Forza Motorsport 527.11.2013, Michael Krosta
Forza Motorsport 5

Im Test:

Forza Motorsport 5 (ab 21,00€ bei kaufen) entpuppte sich auf Messen als DER Hoffnungsträger und potenzieller Kaufgrund für die Xbox One: Mit einer überragenden Technik, der anspruchsvollen Fahrphysik in Kombination mit den neuen Impuls-Triggern und prächtigen Fahrzeugmodellen sollte man endlich ein Hauch von „neuer Generation“ verspüren. Schalten die Entwickler von Turn 10 tatsächlich wieder einen Gang höher oder stockt das Getriebe?

Die Eifel ruft

Nach dem Abschluss der Karriere von Forza Motorsport 4 landete die Disk meist nur noch aus einem Grund im Laufwerk meiner 360: die Nordschleife des Nürburgrings. Der Eifelkurs zählt für mich einfach zu den großartigsten Rennstrecken der Welt und ich weiß noch ganz genau, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, in Project Gotham Racing 2 erstmals an einer Konsole durch die grüne Hölle zu rasen. Noch glücklicher war ich, als die Piste mit dem vierten Teil endlich Einzug in Gran Turismo hielt. Was habe ich dort Runden gedreht! Und obwohl ich die gut 20 Kilometer lange Strecke mittlerweile fast im Schlaf beherrsche, verliert sie nichts von ihrem Reiz und Charme. Immer wieder ein kleines Einzelrennen hier oder die Jagd nach besseren Rundenzeiten da. Mal in einem leicht getunten Serienmodell wie dem VW Corrado, mal in hoch gezüchteten Tourenwagen wie dem BMW M3 GTR oder einem flotten Ferrari. Ich habe immer wieder neuen Spaß daran, mit Vollgas über die lange Gerade der Döttinger Höhe zu brettern, mich durch das Brünnchen oder den Pflanzgarten zu schlängeln oder Karussell zu fahren. Bin ich zu Hause bei meinen Eltern und Freunde kommen vorbei, folgt meist ebenfalls ein Ritual: 360 an, Forza 4 rein, Lenkrad angeschlossen und ab auf den virtuellen Ring. Ein bisschen Übung kann ja nie schaden, befindet sich das reale Gegenstück doch ganz in der Nähe und wird vor allem im Sommer gerne von mir und meinen Kumpels besucht.

Ein Traum zerplatzt

Bathurst zählt zu den neuen Schauplätzen im Streckenkontingent von Forza.
Bathurst zählt zu den neuen Schauplätzen im Streckenkontingent von Forza.
Was hatte ich mich schon darauf gefreut, in Forza Motorsport 5 über den Graffiti verschmierten Asphalt dieser Kult-Piste zu heizen – und das in aufgepeppter Grafik, einer nochmals verbesserten Fahrphysik und originalgetreuer Streckenführung. Immerhin versprachen die Entwickler im Vorfeld auf Laserscanning beim Design der Kurse zu setzen. Dieses Verfahren, das u.a. bei iRacing zum Einsatz kommt, erfasst selbst kleinste Bodenwellen ganz genau. Aber daraus wird leider nichts. Und warum nicht? Weil die Nordschleife nicht im Streckenaufgebot enthalten ist. Genau wie u.a. auch der Hockenheimring, Suzuka, Mugello, Tsukuba und selbst die traditionelle Forza-Piste Maple Valley mit Abwesenheit glänzen. Und damit deutet sich ein gewaltiges Problem an, unter dem die Reihe bei ihrer Premiere auf der Xbox One leidet: Es gibt trotz Neuzugängen wie der Ardennen-Achterbahn Spa-Francorchamps, dem F1-Kurs Yas Marina in Abu-Dhabi, dem fordernden Mount Panorama Circuit von Bathurst und der grafisch imposanten Stadtrundfahrt durch Prag viel zu wenige Strecken! Mit alten Bekannten wie Laguna Seca, Indianapolis, Catalunya und dem obligatorischen Top-Gear-Track stehen hier lediglich 14 Pisten in diversen Layouts zur Auswahl. Zum Vergleich: Im Vorgänger durften sich Rennfahrer noch auf knapp der doppelten Anzahl austoben.

Alleine das Betrachten der bis ins kleinste Detail modellierten Felgen sorgt für Begeisterung.
Alleine das Betrachten der bis ins kleinste Detail modellierten Felgen sorgt für Begeisterung.
Und dieser Mangel an Abwechslung wirkt sich auch negativ auf die überarbeitete Karriere aus, die neuerdings in acht Klassen und diverse Ligen aufgeteilt ist. Aufgrund des begrenzten Budgets wandert zunächst ein Kompaktsportwagen wie das 1er M Coupe von BMW oder ein Mazda RX-8 in die Garage. Im Gegensatz zum Vorgänger, in dem man im Rahmen der Meisterschaften quasi die freie Auswahl über den gesamten Fuhrpark hatte, wird man hier deutlich mehr eingeschränkt und muss sich ähnlich wie bei Gran Turismo die Autos anschaffen, die zu den jeweiligen Ligen und Veranstaltungen passen. So klemmt man sich später u.a. hinter das Steuer von Muscle-Cars wie dem Shelby GT 500, gibt in stylischen Exoten wie dem Pagani Zonda Vollgas oder unternimmt in Oldtimern vom Schlag eines eleganten Mercedes SL 300 oder dem Bond-Klassiker Aston Martin DB5 eine kleine Reise in die Vergangenheit. Erstmals darf man in Forza sogar im Cockpit von Formel- sowie Indy-Wagen Platz nehmen und u.a. den 76er Weltmeister-Ferrari von Niki Lauda und den aktuellen F1-Flitzer von Lotus über die Pisten jagen. Ja, das klingt eigentlich alles super, doch da man aufgrund des mageren Streckenangebots ständig die gleichen Schauplätze besucht, ist hier schnell die Luft raus, zumal mich auch die langweilige Aufmachung nicht überzeugt hat. Zwar wird schon fast verzweifelt versucht, den Spieler mit kleinen Extraaufgaben wie einem Pylonen-Parcours, Überhol-Herausforderungen oder Rennen durch den Verkehr bei der Stange zu halten, doch das größte Problem bleibt bestehen: Es gibt zu wenig Strecken!

Versteckspiel im Menüsystem

Angesichts der geringen Auswahl an Le-Mans-Prototypen scheint es so, als wären sie vom Aussterben bedroht.
Angesichts der geringen Auswahl an Le-Mans-Prototypen scheint es so, als wären sie vom Aussterben bedroht.
Hinzu kommt ein weiteres Manko: Im Rahmen der Karriere ist es mir nicht gestattet, vor dem Rennen am Setup meiner PS-Schleuder herum zu schrauben oder bereits abgespeicherte Einstellungen zu laden. Das ist erst über einen gut versteckten und deplatzierten Unterpunkt außerhalb der aktuellen Rennserie möglich – oder alternativ über den Umweg ins Hauptmenü, für den man den Karriere-Modus sogar komplett verlassen muss. Dort bekommt man im Tuning-Bereich aber wieder die gewohnt breite Auswahl an Autoteilen, mit denen man selbst schwachbrüstige Straßengurken in imposante Rennwagen verwandeln kann: Fette Endschalldämpfer, Turbolader, höhenverstellbares Rennfahrwerk, voll anpassbares Differenzial, Nockenwellen und selbst Motorenumbauten sowie Antriebswechsel sind wieder mit an Bord, wie man es von der Forza-Reihe kennt und liebt. Etwas versteckt ist der Zugriff auf das Wagen-Setup als Teil des Tuning-Menüs, indem man dort die X-Taste drückt.

Dann freut man sich aber wieder über die vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten vom Reifendruck über Anpassungen an der Getriebe-Übersetzung, Aerodynamik, Bremsen sowie dem Differenzial. Die Abstimmung des Fahrwerks ist natürlich besonders wichtig und so schraubt man sich auch hier den Radsturz, Spur, Stabilisatoren, Federn und Dämpfung nach eigenen Vorlieben zurecht bzw. passt alles den Leistungen des Wagens und / oder den Streckencharakteristiken an. Musste man früher noch manuell eine Messung in die Wege leiten, werden die Veränderungen am Setup jetzt flott und automatisch berechnet, so dass man gleich sieht, wie sich die neuen Teile und Einstellungen auf Faktoren wie die Querbeschleunigung, Bremsweg oder die theoretische Höchstgeschwindigkeit auswirken. Logisch, dass man seine Präferenzen auch wieder mit der Community teilen und sich auch selbst am Quell der Vorlagen bedienen kann. Wichtig: Das Setup muss auf jeden Fall abgespeichert werden, auch wenn es auf den ersten Blick im Rahmen der Karriere nicht viel bringt, da man ja vor den Rennen kein eigenes Setup mehr laden darf. Letzteres ist erst in freien Rennen erlaubt, bei denen man jetzt endlich auch die Rundenzahl von eins bis 50 selbst festlegen darf.

Strukturelle Probleme

Die Fahrt durch das traumhaft modellierte Prag markiert den grafischen Höhepunkt.
Die Fahrt durch das traumhaft modellierte Prag markiert den grafischen Höhepunkt.
Doch um es nochmal zu verdeutlichen, gilt auch hier: Setups dürfen nur geladen, aber vor den Einzelrennen nicht mehr verändert werden – und auch nur dann, wenn man gerade in dem Wagen sitzt, für den die Einstellungen ursprünglich vorgenommen wurden. Im Vorgänger war dies noch möglich und ich frage mich, wie man hier die Menüstruktur so dermaßen verkorksen konnte. Es scheint fast so, als wollte Turn 10 die Spieler regelrecht davon abhalten, sich mit den Veränderungen am Setup zu beschäftigen. Komplizierter geht es jedenfalls kaum, doch die Navigation scheint in diesem Teil generell nicht sonderlich durchdacht. So ist ein Fahrzeugwechsel nur beim Besuch der Karriere oder im freien Spiel möglich, da der Hauptbildschirm zwar als Hub für Spielmodi, Tuning, gespeicherte Bilder und Videos sowie die fantastischen Lackierungsmöglichkeiten fungiert, aber ein Gang zum Autohändler oder in die eigene Garage hier verwehrt wird. Die Sortierung der Fahrzeuge ist ebenfalls eine Qual, denn anstatt wie im Vorgänger die Hersteller aufzulisten, packt man gleich sämtliche Modelle des gesamten Fuhrparks in die Übersichtsleiste. Zwar kann man das Angebot u.a. nach Leistungsklassen, Jahren sowie Antriebstypen sortieren und mit Hilfe der Schultertasten alphabetisch die Autobauer abklappern, aber es ist einfach nur eine Tortur, wenn man z.B. einen Volkswagen oder Modelle eines anderen Herstellers am Ende des Alphabets auswählen will.

Kastrierter Fuhrpark und DLC-Abzocke      

70 Euro, wenn man im F1-Flitzer von Lotus fahren will, bevor man sich die sechs Millionen Ingame-Credits verdient hat? Forza 5 und seine Mikrotransaktionen machen es möglich!
70 Euro, wenn man im F1-Flitzer von Lotus fahren will, bevor man sich die sechs Millionen Ingame-Credits verdient hat? Forza 5 und seine Mikrotransaktionen machen es möglich!
Aber gut, ewig braucht man dafür nicht, haben Turn 10 und Microsoft doch nicht nur bei der Streckenauswahl, sondern auch beim Fuhrpark die Schere angesetzt und die vormals 500 Karossen auf 200 Boliden reduziert – also mehr als die Hälfte gestrichen! Dass man aber gleichzeitig schon zum Start das erste von vielen kostenpflichtigen DLC-Paketen anbietet, wirkt da fast schon wie ein Schlag ins Gesicht. Liebe Leute von M$: Angesichts der massiv gekürzten Inhalte hätte man die erste Erweiterung eigentlich kostenlos anbieten müssen – und nicht mit einem Season Pass für weitere 50 Euro herum wedeln, bei dem man ernsthaft noch betont, dass man durch den Kauf ja sogar effektiv zehn Euro spart. Aber es kommt noch schlimmer: Optionale Mikrotransaktionen zur Abschaffung von Fahrzeugen und Upgrades gegen echtes Geld wurden ja schon im Vorgänger angeboten, doch hier wirkt es langsam so, als hätten die Entwickler zu viel Abgase am Auspuff geschnüffelt. Da will man die Leute, die gerade erst knapp 70 Euro für ein inhaltlich deutlich abgespecktes Update gezahlt haben, erneut mit 70 Euro zur Kasse bitten, wenn sie sofort mit dem F1-Wagen von Lotus auf die Piste gehen wollen. Ja: 70 verdammte Euro für ein verdammtes Auto, das aus Nullen und Einsen besteht. Geht's noch? Das Schlimmste an der ganzen Geschichte: Es wird Leute geben, die dieses perverse Spielchen mitmachen und Microsoft (sowie andere Hersteller) damit nur bestärken, in Zukunft noch mehr auf Mikrotransaktionen sowie DLC-Abzocke zu setzen. Schöne neue Generation.

Hinzu kommt, dass man das Konzept spürbar darauf getrimmt hat, den Zuwachs für die eigene Garage zu erschweren. Beispiele gefällig? Für Rangaufstiege, die man – Überraschung – mit kostenpflichtigen XP-Booster-Paketen beschleunigen kann, gibt es als Belohnung nur noch Credits und Preisnachlässe bei Herstellern. Nicht aber neue Fahrzeuge, wie es noch bei all den Vorgängern der Fall war. Diese trudeln nur manchmal über die Nachrichtenzentrale als Geschenk ein – warum auch immer. Konnte man früher im freien Spiel noch auf den gesamten Fuhrpark zugreifen und sich zusätzliche Credits verdienen, bekommt man hier nur noch eine kleine Auswahl an „Mietwagen“, für die man zwar keine Gebühr zahlen muss, aber auch keine Preisgelder oder Erfahrungspunkte in Rennen einstreichen kann. Das geht nur noch mit Fahrzeugen, die man sich gekauft oder die man geschenkt bekommen hat.

Schlechte Geschäfte

Die Teststrecke von Top Gear gehörte nicht zu den Streichkandidaten.
Die Teststrecke von Top Gear gehörte nicht zu den Streichkandidaten.
Damals war alles einfacher: Wollte man den flotten Luxus-Sportwagen, verkaufte man einfach ein paar seiner alten Rostmühlen oder versteigerte sie zusammen mit einem coolen Design im Auktionshaus, um den Kontostand aufzubessern. Dem schieben die Entwickler gleich in mehrfacher Hinsicht einen Riegel vor: Zwar kann man Fahrzeuge aus der eigenen Garage wieder entfernen, bekommt dafür aber keine Credits zurück. Das Auktionshaus wurde sogar ganz abgeschafft – genau wie die Möglichkeit, einem Kumpel einfach mal ein Auto zu schenken. Und warum das alles? Weil man es den Spielern so schwer wie möglich machen will, günstig an neue Wagen zu kommen oder die Kasse aufzubessern. So sieht es aus! Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum man die Auto-Clubs gestrichen hat, durften die Mitglieder dort doch ihren Fuhrpark untereinander teilen.

Genau das will man verhindern: Die Hürden zur Erweiterung der eigenen Garage und Anschaffung stärkerer Upgrades sind hier spürbar höher als im Vorgänger. Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass diese Maßnahme in erster Linie dazu dient, den Auto-Narren die Mikrotransaktionen schmackhafter zu machen oder ihr Geld in EP Boosts zu investieren, um schneller aufzusteigen und Preisgelder zu kassieren. Diese zeitlich begrenzten Extras sind übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie man die Käufer über den Tisch zieht, denn anstatt die Minutenpakete auf die reine Fahrzeit anzuwenden, tickt die Uhr auch beim Verweilen in den Menüs sowie den saftigen Ladezeiten weiter runter, so dass man seine EP-Boosts im wahrsten Sinne des Wortes teuer bezahlt, aber kaum etwas davon hat. Ich kann deshalb auch hier nur raten: Finger weg! Es sei denn, man hat gerade ein paar Gutscheine über, denn manchmal bekommt man sie auch als Belohnungen gutgeschrieben. Wie und warum man sie gewinnt, ist mir aber immer noch ein Rätsel.

Klasse statt Masse?

Die Fahrzeugauswahl wurde zwar kastriert, kann sich mit einem großartigen Repertoire aus Sport- und Rennwagen sowie Oldtimern trotzdem sehen lassen.
Die Fahrzeugauswahl wurde zwar kastriert, kann sich mit einem großartigen Repertoire aus Sport- und Rennwagen sowie Oldtimern aber trotzdem sehen lassen.
Ja, bei Forza 4 hatte man eine deutlich größere Auswahl an mehr oder weniger schnittigen Boliden. Trotzdem muss man Turn 10 zu Gute halten, dass der Fuhrpark trotz der Einschränkungen exzellent zusammengestellt wurde: Da sind die kultigen Oldtimer wie der 63er VW Käfer oder der Mini Cooper S mit seinem Federgewicht von 671 Kilogramm – genau wie der Abarth 500 als modernes Gegenstück. Amerikanische Muscle Cars wie der Dodge Challenger oder Chevrolets Corvette ZR-1 treffen auf europäische Kompaktsportler wie den Golf R oder japanische Rallye-Champions vom Schlag eines Subaru Impreza WRX STi. Nicht zu vergessen die Schwergewichte, die zwei Tonnen und mehr auf die Waage bringen – so wie der Jeep Grand Cherokee SRT8, der Range Rover Supercharged oder BMWs X5. Rasanter in der A- und S-Klasse, wo sich edle Sportwagen und Hyper Cars wie der Enzo Ferrari, Koenigsegg Agera oder Audis R8 tummeln. In den drei letzten Klassen stehen die Zeichen endgültig auf Rennsport mit höchsten Ansprüchen: Atoms 354 kW starkes „Go-Kart“ Atom 500 mit V8-Motor kann dank seines geringen Gewichts selbst mit der Leistung einer Viper GTS-R mithalten. Le-Mans-Prototypen wie den Audi R18 e-tron quattro oder Peugeots 908 sind ebenfalls noch vertreten, obwohl deren Anzahl auf gerade mal drei Fahrzeuge geschrumpft ist. Zum Vergleich: In Forza 4 gab es alleine von Audi fünf Prototypen. Die neuen Formel-Wagen aus der Indy-Serie und F1 sind aber eine willkommene Ergänzung – genau wie die Modelle von McLaren und Ferrari, in denen James Hunt und Niki Lauda 1976 um die Meisterschaft kämpften. Außerdem bin ich glücklich, dass der VW Corrado neben dem 2er GTI nicht gestrichen wurde, zählt der Sportwagen aus Wolfsburg trotz seiner Beliebtheit bei hiesigen Tunern doch immer noch zu Exoten in Rennspielen.  

Ja, der Fuhrpark kann sich ohne Zweifel sehen lassen. Trotzdem vermisse ich viele Modelle, mit denen ich im Vorgänger noch viel Zeit hinter dem Steuer verbracht habe – so z.B. die DTM-Tourenwagen von Audi und Mercedes, BMWs 2005er M3 GTR oder den Bugatti Veyron, der hier nur als DLC-Erweiterung angeboten wird. Das gilt auch für aktuelle Modelle wie den schnittigen Hybriden Ferrari LaFerrari oder den jüngsten M6 Coupe sowie den altehrwürdigen Lotus Esprit V8 und Pontiac Firebird Trans Am GTA, mit dem Erinnerungen an Knight Rider wach werden. Die Sportwagen von Porsche fehlen erneut im Sortiment, doch werden immerhin Modelle von RUF als Ersatz angeboten. „Bedanken“ darf man sich für die Porsche-Abwesenheit wohl bei EA und deren exklusivem Deal mit dem Autobauer aus Zuffenhausen. Aber wer weiß: Vielleicht kann man sich wieder einigen und wird erneut ein DLC-Paket nachliefern – am besten gleich doppelt so teuer, damit auch jeder was davon hat. Es würde zum aktuellen Trend passen.

Mit Liebe zum Detail

In ForzaVista kann man (fast) jedes winzige Detail betrachten und mit den Boliden interagieren.
In ForzaVista kann man (fast) jedes winzige Detail betrachten und mit den Boliden interagieren.
Schon in der freien Wildbahn, wenn man Stoßstange an Stoßstange um Positionen kämpft, sehen die Boliden fantastisch aus. Doch ihre ganze Pracht und die Liebe, mit der sie für das Spiel modelliert wurden, entfalten sie erst im ForzaVista-Modus, der erweiterten Fassung von AutoVista. Im Vorgänger durfte man nur etwa 20 Fahrzeuge im Detail betrachten, dabei u.a. ihre Türen und Motorhauben öffnen, einsteigen sowie jede kleine Feinheit im Cockpit und dem Innenraum aufsaugen. Jetzt wird das Spektakel nicht auf eine erlesene Auswahl beschränkt, denn in Forza 5 lässt sich jedes Fahrzeug des Fuhrparks genau unter die Lupe nehmen – egal ob ein langweiliges 08/15-Serienmodell oder ein einzigartiger Rennwagen mit bewegender Historie.

Allerdings wird schnell deutlich, dass es trotzdem so etwas wie eine Zweiklassen-Aufteilung gibt: Viele „Standard-Boliden“ erlauben erlauben nicht den Grad an Interaktionen wie die Premium-Pendants. So bleiben z.B. die meisten Motorhauben und Kofferräume verschlossen und auch der kleine Vortrag bezieht sich oft mehr auf den Hersteller im Allgemeinen und weniger auf das Modell im Speziellen. Teilweise ertönt bei gleichen Serien, etwa BMWs M3-Boliden aus verschiedenen Jahren, sogar eine identische Aufnahme. Das war im Vorgänger noch anders, als Top-Gear-Moderator Jeremy Clarkson auf süffisante Weise seinen individuellen Senf zu jedem einzelnen Fahrzeug abgab. Hier übernimmt jetzt übrigens Ulrike Stürzbecher dessen Rolle, die den meisten als Synchronsprecherin von Meredith Grey (Grey's Anatomy) bekannt oder Kate Winslets Stimme in Titanic im Gedächtnis geblieben sein dürfte. Genau wie in den Tutorial-Hinweisen macht sie ihre Sache sehr gut, doch sind die Texte eher sachlich geprägt und lassen den Witz sowie Charme von Clarkson vermissen. Trotzdem wird für PS-Liebhaber ein Traum wahr: ForzaVista ist ein Auto-Porno mit endgeil modellierten Flitzern und viel Informationsgehalt!

Und ganz verzichten muss man auf Clarkson ja nicht, denn der Moderator lässt im Rahmen der Karriere seinen Gedanken wieder freien Lauf und stellt auf seine markant unterhaltsame Weise die acht Klassen sowie ihre herausragenden Vertreter vor – dieses Mal sogar mit der Unterstützung des restlichen Top-Gear-Teams. Selbst eine digitale Kopie von Stig, dem mysterösen Rennfahrer der TV-Show, mischt auf der Piste mit.

Ein ganz neues Fahrgefühl

Wie die Fahrzeuge auf der Straße liegen, ans Limit gehen, mit dem Heck ausbrechen oder innerhalb weniger Sekunden von null auf 100 beschleunigen - es fühlt sich einfach großartig an!
Wie die Fahrzeuge auf der Straße liegen, ans Limit gehen, mit dem Heck ausbrechen oder innerhalb weniger Sekunden von null auf 100 beschleunigen - es fühlt sich einfach großartig an!
Es ist ein bisschen so wie mit Frauen: Klar, zuerst springt man(n) auf die Optik an, doch viel wichtiger sind doch eigentlich die inneren Werte, oder? Was bringt mir also der schönste Ferrari, wenn ich hinter dem Steuer ständig das Gefühl habe, in einem LKW zu sitzen, mit dem ich auf Schienen unterwegs bin? Nichts. Doch zum Glück knüpft Turn 10 hinsichtlich der Fahrphysik dort an, wo man bei Forza 4 aufgehört hat. Eigentlich reicht ein Wort: phänomenal! Vor allem das neue Reifenmodell trägt maßgeblich dazu bei, dass man langsam das Limit der Boliden ausloten und entsprechend auf das Über- und Untersteuern reagieren kann. Gerade unter Simulationsbedingungen fühlen sich die Boliden herrlich authentisch an und man hat alle Hände voll zu tun, die mitunter gewaltigen Pferdestärken zu zähmen und sich auf die individuellen Eigenschaften der Fahrzeuge einzustellen. Ein R8 mit Vierrad-Antrieb fährt sich eben ganz anders als ein Frontantriebler wie der Ford Focus RS oder gar eine Heckschleuder wie der RUF CTR 2. Kleine Serienwagen wie der Vauxhall Astra (Opel ist als Hersteller nicht mehr vertreten) haben eben nicht den Anzug oder ein voll anpassbares Rennfahrwerk wie ein McLaren P1. Und es gelingt den Entwicklern hervorragend, diese Unterschiede zwischen den einzelnen Boliden abzubilden. Die zuschaltbare Echtzeit-Telemetrie ist zudem ein Freudenfest für Daten-Freaks: Reifenbelastungen, Temperaturen, G-Kräfte, das Arbeiten des Fahrwerks – so ziemlich alles wird hier erfasst! Doch wie immer richtet sich Forza nicht nur an Profi-Rennfahrer, denn mit zuschaltbaren Hilfen kommen selbst Anfänger in den Genuss, den Fahrspaß zu erleben. Kinect als alternative Steuerungsmethode wird allerdings nicht mehr unterstützt und auch auf Sprachbefehle für eine einfachere Navigation oder die Bewegungs-Erkundung in ForzaVista wird verzichtet. Geblieben ist einzig das „Head-Tracking“, das mittlerweile aber eher „Body-Tracking“ betreibt. Lehnt man seinen Körper nach rechts oder links, verändert sich entsprechend die Sicht des Fahrers, der die Bewegung imitiert. Eine interessante, aber gewöhnungsbedürftige Erfahrung, die ich schnell wieder deaktiviert habe.  

Gerade im Zusammenspiel mit Forza 5 zeigt der neue Controller der Xbox One, was in ihm steckt: Dank der Impulse-Trigger, die neben den Standard-Vibrationen einen zusätzlichen Rumble-Effekt in den beiden unteren Schultertasten bieten, kann man wunderbar spüren, wann die Reifen an Bodenhaftung verlieren oder die Bremsen blockieren. Es mag sich nur wie eine Kleinigkeit anhören, aber wer einmal mit diesem Controller seine Runde gedreht hat, möchte nicht mehr zu den Standard-Pads ohne diese Funktion zurückkehren. Hier entsteht tatsächlich ein ganz neues Fahrgefühl, welches das Prädikat „Next-Gen“ endlich einmal verdient. Selbst meinen geliebten NegCon würde ich für diese grandiose Erfahrung links liegen lassen. Das kann man nicht beschreiben, das muss man selbst erleben. Und falls man bei Sony clever ist, wird man spätestens zum Release von Gran Turismo 7 auch den PS4-Controller mit dieser Funktion ausstatten. Ich kenne jedenfalls kein anderes Eingabegerät, das so nah an das Rennerlebnis heran kommt, das man mit einem guten Force-Feedback-Lenkrad verspürt.

Die Lenkrad-Krux

Ab nach Abu Dhabi auf den Rennkurs Yas Marina - leider nur bei Tag.
Ab nach Abu Dhabi auf den Rennkurs Yas Marina - leider nur bei Tag.
Apropos Lenkräder: Mit der Veröffentlichung der neuen Konsole und einem frischen Statement von Fanatec herrscht endgültig traurige Gewissheit, dass die 360-Lenkräder an der One nicht mehr funktionieren – selbst wenn man auf die Funkverbindung verzichtet und sie über USB anschließt. Für mich persönlich eine riesige Sauerei von Microsoft – zumal das CSR-Wheel sogar als offizielles Forza-Wheel verkauft wurde. Aber mit Racing-Fans kann man es scheinbar machen: Wenn sie sich schon mit den DLCs und Mikrotransaktionen über den Tisch ziehen lassen, können sie auch ein neues Lenkrad kaufen, wenn sie Forza 5 voll genießen wollen. Ich kann jetzt nur von meinen Messeeindrücken sprechen, denn wir haben weder ein Lenkrad-Testmuster bekommen noch würde es mir in den Sinn kommen, mir für wahnwitzige 350 Euro das Thrustmaster-Teil anzuschaffen, das nur an der Microsoft-Konsole funktioniert und mir nicht mal eine gescheite H-Schaltung oder gar Kupplung bei der Pedalerie bietet.

Trotzdem übertrifft das Rasen mit Lenkrad selbst die fantastische Controller-Steuerung – alleine schon deshalb, weil es sich realistischer anfühlt, ein Wheel in den Händen zu halten und mit den Füßen die Pedale zu bedienen. Zusätzlich trägt auch die Klangkulisse einen entscheidenden Teil zur Immersion bei: Schon in den vergangenen Jahren zählte die Forza-Reihe in dieser Hinsicht zu den Top-Kandidaten und auch hier bekommt man angesichts der satten, kernigen Klänge eine wohlige Gänsehaut. Vor allem, wenn die Motoren nach Tuningmaßnahmen zunehmend aggressiver schreien, bohrt sich die zusätzliche Power regelrecht in die Gehörgänge, während es bei Kollisionen ordentlich scheppert. Nur die zu pathetische Hintergrundmusik konnte ich nicht lange ertragen – auch weil sie bei langweiligen Serienwagen völlig deplatziert wirkt. Da man keine MP3s auf der Konsole speichern oder CDs auf die Festplatte auslesen darf, hat man hier leider keine Chance mehr, eigene Musik ins Spiel zu importieren.

Eine revolutionäre KI?

Exoten finden sich ebenfalls im Fuhrpark.
Exoten finden sich ebenfalls wieder im Fuhrpark.
Die meiste Zeit kämpft man allerdings gegen so genannte Drivatare – ein interessantes Konzept, das bereits 2005 im ersten Forza Motorsport auf der Xbox vorgestellt und seitdem so stark weiterentwickelt wurde, dass es die herkömmliche KI hier ersetzt bzw. völlig umkrempelt. Die Idee dahinter: Auf der Piste sollen die Piloten menschlicher agieren. Sie sollen Fahrfehler begehen, individuelle Rennlinien fahren und mit Spontaneität überraschen – und sich weiterentwickeln. Quasi eine lernfähige KI, die völlig anders agiert als ein fest programmiertes Gegenstück, dessen Manöver man schnell durchschaut, so dass man sich darauf einstellen kann. Genau so war es in der Vergangenheit: Ich konnte selbst auf der höchsten Schwierigkeit z.B. immer vorhersehen, wo die Fahrer vor bestimmten Kurven bremsen werden – weil sie es immer so machten.

Hier läuft es anders, denn das Spiel analysiert pausenlos das Fahrverhalten jedes Spielers auf jeder Strecke. Wie hoch ist der Vollgas-Anteil? Wie oft und stark wird gebremst? Wie sauber fährt er die Kurven? Nutzt er effektiv den Windschatten? Unternimmt er perfekte Überholmanöver oder kommt es zu Rempeleien? Kann er driften oder nicht? All diese Erfahrungswerte und Daten fließen in die Persönlichkeit des Drivatars ein und bestimmen, wie er sich auf der Piste verhält – immerhin ist er Teil des Fahrerfelds anderer Spieler und sammelt sogar Prämien ein, die regelmäßig dem eigenen Konto gutgeschrieben werden. Meist mischt er in Rennen von Bekannten mit, die sich auf der eigenen Freundesliste befinden und die ebenfalls Forza 5 zocken. Umgekehrt kämpfen in eigenen Events vornehmlich die Drivatare von Freunden mit um den Sieg. Aber führt das nicht zu Problemen, wenn ein Freund z.B. alles in Grund und Boden fährt, man selbst aber eher als Anfänger unterwegs ist? Nein, denn obwohl man versucht, den Fahrstil von Menschen zu adaptieren, wird der Schwierigkeitsgrad trotzdem noch vom Spiel skaliert und man hat die Wahl zwischen acht Stufen, wie stark die Drivatare auftreten sollen. Wie immer gilt: Je höher die Anforderungen, desto höher fällt auch das Preisgeld aus. So verdient man als Fahrer deutlich mehr, wenn man gegen starke Gegner antritt und dabei weitestgehend auf Hilfen wie ABS, Traktionskontrolle & Co verzichtet. Allerdings gibt es generell noch einige Unterschiede zwischen den Leistungen von echten Spielern und ihren Drivataren. Ich musste zu Hause feststellen, dass die KI unseres Firmen-Gamertags, die ich mit meinen „Fahrkünsten“ maßgeblich geformt hatte, selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad völlig anders agiert als ich es tun würde. Ich würde z.B. nie auf die Idee kommen, auf einer langen Geraden auf die Bremse zu treten. Oder die Kurve so anzufahren, wie es der Drivatar macht.

Mehr Spieler als Rennfahrer

Die lernfähige KI hat derzeit noch wenig mit echten Rennfahrern gemeinsam.
Die lernfähige KI hat derzeit noch wenig mit echten Rennfahrern gemeinsam.
Klar, in dieser frühen Phase darf man sich noch kein endgültiges Urteil bilden, denn die KI entwickelt sich ständig weiter. Hoffentlich werden im Rahmen dieser Evolution auch die mitunter heftigen Aussetzer minimiert – damit meine ich nicht nur die recht häufigen Rempeleinlagen, sondern krasse Wegfindungsprobleme, bei denen die Drivatare nach einem Abflug nicht mehr auf die Strecke zurückfinden. Generell hat man das Gefühl, hier eher in Online-Partien unterwegs zu sein. Die optional abschaltbare Verwendung von Fantasie-Lackierungen unterstreicht ebenfalls diesen Charakter. Vielleicht ist es genau das, was Turn 10 erreichen wollte. Ich für meinen Teil würde trotz des interessanten Drivatar-Konzepts eine fest programmierte KI bevorzugen, die wie ein Rennfahrer auftritt und nicht wie ein Spieler. Deshalb wäre es mir lieber gewesen, wenn man die Drivatar-Duelle in einen separaten Spielmodus ausgelagert hätte. Aber wie gesagt: Noch besteht Hoffnung, dass sich die KI so weiterentwickelt, dass man sie irgendwann tatsächlich mehr mit echten Rennfahrern und weniger mit Videospielern assoziiert.

Kein klassischer Motorsport

Echte Rennwagen gibt es genug. Aber klassischer Motorsport mit Qualifying, Boxenstopps & Co darf trotzdem nicht zelebriert werden.
Echte Rennwagen gibt es genug. Aber klassischer Motorsport mit Qualifying, Boxenstopps & Co darf trotzdem nicht zelebriert werden.
Doch auch unabhängig von der KI vermisse ich wieder einige Elemente, die den realen Rennsport ausmachen: Wo sind die klassischen Rennwochenenden mit Trainings- und Qualifikations-Sessions? Ich würde alternativ zur Karriere mit ihren Mini-Events lieber Meisterschaften in dieser Form erleben – sowohl online als auch offline – und mir dabei auch einen eigenen Kalender zusammenstellen dürfen. Auch bei den Boxenstopps hinkt man immer noch hinterher: Zwar darf man sich mittlerweile frische Pneus abholen und auch der Benzinverbrauch wird berechnet, doch eine animierte Crew sucht man immer noch vergeblich. Stattdessen wird der Bolide wie von Geisterhand hoch gebockt, verweilt ein paar Sekunden in dieser Position und wird dann wieder freigegeben. Da hat man selbst auf dem Amiga schon besser inszenierte Besuche bei seinen Mechanikern erlebt. Das soll die nächste Generation sein?

Viel schlimmer wiegt aber die Tatsache, dass man es immer noch nicht geschafft hat, dynamisch wechselnde oder zumindest unterschiedliche Witterungsbedingungen sowie einen Tag-/Nachtzyklus zu realisieren. Das wäre eine Weiterentwicklung der Serie gewesen, die ich mir beim Eintritt in die neue Generation gewünscht und die ich auch erwartet habe. Aber selbst die fantastische Beleuchtung, die laut Dan Greenawalt komplett simuliert werden kann, bleibt statisch, sprich: Man wird immer an den gleichen Stellen von den Sonnenstrahlen geblendet. Würde man den hellen Stern wandern lassen oder gar an die aktuelle Uhrzeit anpassen, hätten sich die Rennen dynamischer angefühlt und es hätte mehr Überraschungsmomente gegeben, wenn die Sicht plötzlich beeinträchtigt wird. Wenn ich bedenke, dass Polyphony Digital in Gran Turismo 6 nicht nur all das auf der PS3 bieten will und sogar den Sternenhimmel simuliert, ist das schon ein kleines Armutszeugnis für das Forza der neuen Generation.

Rücksichtsloses Fahren? Rempeln? Abkürzen? Warum nicht, denn mit Strafen braucht man hier nicht zu rechnen.
Rücksichtsloses Fahren? Rempeln? Abkürzen? Warum nicht, denn mit Strafen braucht man hier nicht zu rechnen.
Was man ebenfalls nicht umsetzen kann oder will: Ein Flaggensystem mit effektiven Verwarnungen und Strafen. Zwar wird man bei einigen Abkürzungsversuchen künstlich abgebremst oder von künstlichen Hindernissen davon abgehalten. Trotzdem ist es immer noch zu oft möglich, sich unfaire Vorteile zu verschaffen – so etwa in der berühmten Eau-Rouge-Kurve in Spa, bei der man auch einfach geradeaus fahren kann. Die einzige Konsequenz: Es wird festgehalten, dass man die Runde nicht sauber gefahren ist. Das Gleiche passiert auch, wenn man ein anderes Fahrzeug berührt oder die Rückspulfunktion nutzt, für deren Verwendung mittlerweile kleine Beträge vom Preisgeld abgezogen werden. Dies hat aber keine direkten Einfluss auf das Renngeschehen (Stichwort: Zeitstrafe), sondern nur auf die Position in der Bestenliste. Wie schon im Vorgänger gilt auch hier: Sauber gefahrene Runden sind wertvoller als schnellere Zeiten, die mit Hilfe von Abkürzungen eingefahren wurden oder erst mit Hilfe des Zurückspulens fehlerfrei zurechtgebogen wurden. Wenigstens etwas. Trotzdem hätte ich mir vor allem in Online-Rennen mehr Konsequenzen für eine rüpelhafte Fahrweise gewünscht, also Zeitstrafen oder eine längere Drosselung der Motorleistung – leider vergeblich. Stattdessen öffnet man Rowdies Tür und Tor, da sie nichts zu befürchten haben.

Wenn aus Traumwagen Schrottkarren werden

Nur eines kann sie vielleicht zur Vernunft bringen: Das volle Schadensmodell, das sich neben der Karriere und Einzelrennen zumindest auch in privaten Online-Sitzungen einschalten lässt. Denn wenn es hier kracht, dann gibt es mehr als ein paar Kratzer und Beulen zu beklagen. Bekommt z.B. das Fahrwerk einen harten Schlag, zieht das Auto nach rechts oder links und lässt sich kaum noch vernünftig steuern. Wird der Motor oder das Getriebe beschädigt, wirkt sich das spürbar auf die Leistung aus – bis hin zum faktischen Totalschaden, bei dem die Schrottkarre gar nicht mehr auf das Gaspedal anspricht und nur noch ausrollt.

Man kann die Marketing-Leute fast schon verstehen, dass sie diese Schönheiten nicht als Wracks auf dem Bildschirm sehen wollen. Das schwache Schadensmodell ist trotzdem enttäuschend.
Man kann die Marketing-Leute fast schon verstehen, dass sie diese Schönheiten nicht als Wracks auf dem Bildschirm sehen wollen. Das schwache Schadensmodell ist trotzdem enttäuschend.
Doch so schön es ist, wie sich die Schäden auf die Fahrphysik auswählen, so enttäuschend ist die optische Darstellung ausgefallen. Zwar bekommt die Karosserie nach Kollisionen ein paar Dellen sowie fiese Kratzer und auch die Stoßstange verzieht sich mal oder die Scheiben bekommen Risse. Aber insgesamt bleibt die Verkleidung erschreckend gut in Schuss, wenn man bedenkt, was ich so alles mit den Wagen angestellt habe, um das Schadensmodell zu testen. Abfallende Teile? Fehlanzeige. Es scheint sogar so, als wäre in früheren Teilen noch deutlich mehr zu Bruch gegangen. Auch hier hätte ich beim Sprung auf die nächste Generation deutlich mehr erwartet. Doch mit zunehmender grafischer Qualität hin zum Foto-Realismus werden wahrscheinlich auch die Sorgenfalten in den Gesichtern der Marketing-Bosse von BMW & Co größer. Tatsächlich war ich vor einiger Zeit beim bayerischen Autobauer zu Gast und sprach das Thema dort an. Die unmissverständliche Antwort: „Nein, wir wollen keine stark beschädigten Modelle von uns in Videospielen sehen und legen den Entwicklern nahe, diesen Wunsch zu akzeptieren“. Was dabei herauskommt sieht man hier: Ein fauler Kompromiss, bei dem man die Auswirkungen von Schäden hauptsächlich spürt, sie aber kaum sieht.

Wo sind all die Rennfahrer?

Weniger Modi, keine Lobbyliste und (bisher) seltsames Match-Making: Im Online-Bereich fährt man dem Vorgänger hinterher.
Weniger Modi, keine Lobbyliste und (bisher) seltsames Match-Making: Im Online-Bereich fährt man dem Vorgänger hinterher.
Die Mehrspielerkomponente stellt mich derzeit vor ein Rätsel: Für bis zu 16 Online-Raser werden jede Menge Veranstaltungen geboten – angefangen bei monatlichen Spezial-Events mit vorgegebenen Wagen, Drift-Wettbewerbe und Rennen, die auf bestimmte Klassen beschränkt sind. Doch in den letzten Tagen kamen durch das automatische Match-Making kaum mehr als drei Fahrer zusammen. Ich habe unterschiedliche Theorien, woran das liegen könnte: Ein guter Grund, öffentliche Spiele zu meiden, sind ohne Zweifel die vielen Chaoten und das fehlende Strafsystem. Folglich dürften sich viele Spieler vornehmlich in privaten Lobbys mit ihren Freunden vergnügen. Vielleicht vermissen die Leute aber auch Spaß-Modi wie „Katz und Maus“ und bleiben deshalb den Online-Pisten fern. Oder sie sind so fasziniert vom deutlich besser integrierten Rivalen-Modus, dass sie sich lieber asynchrone Duelle um Rundenbestzeiten liefern. Ich weiß es nicht.

Was ich weiß: Mit drei oder vier Fahrern liefen die Rennen stabil und ohne Lags ab. In privaten Spielen hat man außerdem die Möglichkeit, mit Drivataren das Feld aufzufüllen und Regeln hinsichtlich der erlaubten Fahrhilfen und Ansichten den eigenen Wünschen anzupassen. Eine Liste mit offenen Lobbys gibt es leider nicht mehr. Im Vorgänger konnte man noch im Vorfeld sehen, welche Strecke wahrscheinlich gefahren wird und wie viele Spieler anwesend sind. Hier wird nach dem automatischen Match-Making dagegen per Abstimmung über den Kurs entschieden. Lokal darf man sich außerdem wie gehabt am geteilten Bildschirm packende Duelle mit einem Kumpel liefern. Schade nur, dass man im Splitscreen nicht auch an Online-Rennen teilnehmen darf. Insgesamt wirkt das Angebot an Optionen und Modi im Onlinebereich deutlich eingeschränkter als im Vorgänger.

Fazit

Ich hatte mich so auf Forza Motorsport 5 gefreut – und mir tatsächlich aus genau diesem Grund überhaupt erst die Xbox One vorbestellt. Was die Fahrphysik und damit das Kernelement der Simulation angeht, wurde ich auch nicht enttäuscht: Die Boliden fühlen sich fantastisch an und das neue Reifenmodell, das mit Daten von Calspan gefüttert wird, ist der Hammer! Dank der Impulse Trigger stellt sich außerdem ein phänomenales und ganz neues Fahrgefühl ein, das ich in dieser Form mit einem Controller noch nie erlebt habe. Die sehenswerten Kulissen, aufwändig modellierten Fahrzeuge samt Tuning- sowie Lackierungsoptionen und die flüssigen 60 Bilder pro Sekunde bei einer nativen FullHD-Auflösung lassen mich ebenfalls jubeln. Eigentlich wäre Forza 5 ein klarer Award-, wenn nicht sogar ein Platinkandidat! Doch hauptsächlich die massiv abgespeckten Inhalte mit ihrem mageren Streckenangebot und dem halbierten Fuhrpark sorgen zusammen mit der dreisten DLC-Politik und der stärkeren Einbindung von Mikrotransaktionen dafür, dass die gewohnten Award-Gefilde für Turn 10 und Microsoft trotz besagter Qualitäten dieses Mal unerreicht bleiben. Hinzu kommt, dass man immer noch keine wechselnden Witterungen oder Tageszeiten findet – Elemente, die man von der neuen Generation erwarten kann und die sogar aktuelle Rennspiele schon stemmen. Auch die „KI-Revolution“ hat mich noch nicht völlig überzeugt: Das Konzept der unvorhersehbar agierenden und lernfähigen KI ist zwar interessant, doch bei den Positionskämpfen verhält sie sich derzeit mehr wie der klassische Videospieler und weniger wie echte Rennfahrer. Als bekennender Fan der Reihe fällt es mir sehr schwer das zu sagen, aber ich werde in den nächsten Monaten vermutlich wieder mehr Zeit mit Forza 4 oder gar Gran Turismo 6 verbringen: Dort habe ich nicht nur meine geliebte Nordschleife und zig weitere Strecken und Boliden zur Auswahl, sondern kann auch weiterhin mein teuer angeschafftes Racing-Equipment nutzen. Da kann Dan Greenawalt noch so oft darüber philosophieren, dass es zum Konsolenstart nie ein umfangreicheres Rennspiel gab als Forza 5. Das reicht nicht. Es kann einem technisch verbesserten Nachfolger auf einer stärkeren Plattform eigentlich kaum etwas Schlimmeres passieren, wenn man als Spieler und Forza-Fan lieber zum Vorgänger greift!

Pro

fantastisches Fahrgefühl (auch dank Impulse-Trigger)
anspruchsvolle Fahrphysik
mitunter wunderschöne Kulissen & phänomenale Lichteffekte
durchweg flüssige Darstellung (60fps) bei 1080p
klasse Fuhrpark-Zusammenstellung...
Drivatar-Konzept funktioniert erstaunlich gut...
(optionale) Rückspulfunktion
Schadensmodell wirkt sich voll aus...
(optionale) Fahrhilfen
hervorragend modellierte Boliden
informative Auto-Erkundung in Forza-Vista
zahlreiche Tuningoptionen
detaillierte Setup-Einstellungen möglich
starke Cockpitansicht mit tollen Spiegelungen
grandiose Soundkulisse (Motoren, Effekte)
mehr individuelle Anpassungen im freien Spiel möglich
genaue Streckenführung dank Laser-Scanning
zahlreiche Gestaltungs- und Lackierungsoptionen
speicherbare & editierbare Wiederholungen
viele Community-Funktionen
(optionales) Headtracking
beeindruckende Echtzeit-Telemetrie
unterhaltsame Kommentare des Top-Gear-Teams
professionelle Lokalisierung
Rennen am geteilten Bildschirm möglich
stabiler Online-Modus für bis zu 16 Spieler

Kontra

magere Streckenauswahl
zähe und etwas unglücklich strukturierte Karriere
Setup-Optionen werden in den Hintergrund gedrängt
lange Ladezeiten
...aber stark verkleinert (sowie ohne Porsche)
...aber bringt (noch) keine authentische Rennfahrer-KI hervor
fragwürdige DLC-Politik
...lässt optisch aber zu wünschen übrig
keine wechselnden Witterungsverhältnisse
(optionale) Mikrotransaktionen rücken stärker in Vordergrund
kein Tag-/Nacht-Zyklus & fehlende Dynamik bei Tageszeiten
Boxenstopps ohne Crew
kein klassisches Rennwochenende möglich
Nürburgring Nordschleife nicht mehr enthalten
kein Flaggen-/Strafsystem
begrenzte Auswahl an "žMietwagen"œ im freien Spiel
schwankendes Qualitätsniveau bei ForzaVista
kein Zugriff auf Garage & Händler im Hauptmenü
eigene Events / Zusammenstellungen nicht möglich
keine Siegerehrungen / fehlendes Racing-Flair abseits der Piste
kein Verkauf oder Verschenken von "€žgebrauchten"€œ Autos möglich
Auktionshaus gestrichen
Gründen von Autoclubs (& Car-Sharing) nicht mehr möglich
fehlende Unterstützung von USB-Lenkrädern
EP-Boosts nicht auf reine Fahrzeit begrenzt
weniger Online-Modus und schlechtes Match-Making

Wertung

XboxOne

Forza Motorsport 5 ist derzeit die beste Konsolen-Rennsimulation, doch durch massive inhaltliche Kürzungen und Umstrukturierungen ist sie trotzdem nur zweite Wahl für PS-Junkies.

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