Halo: The Master Chief Collection07.11.2014, Jan Wöbbeking

Special:

Die Master Chief Collection macht klar, wie sehr die Erinnerung täuschen kann: So kahl hatten wir die Wände von Halo 2 gar nicht Erinnerung - doch sobald man zur aufgemotzten Fassung umschaltet, erstrahlt das Universum in neuem Glanz. 343 Industries hat sich beim Aufpolieren wieder viel Mühe gegeben und diesmal gibt es sogar drei weitere Spiele der Saga obendrauf – inklusive Mehrspieler-Part.

Rundum-Sorglos-Paket

Wie der Name andeutet, dreht sich in der Spielesammlung alles um die Abenteuer des Master Chief: Enthalten sind Halo 1, 2, 3 und 4 – die Serien-Ableger ODST und Reach mussten draußen bleiben. Teil 1 ist in Form der massiv überarbeiteten Anniversary-Edition vertreten (hier geht es zum Special), Halo 3 und 4 blieben weitestgehend unverändert, wurden aber auf 1080p hochskaliert und laufen wie die übrigen Spiele mit flüssigen 60 Bildern ab. Der Fokus der Sammlung liegt auf Halo 2: Zum zehnten Geburtstag des Spiels hat Entwickler 343 Industries dem Titel eine aufwändige Generalüberholung verpasst. Der Spielablauf der Kampagne bleibt gleich; wer möchte, kann aber jederzeit per Knopfdruck zwischen hochskalierter Originalgrafik und einer aufgemotzen Variante wählen.

Beeindruckender Unterschied: Figuren und Hintergrunde von Halo 2 wurden ordentlich aufgemöbelt.
Auch Musik, Synchro und Soundeffekte wurden neu abgemischt, zur alten Grafik erklingen aber die wohlbekannten Original-Geräusche. Ebenfalls im Paket dabei ist Ridley Scotts Live-Action-Serie Halo: Nighfall und eine Option, die später den Zugang zur Halo-5-Beta ermöglichen soll. Ein zentrales Mehrspieler-Menü ermöglicht das Online-Spiel von über 100 Karten, inklusive der Exemplare aus Teil 1 sowie den Spartan-Ops-Herausforderungen, in denen man sich kooperativ gegen Horden von Gegnern verteidigt.

Aufpolierter Spartan

Jetzt aber genug der trockenen Fakten, kommen wir zur aufgebohrten Grafik von Teil 2, die sich auf Knopfdruck zum Original umschalten lässt. Die eckigen Wände z.B. wirken nach heutigen Maßstäben deutlich kahler als ich es in Erinnerung hatte – in der neuen Fassung hat man dem Interieur einige Verstrebungen und technische Details verpasst, die dem Raumschiff-Inneren mehr charakteristische Feinheiten verleihen. Ein großer Fortschritt ist auch bei der Beleuchtung und den Explosionen zu erkennen. Vor allem die Umgebungsverdeckung sorgt für mehr Tiefe: Im Original sah es fast so aus, als würden Kisten und andere bewegliche Gegenstände über den Boden schweben – neuerdings sieht man fein abgestufte Schatten in dunklen Ecken oder etwa zwischen der Kante einer Kiste und dem Boden. Ein Highlight sind auch die Zwischensequenzen, welche als neue Renderfilme abgespielt werden. Auch dort darf man in Halo 2 umschalten, der Übergang dauert allerdings ein, zwei Sekunden. Im Original erinnern die Allianz-Krieger auf einer Tribüne noch ein wenig an Puppen – im der neuen Fassung jubelt oder protestiert jeder einzelne von ihnen sehr überzeugend.  Eliten, Propheten und andere Figuren bewegen sich neuerdings ebenfalls so geschmeidig wie in einem Animationsfilm.

Wenn man sich erst einmal dran gewöhnt hat, sind aber auch die Originalfassungen gar nicht so schlecht gealtert: Die großflächigen Wände erscheinen zwar kahl und wuchtig, was hier aber nicht ganz so negativ auffällt – schließlich ist die monumentale, teils eckige Architektur ein Markenzeichen der Serie. Außerdem gehörte Halo zu den ersten Titeln mit hübschem Oberflächenglanz und unebenen Bumpmap-Strukturen, die der Kulisse bereits etwas mehr Räumlichkeit verleihen als z.B. in Unreal oder Half-Life.

Alt, aber clever

Auch das Gras ist jetzt grüner - hurra!
Auch spielerisch haben mich die Oldies sofort wieder in ihren Bann gezogen. Vor allem die zähe, teils unberechenbare KI hat mir wieder vor Augen geführt, was ich bei Destiny so vermisst habe. Gemütliches Ausweichen zwischen langsam durch die Luft gleitenden Schüssen ist hier nicht drin. Gerade in Halo 2 darf ich nicht allzu lange die Deckung verlassen, sonst streckt mich die Allianz-Horde in Sekundenschnelle nieder.  Vor allem das veränderte Energie- und Schildsystem macht die Schlacht eine ganze Ecke kniffliger als im Vorgänger.

Der Nostalgie-Trip ist auch ein cooler Anlass, die Veränderungen in der KI unter die Lupe zu nehmen. In Teil 2 agieren z.B. Eliten noch unberechenbarer als vorher. Zusammen mit ihrer Einheit wirken sie auch heute noch erstaunlich lebendig. Verstecke ich mich, erwähnen sie das und schicken Grunts mit Granaten vor. Sind fast alle Gegner beseitigt, bekommen es die Eliten gerne mal mit der Angst zu tun, verstecken sich sekundenlang mucksmäuschenstill in dunklen Ecken oder laufen sogar flott um Säulen herum, um nicht von mir entdeckt oder erwischt zu werden. Zumindest auf den höchsten zwei Schwierigkeitsgraden haben sie dank ihrer kräftigen Statur nämlich immer noch die Möglichkeit, mich zu überraschen und mit einem schnellen Schlag auszuschalten, wenn ich unaufmerksam bin. Cool auch, dass sie geschockt zurück schrecken, wenn ich plötzlich eine Tür öffne. In engen Gängen spielen sie mit seitlichen Ausweichbewegungen mit mir Katz und Maus.

Katz und Maus

Im Gegenzug offenbaren sich aber auch einige Schwächen der KI, die ich so kaum noch in Erinnerung hatte. Die Gegner aus Halo 2 reagieren zwar agil und dynamisch, bauen aber auch deutlich mehr Unsinn als in Teil 1: Manchmal schießen sie sekundenlang gegen eine Säule, hinter der ich stehe oder spazieren sogar munter gegen eine Wand. Offenbar förderten die aggressiven KI-Routinen einige negative Nebenwirkungen zu Tage.

Cool ist außerdem, wie schnell ich wieder in der fremdartigen Welt versunken bin. Obwohl natürlich alle Teile durchgespielt habe, fühle ich mich auch diesmal wieder wie in einem abgeschiedenen Zipfel der Galaxis, den ich meist stimmungsvoll im Alleingang erforsche. Keine unnötige Hektik, kein überhastetes „Ab zum Wegpunkt!“ – einfach nur entdecken und genießen.

Klare Struktur

Attacke!
Vorbildlich ist auch die Einbettung der Kampagnen in die übersichtlichen Spielmenüs: Wer möchte, kann direkt in spezielle Missionen einsteigen oder von Anfang an durchstarten. Der Download der rund 46 Gigabyte (plus 15 Gigabyte für das Mehrspieler-Update) dauerte bei uns mit über 24 Stunden erstaunlich lange – vielleicht hängt es mit momentanen Server-Problemen auf Xbox Live zusammen. Zum Glück lassen sich einzelne Kampagnen aber bereits nach 30% starten: Einige Balken zeigen dezidiert an, welcher Teil des Spiels noch wie viele Daten benötigt. Neben den bekannten Schädeln für mehr Herausforderung lassen sich sogar in den alten Spielen einige Bedingungen wie die Ausrüstung zum Spielstart beeinflussen. Auf Wunsch steht also von Beginn an eine Alien-Pistole als Zweitwaffe zur Verfügung oder man verpasst seinem Alter-Ego ein Unterstützungs-Upgrade, welches z.B. das Nachladen verschnellert. Wer sich durch die Saga kämpft und alle Extra-Aufgaben meistert, kann übrigens Erfolge im Wert von insgesamt 4.500 Punkten einstreichen. Schön, dass es sogar weltweite Bestenlisten für sämtliche Missionen gibt, sortiert nach Schwierigkeitsgrad und anderen Startbedingungen. Die Steuerung und andere Details lassen sich global oder für jeden einzelnen Titel konfigurieren – bis hin zu Details wie der Ansteuerung der Impuls-Trigger.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die alten Spiele endlich mit der gelungenen englischen Original-Synchro gespielt werden können statt wie früher, als sich nur das missglückte deutsche Pendant auf der Disc befand. Dazu ist allerdings ein umständlicher Umweg ins Systemmenü notwendig: Wer englischen Ton will, muss sogar kurzzeitig seine Region zu den USA oder einem anderen englischsprachigen Territorium ändern. Auf Stilblüten wie „Wir brauchen einen, der ihn hochkriegt“ muss man dann aber natürlich verzichten. Der Grund für die schlechte deutsche Vertonung war übrigens Microsofts Geheimniskrämerei: Aus Angst vor Story-Leaks bekamen die deutschen Sprecher ihren Text offenbar erst in letzter Sekunde und mussten ihn einsprechen, ohne den Zusammenhang zur kompletten Geschichte einordnen zu können. Das Ergebnis ist eine verwirrende Betonung, obwohl eigentlich professionelle Synchronsprecher am Werk waren. Ein kleiner Bug ist uns übrigens auch untergekommen: In Halo 2 ließen sich keine Untertitel aktivieren. Davon abgesehen lief bislang aber alles flüssig und sauber.

Tief einatmen!

Staubsauger statt SciFi

Die Sound-Effekte sind neuerdings ebenfalls etwas aufwändiger abgemischt – an manchen Stellen haben sich die Entwickler aber Fehlgriffe geleistet. Statt den Halo-typischen Alarm-Piepsern gibt es in der Neufassung eine nervtötende klassische Sirene zu hören. Das Surren der Plasmapistole erinnert neuerdings eher an einen kaputten Staubsauger als an Alien-Technologie. Auch visuell wurden manche Details der Mode angepasst: Die Figuren wirken allgemein etwas schlanker, ihre Uniformen sind enger geschnitten, einige Frisuren wie ein Flat-Top wurden ein wenig zeitgemäßer umgestyled. Die Raumschifftechnik hat ebenfalls ein Facelifting bekommen: An einigen Terminals blinken nicht mehr hunderte von Knöpfen und Lämpchen im Stil klassischer Siebziger-Jahre-Science-Fiction. An ihre Stelle treten meist große Monitore mit zahlreichen Diagrammen und Statusanzeigen.

Update vom 13.11.2014 zum Mehrspieler-Part:

Halo ist natürlich nicht nur für seine Kampagnen, sondern auch für spannende Mehrspielerschlachten inklusive Vehikeln berühmt. Mit Hilfe der Master Chief Collection sollen alte und neue Fans sich auf den Karten aller vier enthaltenen Teile austoben können – inklusive derjenigen aus Halo 1, welche seinerzeit auf der Xbox nur im Splitscreen oder per LAN-Verbindung spielbar waren. Insgesamt befinden sich also über 100 Karten im Paket – ein beinahe unschlagbares Preis/Leistungs-Verhältnis.

Es gibt leider eine großen Haken an der Sache: Bislang leidet der Online-Modus unter massiven technischen Problemen. Zwei Tage nach dem offiziellen Start wurden zwar bereits einige serverseitige Patches installiert, um das Problem in den Griff zu bekommen – trotzdem funktioniert der Löwenanteil der Spiellisten noch nicht. In den offiziellen Waypoint-Foren klagen auch andere Spieler darüber, dass sie in der Spielersuche nicht vermittelt werden, sondern lediglich minutenlang vor einer leeren Liste warten können.

Nach wie vor massive Verbindungsprobleme

Für den Mehrspieler-Part muss ein 15 GB großer Patch heruntergeladen werden. Vermutlich wollte Microsoft verhindern, dass eine zweite Disc nötig wird.
Nach den Patches kommen immerhin in den obersten Listen gelegentlich Matches zustande: Bei „Halo 2: Anniversary (Team)“ handelt es sich um sechs grafisch überarbeitete Jubiläums-Karten, auf denen sich bis zu zehn Spieler im Team-Deathmatch oder anderen Mannschafts-Spieltypen bekriegen. Auch in „Halo 2: Anniversary – Rumble“ (also jeder gegen jeden mit bis zu acht Spielern) und „Halo 2 – Klassisch“ (gemischte Spieltypen) oder Team-Showdown (inklusive Karten aus anderen Halo-Teilen) konnten wir immerhin ab und zu spielen. Manche Runden litten allerdings unter Abstürzen oder Fehlern oder einem Gegenspieler, der wie durch zwei Portale immer wieder aus der Decke in den Boden fiel.

Bislang gar nicht funktioniert haben bei uns die Spiellisten aus Halo 3 und 4, Team-Hardcore, SWAT sowie die launigen Schlachten mit großen Teams. Wenn man bislang mal ein funktionierendes Match zusammenbekommt, muss man sich also mit kleinen Runden begnügen. Schade, denn beim lustigen Gemetzel auf großen Karten entwickelten sich früher die schönsten Momente. Ein weiterer Einschnitt ist, dass auf vielen Playlists die Ranglisten erst nachgereicht werden sollen. Auch die spannenden kooperativen Spartan-Ops-Gefechte gegen anstürmende Gegnermassen sollen erst nachgeliefert werden, und zwar im Dezember. Die Schmiede zum Basteln eigener Levels sowie der Editor zum Schneiden von Filmchen aus Mitschnitten sind dagegen schon jetzt dabei.

Wie doch die Erinnerung täuschen kann

Rot gegen Blau - ein Klassiker, der in der Master Chief Collection noch unter technischen Problemen leidet.
Wenn funktionierende Spiele zustande kamen, sorgten die verbissenen Duelle sofort wieder für das typische motivierende Halo-Gefühl. Am besten in den Rhythmus kommt man in den Spiellisten zu Halo 2 – in den gemischten Spiellisten dagegen ändert sich natürlich immer wieder die Handhabung. Es ist natürlich interessant, nach vielen Jahren zu bemerken, wie viel langsamer und insgesamt anders sich das Handling von Teil 1 anfühlt. Im Gegenzug fühlt man sich aber nie wirklich souverän, wenn die Matches zwischen den Serienteilen wechseln.

Ein wenig entschärfen lässt sich das Problem, indem man die Steuerung global oder für einzelne Spiele anpasst, um nicht all zu sehr umdenken zu müssen. Für den Multiplayer-Part von Teil 1 wurde übrigens offenbar die PC-Fassung als Grundlage genommen. Wer wie in guten alten Zeiten lokale Mehrspieler-Parties in plant, muss ein technisches Hindernis berücksichtigen: Anders als früher muss bei einem LAN-Spiel jeder Teilnehmer bei Xbox Live angemeldet sein. Man benötigt im Raum also einen ins Netz eingewählten Router, mit dem die Xbox-One-Konsolen verbunden sind.

Fazit

Als Bungie Halo aus der Hand gab, war ich noch skeptisch. Doch mittlerweile bin ich heilfroh, dass sich die Marke in den Händen von 343 Industries befindet. Die Entwickler haben nicht nur Halo 2 mit viel Liebe zum Detail grafisch aufgemotzt, sondern liefern mit der Master Chief Collection auch eine vorbildlich strukturierte Spielesammlung ab. Dank frei wählbarer Missionen und zahlreicher Optionen kann jeder nach Lust und Laune in der Seriengeschichte herumstöbern. Beim Anzocken habe ich sofort wieder Blut geleckt. Außerdem haben mir die vier Klassiker erneut klargemacht, was ich bei Destiny so vermisst habe: Erstens knackige dynamische Kämpfe gegen clevere Gegner, bei denen man so hartnäckig wie ein Terrier bleiben muss. Und zweitens das einsame Erforschen einer faszinierend leuchtenden außerirdischen Welt. Gerade dieser gelungene Wechsel aus Spannung und Entspannung macht das Spielgefühl zu etwas Besonderem. Hier geht es übrigens zum Grafikvergleich zwischen der Frischzellenkur von Halo 2 mit dem Original.

Update vom 13. November 2014 zum Mehrspieler-Part:

So viel Spaß ich an den alten Kampagnen hatte, so sehr enttäuscht bislang der Mehrspieler-Part der Master Chief Collection. Auch nach zwei Tagen und mehreren Patches kommen nur manchmal sauber laufende Spiele zustande – und zwar nur auf einem sehr eingeschränkten Programm von Karten und Modi. Falls irgendwann alles laufen sollte und auch die Ranglisten sowie Spartan-Ops-Missionen nachgeliefert wurden, bekommen Käufer natürlich ein Riesenpaket mit über 100 Karten und beinahe endlosen Stunden Mehrspieler-Spaß. In der aktuellen Form habe ich aber keine Lust auf den Flickenteppich, der auch die eigentlich sehr gute Gesamtwertung gehörig nach unten zieht. Updates zu Patches und technischen Details postet Microsoft übrigens auf Twitter und im Waypoint-Forum .

Einschätzung: befriedigend

 
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