AO International Tennis22.05.2018, Michael Krosta

Special: Tennisspiele im Wandel der Zeit

Früher gab es einmal Tennisspiele wie Sand am Meer. Aber in den letzten Jahren ist es erstaunlich ruhig auf dem Center Court der Sportspiele geworden. Erst jetzt stehen mit AO International Tennis (ab 24,55€ bei kaufen) und World Tour Tennis frische Kandidaten bereit, die dem gelben Filzball auf der aktuellen Konsolengeneration und dem PC zu einem Comeback verhelfen wollen. Wir werfen einen Blick auf die Evolution des Genres, das auch für die Geschichte der Videospiele prägend gewesen ist...

Tennis for Two (1958)

Bereits im Jahr 1958 entwickelte der Physiker William Higinbotham mit Tennis for Two nicht nur das erste Tennisspiel, sondern eines der ersten elektronischen Spiele überhaupt. Dazu nutzte er mit dem Donner Model 30 Analog Computer eine Maschine, die eigentlich zur Berechnung von Flugbahnen ballistischer Geschosse eingesetzt werden sollte, und nutzte deren Oszilloskop, um das Spielfeld samt Netz in der Mitte sowie den Ball und dessen Bewegungen darzustellen. Mit den beiden

So fing alles an...

angeschlossenen Controllern war es möglich, mit dem richtigen Timing den Ball über das Netz zurückzuschlagen und sogar den Winkel des Returns anzupassen. Nur kurze Zeit später verpasste Higinbotham seinem Werk ein erstes Upgrade: Das Display wuchs von fünf auf 17 Zoll, beim Aufschlag konnte man die Schlagstärke variieren und zudem fügte er weitere Schwerkraft-Effekte hinzu, die der frühen Umsetzung des Tennissports bereits etwas mehr Tiefe verliehen.

Pong (1972)

Okay, streng genommen handelt es sich bei Pong nicht um klassisches Tennis, denn es fehlt bekanntlich das Netz und man kann die oberen und unteren Ränder des Bildschirms als Bande nutzen, an denen das ballartige Klötzchen wie beim Air Hockey abprallt und im entsprechenden Winkel die Richtung ändert. Trotzdem sind die Parallelen zum sportlichen Vorbild unverkennbar, wenn sich die beiden Spieler gegenüber stehen und darauf hoffen, dass das der Gegner bei zunehmendem Tempo irgendwann nicht mehr rechtzeitig reagieren kann und der Ball zum Punkten „durchgeht“ - also ein bisschen wie beim normalen Tennis.

Tennis (1981)

Tennis von Activision zählte zu den Highlights für das Atari 2600 System.

Das einfach nur Tennis getaufte Videospiel für das Atari 2600 kam nicht nur dem realen Vorbild ein Stückchen näher, sondern legte auch den Grundstein für die Darstellung, die auch in modernen Tennisspielen immer noch verwendet wird. Dabei wird ein Spieler unten, der andere oben am Bildschirm platziert und in der Mitte befindet sich das Netz. Aufgrund der perspektivischen Verschiebung werden das Feld und der Tennis-Crack in der oberen Hälfte allerdings etwas kleiner dargestellt – ein notwendiges Übel, das vor allem bei lokalen Zweispieler-Matches immer wieder für Diskussionen sorgte, weil der Spieler im Vordergrund immer von der besseren Übersicht profitierte. In Einzelspielen stand man wahlweise einer KI oder einem Mitspieler gegenüber und hatte die Wahl zwischen zwei Spielgeschwindigkeiten. Allerdings umfasste eine Partie lediglich einen Satz, der aus sechs Spielen bestand. Bei einem Gleichstand ging es nicht im Tie-Break weiter, sondern es erfolgte ein Reset und das Match startete wieder von vorne. Zudem war der Spielverlauf noch recht simpel gestrickt und Fehler spielten keine Rolle, denn der Ball kam immer übers Netz und konnte auch nicht im Aus landen. Das erklärt auch die simplifizierte Darstellung des Spielfelds, bei dem Activision-Mitgründer Alan Miller auf die Darstellung der üblichen Linien einfach verzichtete. Auch beim 1983 veröffentlichten Real Sports Tennis von Atari entschied man sich für diese abgespeckte Variante des Courts.

Match Point (1984)

Bei Match Point für den ZX Spectrum wurde es schon etwas anspruchsvoller und das Spielfeld wurde mit allen Linien abgebildet.

Bei Match Point für den ZX Spectrum hebte sich Entwickler Psion im Jahr 1984 vor allem dadurch von der Flut an eher mittelmäßigen Tennisspielen ab, indem man die Spielmechanik verfeinerte und dadurch auch einen realistischeren Ansatz verfolgte. Endlich sah man eine reale Abbildung des Spielfeldes, das nicht nur die Grundlinien, sondern auch die Aufschlagfelder inklusive T-Linie und auch das Doppelfeld bzw. die Seitenfeldbegrenzung visualisierte. Zwar gab es lediglich einen Schlag, doch sorgte man mit wechselndem Timing für Variationen und verlieh dem Spielverlauf dadurch eine größere Dynamik. Selbst die Schlagkraft konnte man beeinflussen, wenn man sich beim Return gleichzeitig nach vorne bewegte.

Great Courts (1989)

Dank der sportlichen Erfolge von Boris Becker und Steffi Graf erfreute sich Tennis in Deutschland Ende der Achtziger weiterhin einer großen Beliebtheit. Hierzulande wagte sich neben Starbyte mit Tie Break vor allem Blue Byte mit Great Courts an die Aufgabe, die Faszination für den Ballsport in einem Spiel einzufangen – und war mit dem Ergebnis sogar international unter dem Namen Jimmy Connors Pro Tennis Tour erfolgreich. Verfolgt wurde ein simulativer Ansatz, der sämtliche Schlagvarianten erlaubte und auch die Position des Schlägers sowie Spielers berücksichtigte. Trainings-Einheiten gegen eine Ballmaschine waren also durchaus empfehlenswert, bevor man sich im Rahmen der vier Grand Slam Turniere auf der ATP-Weltrangliste und verschiedenen Platzbelägen nach oben arbeitete. Neben der gelungenen Spielmechanik überzeugte Great Courts auch in technischer Hinsicht: Besonders die liebevollen und detaillierten Animationen waren ein Augenschmaus, während es am Amiga sogar kleine Sprachsamples auf die Ohren gab. 1991 folgte mit Great Courts 2 eine gelungene

Bei Great Courts 2 durfte man mit dem entsprechenden Adapter auch am Amiga mit vier Leuten zusammen spielen.

Fortsetzung, bei der die Handhabung verfeinert, weibliche Spielerinnen hinzugefügt und das Austragen von Doppel-Partien mit Hilfe des Vier-Spieler-Adapters ermöglicht wurden. Nicht umsonst zählt Great Courts 2 zu den anspruchsvollsten und besten Tennisspielen für Commodores 16-Bitter, doch folgten auch Umsetzungen für Atari ST und IBM-PCs.

Jimmy Connors Pro Tennis Tour (1989)

Huch, hatten wir das nicht gerade schon? Ja! Aber Jimmy Connors Pro Tennis Tour aka Great Courts steht gleichzeitig für einen Trend, der vor allem in den Tennisspielen der Neunziger populär war. Hier zog man nämlich gerne große Namen aus der Tenniswelt heran, um sie auf die Verpackungen der Spiele zu pappen und schlichtweg für Marketing-Aktionen zu nutzen. Neben Jimmy Connors, der seinen Namen später übrigens auch für ein weiteres Tennisspiel zur Verfügung stellte, bekamen unter anderem auch Andre Agassi (1992) und Pete Sampras (1994) ihre eigenen Videospiele mit mehr oder weniger qualitativen Ansprüchen. Die Damen wollten da selbstverständlich nicht nachstehen: Mit Spielen wie Jennifer Capriati Tennis (1992) und Anna Kournikova's Smash Court Tennis mischten auch sie fröhlich beim Lizenz-Pingpong mit.

International 3D Tennis (1990)

Bizarr, aber dennoch irgendwie innovativ: International 3D Tennis auf dem C-64.

Eine der vermutlich seltsamsten, gewöhnungsbedürftigsten und sicher nicht besten Versoftungen des weißen Sports stellt International 3D Tennis dar, das 1990 von Sensible Software veröffentlicht wurde. Die Spieler bestanden aus hässlichen und minimalistischen Drahtgitter-Modellen, bei denen Arme lediglich durch einen Strich, Körper und Köpfe mit einem Dreieck dargestellt wurden. Die ebenfalls detailarm gestalteten Courts mit unterschiedlichen Belägen wurden ebenfalls in 3D modelliert. Etwas skurril waren die Flugbahnen der Bälls, die teilweise im Zickzack über das Netz flogen und auch das Spieltempo war nicht unbedingt rasant. International 3D Tennis ist also weniger wegen seiner spielerischen Qualitäten, sondern aufgrund des damals innovativen 3D-Ansatzes und seinem enormen Umfang mit über 70 Turnieren in Erinnerung geblieben.

Super Tennis (1991)

Bei Nintendos Super Tennis konnte man sich richtig ins Zeug legen, um für den Ball zu kämpfen.

Lange bevor Sega mit Virtua Tennis begeisterte, lieferte Nintendo auf dem SNES im Jahr 1991 mit Super Tennis einen Vorgeschmack, in welche Richtung sich der Sport als Videospiel entwickeln wird. Es gab eine breite Auswahl an Schlag-Varianten und eine erfreulich hohe Kontrolle darüber, wohin man den Ball spielen wollte. Dabei fand Nintendo eine ähnlich gute Mischung aus Anspruch und Spielspaß, die später auch Sega wieder aufgriff. Zwar hatte man keine offizielle Lizenz, doch orientierte man sich bei den putzigen Spielerfiguren an damaligen Größen des Sports und lieferte mit leicht verfälschten Namen sogar recht eindeutige Hinweise auf die realen Vorbilder. Mit der Kombination aus fantastischem Spielgefühl und ansprechender Präsentation war Super Tennis für viele Kritiker und Spieler das Nonplusultra, wenn man vor allem in Mehrspieler-Matches ganz großes Tennis vor dem Fernseher erleben wollte. Daher ist es ein Jammer, dass Nintendo diesem großartigen Klassiker bei SNES Mini nicht zu einem Comeback verholfen hat – das hätte sicher mal wieder Spaß gemacht!

ATP Tour Championship (1994)

Mit ATP Tour Championship wagte sich Sega bereits 1994 auf den Court und gab mit dem Megadrive-Modul eine erstaunlich gute Figur ab. Der Quasi-Vorläufer von Virtua Tennis bot neben 32 lizenzierten Spielern auch acht Legenden des Sports. Zudem konnte man sich auch einen eigenen Spieler erstellen und diverse Attribute festlegen. Gelobt wurde der Titel neben dem ordentlichen Schlag-Repertoire und verschiedenen Platzbelägen vor allem für die zugängliche Spielmechanik sowie die fordernde KI.

Virtua Tennis (1999)

Bei Virtua Tennis fand Sega den idealen Kompromiss zwischen Anspruch und Spielspaß.

So richtig startete Sega aber erst mit Virtua Tennis durch, mit dem man 1999 zunächst die Spielhallen, später aber auch mit Hilfe des hauseigenen Konsole Dreamcast das Wohnzimmer in den Center Court verwandelte. Im Gegensatz zum Auftritt in der Spielhalle wurde die Umsetzung mit einem Karrieremodus, spätere Versionen sogar mit abgedrehten Mini-Spielen erweitert. Genau wie Super Tennis zeichneten sich auch Segas virtuelle Ballwechsel durch eine gnadenlos gute Spielbarkeit aus, bei der die Entwickler den idealen Mittelweg zwischen simulativem Anspruch und Arcade-Spaß gefunden haben. Beim Nachfolger aus dem Jahr 2001 durften neben den vormals ausschließlich männlichen Lizenz-Spielern auch ausgewählte Stars aus dem Damen-Tennis mitspielen. Virtua Tennis, das in Japan zunächst unter dem Namen Power Smash und später sogar als Sega Professional Tennis: Power Smash veröffentlicht wurde, mauserte sich zum Inbegriff des zugänglichen und spaßigen Tennis-Videospiels, obwohl sich eine zunehmende Stagnation bemerkbar machte. Auf den Konsolen hatte die Reihe mit Virtua Tennis 4 im Jahr 2011 ihren vorerst letzten Auftritt, während Sega auf iOS und Android ein Jahr später noch den Ableger Virtua Tennis Challenge veröffentlichte.

Top Spin (2003)

Bei der Top-Spin-Reihe sollte es möglichst realistisch auf dem Court zugehen.

Als die wohl stärkste Konkurrenz zu Virtua Tennis mischte ab 2003 auch die Reihe Top Spin beim Kampf um die Krone der Tennisspiele mit. Entwickler PAM Development verfolgte bei seiner Umsetzung des Sports allerdings von Beginn an einen realistischeren Ansatz, der von einer entsprechend steilen Lernkurve begleitet wurde. Timing und die richtige Positionierung des Spielers zum Ball spielten für die erfolgreiche Ausführung der Schläge eine entscheidende Rolle. Zudem konnte man bewusst Risiken eingehen und seinen Emotionen nach Punktgewinnen oder Fehlern auf Knopfdruck freien Lauf lassen. Top Spin erschien zunächst exklusiv für die Xbox, bevor es später auf andere Plattformen wie PC und PS2 umgesetzt wurde. Dabei profitierte es vor allem von der guten Online-Anbindung und dem Matchmaking der ersten Microsoft-Konsole: Top Spin war das einzige Tennisspiel, das neben Einzel-Matches auch gewertete 2vs2-Partien über Xbox Live ermöglicht hat. Zudem überzeuge die Reihe mit einer Auswahl an lizenzierten Profis der Gegenwart und Vergangenheit sowie realen Schauplätzen rund um den Globus. Die Aufmachung im Stil einer TV-Übertragung kamen ebenfalls gut an. Bis zum Jahr 2011 erschienen unter dem Label 2K Sports noch drei Fortsetzungen. Top Spin 4 erlaubte auf der PS3 durch die Unterstützung der Move-Controller sogar die Verwendung einer alternativen Bewegungssteuerung, die sich dank eines gewissen Vorreiters einer zunehmenden Beliebtheit erfreute.

Wii Sports (2006)

Die Rede ist natürlich von Wii Sports, der Minispiel-Sammlung, die im Jahr 2006 erschien und das innovative Bedienkonzept der neuen Nintendo-Konsole eindrucksvoll demonstrierte. Eine der beliebtesten Sportarten: Tennis. Genau wie bei Pong fesselte einmal mehr das simple Prinzip, das in diesem Fall von einem völlig neuen Spielgefühl begleitet wurde. Zwar hatten die Matches keinen realistischen Anspruch und die niedlichen Mii-Figuren liefen automatisch über den Court, aber es machte einfach wahnsinnig viel Spaß, die Wii-Remote wie einen echten Tennisschläger zu schwingen und den Bällen mit entsprechenden Bewegungen sogar einen leichten Drall zu verpassen. Wie bei den meisten anderen Tennisspiele lief das PingPong auch Wii Sports zur Höchstform auf, wenn man sich mit bis zu vier Spielern die Filzbälle um die Ohren schlug.

Mario Tennis (2000)

Spezialschläge und effektreiche Inszenierung: Mario Tennis steht für puren Arcade-Spaß.

Noch einen Schritt weiter ging man mit Mario Tennis, das exemplarisch für eine Stilrichtung der Tennisspiele steht, in der mit diversen Spezialfähigkeiten, Fantasie-Figuren sowie einer effektreichen Inszenierung der pure Arcade-Spaß des Sports zelebriert wird. Dabei versteht es sich von selbst, dass das grundsätzliche Regelwerk zwar vorhanden bleibt, aber stellenweise auch etwas gedehnt werden kann. Wie schon bei Mario Kart & Co folgte Sega einmal mehr Nintendos Spuren und legte mit Sega Superstar Tennis im Jahr 2008 ebenfalls einen gelungenen Auftritt auf dem Arcade-Court hin. Zuletzt konnte Nintendo mit dem dreist abgespeckten Mario Tennis: Ultra Smash auf der Wii U nicht mehr an die glorreichen Zeiten anschließen. Hoffentlich läuft es mit Mario Tennis Aces auf der Switch etwas besser, wenn der Klempner und der Rest der Truppe mit dem Schläger in der Hand auf den Platz zurückkehren.

EA Sports Grand Slam Tennis (2009)

Das letzte große Tennisspiel kam von Electronic Arts, löste aber keine große Euphorie für den virtuellen Sport aus.

Vielleicht fasst sich aber auch Electronic Arts ans Herz und gewährt dem Tennissport eine Rückkehr ins Aufgebot von EA Sports, auch wenn es zuletzt im Jahr 2009 mit Grand Slam Tennis und dem Nachfolger aus dem Jahr 2012 nicht so rund lief wie erhofft. Trotzdem markierte er lange das bisher letzte große Tennis-Videospiel mit lizenzierten Spielern und realistischen Ansätzen. Erst jetzt gibt es nach Jahren der Abkehr mit AO International Tennis und dem kommenden World Tour Tennis erste zaghafte Versuche, den beliebten Sport auf den aktuellen Konsolen und dem PC zu reanimieren. Ob das längst überfällige Comeback gelingt und endlich wieder ganz großes Tennis mit dem Controller geboten wird, werden die kommenden Tests zeigen...

 
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