The Incredible Adventures of Van Helsing 222.07.2016, Mathias Oertel
The Incredible Adventures of Van Helsing 2

Im Test: Konsolen-Monsterjäger zum Zweiten

Ein Gewinner der Action-Rollenspiel-Renaissance, die mit Diablo 3 eingeleitet wurde, waren die Hack&Slay-Abenteuer eines gewissen Van Helsing, deren Konsolenversion vor etwa einem halben Jahr auf der Xbox One veröffentlicht wurde. Und während ich immer noch vergeblich auf den Final Cut warte, setzt Neocore die „konventionelle“ Veröffentlichungspolitik fort und bringt The Incredible Adventures of Van Helsing 2 (ab 1,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) in den Xbox-Store. Was die Fortsetzung auf dem Kasten hat, klären wir im Test.

Nach dem Boss ist vor dem Abenteuer

Es beginnt nicht mit "Ein paar Jahre später". Das Indie-Team von Neocore setzt mit The Incredible Adventure of Van Helsing 2 genau dort an, wo Teil 1 vor etwa zwölf Monaten aufhörte: Der Held ist nach dem Kampf gegen Prof. Fulmigati am Boden. Er wird aber nicht von seinem Geister-Sidekick Katarina gerettet, sondern  von dem ominösen "Häftling Sieben". Und der sagt ihm auch gleich, dass der erschöpfte Held sich nicht ausruhen kann: Die Steampunk-Stadt Borgova wird von den Gruppen General Harkers belagert, gegen den Fulmigatis Größenwahn wie ein Lausbubenstreich aussieht. Und bevor man sich versieht und sich auf seine Qualitäten als Monsterjäger besinnen sowie die weitreichenden Landstriche von absonderlichen Gegnern befreien kann, muss die Stadt verteidigt und der Widerstand organisiert werden.

Ein Held, ein Sidekick, ein neues Abenteuer: Die Fortsetzung setzt inhaltlich nahtlos an den Vorgänger an.
Bei allen Verbesserungen, die Neocore im Vergleich zum Vorgänger eingebaut hat, bleibt man in einem Bereich weiterhin schwach: Die Geschichte. Zwar bekommen diejenigen, die den ersten Teil nicht gespielt haben, einen kurzen Überblick über die Geschehnisse. Doch das ändert nichts daran, dass die Story auch hier bald den Faden verliert. Der Antagonist ist schnell etabliert, die Jagd auf ihn wird zum Hauptthema gemacht, Nebengeschichten finden zwar statt, verlaufen aber ebenso konfus im Sand wie der Haupterzählstrang. Damit unterscheidet sich Van Helsing 2 zwar nur unwesentlich von anderen Genre-Vertretern, doch man lässt die Möglichkeit ungenutzt, sich abseits von Beute, Charakterentwicklung und ansehnlicher Kulisse von der namhaften Konkurrenz abzusetzen. Zudem wird Einsteiger in die Steampunk-Welt Van Helsings das Fehlen weiterer wichtiger Informationen oder Tutorials stören. Und auch die nach wie vor vorhandene Mikrotransaktions-Politik mit zusätzlichen Inhalten, die nicht in das eigentlich schon zwei Jahre alte Spiel integriert wurden, stößt leicht sauer auf.

Humor ist Trumpf

Immerhin: Mit dem Wortwitz, der sich vor allem in den Dialog-Duellen zwischen dem Helden und seinem Sidekick, der süffisant-schnippischen Geisterdame Katarina zeigt, kann man über viele erzählerische Schwächen hinweg trösten. Die beiden gehen sich rhetorisch immer wieder an die Gurgel und wenn dazu noch Popkultur involviert ist, kommt man nicht umhin, immer wieder zu schmunzeln. Die Frequenz, in der die Gags abgefeuert werden, ist deutlich höher als im Vorgänger und man wird beim ersten Durchlauf vermutlich gar nicht alles erkennen oder erfassen - nicht nur, weil der Titel wie gehabt nur auf Englisch erhältlich ist. Sondern auch, weil das Spektrum, das die beiden abdecken und das sich auch in zahlreichen Easter Eggs zeigt, enorm weit reicht: Von Monty Python bis Harry Potter, von Private Ryan bis Stargate.

Das Design von Monstern und Umgebung ist ansehnlich, aber die Engine läuft wie schon bei Teil 1 nicht immer rund.
Und das auch völlig unabhängig, ob man sich zu Beginn des Spiels für einen Veteranen-Charakter mit Stufe 30 und entsprechender Ausrüstung entscheidet oder seine Figur aus dem ersten Abenteuer  importiert und bei Null (also Stufe 1) anfängt. Bei den drei Klassen Jäger (Standard-Mischung aus Nah- und Fernkampf), Thaumaturg (Zauberer) und Arkan-Mechaniker (quasi ein aggressiver Gagdet-Ingenieur) macht Neocore zwar nichts neu und nutzt nur die Figurentypen, die man im Vorgänger per Mikrotransaktions-DLC angeboten hat. Aber immerhin sind sie hier von Beginn an wählbar und sorgen dadurch für Abwechslung – bei der "Veteranenauswahl" findet man sogar jeweils zwei Varianten mit unterschiedlichen Spezialisierungen.

Bekannte Muster, neue Wendungen

Hinsichtlich der grundlegenden Mechanik setzt man zum einen auf bekannte Kloppmist-Elemente: Haufenweise Gegner, viel Beute und eine einfache Klick-und-Lauf- bzw. Klick-und-Angriff-Steuerung. Ergänzt wird dies durch die weitgehend intelligent und den überschaubaren Vorgaben folgend mitkämpfende Katarina. Sie ist weiterhin mehr als nur ein Gegenstands-Tragesel oder eine Kaufauftrags-Ratte, sondern kann in entscheidenden Situationen das Zünglein an der Kampfwaage sein. Sei es, weil sie die Gegner auf sich lenkt und Van Helsing die Möglichkeit gibt, sich zu sammeln und einen Trank einzuwerfen oder aber, weil sie mit ihren Angriffen die entscheidenden Treffer setzt. Dennoch sorgen die Auseinandersetzungen auch für Sorgenfalten. Zwar nicht beim einsteigerfreundlichen „normalen“ Schwierigkeitsgrad, der auf beinahe „ungefährliches Durchkommen“ angelegt ist. Doch ab „Hart“ trifft man nach fordernden, aber fairen Gefechten, in denen man auch mal den geregelten Rückzug antreten muss , urplötzlich auf Zusammenstellungen oder Gruppengrößen, die einen an den Rand der Verzweiflung bringen können. Immerhin kann man sich gegen Gold (zehn Prozent des aktuellen Bestands) an den zumeist fair gesetzten Kontrollpunkten wiederbeleben lassen. Wenn man mehr Gold investiert, darf man auch an Ort und Stelle wieder auferstehen. Sparfüchse hingegen bevorzugen das kostenlose neue Leben ab unterirdischer Monsterjäger-Höhle, die man als Refugium ebenfalls aus dem ersten Teil übernommen hat.

Es bleibt auch weiterhin bei der Möglichkeit, seine angesammlte "Wut" in temporäre Steigerungen der Standardangriffe zu investieren und mit der nächsten Attacke einen besonders durchschlagenden Versuch zu starten. Dadurch bekommt das Kampfsystem erneut eine taktische Note, die es von vielen anderen Kollegen abhebt und die von der umfangreichen Charakterentwicklung unterstützt wird. Alle drei Grundklassen bieten Fähigkeiten-Bäume, die zahlreiche Spezialisierungen oder Anpassungen an die bevorzugte Spielweise erlauben. Fast schon zu viel. Denn bis man sich durch alles durchgewühlt und nachvollzogen hat, was in welcher Form am besten harmoniert, dauert es etwas - zumal die auf Konsolen abgestimmte Benutzerführung in den Menüs mitunter eher verwirrt als zu helfen und auch passive Fähigkeiten eine Rolle spielen - weswegen der "Buff"-Baum von Lady Katarina ebenfalls beachtet werden sollte.

Der Unterschlupf als... Ja wofür eigentlich?

In dieser Steampunk-Fantasy wird mit harten Bandagen gekämpft.
Auch das Element des Unterschlupfs kennt man bereits aus dem ersten Van-Helsing-Abstecher. Als zentrale Teleport-Station, Megashop und Aufwertungsstation in einem wird der Schlupfwinkel immer noch sinnvoll genutzt. Vor allem Letzteres wurde deutlich aufgestockt. Es gibt mehr Möglichkeiten als je zuvor, seine Gegenstände aufzuwerten und so evtl. das letzte Stückchen Optimierung aus den Knarren, Schwertern, Magie-Handschuhen, Hüten, Amuletten usw. herauszuholen. Auf das Runecrafting der PC-Version muss man allerdings verzichten. Dies sei laut Entwickler eines der frühen Opfer des Xbox-Ports gewesen und werde vielleicht in einem späteren Content-Update ergänzt. Doch das Problem bei solcher Vielfalt und Freiheit: Man braucht eigentlich gar nicht so viel Zeit in Schmiedekunst usw. investieren, da die üppig ausgeschüttete Beute meist ordentliche Ausrüstung bereithält. Doch wer unbedingt auch den letzten Schadenspunkt aus den Waffen herausquetschen will, hat auf jeden Fall Gelegenheit dazu. Von Zeit zu Zeit wird der Unterschlupf bzw. der Zugang zu diesem von den Gegnern heimgesucht. Dann heißt es, sich wieder an einer Tower-Defense-Variante zu versuchen, die an ein isometrisches Orcs must Die! erinnert und die von zahlreichen Verschlankungen und Verfeinerungen profitiert.

Die Abschnitte sind stringenter, es gibt ordentliche Upgrade-Möglichkeiten für die Verteidigungsanlagen, die jedoch nur an vorgesehenen Positionen platziert werden können. Größtenteils sind diese unterhaltsamen Abweichungen vom Monsterjäger-Alltag jedoch optional. Man bekommt zwar in den Außengebieten immer Meldungen, dass man im Unterschlupf benötigt wird, doch eine Rückkehr ist eigentlich nicht notwendig. Schade, denn mit etwas mehr Verpflichtung und entsprechender Verzahnung mit der Kampagne und ggf. Auswirkungen auf die Monsterbevölkerung wäre mehr als nur ein Gimmick aus diesem Element geworden. Doch dieses Manko teilt es mit zwei anderen Mechaniken: Zum einen kann man ähnlich wie in der Ezio-Trilogie der Assassin’s-Creed-Serie Generäle des Widerstands auf Sondermissionen schicken, für die sie nicht nur ggf. Gold oder Gegenstände, sondern auch Erfahrung gewinnen.  Man kann sogar sein eigenes Monster groß ziehen und es schließlich auf dem Schlachtfeld zum Einsatz bringen - aber auch dies ist alles optional und wirkt nur draufgestülpt.

Ein Van Helsing, zwei Van Helsinge?

Man ist nicht nur in der verwinkelten Stadt, sondern auch in stimmungsvollen Außenarealen unterwegs.
Eine Möglichkeit, wie bei Diablo 3: Reaper of Souls auf dem heimischen Sofa mit mehreren Spielern auf Monsterjagd zu gehen, sucht man in Van Helsing 2 vergeblich. Stattdessen kann man nur im nicht immer sauber laufenden Online-Modus mit anderen Helden die Kampagne erleben. Alternativ darf man ab Stufe 57 noch gegen andere Spieler in einer Battle Royal antreten, wobei die maximale Zahl von acht am PC hier auf vier gestutzt wurde. Ebenfalls der Schere zum Opfer fiel der Modus "Touchdown". Immerhin können Solisten ihre Charaktere auch abseits der Kampagne in einigen zusätzlichen Modi wie den erst ab Stufe 57 bzw. 60 zur Verfügung stehenden Szenarien oder der "Unendlichen Geschichte" mit hochstufigen Gegenständen belohnen.  Zusätzlich wird man ab Anfang August die "Tintenjagd" beginnen können, die allerdings als DLC (Preis noch nicht bekannt) zu haben sein wird. In der Online- bzw. Mehrspieler-Anbindung liegt nach wie vor die größte Schwäche von Van Helsings unglaublichen Abenteuern, die man besser entfernt hätte.

Schon der Vorgänger hatte auf der Xbox One mit Bildratenproblemen zu kämpfen. Und obwohl sich Neocore der Probleme bewusst zu sein scheint und bereits einen Patch mit Performance-Verbesserungen in Aussicht gestellt hat, frage ich mich, wieso man die offensichtlichen Mankos, die in dieser Hinsicht auch die Fortsetzung in einigen Arealen stören, nicht vor dem Release in den Griff bekommen hat. So bleibt es wie schon in Teil 1 dabei, dass die effektgeladene Kulisse einen mehr als ordentlichen Eindruck hinterlässt - wenn sie denn mal flüssig läuft.

Fazit

Im Vergleich zum Vorgänger ist The Incredibles of Van Helsing 2 ein klarer Fortschritt. Doch von der Form, die den Monsterjäger mit seinem Geistersidekick auf dem Rechner in gute Wertungsregionen katapultierte, ist man auf der One immer noch ein Stück entfernt. Und das nicht nur, weil mit dem Runecrafting ein wichtiger Teil der Personalisierung oder dem Touchdown-Modus im ohnehin weiter fehleranfälligen Online-Modus Inhalte der PC-Version fehlen. Vor allem Anfänger werden sich über die nur unzureichend erklärten Zusammenhänge ärgern - und das sowohl erzählerisch als auch spielmechanisch. Dabei ist Van Helsings Monsterhatz im Kern weiterhin ein unterhaltsames sowie mit genretypischen Tugenden wie Jagen, Sammeln und Aufrüsten motivierendes Hack&Slay, das auch von seinen gelungenen Popkultur-Anspielungen zehrt. Allerdings verstehe ich immer noch nicht, wieso Neocore sich nicht gleich an eine Umsetzung des alle Teile umspannenden Final Cut gemacht hat. Oder warum man immer noch an unnötigen DLC-Mikrotransaktionen festhält.

Pro

einfache Steuerung
sehr charmanter Humor mit vielen Anspielungen auf Pop-Kultur
drei "Klassen"
umfangreiche Personalisierung
hohe Sammelmotivation
aktiv zuschaltbare Angriffs-Verstärkungen
ansehnliche Kulisse zwischen Fantasy und Steampunk-Flair
zahlreiche Möglichkeiten, Gegenstände aufzuwerten
Tower Defense-Variation sorgt für Abwechslung
variantenreiche Gegnerauswahl
gut agierende Kampfbegleitung
gute (englische) Sprachausgabe
ausgewogene Fähigkeiten
umfangreich

Kontra

konfuse Story
kein echtes Tutorial, dadurch viele Zusammenhänge unklar
schwacher Einstieg
Bildraten-Probleme in bestimmten Abschnitten
Schlupfwinkel-Verteidigung und Missionen unerheblich
Online-Spiel technisch immer wieder unsauber
Menübildschirme mitunter unübersichtlich
nicht alle PC-Inhalte integriert (Runecrafting, MP-Modus "Touchdown")

Wertung

XboxOne

Ein immer noch solide unterhaltendes Hack&Slay, das auf Konsole aber nicht nur unter reduzierten Inhalten, sondern auch technischen Problemen leidet.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.