Kinect Sports Rivals14.04.2014, Michael Krosta

Im Test: Buh-Pfiffe oder Jubelschreie?

Bis auf Tanzspiele wie Dance Central konnten nur wenige Titel auf der Xbox 360 überzeugen, die den Controller verbannten und stattdessen auf eine reine Bewegungssteuerung setzten. Die beiden Auftritte von Kinect Sports sorgten zumindest im Ansatz für enthusiastischen Körpereinsatz vor dem Sensor – besonders mit mehreren Leuten waren Sprint-Duelle, Bowling-Partien, Ski-Abfahrten & Co durchaus unterhaltsam. Jetzt will uns Rare Software mit alten und neuen Disziplinen auch auf der Xbox One ins Schwitzen bringen Aber steigert man mit der verbesserten Technologie nicht nur den Puls, sondern auch den Sportspaß?

Bewährtes und Neues

Jetski (bzw. Wakerace), Klettern sowie eine futuristische Mischung aus Tontaubenschießen und Lichtpistolen-Shooter: Das sind die drei neuen Disziplinen in der Welt von Kinect Sports, die die alten und für die Premiere auf der Xbox One frisch aufbereiteten Klassiker Bowling, Fußball und Tennis ergänzen. Tatsächlich versprüht Rivals zu Beginn die Hoffnung, dass die technologischen Fortschritte bei Kinect 2.0 auch positiv auf Spielgefühl und Präzision auswirken. Wer hätte das gedacht? Die Bewegungssteuerung beim Wakerace funktioniert hervorragend: Die Kamera erkennt genau, wenn ich meine rechte Hand öffne oder schließe, um den Jetski zu beschleunigen. Die Lenkbewegungen erreichen zwar immer noch nicht die Präzision eines Analogsticks, doch kann ich trotzdem Hindernisse wie Minen ohne große Verzögerung ausweichen und gekonnt durch Kurven düsen – zur Not, indem ich mit meinem Oberkörper zusätzlich das Gewicht verlagere, um den Radius zu verkleinern. Und auch diese Bewegung wird astrein erfasst und umgesetzt – genau wie Stunteinlagen an Rampen, die ich durch ein Vor- oder Zurücklehnen auslöse. Oder das aufladbare Turbo-Extra, das ich wahlweise mit einem Sprachbefehl oder einem Fußstapfer aktivieren kann. Ja, es kommt fast schon das wohlige WaveRace-Feeling vom N64 und Gamecube auf – und das

Wake-Race ist die einzig wirklich gelungene Disziplin - sowohl hinsichtlich der Steuerung als auch Präsentation.
nicht nur, weil sich der Wellenritt mit seinen bunten Kulissen und einer schicken Wasserdarstellung auch grafisch sehen lassen kann. Nein, es macht tatsächlich Spaß, wahlweise im Stehen oder Sitzen die Jetskies per Bewegungssteuerung durch das aufbäumende Nass zu dirigieren, auch wenn die Duelle gegen die lasche KI zunächst keine großen Herausforderungen darstellen.

Vom Gipfel in die Tiefe

Doch damit ist der Höhepunkt leider schon erreicht, denn nach der positiven Wakerace-Überraschung geht es qualitativ mit jeder weiteren Disziplin konstant bergab – und das, obwohl es beim Neuzugang Klettern doch eigentlich bergauf gehen soll. Hier greift man an zunächst mit der offenen Hand nach einem Griff in der Nähe, ballt sie anschließend zu einer Faust und imitiert die Bewegung des Hochziehens, indem man seinen Arm kräftig in einer Linie nach unten bewegt. Auch das Übergreifen wird von der Kamera mehr oder weniger gut erfasst und wer mutig ist, kann sogar einen Sprung nach oben wagen und muss hoffen, sich rechtzeitig festkrallen zu können. Doch hier zeigen sich bereits die ersten Beeinträchtigungen, denn im Gegensatz zum Wakarace scheint Kinect hier nicht immer genau zu erkennen, wann meine Hand geöffnet und wann sie geschlossen ist. Auch das Auswählen des nächsten Griffs ist manchmal arg fummelig und so kletterte ich manchmal sogar ungewollt nach unten anstatt weiter in Richtung Spitze zu kraxeln. Doch Geschwindigkeit ist nicht alles, denn man kann seine Konkurrenten auch anders in Schach halten, indem man sie einfach an ihren Beinen oder am Körper packt und sie durch wildes Zerren zum

Schlimm, schlimmer, Ziel-Schießen!
Abstürzen bringt – so viel zum Thema Fairplay. Aber zumindest sorgt die Mechanik in lokalen Mehrspieler-Duellen für etwas mehr Würze in den ansonsten eher drögen Kletterpartien.

Der Finger am Abzug  

Den Tiefpunkt der neuen, ach quatsch, aller Disziplinen wird mit dem Ziel-Schießen erreicht. Hier lenkt man ein Fadenkreuz mit dem ausgestreckten Zeigefinger mehr wackelig als präzise über den Bildschirm auf die z.T. beweglichen oder / und in einer bestimmten Reihenfolge aufgestellten Zielscheiben, die teilweise auch ihren Punktewert verändern oder sich in einen Totenkopf verwandeln, der beim Abschießen automatisch Abzüge bedeutet. Geschossen wird übrigens automatisch – gähn! Zudem darf man hin und wieder ein Geschütz aktivieren, um das Gegenüber mit Laser-Salven einzudecken. Doch Vorsicht: Der Gegner hat den gleichen Trick drauf! Um nicht getroffen zu werden, muss man dem Beschuss einfach mit dem Körper ausweichen. Aber wer hat sich bitte diesen Unsinn einfallen lassen? Das ist die mit Abstand mieseste und langweiligste Disziplin, die ich jemals bei Kinect Sports erlebt habe! Freude kommt hier erst dann auf, wenn man das Spiel wieder verlässt und sich wieder den anderen Sportarten widmen kann.

Der etwas andere Fußball

Wobei: Wenn ich mir hier die Neuinterpretation von Fußball anschaue, wirkt es eher wie ein Tausch von Pest gegen Cholera. Schon beim ersten Kinect Sports empfand ich die Umsetzung der Torejagd und Paraden als schlechten Witz, der mit echtem Fußball so viele Gemeinsamkeiten aufweist wie Uli Hoeneß mit einem ehrlichen Steuerzahler. Und so ist es mir bis heute ein Rätsel, warum ausgerechnet dieses stupide und undynamische Gebolze angeblich zu den populärsten Disziplinen der Reihe zählen soll und man sich bei Rare dazu verpflichtet sah, den gleichen Mist für den One-Auftritt unbedingt wieder recyceln zu müssen. Ohne Witz: Ich verstehe nicht, wo der Reiz liegen soll, mit dem Heben des Beins die Kugel an beweglichenPappaufsteller vorbei zu passen oder einen Torschuss zu halten, bei dem man gefühlt fünf Minuten Zeit hat, seinen Arm an die richtige Stelle zu befördern. Diese Art des Fußballspiels ist für mich ein Totalausfall – sowohl damals als auch heute.

Noch mehr Bälle

Fußball ist so schlimm wie eh und je - mit einem echten Gekicke hat diese fragwürdige Umsetzung nur wenig gemeinsam.
Vom Fußball geht es weiter zum Filzball, denn auch Tennis wird für den Center Court der One neu aufbereitet und macht dabei dabei gerade im Vergleich zum grauenhaften Gekicke eine deutlich bessere Figur, auch wenn die Schläge nicht immer so ausgeführt werden, wie man es sich eigentlich wünscht. Zudem wird wird besonders in dieser Disziplin ein grundsätzliches Problem von Kinect deutlich: Es fühlt sich einfach nicht richtig an, Tennis zu spielen, ohne irgendetwas in der Hand zu haben – und sei es nur eine Wiimote. Das „Du-bist-der-Controller-Geschwafel“ kann wunderbar bei Sportarten funktionieren, in denen die Haptik nur eine untergeordnete Rolle spielt. Genau deshalb haben mir auch die Leichtathletik-Wettbewerbe des ersten Teils so gut gefallen, weil sie den realen Vorbildern gerade bei Sprint oder Weitsprung recht nahe kommen. Das ist bei Tennis nicht der Fall. Oder beim Fußball. Oder der Kletterei. Und selbst bei Jetski würde ich mich mit einem Griff in der Hand besser fühlen.

Und Bowling? Ach stimmt, da war ja noch was. Bowling zählte bei Wii Sports zu meinen Lieblingsdisziplinen. Und bei Kinect Sports ebenso. Warum? Zum einen, weil es zu den wenigen Sportarten gehörte, in denen mehr als zwei Spieler in lokalen Partien antreten konnten. Ein Problem, an dem auch Rivals leidet, denn auch hier beschränkt man sich meist nur auf Duelle Eins-gegen-Eins. Zum anderen hat man das Gefühl fürs Bowling mit Anlauf, Loslassen der Kugel und dem Drall ganz gut eingefangen. Das gilt auch für die Wiederverwertung der Disziplin auf der Xbox One. Und warum greife ich dann trotzdem lieber zum ursprünglichen Kinect Sports, um eine nicht ganz so ruhige Kugel zu schieben?

Keine Stimmung in der Sportsbar

Ganz einfach: Rare mag zwar die Grafik aufgemöbelt haben, doch im Zuge der Modernisierung sind Präsentation und Stimmung gleichzeitig auf der Strecke geblieben. Was habe ich mich damals beim Abräumen gefreut, wenn  der Sprecher ein begeistertes „Striiiiiiiike“ aus den Lautsprechern tönte und ein triumphaler Musikfetzen abgespielt wurde. Und hier? Da wird nur ein billiger „Strike-Schriftzug“ auf den Bildschirm geklatscht, bei dem man sich fast schon dafür schämen muss, dieses hässliche Teil ausgelöst zu haben. Auch die unterhaltsamen und passend zur Musik geschnittenen Video-Schnipsel, die Spieler in den Vorgängern noch beim lustigen Gehampel vor der Kamera zeigten, sucht man hier vergeblich.

Klettern gehört zu den besseren Neuzugängen und Disziplinen, doch zickt die Steuerung ab und zu.
Stattdessen werden die Avatare in den Vordergrund gerückt, die  dank einer neuen und durchaus beeindruckenden Geschichts-Scan-Technologie als Comic-Ableger ihrer realen Vorbilder kreiert werden. Ja, es ist lustig, mit der Funktion herum zu spielen und sein Alter Ego im Editor weiter zu pimpen – sei es mit Bärtchen, Brillen, Anpassungen an der Statur oder freischaltbaren Klamotten und Extras. Allerdings sind gute Lichtverhältnisse nötig, um halbwegs brauchbare Ergebnisse zu bekommen. Wobei es auch lustig ist zu sehen, was die Kamera als Avatar-Ebenbild ausspuckt, wenn sie nicht so viel erkennen kann... Auf jeden Fall geht die Berechnung recht fix, was man vom Laden der einzelnen Disziplinen nicht behauptet kann: Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis man endlich loslegen kann. Dabei kann man sich zurecht fragen, für was eigentlich die scheinbar großen Datenberge in den Speicher geschaufelt werden müssen? Immerhin bekommt man bei der Wartezeit meist passable Musik auf die Ohren, denn der Lizenz-Soundtrack kann sich durchaus hören lassen und beinhaltet u.a. „Let's Go“ von Calvin Harris oder „Wake me Up“ von Avicii.

Überflüssige Karriere

Im schnellen Spiel lassen sich die Disziplinen zwar weiterhin einzeln auswählen, doch das neue Herz von Kinect Sports ist der Story-Modus, in dem drei rivalisierende Teams um meine Gunst buhlen. Hätte ich die Wahl, würde ich keinem von ihnen beitreten: Die Geschicht ist grottenschlecht inszeniert und die Dialoge sind trotz professioneller Sprecher eine Zumutung. Schon der Trainer, der im Militär-Drill die einzelnen Sportarten im Tutorial vorstellt, ließ mein Aggro-Potenzial innerhalbweniger Sekunden von null auf 100 steigen. Doch auch die anderen Figuren würde ich am liebsten ignorieren, anstatt weiter ihrem

Tennis zeigt ein Grundproblem von Kinect: Man vermisst die Haptik.
belanglosen Gebrabbel lauschen oder ihrem peinlichen Theaterstück zuschauen zu müssen. Hinzu kommt, dass es in den Anfangsphase keine Herausforderungen gibt, da der Schwierigkeitsgrad sehr weit unten angesiedelt ist und sich nicht anpassen lässt. Es sei denn, die KI wird geskriptet, so dass man in manchen Missionen gar nicht erst gewinnen kann und darf, damit die nächste schlimme Video-Sequenz abgespielt wird. Unfassbar!

Besser beraten ist man mit den Einzel-Events, in denen die Sportler aus digitalen Abbildern anderer Spieler zusammengewürfelt werden – vergleichbar mit der Drivatar-Technologie von Forza Motorsport 5. Durch die asynchronen Herausforderungen gewinnen die Duelle sofort und Reiz und fallen auch spürbar anspruchsvoller aus als in der Anfangsphase der Karriere. Direkte Online-Duelle sind aber nach wie vor nicht möglich – warum eigentlich nicht?!

Fazit

Hach Rare, was ist nur aus euch geworden? Ihr habt uns Perlen wie GoldenEye, Conker und Donkey Kong Country beschert! Und jetzt? Ihr seid unter Microsoft zu einem traurigen Hampelstudio verkommen! Doch während ihr auf der 360 diese neue Zwangs-Aufgabe noch halbwegs gut gelöst und die neue Zielgruppe ordentlich bedient habt, wirkt Kinect Sports Rivals wie ein ausgepowerter Marathon-Läufer, der auf dem letzten Loch pfeift. Zwar wurde die Bewegungserkennung generell verbessert, aber hundertprozentig rund läuft es immer noch nicht. Hinzu kommen spaßfreie Neuzugänge wie das unsägliche Ziel-Schießen oder halbherzige Umsetzungen bekannter Disziplinen, die mir in den Vorgängern mehr Spaß bereitet haben – auch deshalb, weil die Inszenierung dort auch viel stimmungsvoller ausgefallen ist. Konnte man damals mit Gesten das Publikum zum Jubeln bringen, fühlt man sich hier im Vergleich dazu fast schon wie auf einer Beerdigung, wobei der schlimme Story-Modus mit seinen grausigen Dialogen einen ähnlichen Unterhaltungswert besitzt. Einzig Jet-Ski überzeugt durch seine schicke Aufmachung und eine erfreulich präzise Steuerung – aber davon konnte man sich auch schon in der kostenlosen Pre-Season erfreuen. Den Rest des gebotenen Sportprogramms kann man bis auf wenige, im Mehrspielermodus zumindest ansatzweise unterhaltsame Duelle links liegen lassen. Und das sollte man auch im Laden machen, falls Rivals ins Blickfeld rutscht. Rare macht einen Schritt nach vorne und geht gleichzeitig drei zurück – so kann man im Sport nichts reißen!   

Pro

halbwegs verlässliche Bewegungssteuerung...
nette Gesichts-Scan-Technologie
guter Lizenz-Soundtrack
professionelle Sprecher...
im lokalen Mehrspielermodus ansatzweise spaßig...
z.T. ansehnliche Kulisse (Jetski)
Download von Online-Rivalen...

Kontra

...aber auch einige Aussetzer
überwiegend langweilige und mitunter anspruchslose Disziplinen
überflüssiger und schlimm inszenierter Story-Modus
...aber grausige Dialoge
...alleine dagegen nur dröge
lange Ladezeiten
...aber keine direkten Online-Duelle möglich
schlechtes Recycling bereits bekannter Disziplinen
zu Beginn viel zu einfach
optimale Lichtverhältnisse erforderlich
keine Kamera-Clips mehr

Wertung

XboxOne

Kinect Sports Rivals geht trotz verbesserter Bewegungssteuerung angesichts der unterirdischen Karriere und öden Disziplinen schnell die Puste aus.

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