Im Test: Melancholisch-düsteres Kopfkino
Kopfkino
Ein Großteil der Geschichte Limbos läuft in der eigenen Fantasie ab: Wieso ist der Junge in diesem Wald gelandet? Wen sucht er? Wieso versuchen die anderen Figuren, vermutlich ebenfalls Kinder, ihm wie in der Herr der Fliegen den Garaus zu machen. Wieso befinden sich überall Fallen auf seinem Weg? Wer will ihn stoppen? Wieso? Man möchte dem Geheimnis auf die Spur kommen. Doch mit jedem Schritt, den man macht, mit jeder Falle, der man ausweicht, mit jedem Hindernis, das man überwindet, tauchen mehr Fragen auf. Wieso ist die Welt so verlassen? Warum sind die Gegner, vor denen man fliehen muss, so verdammt groß und Furcht erregend? Warum?
Und ehe man sich versieht, ist man nicht nur damit beschäftigt, die mitunter sehr stark auf Trial-and-Error zugeschnitten Hüpf-Rätsel zu lösen, sondern ertappt sich dabei, wie man versucht, die Antworten auf all diese Fragen zu finden. Damit sorgt Playdead dafür, dass jeder Limbo anders erlebt – und zeigt mit spielerischer Leichtigkeit beinahe nebenbei, dass die spannendsten Geschichten jene sind, die in der eigenen Fantasie ablaufen.
Purer Minimalismus
Doch nirgends ist die Hilflosigkeit so umfassend zu spüren wie in den Momenten, in denen ein parasitärer Wurm in seinem Kopf steckt und ihn zwingt, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Panik kommt auf, wenn man die Bewegung zwar verlangsamen, aber nicht stoppen kann und die rettende Plattform im letzten Moment außer Reichweite gerät, während man taumelnd auf den Abgrund zu stolpert. Glücklicherweise sind die Kontrollpunkte sehr fair gesetzt, was im Gegenzug allerdings auch dazu führt, dass das Abenteuer vergleichsweise kurz ist: Trotz einiger knackiger Rätselelemente samt glaubhaft eingesetzter Physik sowie tückischer Sprungpassagen, dürfte sich die finale Spielzeit bei einigermaßen erfahrenen Hüpfen-und-Läufern in etwa bei drei bis vier Stunden einpendeln.
Sauber, stilistisch, schockierend
Man sollte sich Limbo aber vor allem zu Gemüte führen, weil unterstützt von punktgenauer Kollisionsabfrage nicht nur Timing und Hand-Auge-Koordination gefordert sind, sondern weil man zusätzlich durch ein Wechselbad der Gefühle gejagt wird. Stille, beinahe idyllische Momente, in denen ein weißer Schmetterling seine Runden über den Bildschirm dreht, wechseln sich ab mit atemloser Spannung, die mitunter in Panik aufgelöst wird. So etwa, wenn man von einer riesigen Spinne verfolgt wird, während man ausweglos auf einem Baumstamm einen Fluss hinunter getrieben wird, das rettende Ufer sich quälend langsam nähert und die Spinne zu einem weiteren Angriff ausholt. Aber Playdead hat nicht nur das Erzeugen von Emotionen oder das Erzähltempo im Griff, auch der Rest der Kulisse weiß zu überzeugen. Dabei präsentiert man sich dabei ebenso sparsam und effektiv wie bei den anderen Elementen.
Ansehnlicher Minimalismus
Allerdings verliert die Kulisse in der Fabrik des letzten Drittels etwas von der bedrückenden Atmosphäre, die einen lange begleitet. Alles wirkt im Vergleich zur Anfangsphase abgesehen von durch die seltenen Sonnenstrahlen flirrenden Staubpartikeln zu steril. Im Gegenzug werden zwar die Rätsel, die nun auch mit Gravitationsveränderungen punkten und Sprungelemente fordernder, doch bis auf das mysteriöse Ende wirkt Limbo hier fast schon gewöhnlich.
Fazit
Limbo punktet auf breiter Front - auch vier Jahre nach seiner Erstveröffentlichung. Seit seiner Premiere gab es zwar mit Titeln wie Outcast oder Braid Titel, die als Jump&Run mit Action- bzw. Puzzle-Ausrichtung mehr bieten. Das monochrom gehaltene Hüpfabenteuer mit seinen Silhouetten-Figuren erschafft mit seinen minimalistischen Kulissen eine melancholisch-ausweglose Welt, die immer noch packend ist. Hier ist der Weg zum Ziel nicht nur mit mitunter leider nur über Trial-and-Error zu lösenden Umgebungsrätseln, sondern auch mit einer bedrückenden Geschichte gefüllt. Einer Geschichte voller Emotionen und voller Fragen, die glücklicherweise nicht alle aufgelöst werden. Denn so erschafft und bewahrt der Auftritt des namenlosen Jungen mit seinen lebhaft leuchtenden Augen viel von seiner geheimnisvollen Faszination, die mich erneut dazu angetrieben hat, die tödlich-düstere Suche nach der Schwester des kindlichen Helden aufzunehmen.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Düster, kreativ, spannend: Eine saubere Umsetzung eines zeitlos guten Jump&Runs.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.