Gone Home15.02.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: Zurück im verlassenen Anwesen

Vor zweieinhalb Jahren überraschte das explorative Adventure Gone Home (ab 25,56€ bei kaufen) mit einer ungewöhnlichen Geschichte abseits herkömmlicher Pfade. In einer stürmischen Nacht kehrt die junge Protagonistin ins leerstehende Haus ihrer Eltern im Nordwesten der USA zurück. Ab sofort können auch Konsolen-Besitzer auf Spurensuche gehen – inklusive kleiner Extras wie Audiokommentare.

Fremd im eigenen Haus

Stellt euch vor ihr seid zwanzig, steht kurz vor der Uni und nehmt euch ein Jahr Auszeit. Nach einer Reise durch Europa kehrt ihr im Sommer 1995 in euer neues Zuhause zurück, in das die Familie während eurer Abwesenheit gezogen ist. Statt einer großen Willkommensparty erwartet euch in einer stürmischen Nacht aber nur ein Zettel an der Haustür. Gone Home stellt nur eine Frage: Was ist mit eurer Familie geschehen? Während draußen ein Sturm tobt, Blitze zucken und der Regen gegen die Scheiben trommelt, tastet sich Kaitlin in der Eingangshalle von Lampe zu Lampe. Sie untersucht die Schränke und Schubladen. Irgendwo muss hier doch ein Hinweis auf ihre Familie sein! Jeden Gegenstand nehme ich dazu in die Hand, lese Rechnungen, Notizen und Prospekte.

Eine Willkommensparty sieht anders aus...
Für ein ungutes Gefühl sorgt auch die Aufnahme auf dem Anrufbeantworter: Ein scheinbar verzweifeltes Mädchen will mit meiner Schwester Sam sprechen. Was ist hier passiert? Dies gilt es auf der Reise durch das Haus herauszufinden. Wer etwas mehr über den Spielablauf und seien Besonderheiten erfahren möchte, sollte einen Blick auf den Test des PC-Originals werfen.

Zurück nach 1995

Mit seiner ungewöhnlich inszenierten Geschichte und einer geheimnisvollen bis nostalgischen Atmosphäre gewannen Steve Gaynor und sein Studio Fullbright Company unseren Preis für das PC-Spiel des Jahres 2013. Zweieinhalb Jahre später bekommen endlich auch Konsolenbesitzer eine Umsetzung. Die Fassungen für PS4 und Xbox One tragen den Untertitel „Console Edition“ und liefern als Bonus rund 90 Minuten Audiokommentare. Wer die Geschichte bereits durchgespielt hat, kann also zu den zahlreichen im Haus verstreuten Symbolen gehen und sich kurze Geschichten der Entwickler zu Design-Entscheidungen, Änderungen im Skript, Hintergründen der Geschichte und Anekdoten aus dem Entwickleralltag anhören.

Die verstreuten Objekte werden adventuretypisch vor die Linse genommen und lassen sich für versteckte Hinweise rotieren.
Wer möchte, kann schon zu Beginn des Spiels alle verriegelten Bereiche aufschließen lassen, um auf Entdeckungstour nach den Hintergrundinfos zu gehen. Die Checkbox dazu lässt sich allerdings nur beim Start eines Durchgangs aktivieren. Auf dem gleichen Bildschirm können auch die Karte deaktiviert, sämtliche Lichter eingeschaltet oder die für die Story wichtigen vorgelesenen Tagebücher deaktiviert werden.  Alle Gründer des Studios haben zum Audiokommentar beigetragen: Steve Gaynor und Karla Zimonja plaudern locker über die Ausarbeitung der Geschichte, gestrichene Figuren, alte Erinnerungen an Florida und andere mehr oder weniger relevante Details.

Schöner Audiokommentar, schwache Übersetzung

Programmierer Johnemann Nordhagen, Environment-Artist Kate Craig, Komponist Chris Remo oder Sprecherin Sarah Grayson konzentrieren sich etwas mehr auf den Schaffensprozess. Sie sprechen über Inspirationen, die Vorbereitung aufs Einsprechen oder wie genau die Interaktion mit einer Tür technisch funktioniert. Insgesamt sind ihre Kommentare ein unterhaltsamer Bonus, allerdings klingen manche der Aufnahmen wie ein Skype-Mitschnitt mit einem Headset vom Discounter. Auch die deutsche Übersetzung wirkt arg amateurhaft, weil sämtliche Umlaute fehlen. Die restlichen deutschen Untertitel leiden zum Glück nicht unter diesen Fehlern und lassen sich auf Wunsch deaktivieren; die Sprachausgabe bleibt nach wie vor Englisch.

Was erwartet den Spieler in diesem Keller?
Das Adventure des kleine Teams ist natürlich auch in den neuen Konsolenfassungen keine Technikbombe im Stil von P.T. - einige Feinheiten wurden bei der Portierung in Unity 5 aber aufpoliert: Dazu gehören die etwas schärfer wirkenden Oberflächen und eine etwas stimmungsvollere Beleuchtung. Nach wie vor flutscht alles stets flüssig über den Schirm, komplett fehlerfrei ist die Technik aber zumindest auf der Xbox One nicht: Auf Microsofts Konsole sind mir kleine Bugs bei Türen und Geheimverstecken begegnet. Eine Schublade z.B. öffnete sich irgendwann von ganz alleine, noch bevor ich den passenden Code eingegeben hatte. Anderswo musste ich erst zweimal  aufs Knöpfchen drücken, damit sich eine bereits entdeckte Geheimtür endlich öffnete. Beide Fehler sind nicht tragisch, können aber kurzzeitig Verwirrung stiften. Die Controller-Steuerung funktioniert meist ordentlich, beim Öffnen von Schranktüren sollte man allerdings einen Schritt zurücktreten, sonst steht man der Aktion manchmal im Weg.

Fazit

Viel hat sich in der Konsolen-Fassung von Gone Home nicht geändert: Die Audiokommentare sind eine schöne optionale Ergänzung, außerdem wirken die dezent aufgehübschten Kulissen eine Deut stimmungsvoller. Auf der Xbox One sind uns allerdings kleine Tür-Bugs begegnet, die sich zum Glück aber nur leicht auf den Spielverlauf ausgewirkt haben. Davon abgesehen ähnelt das Spiel seinem PC-Vorbild stark, daher zitiere ich im Folgenden Eike, der seinerzeit das Original getestet hat: „Gone Home spielt mit Grusel, Thriller und Adventure: Es packt mich mit seiner zum Schneiden dichten Atmosphäre, verführt mich mit seinen Nebenhandlungen und berührt mich mit seiner Intimität. Die rebellische Jugendkultur, die authentische Umgebung, die unheimlich passende Underground-Musik, die auf selbstgemachten Kassetten gefunden und abgespielt werden kann: Alles versetzt mich sofort in die 90er zurück. Die fantastisch vertonten Tagebucheinträge sowie die mit Wendungen versehene , dabei sehr feinfühlig und gleichzeitig spannend erzählte Haupthandlung haben mich jeden Moment genießen lassen. Zwar ist die Erzählung nach drei Stunden vorbei, aber sie hat mich länger beschäftigt als so mancher 50-Stunden-Titel. Die Umgebung leidet zwar etwas unter der  schwachen Technik, kann aber sehr viel durch die fantastische Raumgestaltung wettmachen. Wer drei Stunden mit einem wirklich tollen und emotionalen Spiel verbringen möchte, der sollte sich dringend auf diese Zeitreise begeben.“

Pro

sehr emotionale und spannende Handlung
fantastisch entworfener, authentischer Schauplatz
Notizen, Bilder und Gegenstände sind die "Erzähler"
Jeder Gegenstand kann aufgenommen und untersucht werden
gelungene Darstellung der 90er
tolle Musik und Sprecher
Es gibt viele Details aus dem Leben der Familie zu entdecken
lebensnahe Spielerfahrung auf kleinem Raum
gelungene Anekdoten im Audiokommentar

Kontra

etwas schwache Technik (Oberflächen, Beleuchtung)
leider nach drei Stunden vorbei
kleine Tür-Bugs (Xbox One)

Wertung

PlayStation4

Stimmungsvoll, mitreißend, emotional: Gone Home ist eine ganz besondere Erfahrung.

XboxOne

Stimmungsvoll, mitreißend, emotional: Gone Home ist eine ganz besondere Erfahrung. Ein paar kleine Bugs sorgten auf der Xbox One zum Glück nur kurzzeitig für Verwirrung.

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