Far Cry 522.03.2018, Benjamin Schmädig
Far Cry 5

Special: Far Cry im Wandel der Zeit

Ist euch das eigentlich schon mal aufgefallen? Far Cry ist eine Rarität innerhalb der Spielewelt. Oder kennt ihr auch nur eine andere Serie, deren Fortsetzungen erzählerisch nichts, aber auch wirklich gar nichts miteinander zu tun haben? Wir reden ja nicht von einfachen Ortswechseln oder dem Austauschen der Hauptfigur, sondern von einer Reihe, die meistens zwar in der Gegenwart spielt, chronologisch gesehen aber in der Steinzeit beginnt, um irgendwann das Tor zu einer Parallelwelt zu öffnen, in der laserfeuernde Dinosaurier über eine atomverseuchte Insel pirschen. Bevor uns Far Cry 5 (ab 11,00€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) also ins amerikanische Montana entführt, lassen wir die vier vorherigen Spiele samt ihrer Ableger Revue passieren.

Mikro – ohne Transaktionen

Aber der Reihe nach; immerhin startet auch Far Cry ganz behutsam im ganz normalen Videospiel-Wahnsinn, wenn Jack Carver im Jahr 2004 auf einer Inselkette in Mikronesien landet, wo sowohl Soldaten als auch mutierte Bestien ihr Unwesen treiben – genau: derselbe Jack Carver, der sich alias Til Schweiger einige Jahre später durch eine unterirdisch schlechte Verfilmung von Abfall-Meister Uwe Boll ballerte. Entwickelt wurde das Ganze von Crytek, einem deutschen Studio, das mit einer X-Isle genannten Demo einen Publisher namens Ubisoft so beeindruckte, dass der glatt ein ganzes Spiel auf Grundlage dieser

16 Jahre ist dieser Screenshot alt - und er sieht auch heute noch verdammt gut aus!

Technik orderte.

Heraus kam ein Abenteuer, dessen Besonderheit nicht die Handlung um Jack Carver war, sondern die CryEngine getaufte Technik, genauer gesagt eine damals atemberaubende Weitsicht und eine fortschrittliche KI, die es Gegnern erlaubte auf individuelle Aktionen des Spielers zu reagieren: Die Soldaten des fiesen Dr. Krieger gingen in Deckung, flankierten Jack und riefen Verstärkung – was wichtig war, weil man sich frei in den weitläufigen Levels bewegen, sprich feindliche Lager auf ganz unterschiedliche Art angreifen konnte.

Und in gewisser Weise ist die Geschichte des ursprünglichen Spiels und seiner Weiterentwicklungen innerhalb der Far-Cry-Serie damit schon beendet. Crytek und Ubisoft gingen später nämlich getrennte Wege und während das Frankfurter Studio mit Crysis und dessen Nachfolgern das Prinzip „taktische Action in weitläufigen Levels“ stetig ausbaute, entließ der Publisher alle Fortsetzungen unter dem Namen Far Cry in die Freiheit einer offenen Welt.

Was Carver sonst noch erlebte

Bevor es so weit war, wurden allerdings verschiedene Konsolen mit einer Variante des Erstlings bedient, die anno 2005 unter dem Namen Instincts zunächst auf Microsofts erster Xbox erschien. Instincts ist eine überarbeitete Version des Originals mit modifizierten Levels, einer angepassten Geschichte sowie spielerischen Änderungen, die Jack Carver zum Mutanten mit neuen Fähigkeiten machten, welche interessanterweise denen des Nanosuits im späteren Crysis ähnelten. Kein Wunder vielleicht: Zu diesem Zeitpunkt war Crytek noch an der in Montreal entstehenden Umsetzung beteiligt...

Und dann ist Ubisoft das hier passiert: Uwe Boll verantwortete eine katastrophale Verfilmung.

Jetzt wird’s kurz mal kompliziert: Ebenfalls auf Xbox erschien 2006 mit Instincts - Evolution eine Fortsetzung zu Instincts und damit das einzige Spiel der Serie, das zumindest einen Teil der Handlung seines Vorgängers weiterspann. Instincts - Predator ist hingegen eine grafisch aufpolierte Ausgabe von sowohl Instincts als auch Instincts - Evolution für die damals wenige Monate alte Xbox 360, während es sich bei Far Cry: Vengeance um die Wii-Umsetzung von Instincts: Evolution für Nintendos Wii handelt.

Puh. Weiter! Denn mit Vengeance bewies Ubisoft immerhin, dass das Fuchteln mit Remote und Nunchuk sogar in einem Shooter funktionierten kann. Geschenkt, dass das grafisch bisher wegweisende Inselparadies dabei zur hässlichen Ballerkammer verkam, in der sich KI-Katastrophen nicht einmal an so grundlegende Überlebensregeln wie „Zurückschlagen, wenn man angegriffen wird!“ erinnern konnten...

Ach ja: Und dann gab es noch einen Spielhallen-Automaten namens Paradise Lost. Der teilte zwar das generelle Flair mit den  Far-Cry-Inseln, von taktischer Action oder gar Bewegungsfreiheit war in dem Rail-Shooter aber freilich nichts zu spüren.

Checkpunkt Zentralafrika

Ein Spiel und seine Fortsetzung in jeweils drei Versionen – 2008 war die Zeit reif für ein echtes Far Cry 2, reif für die Reise in ein vom Bürgerkrieg gezeichnetes afrikanisches Land und dessen frei begehbare offene Welt. Einem Waffenhändler namens Jackal sollte man dort den Garaus machen, Malaria setzt dem Alter Ego zu sowie unmoralische Angebote der zwei kriegstreibenden Parteien: Das erste große, komplett von Ubisoft entwickelte große Far Cry war ambitioniert, und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch.

Die neu entwickelte Dunia-Engine erweckte ja nicht nur idyllische Panoramen zum Leben; sie hinterließ auch verbrannte Erde. Denn wo ein Feuer ausbrach, breitete es sich über Gras, Büsche und Bäume aus – das war ein damals beeindruckendes Schauspiel. Waffen nutzten sich ab und litten irgendwann unter Ladehemmungen, Begleiter boten alternative Missionswege an, das freie Umgehen feindlicher Lager öffnete eine große taktische Vielfalt und um eine Schusswunde zu heilen, schnitt sich der Held die Kugel kurzerhand selbst aus dem Arm – traumhaft!

Seit Far Cry 2 ist es doof, wenn Holz nicht brennt.

Far Cry 2 war ein gutes Spiel. Und trotzdem denken viele mit Schrecken daran zurück. Da war nämlich diese eine Sache; diese ständig neu auftauchenden Gegner an den übermäßig vielen Checkpunkten, die mit so viel Nachdruck die Freude aus jeder Autofahrt sogen, dass man sich fragen musste, ob man „Spaß“ in Montreal so buchstabiert: h, a, s, s.

Einstein und die vierte Wand

Dann wurde es erst mal ruhig. Vier Jahre lang. Bis der dritte Teil endlich ins Paradies zurückkehrte, oder genauer gesagt: Jason Brody auf einer tropischen Insel von einem scheinbar Verrückten namens Vaas gefangen genommen wurde. Aus seinem Käfig konnte er natürlich fliehen, Vaas ein Ende bereiten, den eigentlichen Boss besiegen und sich in einem höchst merkwürdigen Finale für Sex mit tödlichen Folgen entscheiden.

Far Cry 3 war kein gutes Spiel mehr. In unserem Test hieß es damals: „Far Cry 3 ist das rücksichtslose Durchregieren sämtlicher Stichpunkte, die die Marktforschung den Entwicklern vorbetet. Hauptsache, der Spieler kann überall jederzeit alles tun, was ihm in den Sinn kommen könnte“. Erzählerischer Sinn und die Glaubwürdigkeit der offenen Welt spielten kaum noch eine Rolle. Ubisoft hatte ohne Rücksicht auf atmosphärische Verluste eine formelhafte Minispiel-Sammlung über die Kulisse gespannt, ohne die Aufgaben sinnvoll an Story oder Schauplatz zu knüpfen.

Besonders tragisch: Der Einstein zitierende Vaas wurde abgeknickt, bevor seine Figur ihr wahres Ich zeigen konnte – gerade so, als hätte man während der Entwicklung entschieden, ein ursprünglich cleveres Abenteuer auf einen bloß nicht intellektuell anspruchsvollen Vergnügungspark

Far Cry 4: Die Action war super! Die offene Welt leider nicht.

herunterzudampfen. Lediglich Fragmente blieben übrig, wenn Vaas den Spieler durch die vierte Wand hindurch z.B. fragt, ob es nicht verrückt sei auf etwas Neues zu hoffen, während man wieder und wieder nur Dasselbe tut.

Der federführende Autor hatte Monate vor der Veröffentlichung noch Vorbilder wie BioShock zitiert. Immerhin: Das „Shock“ blieb.

Aus den Tropen in den Himalaya

Ärgerlich war das vor allem deshalb, weil Far Cry 3 die rasante Action des Vorgängers um coole Nahkampf-Finisher, das Verstecken von Leichen und andere Finessen erweiterte, die aus dem Shooter einen der besten und taktisch vielseitigsten seiner Art machten. Rein spielerisch ist das ein pures Vergnügen – eins, das im vierten Teil natürlich ausgebaut wurde und einen drastisch überhöhten, beinahe comichaften Rahmen erhielt, der besser zu dem dann im Himalaya aufgebauten Vergnügungspark passte.

Das übertrieben häufige Auftauchen irgendwelcher Aufgaben sorgte allerdings dafür, dass man sich in der exotischen Bergwelt regelrecht gegängelt fühlte und die offene Welt nie als geografisch plausiblen Ort wahrnahm. Und spätestens mit der Fauna ist Ubisoft ohnehin Lichtjahre übers Ziel hinausgeschossen! Dass Adler oder Honigdachse einen verbissenen Guerillakrieg gegen den Spieler führten, war jedenfalls nicht wesentlich unterhaltsamer als gewisse Checkpunkte in Afrika.

Mammuts und Laserdrachen

Keine Angst, wir haben sie nicht vergessen: die Ableger des zweiten, dritten und vierten Far Cry, die mit den Originalen stellenweise gar nichts, mitunter aber mehr gemein hatten, als man zunächst dachte. Blood Dragon z.B., die Hommage an Hollywoods alberne Actionfantasien der 80-er Jahre samt hochnotpeinlicher One-Liner und pubertärer Cyborg-Fantasien, gehört zu den besten Episoden der Serie, weil es die gelungene Action mit einer gehörigen Portion Sprachwitz, einer Wagenladung voller Anspielungen und einem coolen futuristischen Szenario vereinte.

Primal hingegen, eine Erweiterung der in Far Cry 4 verwendeten Technik, enttäuschte uns auf ganzer Linie, weil das Steinzeit-Abenteuer die versprochenen Survival-

Laserdrachen! Blood Dragon war sowohl stilistisch als auch inhaltlich der unterhaltsamste Far-Cry-Titel.

Elemente nicht überzeugend präsentierte und weil die serientypische Action ohne Gewehre und Pistolen viel zu kurz kam. Irgendwie witzig ist die Tatsache, dass für Primal die Topografie des Himalayas praktisch unverändert einfach recycelt wurde. Weniger unterhaltsam waren Tiere, die man wie technische Gadgets steuern musste, so dass man ein immersives Abtauchen in die virtuelle Steinzeit getrost vergessen konnte.

Moment mal: Steht dort „Ableger des zweiten Far Cry?“ Ja, den gab es tatsächlich! Nicht, dass man ihn gespielt haben musste. Oder hätte spielen können. Stealth und Taktik spielten darin sogar eine Rolle – wer sich Spielszenen auf YouTube ansieht, weiß aber schnell, dass selbst Hardcore-Fans wenig verpasst haben. Mal ganz davon abgesehen, dass der Top-Down-Shooter ohnehin nur auf Blackberrys und anderen Java-betriebenen Handys lief.

Cleverer Köter: Im fünften Far Cry kämpft man nicht nur alleine.

Der moderne Wilde Westen

Bleibt also Far Cry 5, das einmal mehr vier Jahre nach seinem Vorgänger erscheint und grundsätzlich dort weitermacht, wo Teil vier aufgehört hatte. Erzählerisch ist es dabei näher an der Realität, vor allem der des nordamerikanischen Alltags, wenn sich Religion und Waffenwahn in einer gefährlichen Sekte vereinen.

Ob man sich dabei erneut wie in einem weihnachtlichen Warenhaus fühlen wird? Unsere Vorschau stimmt zumindest positiv, denn bei einer ersten Begehung wirkte das fiktive Montana weniger gehetzt als das asiatische Hochland. Man muss auch keine Türme mehr einnehmen, um Wegpunkte freizuschalten und stellt sich mit verschiedenen Kameraden sogar taktisch variabel auf. Selbst einen Hund darf man mit auf die Reise nehmen!

Wie gesagt: Far Cry kann so vieles heißen. Und wir sind sehr gespannt, wie man sich als Hilfssheriff in dem modernen Wilden Westen schlägt!

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.