Im Test:
Rückblick
Kein Award. Keine Euphorie. Eine gerade mal gute Wertung zwischen 78 und 80 Prozent. Letztes Jahr konnte uns NHL 2005 nicht wie gewohnt begeistern und fiel in ein Arcade-Loch für schnelles Spaßhockey: Man gewann die WM selbst auf der schwierigsten Stufe im Handumdrehen, lieferte grandiose Big Hits im Stakkato und vermisste auf Dauer taktische Finesse
sowie Realismus. Der erfolgsverwöhnten Reihe schlug der Unmut der Simulationsfans entgegen, die mehr Authentizität und Spieltiefe forderten.Ob der Spagat was nützt? Die Animationen der Goalies sehen jedenfalls klasse aus. (PC)
Und dieses Jahr? Hat sich Electronic Arts der Kritik angenommen? Ja. Wir spielen NHL 06 jetzt schon seit Wochen, weil es sich deutlich taktischer und auf Dauer befriedigender anfühlt als der Vorgänger. Gab es damals noch Checkterror und spektakuläre Szenen im Sekundentakt, muss man sich diese Highlights diesmal wieder über klügeres Passen und den Spielaufbau erarbeiten. Zwar erreicht man aufgrund einiger Schwächen immer noch nicht das Simulationsniveau eines ESPN NHL 2K5 , aber es geht deutlich aufwärts.
Grafisch sollte man keine Sprünge erwarten, denn es bleibt auf allen Plattformen beim bekannt hohen Niveau in Sachen Kulisse und Animationen - lediglich einige vermatschte Zuschauertapeten fallen wie letztes Jahr negativ auf, vor allem auf dem ansonsten so überlegenen PC. Und der GameCube enttäuscht mit deutlich weniger Brillanz auf dem Eis sowie chronischen Rucklern, die uns so selbst auf der PS2 nicht begegnet sind. Aber das sind altbekannte Stärken und Schwächen, dafür gibt's spielerisch reichlich Neues zu entdecken.
Statur & Sprints
Das liegt vor allem am komplett überarbeiteten Bewegungssystem, in dem eure Statur sowie die Geschwindigkeit direkte Auswirkungen auf die Puck-Kontrolle und den Wendekreis haben: Bei voll durchgedrücktem Turbo könnt ihr nicht mehr so präzise passen, tricksen und um Gegner kurven - man sieht ganz deutlich, dass sich die Distanz zwischen Stock und Puck bei hohem Tempo erhöht. Dieser kleine Eingriff sorgt dafür, dass sich NHL 06 von der ersten Minute an realistischer präsentiert als NHL 2005.
Außerdem muss man seine Sprints jetzt klüger dosieren, da jeder Spieler für jedes Drittel nur eine begrenzte Energieleiste zur Verfügung hat: Powert man seine Profis mit einem Dauerdruck auf die Spurttaste aus, skaten sie ihren Gegnern bald wie lahme Dackel hinterher. Insbesondere in Partien gegen Freunde und den Online-Arenen dürfte diese Begrenzung zu ganz neuen Spielweisen führen: Gibt man sofort Vollgas oder lässt man sich erstmal zurückfallen? Spart man sich die Kraft für schnelle Konter?
Passen & Open-Ice
Das Passen erfordert endlich mehr Ruhe, mehr Überlegung - die todsicheren Kurzpassorgien gehören der Vergangenheit an und Die Spezialmanöver der Stars in knackigen Streams:
Video Skill Stick 6
Video Skill Stick 5
Video Skill Stick 4
Video Skill Stick 3
Video Skill Stick 2
Video Skill Stick 1man hat wieder mehr Einfluss auf Richtung sowie Länge. Zwar immer noch nicht ganz optimal, aber damit hat der Aufbau von hinten wieder an Wichtigkeit gewonnen und so manche Körperdrehung samt schnellem Zuspiel kann die Wende bringen. Neben dem normalen flachen Pass könnt ihr auch eine leicht gelupfte Variante wählen - ideal, wenn Verteidiger den Weg zusperren. Man vermisst allerdings immer noch Finessen wie z.B. ein schnelles Doppelpass-System oder ein Zuspiel in die Tiefe des Raums.
Zwar gibt es auch diesmal das Open-Ice-System, aber es bleibt so umständlich wie eh und je: Auf Knopfdruck übergebt ihr die Kontrolle des Puck führenden Spielers an die KI und übernehmt stattdessen einen freien Mitspieler, um mit ihm manuell in den freien Raum zu skaten. Jetzt könnt ihr zum richtigen Zeitpunkt die Pass-Taste aktivieren, um angespielt zu werden. Oder ihr aktiviert die Schuss-Taste, damit die von der KI gesteuerte Figur sofort aufs Tor zimmert. In FIFA 06 hat man dieses gewöhnungsbedürftige und unübersichtliche System bereits ad acta gelegt. In künftigen NHLs sollte man es genau so weglassen wie die Face-Off-Taktiken, die auch niemand vermisst: Wer schneller ist, kriegt den Puck - fertig.
Stark verbesserte Defensive
Der Defensive kommt jetzt eine wesentlich wichtigere Rolle zu: Man kann nicht mehr einfach auf automatisierte Doppeldeckungen samt garantierter Checks zugreifen, die in NHL 2005 quasi eine blinde Verteidigung ermöglichten. Diesmal
muss man seine Body- und Hüft-Checks besser timen, wenn man Auge in Auge mit dem heranstürmenden Spieler zurück skatet oder ihn an die Bande schmettern will - umso größer ist natürlich die Freude, wenn das Plexiglas über den Gegner rieselt. Auch das Stibitzen des Pucks mit dem Stock oder das frühe Unterbinden von Querpässen über geschicktes Fallen lassen macht jetzt wieder mehr Spaß: Man kann damit wunderbar Konter einleiten oder sichere Tore verhindern. Wer diese Steals und das Diven beherrscht, hat einen großen Vorteil.Tor! Egal ob Jubel, Dekes oder Bodycheck - auch dieses Jahr sieht NHL fantastisch aus. Große Fortschritte gegenüber NHL 2005 sollte man jedoch nicht erwarten. (PC)
Wie halten die Torhüter? Sie halten Schüsse aus der Distanz sehr gut, werfen sich akrobatisch in die Ecken und geben in Sachen Animationen alles. Aber sie gehen für meinen Geschmack etwas zu oft in die Vertikale. Gerade bei Wraparounds, also den schnellen Tor-Umkurvungen von Stürmern, die sich hinter dem Goalie befinden, wird sehr oft über sie eingenetzt oder sie stehen in der falschen Ecke. Zwar bieten die Wraparounds nicht die hohe Trefferquote wie One-Timer, aber in unseren dutzenden Spielen gehörten sie neben ihnen zu den Erfolgsgaranten.
Und obwohl man nervige Eigentore aufgrund des Skatens im Torraum weitgehend verhindert hat, gibt es immer noch einige bizarre Treffer: Man passt (!) aus viel zu spitzem Winkel und der Puck geht rein oder der Goalie schiebt sich in seiner Orientierungslosigkeit selbst den Puck rein. Diese Dinge gibt's aber erstens auch im richtigen Eishockey und zweitens tauchen sie nicht so oft auf, dass sie die insgesamt gute Spielbalance stören würden.
Schüsse & Spezialmanöver
Neu und überaus nützlich ist, dass ihr vor dem Schuss eine kleine Zielscheibe innerhalb des gegnerischen Tores bewegen könnt, um die anvisierte Richtung festzulegen - taucht der Torwart in die untere rechte Ecke, schlenzt ihr den Puck schnell in
die obere rechte Ecke. Hier wird die rasante Hand-Auge-Koordination des Sports wunderbar simuliert. Irgendwie vermisst man allerdings die Gefahr aus der Distanz: Im Gegensatz zu One-Timern und Wraparounds kann man mit Schüssen von der blauen Linie oder aus dem Mittelfeld selten einnetzen. Auch abgefälschte Kracher von hinten beobachtet man kaum, so dass NHL 06 nicht das ganze Spektrum an Zufällen abdeckt.Einmal kurz durch die Beine ins Tor: Die neuen Spezialmanöver sind schön anzuschauen. (Xbox)
Spektakulär anzuschauen sind die Spezial-Manöver der Stars: Je nachdem, in welche Richtung ihr den rechten Analogstick drückt, gibt's elegante Drehschüsse, Finten durch die Beine, kaum erkennbare Rückhand-Schlenzer oder gar spektakuläre Volley-Tricks: Kurz den Puck auf Hüfthöhe anlupfen und aus der Luft Richtung Tor schießen! Ihr könnt manche dieser Highlights direkt hinter oder vor dem Torwart sowie aus der Tiefe ausführen.
Diese Spezialmanöver der Star-Spieler sehen zwar gut aus, haben uns aber in der Preview noch skeptisch gemacht: Führen sie zu inflationären und wenig realistischen Toren? Nein, man kann ausgesprochen selten mit diesen Finten einnetzen. Im Vergleich zur hohen One-Timer- und Wraparound-Trefferquote ist diese so erschreckend gering, dass man meist auf diese coolen, aber wenig effektiven Bewegungen verzichtet - lediglich auf der leichten Stufe gegen die KI rappelt es auf diese Art häufiger im Kasten. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob EA diesem Feature nicht zu viel Aufmerksamkeit gewidmet hat? Hätte man die Zeit nicht besser in individuellere Dekes investieren sollen? Leider führen fast alle Stars dieselben Tricks aus.
Die Gegner-KI
Ein Problem für Einzelspieler könnte die Passivität der Gegner sein, die selten hart und konsequent blockieren sowie immer noch viel zu viele One-Timer zulassen. Man trifft fast immer, wenn man folgenden Spielzug nutzt: Über die Außenbahn den Verteidiger überholen, kurz verzögerter Querpass nach innen, sofort schießen, Tor. Die Schwäche liegt allerdings nicht beim
Goalie, sondern beim Verhalten der gegnerischen Hintermannschaft, die heranjagende Stürmer viel zu selten in die Bande checkt oder ihre Laufwege zumacht. Da sich so schnell eine Tor-Routine mit hohen Ergebnissen einstellt, hätte NHL 06 auf Dauer an Reiz für Einzelspieler verlieren können. Dieses Jahr sorgt schnelles Skaten dafür, dass der Puck schwerer zu kontrollieren ist. (Xbox)
Aber dafür ist die KI im Angriff besser, geschickter und treffsicherer: Wer in der WM auf der schwierigsten Stufe gegen die Slowakei oder Kanada antritt, darf sich auf einige rasante Spielzüge und Tore gefasst machen. Und die KI nutzt nicht nur die One-Timer hervorragend aus, sie verhält sich auch dynamisch zum Spielstand: Die Tschechen ziehen sich zurück, wenn sie führen und sichern den Puck. Ein Team wie Kanada läuft in Unterzahl plötzlich zur Hochform auf, gleicht aus und Joe Sakic zieht schon mal in einem unnachahmlichen Solo zum Tor, um im Nachsetzen zu treffen. Manchmal wirken vor allem diese Alleingänge durch die Mitte, die man selbst kaum hinkriegt, zwar etwas gestellt, aber für die Atmosphäre sind solche spektakulären Aktionen ungeheuer wichtig.
Die eigene Team-KI
Auch die Offensiv-KI der eigenen Mitspieler wurde verbessert: Brauchte man damals noch die umständliche manuelle Open-Ice-Kontrolle, damit sich mal jemand an der Seite freiskatet, beobachtet man jetzt viel häufiger Stürmer, die Wege kreuzen Bewegte Szenen:
Trailer 4oder intelligent in den freien Raum vorstoßen, um tödliche Pässe zu verwandeln - das ist ein deutlicher Fortschritt, der für ein intuitiveres Spielgefühl sorgt. Dazu tragen auch die schnellen Teamtaktiken wie Totale Offensive oder Puck sichern bei, die ihr per Digipad komfortabel einleiten könnt.
Etwas unglücklich empfinde ich die doppelte Belegung des linken Analogsticks: Mit ihm steuert ihr nicht nur euren Spieler, sondern gleichzeitig auch seine einfachen Dekes. Allerdings muss man den Stick dafür während des Skatens nach oben und unten bewegen. Das kann in eine coole Haltungsverlagerung eures Schlägers oder eine 360-Grad-Drehung münden, aber man hat nicht die volle Kontrolle darüber. Besser funktioniert der automatische Deke über die Y- bzw. Dreiecks-Taste.
Karriere, Manager & Editor
Im Dynasty-Modus geht es wie gehabt über mehrere Saisons mit einem Team eurer Wahl um Siege, Geld und Transfers. Der Eigentümer eures Vereins setzt euch je nach Teamqualität immer ein Saisonziel, wie z.B. das Erreichen der Playoffs bei
den Edmonton Oilers oder nicht weniger als den Gewinn des Stanley Cups bei den Detroit Redwings. Mit dem Editor könnt ihr übrigens einen eigenen Profi samt Statur, Visage, Frisur und Narben erstellen oder sogar ein fiktives Team aus dem Boden stampfen, um Karriere zu machen. Wenn ihr euch ganz ohne Action in die Welt von Transfers, Talentsuche und Training vertiefen wollt, lassen sich die Spiele auch simulieren. Das kommt reinen Managernaturen sicher entgegen, zumal sich dank E-Mail-Benachrichtigungen, Verletzungen und ständig aktualisierten Statistiken ein lebendiges Vereinsleben abzeichnet.Zwar kann die PS2-Fassung nicht mit der Brillanz der Xbox- oder PC-Fassung mithalten, aber sie sieht immer noch sehr gut aus. (PS2)
Abseits der Karriere gibt's das übliche Angebot: Neben der Weltmeisterschaft und der NHL warten noch drei internationale Ligen auf euch - darunter die finnische, die schwedische und die deutsche. Schade ist, dass es auch dieses Jahr keine Mini-Spiele und kein Training für spezielle Manöver wie die neuen Dekes oder bestimmte Teamtaktiken gibt. Warum führt man die coolen Spezialbewegungen nur in Videos vor, lässt sie aber nicht gezielt einstudieren? Wer Tricks und Schüsse in Ruhe üben will, kann abseits der Freundschaftsspiele nur den Free for All-Modus dazu missbrauchen. Der ist zwischendurch ganz unterhaltsam, wenn man gegen die KI oder mit bis zu vier Freunden einfach mal jeder gegen jeden in einer Hälfte mit nur einem Torwart loslegen will. Ihr könnt hier sowohl auf Tore als auch gegen die Zeit spielen und jeden Star einsetzen - auch euren eigenen Spieler.
Fazit
Na also - geht doch! Dieses Jahr macht mir EAs Kufen-Action deutlich mehr Spaß als im Check-Beat'em Up von 2004. Warum? Weil es jetzt wieder taktischer, realistischer und auf lange Sicht befriedigender zur Sache geht. Obwohl One-Timer und Wraparounds mit ihrer hohen Trefferquote andere Tore sowie die spektakulären Tricks der Stars etwas in den Hintergrund rücken, muss man sich die Position dafür erst mal erarbeiten: Übersicht, kluges Pass-Spiel und der wohl dosierte Einsatz des Turbos führen zum Erfolg; auch die Verteidigung verlangt wieder echte Skills und Timing. Obwohl die Goalies und die Gegner-KI in der Defensive immer noch viel zu anfällig sind, wurde die Offensiv-KI kräftig aufgepeppt: Die WM gegen Kanada & Co ist jetzt kein Zuckerschlecken mehr. Zwar kommt man aufgrund einiger Schwächen nicht an das Simulations-Niveau der 2K-Serie heran, aber dafür fühlt sich die Action auf dem Eis jetzt wesentlich besser an. Und optisch gibt's sowieso nichts zu meckern. Wir spielen NHL 06 jetzt seit Wochen und können es jedem Eishockey-Fan wärmstens empfehlen. Nur bei der Plattformwahl sollte man einen Bogen um den GameCube machen, der keine Online-Matches bietet, sich grafisch weniger brillant präsentiert und mit Rucklern zu kämpfen hat. Die spannende Frage bleibt, ob Take 2s Konkurrenztitel NHL 2K6 dieses Niveau toppen kann.
Pro
Kontra
Wertung
GameCube
Realistischer, packender und einfach besser als NHL 2005 - zugreifen!
XBox
PlayStation2
PC
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