zu unterbieten und Story-Elemente sind so gut wie nicht vorhanden - nicht einmal Zwischensequenzen bekommt ihr zwischen den Einsätzen zu sehen und nach gut sechs Stunden ist das Trauerspiel auch schon vorbei...

Online-Treff für Masochisten

Doch zurück zum Spiel. Wer sich in der unglücklichen Lage befindet, den Titel bereits unstornierbar vorbestellt, ohne Kassenbeleg blauäugig gekauft oder unfreiwillig geschenkt bekommen zu haben,

Fliegender Idiot: Der Nachschub-Heli wartet meist an völlig ungeeigneten Orten auf euch.
 darf sich auf 13 stinklangweilige, völlig gehaltlose und an jeder Spielbalance vorbei designte Solo-Missionen sowie absolut belanglose und technisch schwache LAN- und Online-Gefechte "freuen". Letztere sind aber nur dann möglich, wenn ihr zufällig auf jemanden trefft, dem das gleiche Schicksal widerfahren ist wie euch (nämlich durch unglückliche Zufälle in den Besitz dieses Spiels gekommen zu sein) und sich damit völlig ohne Scham ins Netz oder zu euch nach Hause wagt. Selbstredend, dass diese Chance äußerst gering ist, was nicht zuletzt die geradezu erbärmliche Online-Rangliste mit gerade einmal acht aktiven Usern zeigt, bei der man mit fünf Siegen schon zum Tabellenführer aufsteigen kann. Andererseits kann ich mir auch nicht vorstellen, dass irgendjemand - außer Redakteure, die bei der Testmustervergabe die Arschkarte gezogen haben (wie ich) - sich jemals auf den GunGriffon-Server verirren werden; außer vielleicht um ihren masochistischen Neigungen anonym nachzugehen - im Koop-Modus sogar mit geteiltem Leid.           

Abwechslung, nein danke!

Masochistisch veranlagt sein muss man aber auch beim Ertragen der Einzelspielerkampagne, die aus willkürlich zusammen gewürfelten Schutz- und Zerstörungseinsätzen besteht,

Nutzlose Gesellschaft: Eure CPU-gesteuerten Mitstreiter sind genau so blöd wie die Gegner.
die so abwechslungsreich sind wie das Liedgut von Modern Talking oder die Gegner im Pillen-Klassiker Pac Man. Pillen könntet aber auch ihr vertragen, wenn ihr mit einem der über ein Dutzend Mechs in den Kampf zieht - und zwar Kopfschmerztabletten. Wie es die Entwickler überhaupt geschafft haben, die Bildrate trotz akuter Polygonarmut, vorsintflutlicher Mageranimationen, eklatanter Popups und primitivster Billigeffekte so niedrig und instabil zu halten, dass man davon früher oder später Kopfweh bekommt, ist mir allerdings absolut schleierhaft. Für die KI können jedenfalls kaum Ressourcen drauf gegangen sein, denn so blöd wie sich eure CPU-Partner und -Gegner verhalten, kann es sich hier nur um zufallsgenerierte Verhaltensmuster handeln und auch die bis auf die Explosionen extrem öde Soundkulisse dürfte trotz Dolby Digital-Kodierung kaum Rechenzeit in Anspruch nehmen. Vielleicht wird im Hintergrund ja versucht, den Sinn des Spiels zu berechnen, was wohl selbst für die modernste Hardware eine nicht lösbare Aufgabe darstellen dürfte...

Lug und Trug

Auch der in zwei Stufen (und nicht in drei, wie im Handbuch angegeben) variierbare Schwierigkeitsgrad ist ein Totalausfall. Statt eines dynamischen Anstiegs wechseln sich kinderleichte und frustrierend schwere Missionen einfach willkürlich ab.

Mangelnde Spielbalance: Die Aufträge wechseln willkürlich zwischen kinderleicht und höllisch schwer.
Von Spielbalance und Lernkurve haben die Entwickler wohl noch nie etwas gehört. Das deutsche Handbuch bietet übrigens noch weitere Fehlinformationen feil: So ist etwa von vier speziell designten Multiplayer-Maps die Rede, während es in Wirklichkeit nur drei davon gibt. Aber auch wenn es hundert gewesen wären, hätte das den Spielspaß nicht davon abhalten können, schon nach wenigen Minuten Selbstmord zu begehen...

Und ewig grüßt der Fließband-Mech

Wirklich Spaß macht bei Allied Strike höchstens die Wahl und Ausrüstung der verfügbaren Mechs, die ihr je nach Klasse mit unterschiedlichen Waffensystemen bestücken dürft. Allerdings beginnt ihr jeden Einsatz mit einem Standardmodell vom Fließband, da es keinerlei Aufrüstungsmöglichkeiten gibt, mit denen ihr eure Mechs über den Verlauf der Kampagne zu immer stärkeren individuellen Kampfkolossen aufmotzen könntet. So wählt ihr einfach vor jedem Einsatz ein nacktes Stahlkoloss, die passenden Waffensysteme, einen CPU-Mitstreiter, der ohnehin nach wenigen Minuten aufgrund seiner Blödheit das Zeitliche segnet,und lasst selten öde Text-Briefings über euch ergehen, bevor ihr über die unspektakulären Kampfgebiete von Auftragsziel zu Auftragsziel rollt,

Fliegendes Phantom: Mangels Kollisionsabfrage könnt ihr ganze Wälder wie ein Geist durchpflügen.
gleitet oder stapft, um irgendwelche Gegner auszuschalten oder Verbündete zu beschützen.

Geister aus Stahl

Hin und wieder habt ihr auch ein Rendezvous mit einem Versorgungshubschrauber, der zwar eure Munition aufstockt und eventuelle Schäden repariert, aber ärgerlicherweise immer an Orten auf euch wartet, die völlig abseits eurer Auftragsziele oder in von Gegnern wimmelnden Gebieten liegen - sehr clever... Das ist besonders deshalb ärgerlich, da ihr in manchen Missionen ohne Nachschub völlig aufgeschmissen seid und zudem immer unter Zeitdruck steht, da bei jedem Einsatz ein unerbittlicher Countdown mitläuft, der so gut wie keine Umwege zulässt. Zum Glück stoßt ihr wenigstens kaum auf natürliche Hindernisse: Ihr gleitet nämlich wie ein Geist durch hässliche Bitmap-Zäune, -Büsche und -Bäume ohne dass diese dabei auch nur einen Kratzer davontragen - Kollisionsabfrage, was ist das? Andererseits reicht schon der kleinste Mauervorsprung aus, um selbst ein tonnenschweres Stahlkoloss am Weiterkommen zu hindern - wie realistisch. Noch unrealistischer ist wohl nur, zu erwarten, dass diesen Murks überhaupt wer kauft...  

Fazit

Jungs, Jungs, Jungs, was habt ihr euch dabei bloß gedacht? Da freut man sich, dass die Entwickler des Saturn-Klassikers GunGriffon an einem Xbox-Ableger der Kultserie werkeln und dann das: Technik von vorvorgestern, eine Spielmechanik wie zu längst verdrängten 3DO-Zeiten und eine KI auf dem Niveau von GZSZ-Charakteren - wer soll das denn kaufen? Und dann auch noch zum Vollpreis! Das ist selbst für eingefleischte Masochisten zu viel des Guten. Dabei habt ihr euch doch nicht nur jegliche Qualitätsprüfung, sondern auch das Geld für eine professionelle Synchro gespart und die peinlichen Sprachsamples trotz mangelnder Englisch-Kenntnisse einfach selbst auf Band gesprochen. Selbst die vorsintflutliche Grafik-Engine kann nicht mehr als Public Domain oder minderwertige Shareware gewesen sein, während Script-Writer und CG-Artists erst gar nicht verpflichtet wurden. Und dank der hässlichen Bitmap-Fauna konntet ihr euch sogar die Kollisionsabfrage sparen. Na ja, laut Online-Rangliste scheint es bisher ja sowieso nur acht Käufer (waren wohl die acht Personen, die das Spiel hierzulande als Redakteure testen mussten...) gegeben zu haben und dabei wird es hoffentlich auch bleiben, denn diese Mech-Verschrottung braucht kein Mensch der Welt.

Pro

satte Dolby Digital-Explosionen
taktische Waffen- & Vehikelwahl

Kontra

08/15-Story
lächerliche KI
geringer Umfang
extrem träges Gameplay
unterirdische Präsentation
unausgewogene Spielbalance
Dauergeruckel trotz Mageroptik
haarsträubende Kollisionsabfrage
inakzeptable Online-Performance
unausgereiftes Nachschub-Feature
peinliche englische Sprachausgabe
absolut ödes Level
& Missionsdesign

Wertung

XBox

Technisch und spielerisch katastrophale Mech-Action für die Mülltonne.

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