Im Test: Krönender Abschluss der Hexersaga?
Die Büchse der Pandora?
Ich mag den Hexer als Figur in den Romanen von Sapkowski und ich schätze das hingebungsvolle Spieldesign von CD Project RED. Aber als die polnischen Entwickler ihre offene Welt vor zwei Jahren ankündigten, war ich skeptisch. Das "Warum" will ich auf dieser ersten Seite etwas näher erläutern, damit mein Standpunkt im Test klarer wird.
Die Sogwirkung von The Witcher und The Witcher 2: Assassins of Kings beruhte ja nicht auf hunderten Quadratkilometern an Möglichkeiten, nicht auf XXL-Kontinenten, Arena-Bosskämpfen oder All-you-can-quest-Karten, sondern auf einer fast schon intimen Atmosphäre mit kleinen, aber fein designten Schauplätzen. Die totale Freiheit ist natürlich verführerisch, aber kann zur Büchse der Pandora werden - gerade in der Weiterentwicklung eines Rollenspiels, das man aufgrund gewisser Tugenden lieb gewonnen hat.
Das neue Vorbild: Bethesda
CD Project RED ist in diesem Vergleich noch ein junges, aber durchaus etabliertes und erfolgreiches Studio auf der Rollenspielbühne. Und wem wollten die Polen als Rollenspiel-Entwickler immer nacheifern? BioWare. Das war 2007 natürlich genauso ehrenwert wie clever, aber schien im Dezember 2014 fast wie ein böses Omen. Zu dieser Zeit lief die PR-Maschinerie für den Hexer zwar schon auf Hochtouren, aber es kamen Gerüchte auf, dass The Witcher 3 ein "unfertiger Grafikblender" sei. Und manche Videos ließen den Verdacht aufkommen, dass
Hoffnung machte jedenfalls eines: Obwohl CD Project in der Gründungszeit die Kanadier als Vorbild bezeichnete und sogar mit der Aurora Engine startete, orientierten sie sich für The Witcher 3: Wild Hunt an einem ganz anderen Abenteuer: The Elder Scrolls 5: Skyrim. Und das konnte mit seiner offenen Spielwelt eine epische Sogwirkung entfachen, weil man die Landschaft mit ihren Ruinen in das Storytelling einbezog, weil Bethesda die Erkundung so reizvoll gestaltete, dass auch im Vorbeigehen kleine Geschichten erzählt wurden - nicht das künstliche Vervollständigen, sondern das Wandern in einer Terra incognita mit Überraschungen zeichnete das Rollenspiel aus. Eine offene Welt muss also nicht per se ein Fluch sein. Es geht mir nicht um Oldschool versus Open World, sondern um die Art der Inszenierung. Und jetzt zum Hexer.
Auf der Suche nach Ciri
Das Abenteuer beginnt mitten im Krieg: Auf den Schlachtfeldern liegen Leichen, an den Bäumen baumeln Gehängte, Deserteure werden gejagt, Banditen lauern in Wäldern und Flüchtlinge suchen eine Bleibe - die Kulisse zeigt keinen pathetischen Kitsch mit wehenden Fahnen. Alles wirkt etwas farbenfroher als im Vorgänger, aber CD Project RED zeigt so gekonnt wie immer auch die hässliche Fratze des Krieges. Wie sieht die politische Ausgangslage aus, die wir auch hier im Video zusammenfassen? Die Nilfgaarder haben unter der Führung von Kaiser Emhyr bereits Teile der nördlichen Königreiche erobert. Emhyr hält sogar schon Hof in Wyzima, wo im Vorgänger noch der mittlerweile tote König Foltest regierte. Aber dieser dritte Feldzug ist ins Stocken geraten - das Spiel startet also in einer militärischen Patt-Situation, die später übrigens wunderbar von einem Diplomaten auf Burg Wyzima erklärt wird. Freut euch auf dieses Kapitel und Geralts Gesicht, als er in der höfischen Etikette unterwiesen und frisch eingekleidet werden soll - köstlich.
Die Story macht schon im Einstieg neugierig und steigert sich im späteren Verlauf mit einigen dramatischen Wendungen sowie politischen Überraschungen. Schön ist, dass es immer wieder informative kurze Zusammenfassungen der Hauptquest in den Ladephasen gibt. Noch wichtiger ist, dass schon in den ersten Stunden klar wird: Die Regie galoppiert nicht von Highlight zu Highlight, sondern lässt sich abseits all der Bedrohungen auch Zeit für die Kleinigkeiten, für die leisen Töne und für eine Charakterzeichnung Geralts, die abseits des Archetypischen und Heroischen auch seine alltägliche menschliche Seite verdeutlicht, seinen Humor und seine Beziehung zu den Freunden. Das war schon in den Vorgängern ähnlich, aber hier wird der Hexer noch greifbarer. Euch interessieren seine literarischen Wurzeln und der Weg vom Buch zum Spiel? Im Video zeigen wir euch, wie sich Geralt im Wandel der Zeit entwickelt hat.
Willkommen im Fantasy-Cockpit
Wenn man nämlich mit Geralt inklusive aller eingeschalteten Anzeigen unterwegs ist, kommt man sich fast vor wie in einem Fantasycockpit - überall Icons, Leisten, Zahlen und Hinweise wie zum aktuellen Wetter, dazu Distanzen in Metern zur aktivierten Quest, natürlich Radar und sogar gestrichelte Linien (!) zum Ziel. Da fehlen nur noch Blinker für sein Pferd Plötze, wenn man beim automatischen Reiten auf den Wegen mal abbiegen muss. Und man fragt sich unweigerlich, warum man das arme Pferd, das Geralt immer so schroff ermahnt, angesichts all dieser Hilfen nicht mal ordentlich vor Tavernen anleinen darf - ging doch auch in Red Dead Redemption.
The Witcher 3 teilt zudem einige überflüssige Komfortfunktionen mit Dragon Age: Inquisition, wie z.B. die kreisrunde Markierung eines Zielbereichs, wenn man Hinweise sucht. Zwar piept da nix in dämlicher Echolotmanier, und Schätze materialisieren sich nicht erst auf Knopfdruck am Ziel. Aber so findet man natürlich alles sehr flott, zumal man mit dem Hexersinn auch noch alles Interaktive in Orange und Spuren, Gerüche sowie Mechanismen in Rot leuchten sieht. Also doch der Fluch der offenen und total transparenten Welt?
Alle Hilfen abschalten und abtauchen
Aufatmen, ihr Pfadfinder und GPS-Verabscheuer: CD Project RED hat ein Herz für all jene, die die Geheimnisse der Spielwelt gerne ohne Schilderwald lüften. Man kann in den vorbildlichen Optionen einzelne oder alle Hilfen der Anzeige abschalten, so dass die Windschutzscheibe nur noch Wald und Wiese zeigt - herrlich! Denn so wird man nicht mehr von Zahlen und Klimbim überflutet, sondern kann sich entspannen und die famos inszenierte Spielwelt auf sich wirken lassen.
Der ganz normale Hexersinn
Man kann die nervös rotierende Minikarte nicht nur fest auf Nord zurren, sondern in der Größe justieren oder komplett deaktivieren. Und wenn man so spielt, entfaltet auch der Hexersinn seine erzählerisch legitimierten Reize als übersinnliche Hilfe - schließlich gehört Geralt zu den besten Spurenlesern dieser fiktiven Welt. Das ist
Zwar findet man seine Beute relativ leicht, wenn man erstmal dem roten Glimmen folgt, aber CD Project RED inszeniert das Suchen angenehm langsam und unterhaltsam, indem Geralt z.B. wie ein Detektiv einzelne Spuren kommentiert: "Pfeile? Dieser Kutscher kann nicht von Ertrunkenen ermordet worden sein." Weil man seinen Gedanken über eine Bestie oder einen Tathergang folgen kann, dabei teilweise an Kreaturen vorbei durchs Unterholz huscht oder über Felsen kraxelt und Abgründe springt, entwickeln sich interessante und spannende Situationen. Diese investigativen Fähigkeiten werden erzählerisch gekonnt in einigen Quests mit morbidem Krimi-Flair integriert.
Sehr schön auch: Lässt man den Hexersinn einfach weg, erkennt man z.B. trotzdem ganz schwach Fuß- oder Wagenspuren - cool! Klasse ist auch, dass diese von einem leichten Rumble begleitet werden, wenn man ihnen ohne Hexersinn weiter folgt. Etwas künstlich wirkt hingegen, dass man ihn für die finale Lösung einer Quest manchmal zwingend braucht, obwohl die Situation auch so offensichtlich ist: Als man z.B. eine Weinflasche findet, die genau in ein fehlendes Fach des Weinregals passt, muss man dafür den Hexersinn aktivieren.
Aard, Axii, Igni, Quen & Yrden
Auch andere übernatürliche Fähigkeiten sorgen für Abwechslung in der Spielmechanik und einigen Quests. Geralt hat ja neben Hexersinn auch fünf magische Zeichen zur Verfügung, die nicht nur im Kampf nützlich sind, weil sie Feinde verbrennen, betäuben, umstoßen, verlangsamen oder unsichtbare Wesen erst sichtbar machen - sie sind auch während der Erkundung oder in Dialogen hilfreich.
Man kann die Druckwelle von "Aard" z.B. einsetzen, um poröse Mauern oder Bretterverschläge zu zerstören oder Feuer zu löschen. Man kann "Axii" einsetzen, um aufgebrachte Leute zu besänftigen oder in Dialogen zu überzeugen. Aber Vorsicht: Setzt man dieses Zeichen vor Zeugen ein, um z.B. einen aggressiven Schläger zu beschwichtigen, kann das den anderen auffallen, die wiederum zu den Waffen greifen - da gibt es eine tolle Szene, in der so ein gut gemeintes Zeichen des Friedens zu einem ganz bösen Blutbad führen kann. Was natürlich auch richtig Spaß machen kann, wenn reihenweise Köpfe folternder Hexenjäger rollen. Aber auch abseits der Action wird man richtig gut unterhalten.
Jedes Dorf ein Milieu
Gerade wenn man langsam spaziert, wird man auch all die Kleinigkeiten entdecken, die einen immer wieder verblüffen
The Witcher 3 sieht toll aus, aber hat auf der Konsole einige technische Probleme: Es kommt immer wieder zu Rucklern oder zum Aufpoppen von Landschaftsteilen in der Distanz, nach der Meditation materialisieren sich Grüppchen in Städten, so manche Figur läuft auch mal endlos gegen ein Hindernis und die Physik wirkt nicht immer glaubwürdig, wenn schwere Balken wie Streichhölzer fliegen - aber das sind im Vergleich zu den Problemen anderer Rollenspiele in offener Welt eher Peanuts.
Denn es überwiegt ganz klar der positive Eindruck der Landschaft mit ihrer tollen Flora und Fauna sowie den teilweise spektakulären Wetterwechseln: es kann richtig kräftig schütten, stürmen und blitzen. Man wird immer wieder zum Spazieren animiert, weil die Sonne einfach so schöne Schatten wirft, während ein Drache über einer Ruine kreist, irgendwo jemand auf einer Laute spielt oder einen schlüpfrigen Witz erzählt. Hinzu kommt ja der dargestellte Alltag der Leute. In der Stadt Novigrad findet man an den Wänden nicht nur anzügliche Graffito über Hexen, sondern auch über Gottheiten. Und das Beste: Kommt man zu anderer Zeit an der Stelle vorbei, erkennt man die Wachen, die die Ketzerei mit Lappen wegwischen - klasse! Aber auch jedes Dorf wirkt wie ein liebevoll arrangiertes Milieu aus derben Flüchen, schlecht gelaunten Wachen, besoffenen
Öffnet man die Weltkarte nach ein paar Stunden, wird man von Möglichkeiten bereits erschlagen: Wow, das kann ich alles machen? Es gibt knapp ein Dutzend Symbole für Ereignisse, die sich hinter den zunächst mit einem Fragezeichen markierten Orten verbergen. Das können Banditen- oder Monsterlager, Schätze oder Verliese, Personen in Not oder Ruinen, Kriegsbeute, Nester oder Relikte der Macht sein - hat man etwas erledigt, wird das Symbol ausgegraut. Man kann die Ziele selber suchen oder bequem markieren und dann über den Kompass der Minikarte dorthin reiten. Wer es noch schneller mag und die Gegend bereits erkundet hat, darf sich auch von Wegkreuz zu Wegkreuz teleportieren. Keine Bange: Plötze kann man überall wieder zu sich pfeifen - sie trabt dann aus dem Nichts heran.
Viel Masse und viel Klasse
Noch wichtiger: Abseits dieser Masse an kleinen markierten statischen Aufgaben gibt es auch dynamische Ereignisse, die mit einem Ausrufezeichen markiert werden - das können z.B. Überfälle sein, weinende Kinder oder Händler, die vor einem zerstörten Wagen verzweifeln. Allerdings erreicht man hier nicht die situative Dynamik von Skyrim, wo man des Öfteren auch Zeuge größerer Gefechte oder Kämpfe gegen Drachen sowie Ungetüme wurde. Hat man etwas erledigt, darf man manchmal entscheiden, wie sehr man es auf die Bezahlung abgesehen hat: Nimmt man das Geld des verarmten Bauern an, der damit die Heirat seiner Tochter finanzieren wollte? Man kann gutherzig auf das Gold verzichten. Manchmal bekommt man dafür mehr Erfahrungspunkte und vielleicht ein besonderes Geschenk, manchmal nur ein Danke plus Lächeln.
Es gibt auch Situationen, in denen man aktiv feilschen kann, indem man mehr Gold verlangt - was den Auftraggeber allerdings verärgern kann. Etwas seltsam ist hier, dass es im möglichen Aufschlag nur um Peanuts geht, die den Ärger eigentlich nicht wert sind.Trotzdem spielen die Finanzen zu Beginn eine große Rolle für den Hexer. Vor allem wenn man auf dem dritten
Aber es gibt reichlich Klasse sowie Abwechslung in den größeren Aufgaben. Zwar gibt es nicht die Fülle an klassischen Dungeons wie in Skyrim, aber man ist auch mal in größeren Höhlen unterwegs, muss zu zweit mit einer Magierin in einem kleinem Schutzradius bestehen oder Logikrätsel meistern, wenn ein altes Gedicht z.B. auf die richtige Reihenfolge bei der Aktivierung von Statuen hindeutet.
Neue Erkundungsreize, wenig Holen und Bringen
Die Erkundung profitiert auch vom
Die Quests erreichen teilweise eine Qualität, die hinsichtlich der filmreifen Inszenierung an Grand Theft Auto erinnert und hinsichtlich der offenen Struktur vielleicht sogar neue Maßstäbe setzt. Selbst wenn man in den Etappen zum Ziel nicht erfolgreich ist, gibt es meist alternative Wege - aber es ist auch möglich, komplett zu scheitern. Als mir ein Rabatt auf einen Passierschein für eine Brücke
Wie viel Holen und Bringen ist dabei? Überraschend wenig. Der Hexer muss also nicht wie blöde 1/10 Kräuter sammeln. Natürlich ist das Sammeln hier auch ein wichtiger Teil des Spieldesigns, aber es wird cleverer eingebunden. CD Project RED lässt ihn z.B. Zutaten für einen Trank suchen, um einer kranken Frau zu helfen. All das ist immer in eine kleine Erzählung eingebunden: In diesem Fall muss man entscheiden, ob man die gefährliche Medizin namens Schwalbe überhaupt verabreichen will - egal wie man sich entscheidet: es wird Folgen haben.
Emotionale Dramen abseits des Krieges
Man erlebt zudem überaus dramatische familiäre Abenteuer innerhalb der großen Hauptquests, die einem sowohl wichtige Charaktere näher bringen als auch dazu animieren, Geralt eher kalt und abweisend oder doch verständnisvoller zu spielen. Man kann diesem archetypischen Helden also durchaus eine individuelle Persönlichkeit geben, die sich dann auch auf die Beziehungen zu anderen auswirkt. Er muss sich nicht nur mit Flüchen und Monstern, sondern auch mit Tragödien befassen, die die Spielwelt abseits des Krieges mit Alkoholismus, Gewalt und Ehebruch auf menschlicher Ebene greifbarer machen. Wann heiligt der gute Zweck die bösen Mittel? Ist die Liebe wichtiger als die Menschlichkeit?
Aquariumeffekte in der Fantasywelt
Auch wenn manche Quests emotional berühren oder so mancher Bosskampf filmisches Niveau erreicht: Das wirklich Faszinierende ist für mich der Alltag. Ich habe selten ein Spiel erlebt, das das Dorfleben so lebendig inszeniert. Frauen hängen Wäsche auf und tratschen,
Natürlich gibt es einige Klone unter den Figuren, aber Mimik und Gestik wirken selbst bei Kindern sehr natürlich. Das ist keine Copy&Paste-Idylle, sondern eine je nach Region angenehm liebevoll inszenierte. Es gibt selbst nach zwanzig, dreißig oder vierzig Stunden noch Highlights. Erst als ich z.B. den Vorort der großen Stadt Novigrad von Osten erreiche, sehe ich zum ersten Mal auch Halblinge und Elfen, die in diesen armen Außenbezirken ihren Geschäften nachgehen. Und ich will nicht zu weit ausholen, aber Novigrad ist die mit Abstand lebendigste und schönste virtuelle Stadt innerhalb der Fantasy, die mit eigenen Milieus, zig Brücken und Geschäften sowie einer Kanalisation und verfeindeten Fraktionen auftrumpft. Hinzu kommen immer wieder frische architektonische oder modische Akzente, Ankedoten und Zwischenfälle, die den Aufenthalt dort zum Vergnügen machen.
Die Katzenfrau gibt es wirklich!
Und nicht nur die Kulisse, auch die manchmal indirekte Verknüpfung von Erkundungen und Quests ist bemerkenswert. Ähnlich wie in Skyrim kann man Aufgaben im Vorbeigehen aufschnappen oder wird entweder aktiv oder als Zuschauer in heikle Situationen verwickelt, wenn es gerade einen Überfall oder nur einen Streit gibt. Dabei geht es oft derb zur Sache, vom "guten Fick" bis zum "Pimmel" ist alles dabei. Aber man lauscht auch sehr witzigen Dialogen, die einen immer wieder schmunzeln lassen. Noch cooler ist es, dass sich das Zuhören auch lohnen kann.
Die Öffnung der Spielwelt
Was der Regie schon in den ersten Stunden abseits der famosen Visualisierung hervorragend gelingt: Die moralischen Grautöne dieser Fantasywelt zu zeigen. Denn obwohl die Eroberer aus Nilfgaard auch "die Schwarzen" genannt werden, verhalten sich die Besatzer mit ihren Flügelhelmen manchmal nicht viel schlechter als die heimischen Nordlinge - Mord, Ausbeutung und Verrat gibt es auf beiden Seiten. Das Leid, aber auch der Rassismus und Nationalismus der Bevölkerung sowie die Skrupellosigkeit der Rebellen werden schon in ersten Quests genauso gut sichtbar wie die ausgezeichnete Lokalisierung hörbar: Die deutschen Sprecher gehören zum Besten, was ich in den letzten Jahren erlebt habe - egal ob in den Haupt- oder Nebenrollen. Wer will, kann zwar auch ins Englische wechseln, aber in diesem Fall ist das eher ein netter Zusatzservice als eine akustische Stimmungssteigerung.
Die Qual der Neutralität
Und Geralt? Er muss sich keiner Fraktion anschließen, muss den temerischen Lilien also keine Treue erweisen, es gibt auch keinerlei Statistik oder Fortschrittsleisten für seine Dienste am Kaiser, für die Rebellen oder die anderen Parteien wie die Scoia'tel, die als kämpfende Organisation der Anderlinge im zweiten Teil noch sehr wichtig waren, aber hier etwas im Hintergrund der Story verblassen. Aber er kann in den Quests sowohl den eiskalten Handlanger der Nilfgaarder als auch den Unterstützer der Einheimischen geben - was durchaus schwer fällt, denn in den sehr guten Dialogen wirken die Erklärungen beider Seiten immer irgendwie plausibel.
Einem Zwerg wird z.B. die Hütte abgefackelt, weil er für die Besatzer aus Nilfgaard schmiedet. Geralt findet den betrunkenen Brandstifter, der natürlich seine eigenen Motive hat. Er kann ihn ziehen lassen, an die Wachen ausliefern
Die spürbaren Folgen
Es gibt direkt sichtbare Folgen, wenn man z.B. ein verlassenes Dorf von einem Fluch oder einen Tempel von Monstern befreit und die Leute danach wieder alles aufbauen - inklusive Händler & Co. Man kann nicht nur sehen, wie sich die kriegsgebeutelte Umgebung wieder zur Normalität entwickelt, man kann es auch hören, wenn die Dörfler einen dafür loben.
Knackige Dialoge mit Entscheidungen
Wie laufen die Gespräche ab? Geralt redet als Hexer nicht viel. Man hat zwar meist die Wahl zwischen freundlichen, schroffen oder aggressiven Antworten, muss in einigen Situationen auch mal gegen die Zeit antworten oder reagieren (soll man sich wirklich vor dem Kaiser verbeugen?), aber das Dialogsystem beschränkt sich auf das Wesentliche. Das heißt, dass es weder besonders viele noch verschachtelte Gespräche gibt, in denen man sich rhetorisch beweisen muss - dafür gibt es ja auch keine Charakterwerte. Das heißt nicht, dass die Dialoge schlecht geschrieben sind. Im Gegenteil: sie wirken meist angenehm authentisch und leben vom derben Witz oder
Trotzdem vermisse ich des Öfteren die Möglichkeit, mich etwas genauer zu informieren oder weiter mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Und es gibt nur einige wenige, aber dennoch ärgerlich eingleisige Situationen, in denen mir als Geralt gar keine Wahl gelassen wird, obwohl man die Szene offener hätte ausspielen können: Als Geralt und Vesemir zu Beginn in einem Gasthaus eine Schlägerei befürchten und der ältere den jüngeren Hexer noch extra davor warnt, beide da mit reinzuziehen, kann man das anschließende Gemetzel nicht verhindern - hier gab es nicht mal einen Dialog oder eine Szene für eine Reaktion. Und Vesemir rüffelt Geralt auch noch für die Eskalation. Gerade weil die schwierige Neutralität auch ein erzählerisches Leitmotiv ist, gerade weil dem Hexer so oft in kleinen Situationen eine Entscheidung für oder gegen den Kaiser oder die Rebellen abverlangt wird, fühlt man sich in dieser Szene von der Regie gezwungen. Aber wie gesagt: Die Leine ist selten so straff.
Frauen, Pferde und noch besser: Gwint!
Ihr wollt nicht spazieren, sondern euch amüsieren? Wer die Entschleunigung nicht sucht, kann auch viel Spaß haben. Es gibt z.B. Pferderennen oder Bordelle inklusive weiblichem und männlichen Service. Auch das Thema Homosexualität wird gestriffen, wenn Geralt z.B. einem vom Dorf Ausgestoßenen begegnet, dessen Beziehung zu einem anderen Mann nicht gerade gut ankam. Apropos Sex: CD Project RED ist bekannt dafür, dass man das explizit inszeniert und der Hexer hat ja auch einige Liebschaften unter den hübschen Magierinnen. Aber es wird einem nicht leicht gemacht, diese schlagfertigen Ladys rumzukriegen.
Geht man in ein Gasthaus, wirkt die Szenerie mit trinkenden, fluchenden, boxenden oder würfelnden Gästen angenehm lebendig - und das teilweise auf mehreren Etagen. Man kann selbst mit seinen Fäusten in den Ring steigen, sich an miesen Wetten bereichern oder noch besser: Gwint spielen. Ich habe seit Star Wars: Knights of the Old Republic nicht mehr so viel Spaß mit einem Kartenspiel in einem Rollenspiel gehabt. Man spielt bis zu drei Runden und muss dabei mit seinen wenigen Karten gut haushalten, die je nach Waffengattung in drei Reihen platziert
All you can steal!
Bei allem Lob: Leider teilt The Witcher 3 ein großes Problem mit seinem Vorgänger, denn es gibt ärgerliche Defizite im Figurenverhalten. Wie kann es sein, dass man den normalen Bauern, die nicht nur laut Story unter den Kriegsfolgen leiden und hungern, sondern auch aktiv darüber jammern, alles einfach so stibitzen darf? Man kann in die meist offenen Hütten stiefeln und vor deren Augen alles einsacken - ohne Reaktion. Man kann übrigens auch in
Umso skurriler ist, dass Diebstahl vor den Augen der Nilfgaarder nicht erlaubt ist: Wer da in aller Öffentlickeit z.B. Hand an einen Sack vor einem Gebäude legt, wird umgehend angegriffen. Tut man das vor den Bauern, rufen sie aber jene Wachen nicht um Hilfe und es gibt quasi keine übergeordnete Polizei oder Gerichtsbarkeit. Wir haben bei CD Project RED nachgefragt, warum man sich dazu entschieden hat, das Stehlen so zu inszenieren und eine sympathisch ausführlich, wenn auch nicht ganz überzeugende Antwort bekommen - die Kurzform: Ja, man hat sich darüber Gedanken gemacht im Team. Anscheinend war eine Sanktionierung von Diebstahl innerhalb des Spieldesigns einerseits zu kompliziert, weil man viele damit verbundene Konsequenzen hätte berücksichtigen müssen: Wo fängt Diebstahl an, wo hört er auf? Spricht er sich rum? Wer ahndet ihn? Andererseits wollte man auch ganz einfach den Spaß an der Beute zulassen und die Spieler mit all den Zutaten experimentieren bzw. handeln lassen. Trotzdem: Spiele wie Gothic oder auch Skyrim haben das besser gelöst.
Fades Artdesign im Inventar
Und Leute, es gibt tonnenweise Beute. So viel, dass man ein regelrechtes Materiallager ansammelt. Aber bevor man sich da durchwühlt, muss man das fade Design verdauen: CD Project RED klotzt ja sonst eher als schlicht zu kleckern. Aber hier wird Geralts Beute mit winzigen Grafiken in einem Raster gelagert - es gibt also keine drehbaren 3D-Objekte. Besonders ernüchternd ist die Übersicht der Hexerwerte in einer schnöden Liste. Und falls es etwas in den vielen Beschreibungen, Büchern oder Briefen etwas zu lesen gibt, ist die Schrift so klein, dass man weiter an den Fernseher ran muss - eine Vergrößerung der Texte ist leider nicht möglich. Außerdem vermisst man die Möglichkeit, Briefe sofort nach dem Fund in der Szene zu lesen. So muss man sie erst nach der Aufnahme im Inventar suchen.
Alles sichtbar, Wertvolles nicht sortierbar
Vorsicht, Items incoming!
Zurück zur Masse im Inventar: Nicht nur, dass man Waffen und Rüstungen, dutzende Kräuter, Pilze sowie Knochen und Organe von Monstern und zig Gegenstände von der Angel über den Servierteller bis zur Puppe finden kann, man
Hat man die nötigen Blaupausen sowie den Handwerker mit dem nötigen Level gefunden, kann man sowohl neue Dinge zusammen brauen als auch nähen bzw. schmieden lassen - auch Waffen und Rüstungen sind in Stufen eingeteilt. Denn so
Auch Rüstungen sind in drei Klassen (leicht, mittel, schwer) sowie Stufen eingeteilt, wobei Geralt Stiefel, Handschuhe, Oberkleidung und Hose, aber keine Helme tragen kann. Hinzu kommen als Werte die Vitalität von anfangs 3500 sowie die Intensität der Zeichen. Wozu führt das System? Zur ständigen Spirale nach oben: Man ist je nach eigener Stufe quasi permament auf der Suche nach adäquater Rüstung und Waffen, so dass die Freude über das erste Viper-Silberschwert nicht lange währt. Warum muss man den Hexer eigentlich so oft aufrüsten? Ist er nicht eine lebende Legende? Hätte dieses The Witcher 3 nicht auch mit weniger Waffen funktionieren können? Also statt dutzende vielleicht nur drei oder vier, aber dafür sehr besondere Klingen? Ich denke, dass es möglich gewesen wäre und würde mir epische Abenteuer ohne diese Materialspirale wünschen, aber das ist letztlich kein wichtiger Kontrapunkt. Über Sinn und Unsinn in der Hexerwelt, also über die Widersprüche zwischen literarischer und gespielter Figur, spreche ich mit Ben übrigens im Video-Epilog.
Die Entwicklung von Geralt
Es gibt keine Charaktererschaffung, keine Rassen, keine Klassen, keine Gilden: Geralt ist der Hexer, fertig. Aber man kann selbst diese lebende Legende individuell entwickeln. Nach jedem Aufstieg sowie dem Besuch von Steinen der Macht (sehr nützlich!) bekommt man einen Punkt zum Verteilen - und danach hat man die Qual der Wahl. Denn es gibt mit Kampf, Zeichen, Alchemie und Allgemein vier Bereiche, die jeweils in fünf Unterbereiche unterteilt sind, in denen wiederum in vier Stufen nützliche Fähigkeiten gestärkt oder aktiviert werden können.
Soll man sich im Kampf auf schnelle oder starke Hiebe, das Verteidigen oder die Armbrust konzentrieren oder alles gut aufteilen? Welches arkane Zeichen soll man entwickeln? Igni für Feuerschaden oder doch lieber Axii, damit man in
Das Besondere an der Charakterentwicklung sind zudem zwei Dinge: Man kann zum einen nicht alle gestärkten Fähigkeiten sofort nutzen, sondern muss sie erst einsetzen. Und erst alle zwei, drei oder vier Level werden weitere Plätze frei. Zum anderen kann man Mutagene, die es meist nach dem Erlegen von Monstern gibt, mit Fähigkeiten gleicher Farbe kombinieren, so dass sich Bonuseffekte ergeben: Wer das grüne Mutagen des Greifen einsetzt und dazu eine grüne Fähigkeit (Alchemie), bekommt z.B. zusätzliche Vitalität. Zu Beginn wirkt das alles noch etwas zu stringent, aber wenn man erstmal alle Farben und mehr Auswahl hat, kann man sich wunderbar spezialisieren. Ihr habt euch
Euch geht es eher um die Frisur? Dann geht zum Barbier - Haare offen, Zopf oder Stoppeln weg. Aber nicht wundern: Geralt wächst mit der Zeit tatsächlich ein Bart nach. Und irgendwie scheinen seine Haare auch in Gebäuden vom Winde zu verwehen...
Tänzerisches Kampfsystem
Das Kampfsystem von The Witcher setzt wie gehabt auf Echtzeit sowie die unterschiedliche Wirkung der beiden Langschwerter - Stahl beißt besser gegen Humanoide, Silber ist gegen Ungeheuer effizienter. Meist zückt Geralt aber automatisch die richtige Klinge. Und er darf auch eine Armbrust oder Äxte, Streitkolben & Co einsetzen, aber das sieht nicht besonders elegant aus.
Er kann Gegner fixieren, um dann leichte oder schwere Hiebe auszuführen. Dabei muss man sich zunächst an die unterschiedlichen Abstände dieser beiden Attacken zum Ziel gewöhnen, denn ein Schlag landet erst nach der Vollendung bzw. einiger Pirouetten. Auch von Plötze aus kann man Hiebe austeilen und sogar gegen andere
Man kann in der Defensive am Boden ausweichen, wegrollen sowie parieren. Gelingt Letzteres kurz vor einem Treffer, führt Geralt einen Konter aus: Bei menschlichen Feinden kann dies ein Rempler sein, der einem mehr Zeit für den nächsten Hieb verschafft. Bei Monstern kann er dazu führen, dass ihm z.B. die Zunge rausgerissen führt - nützliche Sache übrigens, wenn man danach nicht mehr vergiftet werden kann. Auch sonst ist die Inszenierung martialisch: Köpfe, Arme oder andere Gliedmaßen fliegen blutig abgetrennt durch die Luft. Gelingt es einem, in den Rücken des Feindes zu kommen, richtet man mehr Schaden an - und umgekehrt.
Mit Schwert, Magie & Bomben
Aber man kann auch andere Taktiken als den Schwertkampf einsetzen, zumal manche Feinde nur so besonders verwundbar sind: Zum einen sind da die fünf magischen Zeichen, die z.B. für einen telekinetischen Stoß, etwas arkanes Feuer oder eine Falle der Verlangsamung sorgen - vor allem Geister sind dagegen empfindlich. Sehr nützlich: Wenn man das Auswahlmenü für die Zeichen aufruft, läuft das Spiel langsamer, so dass man gut wechseln kann. Hinzu kommen aber auch wirkungsvolle, manchmal fast schon übermächtig wirkende Bomben sowie zig Tränke und Öle, die entweder Geralts Kräfte über seine aktuelle Stufe hinaus oder seine Klinge z.B. mit Giften temporär aufwerten. Gerade bei größeren Feinden ist die Auswahl der Hilfsmittel ebenso entscheidend wie das Timing in Defensive und Offensive. Ansonsten gilt: Die Feinde passen sich nicht dynamisch der Stufe des Hexers an, sondern sind fest nach Gebieten geordnet - wer sich zu weit vorwagt, kann also auch extrem schwere bis unschaffbare Monster treffen.
Dass das Ganze nur bei sehr schwachen Monstern zur simplen Knöpfchendrückerei mutiert, liegt nicht nur an den unterschiedlichen Immunitäten sowie überraschend vielfältigen Verhaltensweisen der Monster, sondern auch am ständigen Ausdauer- bzw. Lebenspunkteverlust. Wer das Spiel auf dem zweiten der vier Schwierigkeitsgrade angeht, wird davon allerdings kaum etwas spüren: Erst auf der dritten Stufe darf man sich auf etwas anspruchsvollere
Defizite im Kampf
Hört sich alles gut an, spielt sich auch angenehm taktisch, aber es gibt ein paar Defizite, die den Kampfablauf stören. Dass Geralt selbst bei erlegten Wölfen unpassenden Trashtalk wie "Was jetzt, du Stück Dreck?" von sich gibt, ist nur in wenigen Situationen ärgerlich. Man hat allerdings nicht ganz die punktgenaue Kontrolle, Schwere und Vielseitigkeit im Nahkampf wie etwa in Dark Souls. Um es mal überspitzt zu formulieren: The Witcher fühlt sich eher an wie Ballett, also tänzerischer und leichter, aber auch schwammiger als der wuchtige Schlagabtausch der Soulsreihe. Außerdem ist das Management der Ausdauer hier nicht so wichtig, denn Geralt kann recht lange austeilen, ohne dass ihm die Puste ausgehen würde.
Etwas ernüchternd ist das Verhalten gewöhnlicher Feinde, vor allem von menschlichen Gruppen: Wenn man einzelne aus der Distanz mit der Armbrust beschießt, reagieren sie nicht, indem sie flankieren oder mich
Spannende Gefechte gegen große Kreaturen
Trotzdem sind die Kämpfe vor allem gegen Bestien und Monster spannend und wuchtig genug, denn da hilft weder Konter noch das Reflektieren. Schon Bären flößen einem zu Beginn mit ihren mächtigen Hieben gehörig Respekt ein - wer hier nicht clever ausweicht, verliert schnell sein Leben. Apropos groß und gefährlich: Die teilweise in mehrere Abschnitte unterteilten Bosskämpfen gehören zwar zu den wuchtigen Highlights, stehen aber nicht im Mittelpunkt der Monsterjagd - man hat es auch mit weniger spektakulären Kreaturen zu tun. Hat man sie erlegt, kann man sich die Trophäe an den Sattel hängen und profitiert je nach Monster von anderen Boni - der Greifenkopf sorgt z.B. dafür, dass Geralt eine höhere Chance hat, seine Feinde zu verstümmeln.
Aktualisierung vom 19. Mai:
Der Hexer auf dem Rechner
Wie fühlt sich das Kampfsystem auf dem PC an? Ich habe jetzt natürlich zig Stunden an der PlayStation 4 hinter mir: Die Maus- und Tastatursteuerung ist mir im direkten Vergleich zu fummelig, zumal das leicht schwammige Gefühl damit deutlicher wird. Ja, man kann sich daran gewöhnen, aber gerade in den Gefechten gegen mehrere Gegner wird es hektisch. Sie bringt mir allerdings einen kleinen Vorteil gegenüber dem Gamepad. Wenn man mit WASD & Co spielt, gibt es keine Überschneidung von Hexersinn und Parade auf der linken unteren Schultertaste. Sobald man sich mit dem Gamepad einem Lager von Banditen nähert und z.B. Pfeile mit L2 parieren oder reflektieren will, wird auf Konsolen manchmal Geralts Fokus statt seine Defensive aktiviert.
Eine noch prächtigere Kulisse?
Wie sieht The Witcher 3: Wild Hunt auf Xbox One im Vergleich zur PlayStation 4 aus? Etwas schlechter. Zum einen wird das Bild dort auf 1080p hochskaliert und zum anderen fallen Sichtweite sowie Objektdetails wie Bäume in der Ferne auf Microsofts System geringer aus. Auch dort kommt es mitunter zu Bildratenproblemen und Pop-ups. Der Rechner ist natürlich die Königsplattform, wenn ihr grafisch alles rausholen wollt.
Nicht nur Geralt hat die Haare schön
Unter „Allgemein“ kann man dann in vier Stufen (niedrig, mittel, hoch, höchste) nochmal über ein Dutzend für die Auslastung sowie Kulisse wichtige Aspekte wie Grasdichte, Detailgrad, Objektsichtweite, Wasser-, Textur-, Gelände- und Schattenqualität sowie die Anzahl an Charakteren anpassen. Dazu gehört auch „HairWorks“. So stolz ATI auf seine TressFX bei Lara Croft war, so laut trommelt NVIDIA jetzt für das bewegte Haar in The Witcher 3. Wie
Aber mitunter wirkt das Gesamtbild auf dem PC auch überdreht: Es stürmt und pustet so schon genug in der Welt, so dass Bäume und Sträucher permanent in Bewegung sind. Und jetzt peitschen Locken und Felle auch noch wild hin und her – man fühlt sich ab und zu wie in einem Windkanal für die nächste Shampoo-Werbung. Früher gab es den Wasserfetisch, heute sind es eben die Haare. Wenn sie natürlich einzeln verbrennen, sich dabei kräuseln und…okay, lassen wir das.
Fahnen im Wind, Zaunlatten am Boden
Wie sieht es mit der Physik von Stoffen und Kleidung oder Pflanzen aus - oder der Zerstörung von Objekten? Fahnen, Wimpel und Planen wehen auf dem PC etwas voluminöser als auf der Konsole im Wind. Aber wenn man z.B. durch Büsche geht, werden auf allen Systemen keine Gräser oder Zweige sichtbar gebogen bzw. bewegt wie etwa in Uncharted, sondern wie auch der Rest der Flora einfach ausgeblendet.
Alles aufdrehen und Spaß dabei?
Wie läuft The Witcher 3 auf Mittelklasse-Rechnern, wenn man alles aufdreht? Wir haben es auf einem PC mit acht Gigabyte RAM und GeForce GTX 770 sowie aktuellem NVIDIA-Treiber (352.86) unter maximalen Einstellungen gespielt. Das
Was es auf Konsolen so nicht gab, sind sporadische Abstürze. Die optimalen Ergebnisse soll man ja laut NVIDIA ab der GTX-900-Serie erzielen. Was das außer einer besseren Bildrate sein soll, ist allerdings nicht ganz klar. Noch mehr Haare? Man braucht jedenfalls keine Angst haben, dass man hier ohne superaktuelle Grafikkarte irgendetwas verpasst.
Die klaren Vorteile des Rechners liegen also in der höheren Sichtweite, den schärferen Konturen an Kleidung sowie in der Umwelt und markanteren Lichteffekten bis hin zu einzelnen Strahlen. All das sorgt für die unterm Strich hübscheste Kulisse. Aber wir werden die Wertung nicht erhöhen, denn der grafische Sprung von der Konsole zum Rechner ist nicht so groß wie z.B. von der PlayStation 3 auf die PlayStation 4 bei Grand Theft Auto 5, wo u.a. ganze Texturpakete komplett ausgetauscht wurden – solche wesentlichen Unterschiede gibt es hier nicht. Damals haben wir natürlich auch deshalb aufgewertet, weil es zusätzliche spielerische Elemente sowie eine neue Perspektive gab. Und selbst wenn, dann müssten es vielleicht noch zwei Wertungen geben. Denn nur wer mit NVIDIA-Grafikkarte spielt, bekommt alle „zusätzlichen“ Effekte. Aber selbst diese hören sich zwar toll an, sind aber für das ausgezeichnete Spielerlebnis nicht entscheidend.
Fazit
Seid ihr noch da? Verdammt, ich habe mir einen Wolf geschrieben. Aber The Witcher 3: Wild Hunt hat mein Notizbuch genauso gesprengt wie meine Skepsis. CD Project RED gelingt der krönende Abschluss einer epischen Saga. Dieses Rollenspiel erreicht in offener Welt eine ungeheure atmosphärische Dichte, weil es nicht nur das Spektakuläre und Kämpferische inszeniert, sondern auch die leisen Töne trifft und das aufmerksame Erkunden belohnt. Es besticht durch enorm hohe Questqualität sowie erzählerische Klasse inklusive direkter sowie erst später wirksamer Konsequenzen, die einen immer wieder überraschen oder entsetzen. Ja, es gibt Kontrapunkte: Dass es auf Diebstahl in den Häusern der Leute keinerlei Reaktion gibt, ist für mich sogar noch ärgerlicher als die dämliche Statik menschlicher Feinde bei Beschuss. Das Menüdesign ist fade, die Schrift zu klein, die Dialoge nicht besonders verschachtelt, das Inventar schnell überfüllt und es gibt kleine technische Macken. Aber da ist die ausgezeichnete deutsche Sprachausgabe, das klasse Drehbuch, dem eben nicht wie in The Witcher 2 gegen Ende die Luft ausgeht. Es gelingt den Polen nicht nur sehr gut, eine mittelalterliche Fantasywelt zu zeigen, die von militärischen und sozialen Konflikten geprägt ist und voller moralischer Widersprüche steckt. Hinzu kommt diese fast schon verblüffende Hingabe in der Inszenierung dörflicher Milieus sowie der großen Stadt Novigrad. Es macht einfach Spaß, nur ganz langsam durch diese Welt zu spazieren. Wenn man davon genug hat, stürzt man sich in die nächste dramatische Quest, in der man über das Schicksal tragischer Gestalten entscheidet, oder man jagt in Traumkulisse mythische Ungetüme. Und das nicht über zehn, sondern hundert Stunden. Hut ab und Applaus!
Aktualisierung vom 19. Mai:
Erstmal die Randnotiz: Auf der auf 1080p hochskalierten Version der Xbox One kommt man hinsichtlich Sichtweite sowie Objetdetails nicht ganz an die PlayStation 4 heran. Jetzt zur heiß diskutierten Grafik auf dem PC: CD Project RED kann nicht die deutliche technische Überlegenheit gegenüber Konsolen anbieten, die man in einigen Präsentationen im Vorfeld suggerierte oder die z.B. ein GTA 5 auf dem Sprung von PS3 auf PS4 demonstrierte – darüber regen sich die Leute zu recht auf. Aber man muss bei allem verständlichen Ärger auch mal die Relation sehen, denn es geht nicht um einen PR-Fake à la Killzone, was Hype und Wirklichkeit angeht. Fest steht auch, dass die Polen vor allem auf Rechnern mit NVIDIA-Hardware eine hinsichtlich Sichtweite, Lichtwirkung sowie Konturen ansehnlichere Kulisse als auf den Konsolen anbieten – was angesichts der deutlich potenteren Hardware natürlich eher Pflicht als Kür ist. Aber man kann auch ohne Highend-Rechner oder brandneue Grafikkarte nahezu alle Optionen maximieren. Das ist also kein Hardwarefresser, bei dem die Bildrate schon beim kleinsten Aufdrehen in die Knie geht. Blöd nur, dass vor allem unter ATI-Karten sporadische Abstürze auftauchen. Unterm Strich gibt es keinen Grund zur Aufwertung der PC-Version, zumal nahezu alle physikalischen Effekte wie bewegte Stoffe, zersplittertes Holz und Druckwellenbildung im Wasser auch auf Konsolen sichtbar sind - nur nicht ganz so fein. Wie wenig die Unterschiede ausmachen, zeigt auch unser Vergleichsvideo zwischen PS4 und PC. Für den Spielspaß dieses außergewöhnlichen Rollenspiels? Ist all das irrelevant.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Grafisch nur etwas schwächer als auf PlayStation 4, begeistert der Hexer inhaltlich und dramaturgisch auch auf Xbox One.
PlayStation4
The Witcher 3: Wild Hunt ist der krönende Abschluss einer tollen Saga. Freut euch auf ein grandioses Rollenspiel in verblüffend lebendiger offener Welt.
PC
Höhere Sichtweite, besseres Licht, mehr Details: Auf dem PC bekommt ihr die hübscheste Kulisse - aber es ist nicht der enorme Grafiksprung, den man vielleicht erwartet hat.
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