Goat Simulator24.04.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Krawalltourismus auf der Xbox One

Vor einem Jahr trat der "Ziegen-Simulator" eine Welle alberner Physik-Spielchen los - jetzt ist das Original auch auf der Xbox One eingetrudelt: Im „Goat Simulator (ab 6,69€ bei kaufen)“ zerlegt eine Ziege ihre komplette Umgebung, skatet halbtot Wasserrutschen hinab und zieht aberwitzig zuckende Passanten an der Zunge durch explodierende Tankstellen. Ein Riesenspaß oder grober Unfug? 

Der Wahnsinn in Spielform

Endlich stellt ein Entwickler den wahren Reiz der Alltagssimulationen in den Mittelpunkt. Wer braucht schon Feuerwehralltag oder stupide Abrissarbeiten? Den meisten Spaß hat man in einschlägigen Titeln schließlich mit den Bugs und der lachhaften Physik. Es ist nur konsequent, dass Entwickler Coffee Stain Studios (Sanctum) die Fehler ihres „Ziegensimulators“ bewusst im Spiel lässt. „Alles, was das Spiel nicht zum Absturz bringt, bleibt drin“, lautete offenbar das Motto – und damit fährt der schwedische Entwickler deutlich besser als der Großteil der Konkurrenz! Das Prinzip ist noch bescheuerter als es sich anhört: Ich laufe als bockige Ziege durch eine ruhige Kleinstadt und zerlege fast alles, was mir vor die Hörner kommt. Ein Auto? Explodiert kraftvoll nach meiner Ramm-Attacke. Ein Entwicklerstudio? Wird vollkommen von meinen Hörnern verwüstet, bis Berge von gerammten Schreibtischen die zuckenden Ragdoll-Programmierer unter sich begraben.

Tony Goat?

Bleibt man in Objekten stecken, kann man die Ziege per Knopfdruck zurücksetzen.
Ein Demonstrant? Eignet sich prima dazu, um von mir an meiner klebrigen Zunge durch die Gegend geschliffen zu werden! Mit ihm im Schlepptau ramme ich kraftvoll durch den Zaun eines Schwimmbades, hüpfe auf eines der Trampoline sowie Matratzen im leeren Becken und lasse ein paar völlig bescheuert aussehende Akrobatik-Tricks vom Stapel. Ein vollwertiges Tony Hawk’s oder skate sollte natürlich niemand erwarten: Das simpel gehaltene Tricksystem ist bei weitem nicht so ausgefeilt und auch meine Kombos werden nicht immer präzise erkannt. Hier geht es eher um den Spaß am Wahnsinn und die B-Note. Während ich eine 1080-Grad-Drehung vollführe, lasse ich den an meiner Zunge pendelnden Demonstranten wild um mich rotieren. Das funktioniert erstaunlicherweise auch mit explosiven Tanklastern – ein herrlich bizarres Bild! Wer mit dem LKW turnen will, muss beim Herbeizerren allerdings Acht geben. Nach der Explosion wird der Gigant schlagartig schwerer und lässt sich nicht mehr als Artisten-Gadget missbrauchen.

Auch am Boden lassen sich Kombos verlängern: Ein Fahrrad ablecken bringt Punkte. Über das an der Zunge hängende Fahrrad springen bringt Punkte. Das Fahrrad in einem Sprung rammen bringt Punkte. Alle nur erdenklichen Objekte vom Duschgel bis hin zum gigantischen Findling lassen sich in die Tricks einbauen. Oder man rammt sie einfach wild durch die Gegend – so lässt sich der Kombo-Zähler noch schneller in die Höhe treiben. In solchen Momenten wechselt der Soundtrack sogar zu einem völlig schief piepsenden Synthesizer-Solo – herrlich!

Krawalltourismus Deluxe

Noch cooler sind die halsbrecherischen Verrenkungen der Ziege und der biegsamen Passanten. Wenn man z.B. einen Menschen unter einem zerstörten Tankstellendach hervorzerrt, zuckt der so ruckartig mit seinen Extremitäten, wie ich es nach wie vor in noch keinem Spiel gesehen habe. Oder man macht sich auf die Suche nach einer diabolischen Parallelwelt. Wer sie entdeckt, kann fortan Unmengen regungsloser Ziegen vom Himmel regnen lassen. Bei einem Spieler vereinigten sich die Ziegen in den Weiten des Alls sogar zu einem bizarren Todesstern voller spitzer Stacheln. Der Umfang fällt allerdings reichlich mickrig aus: Nach drei, vier Stunden ist das Herumspinnen auf den zwei überschaubaren Karten natürlich bei weitem nicht mehr so faszinierend wie in den ersten Minuten. Trotzdem sorgen ein paar Geheimversteckeund Herausforderungen auch dann noch für Motivation.

Dehnungsübungen auf dem Jahrmarkt...
In vielen kleinen Ecken und Spalten sind kleine, teils bewachte Trophäen versteckt – und auch das Erforschen der bugverseuchten Randgebiete ist durchaus unterhaltsam. Die eingeblendeten Aufgaben verlangen z.B., dass man eine bestimmte Höhe oder Punktzahl erreicht. Auch Extras wie eine Giraffe oder ein Supersprung lassen sich freischalten und im Custom-Game aktivieren. Außerdem darf man sich natürlich wieder an allerlei gestörten Erfolgen versuchen.

Mä-ä-ä-ä-ä!

Die lustigen User-Karten und Mods aus dem Steam-Workshop fehlen auf der Xbox One leider. Auch PC-Erweiterungen wie der "Goat MMO Simulator" sind nicht dabei - im Gegenzug wird diesmal von Anfang an eine zweite Karte der Entwickler mitgeliefert. Ebenfalls von Begin an dabei ist diesmal der Mehrspielermodus. Bis zu drei Mitspieler könne im lokalen Splitscreen jederzeit einsteigen, mitrandalieren, ihre Freunde ärgern oder bei einem der verstreuten Herausforderungen siegen. Auch die Bestenlisten lassen sich jetzt vernünftig sortieren. Schön auch, dass die terrorosierten Menschen jetzt viel mehr unterschiedliche Sprüche ablassen und die Terror-Ziege frische Tricks wie Wandsprünge und einen Lauf auf den Vorderpfoten beherrscht.

Doppelter Schwachsinn hält besser: Im Splitscreen können jederzeit bis zu drei Mitspieler einsteigen und mit Mutuatoren herumspinnen.
Bei der grafischen Qualität ist mir kein Unterschied aufgefallen, technisch ist der Physik-Overkill aber manchmal etwas zu viel für den Prozessor der Xbox One. Bei meinem Testspiel kam es etwas häufiger zu kurzen Ruckel- oder Tearing-Attacken - wirklcih schlimm ist das auf solch einer Bug-Spielwiese natürlich trotzdem nicht. Schade ist dagegen, dass ausgerechnet die Feinheiten, die auf dem PC am, meisten Spaß gemacht haben, generft wurden: Die Zunge klebt z.B. nicht mehr ganz so bombenfest an Autos, Menschen & Co, so dass ich in der Hektik deutlich öfter Objekte verloren habe. Schade auch, dass ich als Teufelsziege nur noch vier Böcke vom Himmel regnen lassen kann, statt unendlich viele. Auf dem PC gehörte es schließlich zu den lustigsten Funktionen, Massen fallender Böcke auf Turbinen regnen zu lassen und richtig schön für Chaos zu sorgen. Einige Mutatoren stehen nach wie vor im Hauptmenü zur Auswahl, die coolen Exemplare aus dem Stream-Workshop fehlen leider.

Fazit

Endlich lässt jemand mal das Spiel links liegen und kümmert sich um das, was wirklich zählt: Die pure Lust an der Zerstörung und skurrilen Glitches! Schon in klassischen Open-World-Titeln wie GTA gehörte das freie Entdecken und Randalieren schließlich zu den unterhaltsamsten Beschäftigungen. Der Goat Simulator erklärt den Schwachsinn zur Hauptsache: Es macht unheimlich viel Spaß, die Welt auf bizarre Weise ins Chaos zu stürzen und nebenbei ein paar coole akrobatische Tricks abzuziehen. Auch die Unmengen an Physik-Glitches und abenteuerlich dehnbaren Passanten sind ein echtes Highlight! Sicher, der Umfang wirkt mickrig: Nach ein paar lustigen Stündchen hat man fast alles gesehen und die Geheimverstecke gefunden. Auch die kleinen Aufgaben und Punkte-Herausforderungen sind eigentlich nur Nebensache. Trotzdem kann ich dem Titel jedem ans Herz legen, der einfach mal abschalten und gepflegt Chaos stiften möchte! Auf der Xbox One fehlen zwar die coolen Nutzer-Levels und Extra-Mutatoren aus dem Steam-Workshop, im Gegenzug ist diesmal aber von Anfang an ein lustiger Splitscreen-Modus für bis zu vier Spieler dabei. Schade, dass die früher fast unzerstörbare Zunge nicht mehr so bombenfest klebt und auch andere lustige Feinheiten entschärft wurden - trotzdem entfaltet sich auch auf konsole eine herrliche Zerstörungsorgie!

Pro

herrlich alberne Zerstörungsorgie
zum Brüllen komische Glitches und Physikspielereien
lustige Akrobatik mit Menschen und Objekten im Schlepptau
gestörte Musik und energisches Blöken
liebevoll versteckte Geheimnisse
kleine Herausforderungen sorgen für Motivation
unkomplizierte Splitscreen-Randale für vier Spaßvögel

Kontra

mickriger Umfang (nur zwei Karten)
Tricks und Kombos nicht so ausgefeilt wie in ernsthaften Funsport-Spielen
ruckelt und teart etwas häufiger als auf PC
Zunge klebt schlechter, keine User-Levels und weitere Einschnitte im Vergleich zum Original
kein Online-Multiplayer

Wertung

XboxOne

Kleine, aber herrlich bescheuerte Spielwiese für Zerstörungswütige mit vielen lustigen Ideen und Glitches.

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