Below18.12.2018, Benjamin Schmädig

Im Test: In die Tiefe gezogen

Vom Regen in die Traufe: So oder so ähnlich würde ich Below (ab 8,69€ bei kaufen) beschreiben, denn das trifft gleich doppelt zu. Zum einen gilt es für den Abenteurer, der im strömenden Regen auf einer kleinen Insel ankommt und schon bald herausfindet, dass es in den Tiefen unter dem stillen Eiland nicht gemütlicher ist. Zum anderen gilt das aber auch für diesen Test. So spannend es nämlich sein kann, in diesem Roguelike alles aufs Spiel zu setzen, so frustrierend war es viel zu oft, tatsächlich alles zu verlieren.

Echte Vogelperspektive

Was für ein starker Einstieg! Lange scheint die Kamera auf einen dunklen Vorhang zu zeigen, bevor man einen Ozean erkennt, über den sich große Wellen schieben. Noch länger dauert es, bis man den kleinen weißen Fleck als Segelschiff ausmacht, das auf den Strand einer kleinen Insel zu steuert. Dann bleibt der Blick wie er ist, zoomt nicht ran ans Geschehen, sondern zeigt die Figur, die das Schiff verlässt, als einsame Abenteurerin oder einsamen Abenteurer.

Besser hat ein Spiel aus dieser Perspektive nie das Gefühl von Weite vermittelt. Dass nie eine helfende Hand in der Nähe ist, wird von so weit oben viel stärker deutlich als aus herkömmlicher Distanz. Einen großen Beitrag dazu leisten die kargen, plastischen Kulissen sowie das hohe Gras, das vom Wind in alle Richtungen geworfen wird. Läuft man drüber, tritt man es platt. Schwingt man das kurze Schwert, schneidet

Der große Abstand zur Spielfigur vermittelt ein einzigartiges Gefühl der Abgeschiedenheit.

man gar den Boden kahl. Es scheint das einzige Leben auf dieser Insel zu sein.

Und es sind nicht nur die Bilder: Auch die schweren elektronischen Klänge von Jim Guthrie (Superbrothers: Sword & Sworcery EP, Planet Coaster, Indie Game: The Movie) hallen so tief hinab, als würden sie in einer bedrohlichen Anderswelt Unheil verkünden. So entstehen eindrucksvolle audiovisuelle Räume, die ein großes Abenteuer einleiten.

Tiefer und tiefer

Erschaffen hat diese Räume das kanadische Studio Capybara, das mit Sword & Sworcery einen frühen Hit für iOS entwickelt hatte. Anders als das kurze Adventure reiht sich Below dabei in jene Spiele ein, die man immer wieder von vorn beginnt, nachdem man gestorben ist. Man kommt dann als neuer Abenteurer auf der Insel an, gelangt über Abkürzungen dorthin, wo man zuletzt gewesen ist, findet bei den Überresten seines Vorgängers dessen Ausrüstung und bahnt sich so immer tiefer einen Weg in die Insel.

Fragezeichen im Dunkeln

Zunächst einmal muss man aber herausfinden, wie das alles überhaupt funktioniert. Denn die Entwickler erklären nichts, wirklich gar nichts. Dass man zum Aufheben eine bestimmte Taste drücken muss, ist die einzige klar formulierte Information. Doch wie man das Schwert schwing, den Schild hochhält, rennt, ausweicht oder auch nur den Rucksack öffnet muss man erst

Wie funktioniert das Abenteuer eigentlich? Anfangs muss man sich erst mal zurechtfinden.

ausprobieren.

Hinzu kommen etliche Gegenstände, die man aus aufgelesenen Ressourcen selbst herstellt. Auch diese Rezepte werden nirgendwo verzeichnet – genau so wenig wie beschrieben ist, dass man Leichen ausweiden kann, um weitere Materialien und wichtige Nahrung zu erhalten. Denn der Abenteurer muss auch essen und trinken sowie sich warmhalten.

Haste mal Feuer?

In vielen Stockwerken muss man sogar erst mal erkennen, was die eigentliche Gefahr ist, also Kälte oder Dunkelheit. Und natürlich wandern fast überall angriffslustige, mitunter sehr starke Bewohner herum. So tastet man sich vorsichtig voran, leuchtet mit einer Fackel dunkle Pfade aus, hält nach Fallen Ausschau, verinnerlicht mehr und mehr, wie man welche Gegner am besten bekämpft und legt sich natürlich auch mit dicken Bossen an.

Man findet Steinplatten, die dauerhaft den Weg zu weiteren Stockwerken öffnen, sowie versteckte Räume, in denen Kisten zusätzliche Ausrüstung enthalten. Nicht zuletzt gibt es Lagerfeuer, die man für von Feinden fallengelassene Leuchtsteine zu Rücksetzpunkten macht. An den Rastplätzen braut man Tränke und teleportiert sich zu einer Art heimatliches Lagerfeuer, an dem man Gegenstände für ein späteres Abenteuer verstauen kann.

Die Leuchtsteine dienen gleichzeitig als Währung, um an bestimmten Punkten Gegenstände zu kaufen, bleiben aber mit jedem Tod ebenfalls bei der eigenen Leiche liegen. Sie sind außerdem ein hervorragendes Beispiel dafür, wie plastisch das Abenteuer wirkt, weil sie nicht wie von Magie angezogen in den Abenteurer strömen. Er muss sie vielmehr aufheben, was mit einem dumpfen Klacken quittiert wird, und sie purzeln in die Tiefe, wenn sie mal wieder nicht auf dem Weg liegenbleiben. Über durchdachte Kleinigkeiten wird man so vereinnahmt von diesem spielerisch spannenden und audiovisuell packenden Abstieg.

Und dann stirbt man in einer der Fallen, weil sie unsichtbar hinter einer Säule platziert wurde, die eigentlich der Zierde dient...

Uff!

Nein, das ist definitiv so nicht vorgesehen. Trotzdem ist es mir gleich mehrmals passiert. Die meisten Räume werden ja bei jedem Start vom Zufall erstellt und es kann tatsächlich sein, dass sich tödliche Fallen, noch dazu in den finsteren ausgesprochen ersten Stockwerken, direkt hinter der „Deko“ verbergen. Was ich daran nicht verstehe ist, wie den Entwicklern solche Fehler nach einer Produktionszeit von mehr als fünf Jahren entgehen konnten. Immerhin hatte Capybara schon 2014 eine spielbare Version präsentiert; 2015 hätte Below dann erscheinen sollen.

Auf diesem Bild befindet sich tatsächlich eine tödliche Falle. Selbst mit mehr Kontrast und Helligkeit würde man die allerdings nicht sehen.

Noch weniger verstehe ich, warum die Bildrate auf der normalen Xbox One in manchen Arealen sehr deutlich absackt und wieso die Taste zum Sprinten dieselbe ist, die man drückt, um Leichen auszuweiden. Wenn man während dieser relativ langen Aktion stirbt, weil man vor einem gefährlichen Gegner eigentlich weglaufen wollte, ist das jedenfalls enorm frustrierend, sodass mir der Spaß an der Herausforderung nach solchen Fehlern zeitweise komplett verlorenging.

Hetzen statt genießen

Es sind ja nicht nur die schnellen Tode, die man auch beim vorsichtigen Spielen schon mal erlebt. Es ist vor allem die Art und Weise, mit der Below den Neustart erschwert. Trotz Abkürzungen in verschiedene Stockwerke sind viele Wege zurück zur Leiche etwa dermaßen lang, dass die Motivation gleich in dem Keller liegenbleibt, in dem man zuletzt gestorben ist. Und man muss diese Wege gehen, weil man sonst einen Gegenstand nicht hätte, ohne den man gar nicht weiterkommt.

Noch anstrengender ist dabei die Nahrungssuche, denn Essen bleibt der Leiche nicht erhalten. Das ist durchaus logisch, bedeutet aber gleichzeitig, dass man vor jedem Einstieg in die tiefen Stockwerke zunächst in einfachen, sprich spielerisch langweiligen Bereichen nach Wurzeln und Tieren

Schade um die schönen Kulissen: Irgendwann rennt man einfach nur noch durch.

sucht, um anschließend nicht zu verhungern. Das ist nämlich die größte Idiotie am Spiel: Wirklich stimmungsvolles Erkunden kann man sich getrost abschminken, weil man ständig gegen den drohenden Hungerstod anrennt. Natürlich findet man auch untertage Nahrung. Doch das Spiel stellt leider nicht sicher, dass es genug zum Überleben ist.

Das Feuer erlischt

Und so hastet man besser so schnell wie möglich umher – erst aus Langeweile, dann aus purer Überlebensangst. In vielen Bereichen ist das auch problemlos möglich. Entweder hat man die dort hausenden Feinde nämlich längst durchschaut und besiegt sie mit schnellen Stichen oder sie verfolgen einen sowieso nicht in den nächsten Bildschirm. Below besteht ja nicht aus großen, zusammenhängenden Stockwerken, sondern wie so viele Roguelikes aus nebeneinanderliegenden Abschnitten.

Ach, und übrigens: Zu Rücksetzpunkten erklärte Lagerfeuer funktionieren nur ein einziges Mal und können daraufhin nicht ein zweites Mal aktiviert werden. Man muss also mit jedem Neustart auch dringend ein bisschen Kleinvieh vernichten, um ausreichend Währung für das nächste Feuer zu erhalten, und anschließend die nächste Feuerstelle erreichen oder eine davorliegende aufsuchen. Gelingt das nicht, müsste man beim nächsten Mal komplett von vorn starten. Es gibt zwar die erwähnten Abkürzungen, aber die ersetzen längst nicht alle ortsnahen Rücksetzpunkte.

Fazit

Was für ein Gegensatz zwischen Präsentation und eigentlichem Spiel: Below ist sowohl visuell als auch akustisch mächtig beeindruckend – spielerisch aber eine so anstrengende Sisyphusarbeit, dass es stellenweise keinen Spaß macht. Tatsächlich scheint die zentrale Roguelike-Schleife von der Zeit schlicht überholt, denn wo aktuelle Genre-Vertreter den frustrierenden Neustart um Längen sanfter abfangen, wirkt Below wie ein Relikt aus der Zeit, in der es ursprünglich erscheinen sollte. Und so rennt man nach dem ersten Eingewöhnen nur noch möglichst schnell durch die Levels der geheimnisvollen Insel: erst um wieder dorthin zu kommen, wo man zuletzt gestorben ist, und anschließend um ja nicht gleich wieder zu verhungern. Trifft man in neu erschlossenen Stockwerken neue Feinde, erlebt man durchaus spannende Kämpfe. Oft genug bleibt einem gar die Spucke weg, so gut inszenieren die Entwickler manches Areal. Vor allem Guthries imposanter Soundtrack rettet viel verlorengehende Stimmung. Alles in allem leidet der Spielfluss des mechanisch eigentlich richtig guten Abenteuers aber so sehr unter falsch gesetzten Schwerpunkten, dass Below einfach nicht das Spiel ist, das es hätte sein können.

Pro

wundervolles Artdesign vermittelt eindrucksvolle Größe und Tiefe
unterschiedliche Herausforderungen in abwechslungsreichen Stockwerken
Abkürzungen erleichtern Neustarts...
teils anspruchsvolle Kämpfe
starke, unheilvolle Musik

Kontra

ständiges Hetzen, um z.B. nicht zu verhungern echtes ruhiges Erkunden gibt es nicht
frustrierende Tode dank ärgerlicher Designfehler
... trotzdem dauern viele erneute Wege viel zu lange
Nahrung bleibt am Todespunkt nicht erhalten
gelegentlich einbrechende Bildrate und Programm-Abstürze vor Neustarts

Wertung

XboxOne

Audiovisuell beeindruckender, spielerisch aber enervierender Überlebenskrampf mit vielen Wiederholungen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
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