Fight Night Round 321.01.2006, Paul Kautz
Fight Night Round 3

Vorschau:

Wie kaum andere »Prügelspiele« haben Boxgames in den letzten Jahren eine erstaunliche Evolution vom puren Button-Gekloppe zum taktischen Kampfsport durchlebt – Fight Night sei Dank! EAs hauseigener »Total Punch Control«-Steuerungsmethode erfordert zwar einige Gewöhnung, lässt aber action- und variantenreiche Gefechte zu, die verblüffend nah an Fernsehübertragungen herankommen. Schafft es Fight Night Round 3 (ab 9,99€ bei kaufen), den großartigen Vorgänger auszuknocken? Wir haben die Fäuste für die Vorschau geschwungen.

Alles neu macht EA

Fight Night 2004 war eine Revolution: kein Knöpfchengedrücke wie bei Rocky, sondern »echte« Schlagkontrolle über den rechten Analogstick – woohooo! Fight Night Round 2 war eine Sensation: radikal verbesserte Grafik plus frische Schlagmöglichkeiten inkl. der »Haymaker«-Glaskinnkiller – jawollja! Und jetzt bahnt sich d

Die Xbox-Version beitet optisch kaum Unterschiede zum Vorgänger - und stinkt im Vergleich zur 360-Variante erheblich ab!
ie dritte Runde ihren Weg zum Ring, mit nochmals verbesserter Optik, neuen Killer-Bewegungen und einer runderneuerten Karriere im Tross – und dazu noch mit der 360-Fassung einen auf Hochglanz gestriegelten Bruder in der Ecke. Was kann da noch schief gehen?

Eigentlich nichts, wenn man die einzelnen Verbesserungen genauer betrachtet. Da wäre z.B. der frische Karrieremodus: Lässt man die Gedanken zurück zum zweiten Teil schweifen, erinnert man sich an eine nur durch immer höhere Preisgelder zusammengehaltene Aneinanderreihung von Ranglistenkämpfen – gekrönt vom nicht vorhandenen Ende, das den Spieler mit allen Gürteln um die Hüfte einfach immer weiterkämpfen ließ, bis er zu altersschwach war oder keine Lust mehr hatte. Dieses Mal wird alles anders, dieses Mal will EA vor allem die Rivalitäten zwischen den Boxern stärker betonen. Das geht damit los, dass ein besiegter Gegner in der Nachberichterstattung schon lauthals einen Rückkampf fordert. In Pressekonferenzen werden Beleidigungen ausgetauscht, beim Wiegen vor dem Kampf fliegt schon Mal eine Faust oder zwei – teilweise interaktiv! Für gewonnene  Kämpfe gibt es neben Preisgeld auch gelegentlich einen Popularitätsbonus, der u.a. dafür sorgt, dass ein schon von vornherein hoffnungslos unterlegener Gegner aus Angst einfach nicht in den Ring will. Wie gewohnt könnt ihr euch vor Karrierebeginn entweder einen eigenen Boxer erschaffen oder den steinigen Weg einer Faustlegende wie Muhammed Ali oder Evander Holyfield nachspielen. Darüber hinaus warten im Hauptmenü noch

Viele lizenzierte Boxer warten auf frische blaue Augen.
die »ESPN Classics« - eine Reihe berühmter Auseinandersetzung wie der »Rumble in the Jungle« zwischen Ali und Frazer, die man allein oder zu zweit spielen kann. Vor Kampfbeginn gibt es Wissenswertes zum Gefecht zu hören und zu sehen, teilweise tretet ihr sogar Schwarz-Weiß gegeneinander an – wie beim Kampf von Sugar Ray Robinson gegen Jake La Motta. Insgesamt erwarten euch mehr als 30 lizenzierte Kämpfer aus allen Gewichtsklassen, jeder einzelne mit eigenem Kampfstil, unterschiedlichen körperlichen Eigenschaften und Spezialmanövern – leider sind die Klitschkos nicht dabei.

Dampfhammer mit Handschuh

Der Haymaker war eine der wichtigsten Neuerungen in Round 2. Mit diesem vernichtenden Schwinger konnte man dem unbedarften Kotrahenten erheblich zusetzen – leider sogar zu sehr, denn das Manöver, das im echten Boxeralltag erhebliche Kraft beansprucht, war hier so einfach auszulösen wie ein Busticket. Um Haymaker-KO-Dauerfeuer-Gefechte ein für allemal aus dem Spielalltag zu verbannen, hat EA die Ausführung desselben v

Ihr könnt euren Kampfstil vielschichtig variieren.
erkompliziert: Die Bewegung ist zwar noch dieselbe, aber der Schlag wird langsamer ausgeführt und benötigt mehr Kraft. Haymaker-Dutzendpacker baumeln also schnell wie Darth Vader atmend und mit hängenden Armen in den Ringseilen und keuchen sich die Lunge aus dem Leib. Die Kämpfer ermüden deutlich schneller: schon in der ersten Runde spürt man schnell, wie die Bewegungen immer träger werden, der Atem schwerer wird, sich die ersten Schweißperlen auf Stirn und Rücken zu kleinen Strömen vereinen. Dadurch wird auch die Länge der Matches gestreckt, die Taktik tritt stärker in den Vordergrund. Dem »Fly like a butterfly«-Freund kommen die neuen Bewegungsmöglichkeiten entgegen: ein schneller Vorstoss nach vorn, ein flinker Hopser zur Seite, eine geschickte Finte nach hinten, gefolgt von einem Uppercut? Alles ist machbar, russische Standbären werden hier schnell von kleinen Muhammeds eingekreist und mit flotten Schlägen aus allen Richtungen eingedeckt.           

Wer mehr auf tief fliegende Fäuste steht, bekommt gleich drei neue Dampfhammer-Manöver geliefert: die »Impact Punches«. Das sind enorm riskante Manöver, die viel bringen, wenn sie landen – und die noch gefährlicher für den Ausführenden sind, wenn sie daneben gehen. Geht der Punch daneben, öffnet man sich wie zum »Tag des offenen Glaskinns«, was im Normalfall mit nicht weniger als einem zielgenau landenden Haymaker 

Joe Frazier auf 12 Uhr: Sitzt der »Stun Punch«, muss sich das Opfer aus der Egoperspektive verteidigen.
quittiert wird. Auf der anderen Seite kann ein Impact Punch einen Kampf entscheiden: Der »Blitz-KO« lässt das bedauernswerte Opfer für kurze Zeit benommen durch den Ring torkeln; einen gut getimten Haymaker hinterhergeschickt, ist der Kontakt zum Ringboden fast unvermeidlich. Mit dem »Stun Punch« schickt man den Widersacher in eine Ego-Perspektive, aus der er sich verteidigen muss – sehr abgefahren und sehr cool! Der dritte Posaunentreffer zieht schließlich eine Menge Energie ab. Durch diese Superpunches bleiben Kämpfe jede Sekunde spannend – schließlich ist man jederzeit prinzipiell nur einen Schlag von der Niederlage entfernt, genau wie im richtigen Boxzirkus.

Zwei Welten

Wer die Xbox-Version sieht, wird erstaunt sein: Nanu, habe ich gerade Round 2 ins Laufwerk geschoben? Optisch entspricht der Neuling seinem Vorgänger fast bis auf den Blutspritzer, in unserer frühen Version sogar weniger – wir mussten uns noch mit hässlichen Cutman-Anzeigen und einer generell eher gemütlichen Kampfdynamik herumplagen. Gegenwärtig fehlt einfach noch der Schmackes,

Auf die Fresse, Agent Smith: Die Gesichtsdeformationen sind besonders in der Nahaufnahme ein schmerzhafter Genuss.
das Krachende, der Solidaritäts-Schmerz, den man vor dem Bildschirm mitfühlt – das Game tut optisch einfach noch nicht weh. Ganz abgesehen davon, dass aus irgendeinem Grund die Boxer noch zu dick aussehen, selbst Fliegengewichtler erinnern mehr an Jungsumos denn an flinke Faustschwinger. Okay, es gibt einige neue Details, wie den besser sichtbaren Schweiß, der bei guten Treffern auch saftig davonspritzt, die stärkere Schwellungs-Anfälligkeit der Boxer, auch und gerade im Nasenbereich – aber ansonsten muss man Unterschiede mit der Lupe suchen. Man ist versucht, in den typischen »Achja, EA: Evolution statt Revolution!«-Denk zu verfallen.

Aber nein, es folgt der krasse Schnitt in die Zukunft: Wundervoll, wundervoll, endlich hat die 360 einen Sinn! Der Schritt von Xbox zu Xbox 360 ist mindestens so gigantisch wie der von Fight Night 2004 zu Round 2. Hat man die »große« Version eine Weile gespielt, hat man für die »kleine« fast nur noch bemitleidenswerte Blicke der Marke »Hachja, damals…« übrig. Pixelperfekt modellierte 3D-Figuren, fantastische Lichteffekte, rasante Bewegungen, realistisch fließender und bei Treffern  wegprustender Schweiß auf den kräftigen Muskeln, ein erheblich besser aussehenden Publikum, das auf den Kampfverlauf reagiert – und göttliche Gesichtsverformungen

Brillant modellierte Kämpfer, herrliche Spezialeffekte, rasante Schlagabtausche - die 360-Fassung demonstriert nachhaltig die Bedeutung von »Next Gen«.
bei Volltreffern, die man besonders in den Zeitlupen-Nahaufnahmen überdeutlich zu sehen bekommt. Heissa!

Schon im Vorgänger hattet ihr die Wahl unter mehreren Schwerpunkten für euren Boxer – sollte er eher der langsame Knüppler oder mehr der schnelle Stichler sein? Dieses Mal geht es viel tiefer ins Detail, ihr könnt unter vielerlei Power- und Geschwindigkeits-Stilen wählen, und Bewegung, Punch sowie Block personalisieren - z.B. gibt es jetzt den horizontalen Block, der zwar effektiver abwehrt als der klassische Faust-hoch-Stil, aber dafür weniger Zeit für einen Konterschlag lässt.        

Ausblick

Die Xbox 360-Variante ist jetzt schon Champion meines Herzens: Alleine das Grafikfeuerwerk mit perfekt modellierten Boxern, grandiosen Lichteffekten und fantastischen Gesichtsdeformationen wäre für mich fast Grund genug, mir eine 360 ins Haus zu stellen - von den rasanten Schlagabtauschen ganz zu schweigen. Hier wird der Unterschied zwischen den zwei Konsolengenerationen überdeutlich, denn die gegenwärtige Xbox-Version war schon etwas enttäuschend. Nicht nur optisch: Den Kämpfen fehlt bisher einfach der Schmackes, die Zeitlupenwiederholungen waren einfach noch nicht brachial genug, Spielfluss war noch zu zäh. Und was ich von den Mops-Kämpfern halten soll, weiß ich auch noch nicht. Dennoch habe ich keine Zweifel, dass auch Fight Night Round 3 die versammelte Haudrauf-Konkurrenz wieder auf die Matte schicken wird – denn noch ist genug Entwicklungszeit!

Ersteindruck: sehr gut

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