The Swindle20.08.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Steampunk-Raubzüge durch London

Im Steampunk-London eines Parallel-Universums ist uns die Technik weit voraus: Bereits im Jahr 1849 soll ein teuflisch mächtiges Überwachungs-System jeglichen Diebstahl unmöglich machen. Höchste Zeit also, sich noch einmal hemmungslos die Taschen vollzustopfen! Eine kleine Plattform-Perle für schleichende Meisterdiebe?

Zufallsgeneriertes Robo-Gewimmel

Da die Levels zufällig generiert werden, gleicht kein Einbruch dem anderen. Das sorgt manchmal für kribbelige Spannung - anderswo landet man (oder das Geld) aber mitunter in der Sackgasse, so dass man ohne Beute in die Basis zurückkehren oder sogar seinen momentanen Dieb opfern muss. Ernste Konsequenzen hat das aber nicht: Ähnlich wie in Zombi ist man kurz danach mit einem anderen Langfinger unterwegs und verliert hier noch nicht einmal freigeschaltete Ausrüstung. Lediglich das bereits gesammelte Geld aus dem jeweiligen Areal ist futsch. Noch ist die übermächtige Überwachungsmaschine der Stadt mit dem Namen „Der Basilisk des Teufels“ nicht in Aktion getreten, daher soll sie rechtzeitig vom Spieler geklaut werden. Doch bereits jetzt machen allerlei Wachroboter, Minen und andere Hindernisse die Einbrüche knifflig. Einige der putzig animierten Blechmänner stapfen einfach nur mit einsehbarem Sichtkegel voran, die kugelförmigen Flugdrohnen eiern schon etwas unvorhersehbarer durch die Luft. Dazu kommen mechanische Raben, Minen, hermetische Falltüren und andere Apparaturen, die Langfingern das Leben schwer machen.

Wer es nach einem Alarm nicht mehr in die rettende Raketenkapsel schafft, wird durch einen der zahlreichen anderen Diebe ersetzt - was für den Spieler aber keine ernsten Konsequenzen hat.
Eine wichtige Fähigkeit ist das Hacken von Bank-Terminals und Sicherheitstüren, welches trotz seiner zentralen Bedeutung erstaunlich schlicht umgesetzt wurde: „Drücke 'oben', drücke 'rechts', drücke 'links'“ - spannend ist das nicht! Brenzlig kann es natürlich trotzdem werden, z.B. wenn man im schmalen Zeitfenster von wenigen Sekunden unter einem Suchlicht entlang huscht und rechtzeitig die passende Kombination eingeben muss, um letztendlich üppige Geldsummen abzuheben. Sind alle erreichbaren Geldquellen abgegrast, geht es zurück in die Basis. Manchmal endet der Ausflug auch mit einem Alarm und der Flucht vor der übermächtigen Polizei. Deren Steampunk-Luftgleiter rammen und ballern sich sogar durch massive Mauern.

Praktische Helferlein

In der Basis rüste ich mich mit vielen coolen Gadgets aus. Neben einem stärkeren Nahkampf-Stock gibt es z.B. verbesserte Hack-Fähigkeiten, Rauch, EMP-Störer, Navi-Pfeile zu den Bank-Terminals oder sogar technische Tricks wie Teleportation. Sehr nützlich sind auch die aufrüstbaren Bomben, mit denen ich Abkürzungen in die Wände sprenge und mich so an herumwuselnden Gegnertrauben vorbei mogle. Wenn alles klappt, kommt Schadenfreude auf – vor allem, nachdem ich die Verhaltensmuster meiner Gegner immer besser einstudiert habe. Es startet meist mit einer kleinen Klettertour zum Sondieren der Lage – Zeitdruck gibt es dabei glücklicherweise nicht. Danach sprenge ich taktisch klug ein Loch zu einem schmalen Durchgang, halte mich millimetergenau an der Wand fest und ziehe den vier vor sich hin hoppelnden Wachrobotern die Scheitel. Einer nach dem anderem wird mit dem Knüppel zu Boden geschickt. Dann lasse ich mich exakt so in den darunterliegenden Keller fallen, dass ich nicht auf den tödlichen Stacheln der Mechanik-Raupe lande. Zu guter Letzt hacke ich schließlich das Blasebalg-betriebene Bank-Terminal in dem schmalen Zeitfenster, in dem der Suchlichtkegel einmal nicht darauf gerichtet ist. Was für ein Triumph!

Die Robo-Cops lassen sich nicht auf Verhandlungen ein.
Von der Freude über den Geldsegen berauscht werde ich unvorsichtig und denke einen Moment lang nicht daran, dass die Sprungsteuerung hier ein wenig träger reagiert als bei Mario, Meat Boy und Co. Schon rutsche ich ein paar Meter zu tief ab, mein Dieb stürzt in den Tod und all das schöne Geld ist futsch. Na prima! Schade, dass Size Five Games die Handhabung nicht etwas intuitiver und griffiger gemacht hat – denn hier kann schon der kleinste Fehler bestraft werden. Ein Teil der Steuerung lässt sich zwar umbelegen und ein wenig aufmotzen - trotzdem plumpst das Männchen mitunter zu träge zu Boden, so dass ich mich nicht mehr so retten kann, wie ich es aus anderen Plattformern gewohnt bin. Schade auch, dass sich ausgerechnet das Verankern an der Wand nicht anders belegen lässt: Warum soll ich ausgerechnet nach oben oder von der Wand weg drücken, wen ich mich festhalten möchte? Falls es nicht klappt, befördere ich mich dadurch oft in den sicheren Tod. Warum kann ich fürs „Festkrallen“ nicht einfach einen der zahlreichen anderen Knöpfe des Gamepads drücken? Auch in engen Räumen führt die Überbelegung des Stick zu Problemen: Oft hält sich meine Figur unabsichtlich an einem Vorsprung fest, statt gerade noch rechtzeitig in die entgegengesetzte Richtung zu flüchten.

Nicht griffig genug

Ein weiteres Manko ist, dass ich schon von Anfang an in die richtigen Gadgets investieren muss, sonst komme ich in den restlichen 100 Tagen nicht mehr wirklich auf einen grünen Zweig. Wer sich z.B. zuerst den Doppelsprung holt, muss danach zahlreiche virtuelle Tage lang grinden, um an die wichtige Hacking-Fähigkeit zu gelangen. Denn abseits der Terminals liegen zunächst nur kleine Geldbündel und -säcke in den Fluren. Beim zweiten Durchgang lief natürlich alles besser, weil ich dann bereits die wichtigsten Hilfsmittel, Laufwege der Roboter und Macken der Steuerung kannte. Doch selbst dann kam es noch zu oft zu Fleißarbeit. Vielleicht hätten die Entwickler nur 50 Tage wählen und den Fortschritt beschleunigen sollen – das würde einem gerade zu Beginn eine Menge monotoner Durchgänge ersparen.

Erwischt die aufrüstbare Bombe eine angrenzende Mine, lassen sich auch fette Wände einreißen.
Zum Glück werden einem auch die langweiligen Diebestouren von der tollen Soundkulisse versüßt. Überall rattert, piepst und zischt es passend zum Abstand von den jeweiligen Quellen, und auch das Pladdern der Regentropfen auf die Fabrikdächer beruhigt ungemein. Vor der 5.1-Anlage meiner Konsole dachte ich manchmal sogar, dass unten an der Kreuzung ein defektes Moped rattert - dabei war es nur die motorisierte Drohne. Eine bemerkenswert räumliche Abmischung für solch einen 2D-Plattformer. Obwohl sich die Abwechslung der zufallsgenerierten Gebäude in Grenzen hält, ist den Entwicklern das Steampunk-London auch visuell größtenteils gut gelungen: Zu Beginn durchstreife ich noch die Slums nach Kleckerbeträgen, später geht es in hohe Lagerhäuser, deutlich trickreicher gesicherte Villen und Banken. In der PC-Fassung wird natürlich auch eine Tastatur-Steuerung unterstützt. Außerdem lassen sich dort einige Effekte wie Blur und andere grafische Details beeinflussen, davon abgesehen gibt es aber kaum Unterschiede zwischen den Plattformen. Seltsam ist, dass der englische Text nur auf Konsolen ins Deutsche übersetzt wurde. Sprachausgabe gibt es erst gar nicht.

Fazit

Zuerst ging mir das Grinden in den öden Startabschnitten ziemlich auf die Nerven, doch dann entfalteten die Raubzüge im viktorianischen Steampunk-London doch noch eine gewisse Faszination. Ähnlich wie bei Spelunky & Co. ist es ziemlich befriedigend, die Sicherheitssysteme und blechernen Pappenheimer immer besser kennenzulernen – und auch die Fähigkeiten des eigenen Diebes immer weiter zu verinnerlichen und aufzurüsten. Teilweise entwickeln sich richtig coole Raubzüge, bei denen man virtuos durch die frisch gesprengten Mauern turnt und der alarmierten Polizei in letzter Sekunde ein Schnippchen schlägt. Im Vergleich zur benötigten Präzision wirkt das Spiel aber zu ungeschliffen: Für schnelle Klettertouren und Sprungmarathons ist die etwas umständlich belegte Steuerung nicht intuitiv und griffig genug. Außerdem ist zu Beginn zu viel öde Fleißarbeit gefordert, weil der Eintritt in andere Viertel und all die coolen Gadgets ganz schön teuer sind. Wer zu Beginn falsch investiert, kommt so schnell nicht wieder auf einen grünen Zweig. Überfliegt vor dem ersten Spiel also lieber einen Guide! Trotz der Mankos bietet The Swindle aber eine erfreulich eigenständige Interpretation zufallsgenerierter Hardcore-Plattformer.

Pro

zufallsgenerierte Häuser sorgen für Spannung und Überraschungen...
gelungener Mix aus Schleichen und Geschicklichkeit
unterhaltsames Lernen und Ausnutzen von Schwachstellen
hübsch gezeichnete und putzig animierte Wachroboter
stimmungsvolle Soundeffekte und tolle räumliche Abmischung
Steampunk-Viertel mit interessanten Eigenheiten
ungewöhnlicher Mix aus Electro und antikem Geklimper

Kontra

...aber manchmal auch für nervige Sackgassen
zu viel ödes Grinden nötig
wer anfangs falsch investiert, kommt auf keinen grünen Zweig mehr
Kletter-Steuerung etwas umständlich und nicht verlässlich genug
fades Hacken per Minispiel
kein Online-Koop oder Bestenlisten
so gut wie keine Rahmenhandlung

Wertung

PlayStation4

Trotz Mankos beim Einstieg, der Steuerung und Aufrüstungen kommt es in The Swindle immer wieder zu spannenden Raubzügen.

XboxOne

Trotz Mankos beim Einstieg, der Steuerung und Aufrüstungen kommt es in The Swindle immer wieder zu spannenden Raubzügen.

PC

Trotz Mankos beim Einstieg, der Steuerung und Aufrüstungen kommt es in The Swindle immer wieder zu spannenden Raubzügen.

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