Destiny12.09.2014, Michael Krosta

Im Test: Der Beginn einer neuen Ära?

Es ist eine der bis dato teuersten Videospiel-Produktionen. Und der Hype, der rund um das neue Science-Fiction-Universum von Bungie und Activision generiert wurde, hat ihr sogar einen Auftritt in abendlichen Ausgaben von Nachrichtensendungen wie RTL Aktuell sowie anderen Medien abseits der Spielebranche beschert. Aber ist Destiny (ab 4,90€ bei kaufen) tatsächlich der Beginn einer neuen Ära? Die perfekte Symbiose aus Shooter und MMO, die uns in den kommenden zehn Jahren begleiten und Unterhaltung auf höchstem Niveau bieten will? Wir sind als Hüter losgezogen, um Antworten zu finden...

Prächtige Welten

Destiny hat ein Problem. Ach was: Destiny hat mehr als nur ein Problem! Aber das großartige Artdesign mit seiner tollen Architektur, die abwechslungsreich gestalteten Planeten wie Erde, Mars und Venus mit ihren teils spektakulären Panoramen, verschachtelten Tunnelsystemen sowie sehenswerte Licht- und Partikeleffekten gehören definitiv nicht dazu. Es ist z.B. ein herrlich erhabenes Gefühl, von den Mondkratern aus auf unsere Erde zu blicken, das dynamische Atmosphäre-Schauspiel am Horizont der Venus mit ihrem vorherrschenden Dschungel zu beobachten oder seine Fußspuren im roten Sand des Mars zu hinterlassen, während die Szenerie in ein tolles Licht getaucht wird - schicke Lense-Flares im Stil von J.J. Abrams inklusive. Die mit Ausnahme des Protagonisten überwiegend gute Besetzung professioneller Synchronsprecher, der meist gelungene, wenn auch stellenweise etwas zu pompös aufgetragene Soundtrack mit seiner Mischung aus orchestralen Arrangements und Electro-Klängen sowie die krachenden Effekte runden die starke Präsentation ab. Nur eine Sache stört mich: Trotz all der Pracht wirken die Planeten erschreckend steril. Bis auf ein paar Vögel hier und da vermisst man eine lebendige Fauna und auch die Flora scheint vor allem einem Standard-Baukasten zu entstammen und fängt das potenzielle Flair fremder Planeten deshalb nur im Ansatz ein. Der Dschungel der Venus könnte genauso gut in dieser Form auf der Erde existieren – sieht man vom Drumherum einmal ab. Aber das sind wohl die Folgen der menschlichen Kolonialisierung, bei der auch Atmosphäre und Schwerkraft offensichtlich den Bedingungen auf der Erde angepasst wurden.   

Trotzdem: Destiny sieht nicht nur gut aus, sondern hört sich auch klasse an! Und die Areale sind nach Shooter-Maßstäben nicht nur ungewöhnlich weitläufig, sondern auch angenehm offen. So gibt es doch einiges an und unter der Oberfläche zu erkunden, wobei sich größere Distanzen einfach mit diversen Vehikeln überbrücken lassen, die man

Das Artdesign der Welten ist klasse.
nach einem Hack des jeweiligen Planeten-Sicherheitssystems jederzeit anfordern kann. Brettert man z.B. mit einem Sparrow durch die dichten Wälder der Venus, werden nicht nur aufgrund der kreischenden Triebwerke Erinnerungen an die Speeder-Bike-Szene aus Star Wars: Episode 6 bei der Verfolgungsjagd auf Endor wach.

Die große Freiheit?

Allerdings entpuppen sich die auf den ersten Blick gewaltigen Ausmaße der Spielwelt relativ schnell als Illusion, denn zum einen schränken künstliche Begrenzungen die Bewegungsfreiheit ein und zum anderen sind die Areale längst nicht so groß, wie es die verschiedenen Zonen auf der Karte suggerieren. Zieht man MMO-Maßstäbe heran, wirken die Areale auf den Planeten sogar relativ klein und spielen eher in der Liga von Mehrspielerkarten eines Battlefield 4 – eine Tatsache, die man vor allem beim freien Erkunden oder dem Absolvieren von Patrouillen-Missionen realisiert. Dort wird man neben anderen redundanten Aufgaben wie dem Sammeln von belanglosen Ressourcen bei getöteten Feinden auch gerne zwecks langweiligen Vermessungsaufträgen von einem ans andere Ende der Karte geschickt, um dann für zehn Sekunden an der markierten Stelle zu verharren – geht es noch öder? So wäre z.B. ein Zeitlimit bei manchen Aufträgen eine willkommene Modifikation gewesen. Oder ein Renn-Modus, in dem man sich in Sparrows oder anderen Vehikeln in bester WipEout-Manier Duelle gegen andere Hüter liefert.

Mit dem Sparrow und anderen Vehikeln ist man mobil.
Deutlich gelungener und abwechslungsreicher sind die Bounty-Missionen, die im Deutschen neben anderen fragwürdigen Begriffen etwas unglücklich mit „Beutezügen“ übersetzt wurden: Hier stellt man sich auf Wunsch seine eigenen Herausforderungen zusammen, um sich weitere Erfahrungspunkte und / oder Ausrüstung zu verdienen. Dazu zählen z.B. das Ausschalten von Boss-Gegnern oder das Töten von 100 Feinden, ohne dabei einmal zu sterben. Die Liste an Aufträgen, die man im Turm als zentralem Treffpunkt innerhalb der Destiny-Spielwelt jederzeit beim Beutezug-Aufseher einsehen kann, wird dabei regelmäßig aktualisiert, wiederholen sich aber nach kurzer Zeit. Insgesamt darf man sich maximal fünf Beutezüge parallel aufladen, sie auf Wunsch aber auch abbrechen, um sie z.B. gegen andere Herausforderungen einzutauschen. Diese erledigt man nicht nur im Rahmen der Patrouille, sondern auch innerhalb der Mini-Raids, die hier Strikes genannt werden, in kompetitiven Mehrspieler-Partien oder den Story-Missionen. Letztere leiden allerdings nicht nur am häufigen Aufsuchen bereits bekannter Schauplätze („Backtracking“), sondern werden auch ihrem Namen kaum gerecht. 

Nichts zu erzählen

Warum? Weil es Bungie mit dem unheimlich einfallslosen Konflikt zwischen den Armeen des Lichts und der Dunkelheit trotz zahlreicher Fraktionen und Alien-Rassen nicht gelingt, eine spannende Geschichte daraus zu spinnen – geschweige denn, sie packend zu inszenieren. Ich habe mich oft dabei erwischt, gar nicht so recht zu wissen, für welches Ziel ich da eigentlich gerade kämpfe und warum ich jetzt ausgerechnet auf diese Mission geschickt wurde. Stattdessen folgte ich meist einfach der Markierung auf dem Radar, um mein nächstes Ziel in Angriff zu nehmen. Aber die Handlung? Völlig belanglos! Charaktere, die mir im Gedächtnis bleiben oder zu denen ich eine emotionale Verbindung aufbauen könnte? Fehlanzeige! Selbst mein Hüter, den ich mir im oberflächlichen Editor mit seinen beschränkten Möglichkeiten erstellt habe, hat als Figur das Charisma einer Scheibe Brot. Und das soll der Retter der Menschheit sein?

Mir kommt es so vor, als hätte Bungie allen erdenklichen Sci-Fi-Kram in einen Pott geschmissen und umgerührt, um möglichst viele Klischees zu bedienen. Da gibt es die Gefallenen, die durchaus Ähnlichkeiten mit der Allianz aus Halo aufweisen. Die Schar erinnert mit ihren entstellten Körpern dagegen an eine kleine Zombie-Armee. Auf der Venus warten die obligatorischen Maschinenwesen, die hier auf den Namen Vex hören. Und auf dem Mars steht man plötzlich schwer gepanzerten Kabalen gegenüber, die ihre mächtigen Rüstungen scheinbar von der Alien-Rasse aus „Das fünfte Element“ geborgt haben. Nicht zu vergessen, dass es auch unter den Menschen verschiedene

Der Geist, euer ständiger Begleiter, könnte auch aus Halo stammen. Oder Portal.
Gruppierungen gibt – so z.B. eine mysteriöse Königin, die abseits der letzten sicheren Stadt auf der Erde über ein eigenes Königreich herrscht, das sich in einem Asteroidengürtel befindet. Eigentlich beste Voraussetzungen für ein Universum voller spannender Geschichten. Doch Bungie nutzt das Potenzial nicht einmal im Ansatz – wahrscheinlich, weil man sich im Gegensatz zu BioWare bei Mass Effect keine großen Gedanken über Hintergründe der verschiedenen Rassen gemacht und diese z.B. in Form einer Enzyklopädie ausgearbeitet hat. So bleibt alles oberflächlich und läuft auf einen simplen Konflikt „Gut gegen Böse“ hinaus, der hier jedoch so dilettantisch präsentiert wird, dass man schnell das Interesse an der Geschichte verliert. Also konzentriert man sich lieber nur noch auf die Feuergefechte und das Sammeln von neuer Ausrüstung sowie Verbesserungen.

Das Halo-Feeling

Im Editor sind die Möglichkeiten zur Gestaltung des Hüters arg begrenzt.
An der Shooter-Mechanik an sich gibt es nichts zu meckern: Zwar dürfte die leichte, nicht abstellbare Zielhilfe dem einen oder anderen Puristen sauer aufstoßen, doch reagiert die Steuerung angenehm flott und präzise – hier macht sich eindeutig die Erfahrung des Studios bemerkbar, die man in der Halo-Reihe gesammelt hat. So kann man auch hier ein gutes Gefühl für die verschiedenen Waffen mit ihren individuellen Stärken und Schwächen entwickeln sowie Auswirkungen von Verbesserungen wie eine gesteigerte Stabilität oder mehr Durchschlagskraft deutlich spüren. Über das gebotene Arsenal lässt sich allerdings streiten: Es scheint nämlich so, als habe man einen Military-Shooter wie Call of Duty genommen und ihn einfach in ein Sci-Fi-Szenario verfrachtet. Zum Glück gibt es neben all den Standard-Sturmgewehren, Shotguns, Pistolen und schweren Geschützen wie Raketenwerfern oder MGs aber doch noch die eine oder andere Wumme wie die Impuls-Gewehre oder blitzende Mehrfach-Granaten, die zumindest im Ansatz dem erschreckend gewöhnlichen Arsenal einen kleinen futuristischen Hauch verleihen. Wer aber auf eine große Auswahl an coolen Laserwaffen, stylischen Gadgets oder gar innovativen Konstruktionen im Stil von Resistance gehofft hat, wird enttäuscht.

Dumm, aber stark

Stellt euch folgende Situation vor: Da ist ein riesiger Typ, der wirklich gar nichts in der Birne hat, aber dank seiner muskelbepackten Arme ordentlich austeilen kann. Und wenn er noch ein paar Freunde von einem ähnlichen Schlag dabei hat, kann es bei einer Konfrontation ganz schön ungemütlich werden. Aber ihr wollt es wissen, verpasst einem von ihnen eine saftige Backpfeife und rennt schnell weg. Die Typen, zunächst etwas perplex, nehmen selbstverständlich die Verfolgung auf, sind schon ganz dicht an euch dran, aber dann...bleiben sie plötzlich stehen und kehren um. Ihr könnt es kaum glauben und geht wieder einen Meter auf die Rabauken-Bande zu, die euch mittlerweile einfach den Rücken zugewendet hat, aber nach dieser Provokation sofort wieder angerannt kommt. Also geht ihr wieder einen Meter zurück – und schon verlieren sie einmal mehr das Interesse an euch.

Vor allem bei starken Gegnern oder Gruppenverbänden ist die kurze Respawn-Zeit sehr nervig.
Klingt verrückt, oder?! Aber genau so läuft ein Großteil der Feuergefechte in Destiny ab! Denn die meisten KI-Gegner agieren nur in einem fest abgesteckten Bereich. Dessen Grenzen sind zwar eigentlich unsichtbar, aber trotzdem erkennt man mit bloßem Auge, wo die Schergen plötzlich wieder kehrt machen oder sich nicht trauen, weiter vorzurücken. Ich kann mir nicht erklären, was Bungie da geritten hat: Diese grottige KI ist eine einzige Katastrophe und nagt mit ihrem berechenbaren Verhalten sowie immer gleichen Animationen nicht nur massiv an der Glaubwürdigkeit der Welt, sondern folgt offensichtlich nur einem simplen Skript. Respekt verschaffen sich Schar, Vex & Co lediglich durch ihr massenhaftes Auftreten und eine mitunter prall gefüllte Lebensleiste samt Schild, bei der man je nach Gegner-Level und Wucht der eigenen Waffe schon mal mehrere Magazine draufhalten muss, um sie niederzustrecken. Entsprechend zäh gestalten sich viele der Feuergefechte, denn im Gegensatz zum obligatorischen Kanonenfutter und unaufmerksamen Träumern beißt man sich an anderen Gegnertypen die Zähne aus.

Schnelles Comeback

Destiny auf der Xbox 360

Technisch muss man auf der Xbox 360 einige Abstriche in Kauf nehmen: Die Bildrate ist zwar identisch, die Auflösung aber reduziert, Kanten treten stärker hervor und auch die Qualität der Lichteffekte ist deutlich reduziert.

Trotzdem ist Bungie eine hervorragende Umsetzung gelungen: Spielgefühl, Präsentation und Verbindungsqualität erreichen angesichts der alten Hardware ein erstaunlich hohes Niveau, das sich kaum vor den neuen Konsolen zu verstecken braucht. Besonders ärgerlich bei starken Gruppenverbänden: Kaum hat man sie mit viel Schweiß und Mut eliminiert, respawnen sie keine Minute später wieder an der gleichen Stelle und können für die eine oder andere unangenehme Überraschung sorgen. Das mag zwar willkommen sein, wenn man mit einer überlegenen Ausrüstung einfach nur grinden und in Rängen aufsteigen will, erweist sich aber als extrem nervig, wenn man sich den Erfolg hart erarbeiten muss. In diesem Zusammenhang sind auch die XP-Belohnungen ein schlechter Witz: So spielt es keine Rolle, ob man z.B. einen Captain der Gefallenen mit einem niedrigen oder hohen Level ausschaltet, denn die gewonnenen Erfahrungspunkte bleiben immer gleich.

Überhaupt hat man das Gefühl, dass man sich bei Bungie über Belohnungen und Beute nur wenig Gedanken gemacht hat, denn Beutekisten sind rar und oft hinterlassen selbst Standardgegner wertvollere Gegenstände. Richtig frustrierend sind die Bosskämpfe: Sie ziehen sich nicht nur über einen großen Zeitraum und sind dabei oft zäh wie Kaugummi, sondern werden bei erfolgreichem Abschluss nur selten honoriert. Ein Negativbeispiel ist diesbezüglich der furchtbare Kampf gegen den Devil Walker, mit dem man sich im ersten Koop-Strike auf der Erde trotz der unterirdischen KI über 20 Minuten lang anlegen muss, um am Ende rein gar nichts zu bekommen. Ja, liebe Entwickler: So motiviert man Spieler ganz sicher nicht, sich durchzuquälen!

Zähes Grinden ab Level 20

Noch schlimmer wird es, sobald man das Softcap-Level 20 erreicht hat und sich nur noch mit so genannter „Licht-Ausrüstung“ im Endgame weiter nach oben leveln kann. Da man die nötigen Gegenstände nicht im Turm erwerben kann, wird das Auftreiben von Licht-Equipment zur reinen Glückssache – das Gleiche gilt u.a. für Licht-Partikel als eine von zig Währungen, die man später ebenfalls für bestimmte Teile benötigt. Das alles führt in erster Linie dazu, dass der Zwang zum extremen Grinden noch weiter verstärkt wird, so dass man sich immer und immer wieder in die altbekannten Missionen und Strikes stürzen muss. Dabei sind vor allem Letztere weder zahlreich vorhanden noch sonderlich abwechslungsreich, da sie quasi immer nach dem gleichen Prinzip ablaufen. Immerhin wird durch wöchentliche Aufgaben und zufällige Strike-Listen der Schwierigkeitsgrad variiert, doch zu schnell hat man sich an den Missionen satt gesehen. In seinem jetzigen Zustand mangelt es Destiny schlichtweg an Inhalten! Und so merke ich schon nach nur einer Woche, wie ich zunehmend die Lust daran verliere, mich weiter im Schneckentempo nach oben zu leveln, denn vor allem ab Level 20 steht der Aufwand für mich in keinem Verhältnis mehr zum Ergebnis.

Schlechtes PvP-Balancing

Die unterschiedlichen Fraktionen spielen erst ab Level 20 eine Rolle.
Tatsächlich empfinde ich es sogar als Zumutung, dass ich für teures PvP-Equipment mit den Schmelztiegelmarken eine weitere separate Zentral-Währung neben Glimmer und Vorhut-Marken erspielen muss. Gleichzeitig sorgt diese Trennung dafür, dass der Einstieg in die Welt der PvP-Kämpfe in Modi wie Eroberung, (Team-)Deathmatch und Bergung vornehmlich von Frust geprägt ist, weil man sich als Anfänger das nötige Equipment noch nicht leisten kann, während gut ausgestattete Gegner entsprechend leichtes Spiel haben. Hier wäre ein gutes Matchmaking gefragt, das bei der Zusammenstellung der Teams vornehmlich Rüstungen und Waffen einbezieht. Aber das scheint hier leider nicht der Fall zu sein. So stellt sich erst mit entsprechender Ausrüstung der Spaß im Kampf Hüter gegen Hüter ein – und ab diesem Punkt zeigen sich die PvP-Gefechte von ihrer schönen Seite, auch wenn man die Möglichkeiten zur Einstellung eigener Regeln, Karten oder private Matches vermisst. Die Arenen sind gut designt und bieten neben verschachtelten Gängen auch viele freie Flächen sowie Geschützstellungen und teilweise sogar Vehikel-Kampf. Zudem profitiert die Dynamik von zufällig abgeworfenen Nachschub-Kisten für schwere Waffen. Die Nahkampf-Angriffe wirken derzeit allerdings noch etwas zu stark. Auch hätte man die maximale Anzahl von zwölf Spielern ruhig noch etwas weiter nach oben schrauben dürfen.

Koop als Spaß-Retter

Der Einstieg in PvP ist von Frust geprägt, danach geht es bergauf.
Gleiches gilt für die Einsatztrupps (Fireteams), mit denen man zunächst nur zu dritt die Story-Missionen und Strikes in Angriff nehmen darf. Erst in späteren Raids wird man wohl die Gruppe auf sechs Teilnehmer erweitern dürfen. Doch schon das Kämpfen als Trio erweist sich als Segen für Destiny: Während das einsame Abklappern der Missionen auch angesichts der Story-Schwächen und des Mangels an spielerischer Abwechslung schnell an Reiz verliert oder die Dunkelheitszonen mit ihrem eingeschränkten Respawn zu Frust-Momenten führen, entpuppt sich der Koop-Ansatz als eine gelungene Alternative. Es macht einfach Spaß, zwischendurch mit Freunden oder anderen Spielern loszuziehen, um mit gemeinsamen Kräften die Bedrohungen auszuschalten und sich durch Wiederbeleben gegenseitig unter die Arme zu greifen. Auch die Dunkelheitszonen werden im Koop entschärft, denn erst wenn alle drei Spieler tot am Boden liegen, geht es zurück zum Anfangspunkt. Zudem kann man in einem eingespielten Team viel besser taktieren – das gilt besonders für die Bosskämpfe in Strikes, in denen man das Feuer des Monstrums gezielt auf einen der Spieler lenken kann, damit die anderen dessen Schwachstelle ins Visier nehmen können.

Starke Netz-Technik

Für das gelungene Koop-Spielgefühl spielt das Technik-Gerüst eine zentrale Rolle. Obwohl es ohne Zweifel ein riesiger Launch war, hat Bungie mit einer Kombination aus erstklassigem Netzcode und guten sowie ausreichend vorhandenen Servern dafür gesorgt, dass Verbindungsabbrüche oder Lags bis heute zu den Ausnahmen im Betrieb zählen. Und selbst wenn es mal zu Problemen kommt und ein Spieler aus der Partie fliegt, kann der Rest des Teams ungehindert weiterspielen und der „verlorene Sohn“ jederzeit wieder in die laufende Mission einsteigen. Diese Leistung muss man Bungie und Activision hoch anrechnen – vor allem wenn man als Vergleich andere Online-Titel heran zieht, die beim Start mit riesigen Problemen zu kämpfen hatten.  

Das Warte-Spiel

Ja, auch Frauen dürfen sich als Hüter(innen) versuchen.
An anderer Stelle kommt aber auch bei Destiny der Technik-Motor ins Stocken. Das betrifft weniger die prächtige Kulisse und die saubere Darstellung, sondern die Struktur, die mit dem ständigen Pflicht-Flug zum Orbit als Hub nicht nur häufige, sondern auch lange Ladeunterbrechungen mit sich bringt. Dass man die Kollisionsabfrage bei den zahlreichen Hütern im Turm deaktiviert, lässt sich verschmerzen. Aber muss das auch bei den NPCs so sein? Das mag für viele jetzt eine unwichtige Kleinigkeit darstellen, aber für mich sind es auch Kleinigkeiten wie diese, die mich aus der Spielwelt reißen, wenn ich einfach durch Figuren hindurch spazieren kann.  

Der MMO-Faktor

Koop-Spaß hin oder her: Als Shooter ist Destiny mit dem gebotenen Waffenarsenal, den KI-Macken sowie dem redundanten Missionsdesign höchstens durchschnittlich. Aber wie sieht es mit den MMO- und Rollenspielelementen aus? Ich, der Solo-Action bevorzugt, hatte am Anfang noch meine Probleme, mich mit ihnen anzufreunden und hätte auf Anzeige von Tefferpunkten und Lebensleiste über den Köpfen der Gegner genauso gut verzichten können wie auf die lächerliche Tanzfunktion oder andere Bewegungsmuster, die man über das Digi-Pad auslöst. Doch mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und es nicht mehr als störend empfunden. Tatsächlich hatte ich sogar schnell Spaß daran, meine Ausrüstung so zusammenzustellen, um nicht nur meine Verteidigungswerte zu verbessern, sondern mir durch Perks in Bereichen wie Intellekt, Stärke und Disziplin auch Vorteile zu verschaffen.

Die drei Klassen spielen sich recht ähnlich.
Zudem ist es ein herrliches Gefühl, eine stärkere Waffe in den Händen zu halten – sei es durch einen Glücksfund, eine Prämie nach einer erfolgreichen Mission, ein manuelles Upgrade oder eine Blaupause, die man beim Kryptarch im Turm zunächst entschlüsseln lassen muss. Kurzum: Das Experimentieren mit der Ausrüstung hat durchaus seine Reize. Zudem hat man die Wahl, überflüssige Gegenstände entweder zu zerlegen und neben Glimmer auch Ressourcen aus ihnen zu gewinnen, oder sie im Tresor zu lagern. Letzterer bietet aber leider nur beschränkten Platz, kann dafür aber mit anderen eigenen Charakteren geteilt werden. Umständlich: Will man Platz im Tresor frei schaufeln, muss man die entsprechenden Gegenstände erst wieder ins Inventar verschieben anstatt sie direkt im Tresor zerlegen zu dürfen.  

Drei Klassen, kaum Unterschiede

Zu Beginn hat man die Wahl zwischen drei Klassen von Hütern: Titanen als gepanzerte Kriegsmaschinen, Jäger als Meister des Grenzlands oder Warlocks, die vor allem die Energien des Universums nutzen und manipulieren. Zusätzlich hat man für jede Klasse die Wahl zwischen den drei Spezies Mensch, Erwachte und Exo, wobei sich hier die Unterschiede in erster Linie auf die Optik sowie die verfügbaren Gestaltungsmöglichkeiten im Editor beschränken.

Leider sieht es bei den Klassen ähnlich aus: Titanen, Jäger und Warlocks spielen sich viel zu ähnlich – kein Wunder, haben doch alle Zugriff auf ein identisches Waffenarsenal und auch hinsichtlich der Fähigkeiten erkennt man kaum fundamentale Unterschiede. Die Idee, sich ab Level 15 auf einen alternativen Fokus zu konzentrieren und neue Vorzüge freizuschalten, gefällt mir im Prinzip gut. Doch auch hier fallen die Unterschiede innerhalb und zwischen den Klassen für meinen Geschmack zu marginal aus.

Hurra: Der Super-Angriff ist aufgeladen!
Schön dagegen, dass sich die erstellten Hüter innerhalb einer Plattform-Familie problemlos übernehmen lassen. Wer das Spiel z.B. auf einer 360 beginnt und irgendwann auf der Xbox One weiterspielen möchte, hat sofort und ohne lästiges Importieren Zugriff auf seinen bestehenden Charakter und muss nicht wieder von vorne anfangen – klasse!   

Kein Handel, Crafting nur in Ansätzen

Activision und Bungie wurden nicht müde zu betonen, dass das eigentliche Spiel erst dann richtig beginnt, sobald man Stufe 20 mit seinem Charakter erreicht. Tatsächlich öffnen sich ab diesem Punkt zahlreiche Optionen und Möglichkeiten, die man vorher vermisst hat. Dazu zählt z.B. der Zugang zu den verschiedenen Fraktionen, die erst ab diesem Level eine Existenzberechtigung erhalten, letzten Endes mit ihren exklusiven Abzeichen, Waffen und Rüstungen aber ebenfalls nur ein Ziel verfolgen: Der Spieler soll Grinden, bis der Arzt kommt!    

Ein großes Fragezeichen steht derzeit noch hinter den zahlreichen Ressourcen, die man auf den Planeten einsammeln kann, denn Crafting kommt bisher nur in Ansätzen für das Aufwerten, nicht aber für das Erstellen von Equipment zum Einsatz und dürfte MMO-Spieler genauso enttäuschen wie die Tatsache, dass man untereinander keinen Handel betreiben darf.

Fazit

„Was, wenn World of WarCraft ein Shooter wäre?“, fragte sich erst kürzlich Entwickler-Legende John Romero. Mit Destiny liefern Activision und Bungie jetzt eine mögliche Antwort. Doch das Experiment, einen Shooter mit MMO- und Rollenspielelementen zu kreuzen, geht nur im Ansatz auf: Als reinem Action-Titel mangelt es Destiny trotz der präzisen Steuerung und mitunter famoser Technik an spielerischer Abwechslung, einer guten KI und nicht zuletzt einer halbwegs passablen Geschichte. So sind es in erster Linie die kompetitiven Mehrspieler-Gefechte und das kooperative Ballern in zu klein geratenen Teams, die für Stimmung sorgen. Trotzdem wird unterm Strich lediglich durchschnittliche Action inszeniert, die man zwischendurch gerne mitnimmt, die aber nicht dauerhaft an den Bildschirm fesseln kann. Ohne Handel, kaum vorhandene Crafting-Elemente, nahezu überflüssige Fraktionen und eine Spielwelt, die trotz weitläufiger Areale recht klein ausfällt und von ständigen Zwangsstopps im Orbit sowie nervigen Ladezeiten geplagt wird, fallen derzeit auch die MMO-Aspekte zu flach aus. Mit einer Ausnahme: Wer auf genretypische Grind-Orgien steht, kommt hier voll auf seine Kosten! Bei mir hat diese auferlegte Pflicht, mich für ein paar läppische Erfahrungspunkte und das Item-Glücksspiel immer wieder durch altbekannte Strikes und Missionen zu quälen, ab Level 20 für eine rapide zunehmende Lustlosigkeit am Spiel geführt.  Neben Inhalten und Missionsvielfalt mangelt es Destiny aber vor allem an einer Identität: Man will zwar Fans verschiedener Genres vereinen und verpasst für alle Fälle sogar SciFi-Gegnern wie Robotern Fantasy-Bezeichnungen wie „Goblin“ oder „Harpyie“, kann am Ende aber weder die Shooter- noch die MMO-Fraktion wirklich zufrieden stellen. Klar: Destiny legt derzeit nur einen Grundstein. Aber um tatsächlich die ganz große Faszination für das neue Universum zu entfachen, liegt in den kommenden zehn Jahren noch eine Menge Arbeit vor „Bungie-Vision“.  

(Die PS3-Version lag uns nicht zum Test vor, Anm. d. Red.)

Pro

stimmiges Artdesign mit toller Architektur
gelungene Shooter-Mechanik mit flotter Steuerung...
weitläufige, abwechslungsreich gestaltete Areale...
überwiegend gelungener Soundtrack
gute deutsche Sprecher...
nette Beutezug-Aufträge
ansehnliche Kulisse mit schicken Licht- und Partikeleffekten
zahlreiche Gegenstände, Abzeichen, Waffen und Upgrades
gelungene Koop-Einbindung sorgt für spürbar mehr Spielspaß
eingeschränkte Respawns in bestimmten Sektionen erhöhen Spannung...
Kompetitive Mehrspieler-Modi...
überwiegend saubere Online-Performance ohne Lags
Hüter lassen sich innerhalb der Plattform-Familie übernehmen

Kontra

dämliche "Skript-KI", die meist in beschränkten Arealen agiert
...aber mit aufgezwungener Zielhilfe
...aber für MMO-Verhältnisse kleine Spielwelt
lange Ladezeiten und Unterbrechungen
... aber mitunter merkwürdige Übersetzungen
z.T. extrem zähe Feuergefechte, Bosskämpfe und Strikes
zu schneller Respawn von Gegner(gruppen)
kein Handel von Gegenständen
kaum Crafting-Optionen
...aber oft auch den Frust
...aber nur für bis zu zwölf Spieler
Gilden / Fraktionen spielen bisher kaum eine Rolle
sehr redundante Patrouillen-Missionen
leblose Welten (kaum einheimische Flora & Fauna)
extrem Grind-lastig (gegen Story-Ende & ab Level 20)
lahme Hintergrundgeschichte und schwache Story-Inszenierung
relativ kurze Kampagne
oberflächlicher Charakter-Editor mit vielen Vorgaben
kaum spielerische Unterschiede zwischen den drei Klassen
kaum Hintergrundinformationen zu Spezies und ihre Motive
wenige und schlecht verteilte Belohnungen
häufiges Aufsuchen bekannter Schauplätze ("Backtracking")
fehlende Kollisionsabfrage im Turm
XP nicht an Gegnerlevel gekoppelt
automatische Munitionsaufstockung
z.T. stark schwankender Schwierigkeitsgrad
vereinzelte Verbindungsabbrüche
unausgewogene Balance in Mehrspieler-Gefechten
Karten & Optionen in Versus-Modi automatisch vorgegeben

Wertung

360

Technisch ist Bungie trotz kleiner Zwangs-Einbußen eine vorbildliche Umsetzung gelungen - inhaltlich hapert es aber auch auf der Xbox 360.

PlayStation4

Als Shooter zu gewöhnlich, als MMO zu flach: Destiny mangelt es abseits der beeindruckenden Technik vor allem an Identität, Kreativität und Abwechslung!

XboxOne

Technisch und inhaltlich befindet sich die One-Version auf Augenhöhe mit der PS4-Fassung.

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