Kerbal Space Program28.07.2016, Mathias Oertel
Kerbal Space Program

Im Test: Kerbalische Raumfahrt auf Konsole

Die Kerbals haben sich mit ihrem Space Program für ihren Konsolenauftritt ganz schön Zeit gelassen. Zwischen der PC-Version und der vor kurzem veröffentlichten One-Version liegen über 14 Monate. Kann die von Flying Tiger für den Pad-Betrieb umgesetzte Weltraum-Erkundung, die letztes Jahr unsere Auszeichnung als Simulation des Jahres einheimste, auf Konsole einen ähnlich guten Eindruck hinterlassen? Der Test gibt die Antwort.

Inhaltlich akkurat, technisch nicht so sehr

Bei der Xbox-One-Version von Kerbal Space Program (ab 35,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) hat sich im Vergleich zum PC an den grundsätzlichen Inhalten nichts getan: Man begleitet die experimentierfreudige wie knuddelige außerirdische Rasse dabei, wie sie ihr Weltraumprogramm vorantreibt. Man baut Raketen, experimentiert mit ersten Flügen, Planetenumrundungen und setzt schließlich alle Hebel in Bewegung, um Orbitalstationen errichten oder den Flug zu fremden Planeten unternehmen zu können. Zusammen mit der akkurat berechneten und eindrucksvoll eingesetzten Physik, die die Simulation zu einem zwar schwer erlernenden, aber sehr unterhaltsamen Vergnügen machte, kommt man auch auf der Xbox One schnell in Experimentierlaune. Da die inhaltlichen Unterschiede sich in derart engen Grenzen halten, möchte ich für die grundsätzliche Argumentation auf den Test von Benjamin aus dem April letzten Jahres verweisen, der die vielen positiven sowie die paar negativen Aspekte ausführlich beleuchtet.

Unten rechts ist ein nur kleiner Auszug aus der vollkommen überladenen Steuerung zu sehen.
Die Einstiegshürde ist allerdings auch über ein Jahr nach der Erstveröffentlichung weiter enorm hoch: Trotz bemühter Tutorial-Missionen dauert es ein Weilchen, bis man geübt Raketen aus dutzenden Bauteilen zusammensetzt, Testflüge unternimmt und seine Weltraum-Fahrzeuge dorthin lenken kann, wo man sie haben möchte. Zusätzlich erschwert wird dies noch durch die vollkommen überfrachtete und in keiner Form optimale Steuerung am Pad. Man merkt an allen Ecken und Enden, dass Kerbal Space Program am PC konzipiert und für die Maus-Tastatur-Kombination optimiert wurde. Immer wieder muss man schauen, welche Schultertaste jetzt mit welchem Knopf lang oder kurz gehalten werden muss und welche Kombos im Zusammenspiel von Digipad und Schultertasten möglich sind. Bis hier auch nur ansatzweise Spielfluss aufkommt, ist viel Frust angesagt.

Natürlich keine Modifikationen

Beißt man sich durch die initialen Probleme mit der Pad-Belegung darf man auch solche Konstellationen genießen.
Doch irgendwann hat man den Bogen tatsächlich raus und kann die Zeit minimieren, die man in den Optionen verbringt, um die Steuerung zu besichtigen, so dass man sich schließlich ungestört auf die vor einem liegenden Aufgaben konzentrieren kann. Bei den Modi schmiegt man sich eng an die PC-Version an: Man kann entweder nach Gutdünken im Sandkasten seinen Weltraum-Gelüsten freien Lauf lassen, sich aber auch in 15 Szenarien von vorgegeben Aufgaben leiten lassen. Auch die beiden Karriere-Modi wurden integriert, wobei das, was Ben seinerzeit als „klassische“ Karriere kennengelernt hat, hier (und auch am PC) mittlerweile unter dem Begriff „Wissenschaft“ geführt wird. Der Unterschied zur „normalen“ Karriere, in der man u.a. auch auf die Finanzierung seiner Projekte oder der Forschung achten muss, besteht darin, dass hier neue Technologien nur über wissenschaftliche Studien entwickelt werden dürfen. Auf Modifikationen und Add-Ons aus der Community, die das Spiel am PC seit seiner Veröffentlichung kontinuierlich erweitert haben, wird auf der Konsole zumindest bislang verzichtet. Ob man angesichts der Modbarkeit von z.B. Fallout 4 hier vielleicht irgendwann umdenkt und auch Modifikation ermöglicht, bleibt abzuwarten.

Ungeachtet des gewählten Spielmodus gilt allerdings, dass sich hier für Bastler und Physiktüftler ebenso schnell eine Motivationsschraube nach oben dreht wie am PC. Ehe man sich versieht, ist schon wieder eine Stunde vorbei, in der man eigentlich nur Trial & Error folgend die vermeintlich ideale Rakete zusammenbastelt, schaut, ob sie es z.B. schafft, die Umlaufbahn zu verlassen und schließlich gescheitert einen neuen Versuch unternimmt. Wer keine Ruhe und Geduld mitbringt, wird dieses Weltraumprogramm allerdings schnell entnervt verlassen. Wer nicht die Segel streicht, wird jedoch auch immer wieder von kleinen Erfolgserlebnissen verwöhnt, die Endorphine freisetzen, als ob man gerade den Doom’schen Cyberdemon auf Nightmare vernichtet hätte. Und auf einmal ist man dabei, eineninterplanetarischen Flug anzustoßen und zu entwickeln.

Technisch nicht sauber

Nicht nur das mit Kommandos überfrachtete Pad, auch die großen Einblendungsfenster samt kleiner Schrift sorgen dafür, dass das Raumfahrt-Abenteuer der Kerbals unnötig frustriert.
Die angesprochenen Steuerungsdefizite, die definitiv noch Überarbeitung vertragen können, haben bereits ein großes Stück der ursprünglich am PC vergebenen Wertung von 88% weggeknabbert – so weit, dass sogar Gold in Gefahr geraten ist. Und schon nach dem ersten Start des Spiels war zu befürchten, dass die Technik ebenfalls nicht mitspielen würde. Die Schriftgröße bei den Infoboxen z.B. wurde viel zu klein gehalten. Manche Einblendungen wiederum überlagern derart z.B. das Konstruktions- oder Hauptfenster, dass die Übersicht massiv leidet.

Um die akkuraten Physikberechnungen auf der Konsole zu ermöglichen, wurde auf der One scheinbar der Kompromiss einer geringeren Auflösung mitsamt fehlender Kantenglättung gewählt – was wiederum in manchen Ansichten zu fieser Treppchenbildung führt. Dazu gesellen sich flackernde Texturen und auch der eine oder andere Bug. Davon ist zwar nichts wirklich so schwer wiegend, dass ich meine Experimente aufgeben wollte. Doch sorgt ist in der Summe dafür, dass Kerbal Space Program auf der One um eine Note abrutscht.

Fazit

Dass die physikalisch akkurate Raumfahrt-Simulation, die letztes Jahr unsere Auszeichnung als Simulation des Jahres feiern durfte, es überhaupt auf die Konsole geschafft hat, ist bemerkenswert. Und so sehr ich das für die Portierung verantwortliche Team von Flying Tiger dafür loben muss, inhaltlich alles bis auf die Modifizierungs-Optionen zu integrieren, was auch am PC geboten wurde, gibt es auch Grund zur Klage. Vor allem über die nicht optimierte Steuerung, die über einen Großteil der ersten Stunden immer wieder dafür sorgte, dass ich kurz davor war, das Pad hinzulegen und die Kerbals ihrem Weltraumschicksal zu überlassen. Dass mir dann allerdings eine unerwartet hohe Trial&Error-Motivationsschleife entgangen wäre, die mich trotz aller Defizite (und nach endlich einigermaßen verinnerlichter Steuerungs) stundenlang beschäftigt hat, steht auf einem anderen Blatt – für Physikbastler und Hobbyastronauten erfüllt sich auch auf der Konsole ein kleiner Traum. Dass dieser allerdings auch derzeit noch mit kleinen Bugs und visuellen Mankos kämpft, sorgt schließlich in der Summe dafür, dass die letzte Weihe verwehrt bleibt.

Pro

spielerisch vereinfachter, aber glaubwürdiger Weltraumflug
umfangreicher Bau praktischer oder fantasievoller Flugkörper
offenes Spiel: jederzeit freies Setzen aller Ziele
angenehm komplexer Ausbau von Forschung, Basis und Ressourcen in mehreren Schwierigkeitsstufen
optionale Missionen bringen wichtige Ressourcen und dienen als behutsame Wegweiser
Starts können jederzeit und beliebig oft wiederholt werden
verschiedene Karrierearten und zahlreiche Optionen vor Karrierestart
augenzwinkernde Beschreibungen vieler Module und Aufträge

Kontra

unoptimierte, überkomplexe Pad-Steuerung benötigt viel Eingewöhnung
Schwächen bei Kamera und Steuerung während Konstruktion und Flug
bemühtes Tutorial lässt einiges offen
zufällig erstellte Missionen können unsinnige Aufgaben stellen
keine deutschen Texte
keine Mod-Unterstützung

Wertung

XboxOne

Inhaltlich so umfangreich und physikalisch akkurat wie die PC-Version. Steuerungsdefizite, Bugs und technische Probleme sorgen jedoch für einen merklichen Motivations-Dämpfer.

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