The Incredible Adventures of Van Helsing09.12.2015, Mathias Oertel
The Incredible Adventures of Van Helsing

Im Test: Unglaublich, aber wahr

Seitdem Neocore vor etwas mehr als zwei Jahren mit The Incredible Adventures erste Schritte im klassischen Action-Rollenspiel unternahm, hatte ich auf eine Konsolenversion gehofft. Diese Hoffnung wurde seit Teil 2 bis zum rundum gelungen Final Cut samt angepasster Pad-Unterstützung vor wenigen Wochen zusätzlich genährt. Jetzt wurde die Monster- und Beutejagd tatsächlich auf Xbox One eröffnet. Allerdings anders, als ich es mir gewünscht habe - mehr dazu im Test.

Fehlgeleitete Zeitreise?

Das klassische Action-Rollenspiel wurde in den letzten Jahren von Diablo 3 und der Torchlight-Serie definiert. Doch es gab noch eine weitere Serie, die im Independent-Bereich gewachsen und sich mittlerweile eine stattliche Fangemeinde gesichert hat: Neocores „The Incredible Adventures of Van Helsing (ab 1,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)“. Die Anfänge vor zwei Jahren waren zwar vor allem technisch noch etwas spröde, doch mit jedem Teil der Trilogie wurden sowohl Technik als auch Mechanik verfeinert. Als Höhepunkt erschien am PC vor kurzem der so genannte „Final Cut“, der die Inhalte aller drei Teile mit den ausgefeilten Mechanismen und Figurenklassen der letzten Episode verfeinert. Das Ergebnis im Test waren satte 84% - es fehlten nur Kleinigkeiten am Gold-Award. Daher hatte ich mich enorm auf die schon länger gemutmaßte sowie hinter vorgehaltener Hand bestätigte Konsolenfassung gefreut.

Etwa zweieinhalb Jahre nach der PC-Premiere macht der Monsterjäger Van Helsing die Xbox One unsicher.
Dass die Pad-Steuerung überzeugen würde, hat Van Helsing bereits am PC gezeigt. Dort konnte man schon mit Controller spielen, die Menüführung wurde automatisch angepasst. Dementsprechend gut funktioniert das Action-Rollenspiel auch hier: Die Menüs sind zwar vor allem im Inventar unübersichtlich, das eine Info-Anzeige über neu hinzugekommene Gegenstände vertragen könnte. Doch im Wesentlichen kommt man schnell und unkompliziert in die entsprechenden Bereiche und kann mit wenigen Klicks sowohl die Ausrüstung als auch die Fähigkeiten usw. pflegen. Allerdings frage ich mich auch, wann die Entscheidung für die Konsolenversion gefallen ist. Ausgehend von dem, was man hier bekommt, in etwa zwischen der Entwicklung von Teil 1 und Teil 2 der Rechnerversion. Denn absolut alles, was mit Teil 3 sowie vor allem mit dem Final Cut an Inhalten, Verbesserungen und Verfeinerungen ergänzt wurde, fehlt hier.

Enttäuschung oder Freude?

Steuerung und Benutzerführung wurden sauber an die Konsole angepasst.
Und das ist vor allem initial eine Enttäuschung. Denn statt des halben Dutzends abwechslungsreicher Klassen mitsamt jeweils ausufernder Fähigkeitenbäume bekommt man hier sage und schreibe eine einzige spielbare Klasse, den "Hunter". Zwei weitere, den "Arcade Mechanic" sowie den Thaumaturgen muss man wie seinerzeit bei der Premiere auf Steam zusätzlich im Store kaufen – für jeweils etwa vier Euro! Das ist ein starkes Stück. Ja: Zum Testzeitpunkt sind Van Helsings Abenteuer für Xbox-Live-Gold-Mitglieder kostenlos. Doch die Konsolenspieler werden sich zu Recht gegängelt fühlen, wenn sie wie vor zwei Jahren die PC-Spieler die anderen Klassen teuer nachkaufen und für ein vollständiges Spielerlebnis mitsamt der durchaus interessanten Alternativfiguren beinahe 25 Euro hinlegen müssen. Hier hätte Neocore durchaus großzügiger sein dürfen. Wenn man die PC-Veröffentlichungen als Basis nimmt und damit jetzt schon absehen kann, dass mit Teil 2 diese Klassen von Beginn an zur Verfügung stehen und mit Teil 3 ad acta gelegt werden, ist dies zumindest das falsche Signal. Dass es wohl schon zu spät war, um den ersten Teil des Final Cut konsolengerecht umzusetzen, ist sehr wahrscheinlich, wäre aber die bessere Entscheidung gewesen. Doch abseits des Kuddelmuddels, das angesichts der Qualität des Final Cut umso unverständlicher scheint, liefert der Konsoleneinstand des Monsterjägers inhaltlich genau das, was sein PC-Pendant Mitte 2013 zu einer Wertung von 76% geführt hat.

Es ist nach wie vor ein unterhaltsames Hack & Slay mit Fokus auf einen Helden, haufenweise Beute sowie einer interessanten Tower-Defense-Variation, wie ich seinerzeit im Fazit schrieb. Man ist mit der Hauptfigur in großräumigen Gebieten unterwegs. Man metzelt dutzende auf einen zustürmende Gegner nieder, was gelegentlich an die Massenschlachten der Dynasty Warriors erinnert. Man sammelt Beute ein, legt die bessere Ausrüstung an und hat damit in den anstehenden Gefechten eine bessere Chance. Man löst kleine Umgebungsrätsel. Man rüstet seine Figur mit neuen Fähigkeiten aus oder lernt komplett neue Spezialattacken. Und man nutzt die kecke Geisterdame Lady Katarina, um sich einen weiteren Vorteil im Kampf zu verschaffen. Im Gegensatz zu den üblichen "Pets" in Hack & Slays ist sie nicht nur ein Lastenesel, der überflüssiges Inventar verstauen oder auf Befehl beim nächstgelegenen Händler verkaufen kann. Sie ist auch nicht nur eine probate Kampfpartnerin, der man vorgeben kann, wie sie sich verhalten oder wen sie als nächstes angreifen soll. Sie ist ebenfalls nicht nur eine stets schnippische Gesprächspartnerin, die Van Helsing mit ihren Kommentaren immer wieder zur Weißglut treiben möchte. Sie ist all das - und darüber hinaus ein integraler Bestandteil der Figurenentwicklung Van Helsings. Denn mit jeder Stufe, die sie unabhängig von Val Helsing aufsteigt, kann man nicht nur Punkte auf ihre Eigenschaftswerte verteilen. Man darf auch die spärlich zur Verfügung stehenden Fähigkeitspunkte verteilen, die nicht nur Katarinas Verhalten und Durchschlagskraft, sondern auch Van Helsing passiv beeinflussen. Sprich: Man bekommt ein rundes Hack & Slay, dessen Motivation mich auch beim dritten Mal nach Original und Final Cut wieder packen konnte.

Motivationsspirale

Die Kulisse ist häufig stimmungsvoll, wird aber auch gelegentlich von Bildraten-Einbrüchen gepeinigt.
Die direkte Steuerung der Hauptfigur, die schon den Konsolenversionen von Diablo 3 gut getan hat, wirkt sich auch hier positiv aus. Ich vermisse zwar Umschaltmöglichkeiten, um mehr als die sechs aktiven Angriffsoptionen nutzen zu können. Doch der nach wie vor notwendige „taktische Rückzug“ macht die Gefechte punktuell immer wieder spannend. Die Gegnerauswahl ist ansprechend, das Design mit seinen Anleihen sowohl bei klassischer Fantasy als auch beim Steampunk birgt eine eigenartige Schönheit. Noch schöner wäre es allerdings, wenn The Incredible Adventures of Van Helsing nicht das Bildraten-Problem seines zwei Jahre alten PC-Zwillings teilen würde. Immer wieder kommt es zu Einbrüchen. Diese wirken sich zwar nicht relevant auf das Spielerlebnis aus bzw. führen nicht zu Bildschirmtoden etc., doch störend sind sie allemal. Zumal man ja wohl genug Zeit für Optimierung hatte. Und wenn man diese Zeit nicht hatte, weil die Entwicklung erst spät in die entscheidende Phase ging, wieso hat man sich dann nicht doch gleich zur Umsetzung des Final Cut durchgerungen?

Das Artdesign verbindet klassische Fantasy mit Steampunk-Elementen.
Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass auch der "alte" Van Helsing noch einige weitere Qualitäten hat. Dazu gehört z.B. die umfangreiche Modifikation der Ausrüstung. Man kann zum einen über Essenzen (entspricht in etwa Kristallen bei klassischen Fantasy-Hack&Slays) die Eigenschaften der Rüstung oder Waffen modifzieren. Und man kann gegen Gold sogar versuchen, komplett neue Boni auf die Beute zu legen oder bestehende auszutauschen. Ein gelungener Nebenkriegsschauplatz sind zudem die sporadischen aktiven Tower-Defense-Elemente, die einem nach Eroberung des Unterschlupfes zur Verfügung stehen.  Hier muss man versuchen, an den vorgegebenen Strecken der Gegner, Abwehreinrichtungen zu bauen bzw. aufzurüsten und aktiv gegen die Massen vorzugehen, falls doch jemand durch die Blockade brechen sollte. Dennoch: Unter dem Strich überwiegt die Enttäuschung über Versionswahl und die Preispolitik der Zusatzcharaktere.

Fazit

Das Team, das für die Konsolenumsetzung verantwortlich war, ist schlicht und einfach falsch abgebogen. Oder aber die Entwicklung begann kurz nach Veröffentlichung der PC-Version des Ur-Van-Helsing. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sämtliche Fortschritte, die die Serie am Rechner seit ihren Anfängen bis hin zum nur knapp an Gold gescheiterten "Final Cut" gemacht hat, hier rigoros ignoriert wurden. Stattdessen ist The Incredible Adventures of Van Helsing "nur" eine stringente Umsetzung eines zwei Jahre alten Titels - inkl. der diskutablen kostenpflichtigen Zusatzfiguren, die am PC jedoch nachträglich veröffentlicht wurden. Das ist insofern bedauerlich, da das Grundgerüst zu motivieren versteht, sobald man den Ärger über die verpasste Chance hinter sich gelassen hat. Die Kämpfe gegen die Gegnerhorden übertreiben es zwar manchmal mit der Masse. Doch die Formel bestehend aus Beutejagd, Missionserfüllung und Monsterhatz funktioniert so  gut wie eh und je, so dass die Sogwirkung auch hier deutlich zu spüren ist. Allerdings muss man in einigen Abschnitten mit stark schwankenden Bildraten fertig werden. Unter dem Strich ein ordentliches Action-Rollenspiel, das allerdings weit von der Form des Final Cut am PC entfernt ist.

Pro

drei Figurenklassen...
ansehnliche Kulisse zwischen Steampunk und Fantasy
gut gelungene Pad-Steuerung
stimmungsvolle Musikuntermalung
umfangreicher Fähigkeitenbaum
Sidekick Lady Katarina integraler Bestandteil der Figurenentwicklung
viele Popkultur-Anspielungen
witzige Gespräche zwischen Van Helsing und Lady Katarina
durchdachte Beute-Ausschüttung
zahlreiche Möglichkeiten der Ausrüstungs-Modifikation
interessante Tower Defense inklusive

Kontra

... von denen zwei nachgekauft werden müssen
Bildraten-Probleme in bestimmten Abschnitten
Umsetzung des Ur-Van-Helsing am PC, nicht des Final Cut
Gegnermassen werden mitunter übertrieben
Menübildschirme mitunter unübersichtlich (z.B. Inventar ohne "Neuanzeige")
mitunter herbe Ladezeiten

Wertung

XboxOne

Die Umsetzung des zwei Jahre alten PC-Titels ist ein solides Hack&Slay, das allerdings nicht die Finessen des jüngst veröffentlichten "Final Cut" aufweist - und dazu mit fiesen Mikrotransaktionen versehen ist.

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