Klasse statt Masse?
Die Fahrzeugauswahl wurde zwar kastriert, kann sich mit einem großartigen Repertoire aus Sport- und Rennwagen sowie Oldtimern aber trotzdem sehen lassen.
Ja, bei Forza 4 hatte man eine deutlich größere Auswahl an mehr oder weniger schnittigen Boliden. Trotzdem muss man Turn 10 zu Gute halten, dass der Fuhrpark trotz der Einschränkungen exzellent zusammengestellt wurde: Da sind die kultigen Oldtimer wie der 63er VW Käfer oder der Mini Cooper S mit seinem Federgewicht von 671 Kilogramm – genau wie der Abarth 500 als modernes Gegenstück. Amerikanische Muscle Cars wie der Dodge Challenger oder Chevrolets Corvette ZR-1 treffen auf europäische Kompaktsportler wie den Golf R oder japanische Rallye-Champions vom Schlag eines Subaru Impreza WRX STi. Nicht zu vergessen die Schwergewichte, die zwei Tonnen und mehr auf die Waage bringen – so wie der Jeep Grand Cherokee SRT8, der Range Rover Supercharged oder BMWs X5. Rasanter in der A- und S-Klasse, wo sich edle Sportwagen und Hyper Cars wie der Enzo Ferrari, Koenigsegg Agera oder Audis R8 tummeln. In den drei letzten Klassen stehen die Zeichen endgültig auf Rennsport mit höchsten Ansprüchen: Atoms 354 kW starkes „Go-Kart“ Atom 500 mit V8-Motor kann dank seines geringen Gewichts selbst mit der Leistung einer Viper GTS-R mithalten. Le-Mans-Prototypen wie den Audi R18 e-tron quattro oder Peugeots 908 sind ebenfalls noch vertreten, obwohl deren Anzahl auf gerade mal drei Fahrzeuge geschrumpft ist. Zum Vergleich: In Forza 4 gab es alleine von Audi fünf Prototypen. Die neuen Formel-Wagen aus der Indy-Serie und F1 sind aber eine willkommene Ergänzung – genau wie die Modelle von McLaren und Ferrari, in denen James Hunt und Niki Lauda 1976 um die Meisterschaft kämpften. Außerdem bin ich glücklich, dass der VW Corrado neben dem 2er GTI nicht gestrichen wurde, zählt der Sportwagen aus Wolfsburg trotz seiner Beliebtheit bei hiesigen Tunern doch immer noch zu Exoten in Rennspielen.
Ja, der Fuhrpark kann sich ohne Zweifel sehen lassen. Trotzdem vermisse ich viele Modelle, mit denen ich im Vorgänger noch viel Zeit hinter dem Steuer verbracht habe – so z.B. die DTM-Tourenwagen von Audi und Mercedes, BMWs 2005er M3 GTR oder den Bugatti Veyron, der hier nur als DLC-Erweiterung angeboten wird. Das gilt auch für aktuelle Modelle wie den schnittigen Hybriden Ferrari LaFerrari oder den jüngsten M6 Coupe sowie den altehrwürdigen Lotus Esprit V8 und Pontiac Firebird Trans Am GTA, mit dem Erinnerungen an Knight Rider wach werden. Die Sportwagen von Porsche fehlen erneut im Sortiment, doch werden immerhin Modelle von RUF als Ersatz angeboten. „Bedanken“ darf man sich für die Porsche-Abwesenheit wohl bei EA und deren exklusivem Deal mit dem Autobauer aus Zuffenhausen. Aber wer weiß: Vielleicht kann man sich wieder einigen und wird erneut ein DLC-Paket nachliefern – am besten gleich doppelt so teuer, damit auch jeder was davon hat. Es würde zum aktuellen Trend passen.
Mit Liebe zum Detail
In ForzaVista kann man (fast) jedes winzige Detail betrachten und mit den Boliden interagieren.
Schon in der freien Wildbahn, wenn man Stoßstange an Stoßstange um Positionen kämpft, sehen die Boliden fantastisch aus. Doch ihre ganze Pracht und die Liebe, mit der sie für das Spiel modelliert wurden, entfalten sie erst im ForzaVista-Modus, der erweiterten Fassung von AutoVista. Im Vorgänger durfte man nur etwa 20 Fahrzeuge im Detail betrachten, dabei u.a. ihre Türen und Motorhauben öffnen, einsteigen sowie jede kleine Feinheit im Cockpit und dem Innenraum aufsaugen. Jetzt wird das Spektakel nicht auf eine erlesene Auswahl beschränkt, denn in Forza 5 lässt sich jedes Fahrzeug des Fuhrparks genau unter die Lupe nehmen – egal ob ein langweiliges 08/15-Serienmodell oder ein einzigartiger Rennwagen mit bewegender Historie.
Allerdings wird schnell deutlich, dass es trotzdem so etwas wie eine Zweiklassen-Aufteilung gibt: Viele „Standard-Boliden“ erlauben erlauben nicht den Grad an Interaktionen wie die Premium-Pendants. So bleiben z.B. die meisten Motorhauben und Kofferräume verschlossen und auch der kleine Vortrag bezieht sich oft mehr auf den Hersteller im Allgemeinen und weniger auf das Modell im Speziellen. Teilweise ertönt bei gleichen Serien, etwa BMWs M3-Boliden aus verschiedenen Jahren, sogar eine identische Aufnahme. Das war im Vorgänger noch anders, als Top-Gear-Moderator Jeremy Clarkson auf süffisante Weise seinen individuellen Senf zu jedem einzelnen Fahrzeug abgab. Hier übernimmt jetzt übrigens Ulrike Stürzbecher dessen Rolle, die den meisten als Synchronsprecherin von Meredith Grey (Grey's Anatomy) bekannt oder Kate Winslets Stimme in Titanic im Gedächtnis geblieben sein dürfte. Genau wie in den Tutorial-Hinweisen macht sie ihre Sache sehr gut, doch sind die Texte eher sachlich geprägt und lassen den Witz sowie Charme von Clarkson vermissen. Trotzdem wird für PS-Liebhaber ein Traum wahr: ForzaVista ist ein Auto-Porno mit endgeil modellierten Flitzern und viel Informationsgehalt!
Und ganz verzichten muss man auf Clarkson ja nicht, denn der Moderator lässt im Rahmen der Karriere seinen Gedanken wieder freien Lauf und stellt auf seine markant unterhaltsame Weise die acht Klassen sowie ihre herausragenden Vertreter vor – dieses Mal sogar mit der Unterstützung des restlichen Top-Gear-Teams. Selbst eine digitale Kopie von Stig, dem mysterösen Rennfahrer der TV-Show, mischt auf der Piste mit.