ScreamRide05.03.2015, Mathias Oertel

Im Test: Schreien ist schön

Loopings, Schrauben, wahnwitzige Gefälle, G-Kräfte: Modernen Achterbahn-Designern fallen immer wieder neue Kniffe ein, um den nach Adrenalin suchenden Fahrgästen ein Erlebnis zu bieten. Mit ScreamRide (ab 5,32€ bei kaufen) von Frontier (Thrillville, RollerCoaster Tycoon 3) darf man auf der Xbox One selbst versuchen, die Schreie der Passagiere in neue Dezibelbereiche zu katapultieren. Was der Exklusivtitel zu bieten hat, klären wir im Test.

Aller Anfang ist leicht

Zwar steht der Sandkasten-Modus, in dem man sich nach Belieben als Achterbahn-Designer oder Landschafts-Architekt betätigen kann, von Anfang an zur Verfügung. Dennoch sollte man seine ersten Schritte in der Welt von ScreamRide in der "Karriere" unternehmen. In diesen mehr als 50 Minispiel-Abschnitten aus drei Kategorien lernt man nicht nur die Grundlagen, sondern schaltet mit Erreichen neuer Meilensteine zusätzliche Inhalte für den Editor frei. Mit sauber vertonten Videos bekommt man die Basismechaniken des Minispiel-Triumvirats erklärt, das sich an den aus den Trailern bekannten Schlagwörten "Ride. Destroy. Build." orientiert. Doch was steckt jeweils dahinter?

Screamride steht für verzwirbelte Achterbahn und ein gutes Geschwindigkeitsgefühl.
Hinter "Ride" steht die pure Achterbahnfahrt, wobei Frontier zahlreiche kompetitive Elemente eingebaut hat, die in die finale Punktzahl der so genannten "Schreiwertung" einfließen. So muss man nicht nur in Kurven gegenlenken, um zu verhindern, dass der Wagen aus der Spur gerät. Man versucht auch, die Grenzen der Physik auszuloten und so spektakulär sowie so lange wie möglich in Seitenlage auf nur einer Schienenseite zu fahren. Mit Sprüngen oder Turbo-Aufladesektionen, die einen gut getimten Tastendruck verlangen, um die Höchstpunktzahl einzuheimsen, werden weitere einfache Geschicklichkeitstests eingefordert. Als "Screamrider" wird man zwar unter dem Strich nur in den letzten Abschnitten einigermaßen gefordert - es sei denn, man möchte alle optionalen Nebenaufgaben lösen, die mitunter recht knackig sind. Aber um die Geschwindigkeit der Engine zu demonstrieren und einen Eindruck von den im Baumodus zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu bekommen, ist dieser Modus erste Wahl.

Verärgerte Achterbahnwagen

Der Zerstörungsmodus ist eine dreidimensionale Angry-Birds-Variante.
Die zweite Minispiel-Variation, die unter dem Motto "Destroy", also "Zerstöre!" steht, lässt sich einfach umschreiben: Angry Birds in der dritten Dimension - oder auch eine Variante der 360-Kinect-Zerstörung Wreckateer. Meist schleudert man Gondeln mit verschiedenen Funktionen (u.a. abprallend oder explosiv) auf Gebäude, durch Ringe, gen Zielscheiben usw. Dabei legt man vorher die Abschussgeschwindigkeit fest und muss den Abwurfwinkel in einem kleinen Geschicklichkeitstest optimieren. Später schießt man auch verschiedene Achterbahnwagen über eine Rampe ab, um so viel Zerstörung wie möglich anzurichten. Wie auch beim Screamrider ist der Zerstörungspfad nur hinsichtlich der Bonus-Aufgaben herausfordernd, belohnt aber ebenfalls durch neue Bauteile für den Sandkasten-Modus. Da zudem das Angry-Birds-Prinzip weitgehend bekannt sein dürfte, hält sich die Überraschung ebenfalls in Grenzen.

Immerhin: Die Explosionen bzw. Kollisionen sowie die daraus resultierenden physikalisch bis auf minimale Aussetzer überzeugend einstürzenden Bauten können sich sehen lassen. Doch auch das reicht nur für ein kleines Spielchen zwischendurch, um die nötige Minimal-Motivation aufzubauen. Vor allem wirkt dieser Modus trotz des kurzfristigen Unterhaltungswerts deplatziert. Dass ich im Gegensatz zu Thrillville (immerhin auch aus dem Hause Frontier) hier keinen Themenpark drumherum zu bewirtschaften oder zu besichtigen habe, kann ich schweren Herzens schlucken. Doch dass ich im Gegenzug mit einem Angry-Birds-Klon abgespeist werde, ist schade - auch wenn die Umsetzung unter dem Strich solide ist.

Die rettenden Schienen

Der dritte Modus ("Ingenieur") wird als finale Vorbereitung auf den offenen Achterbahnbau-Spielplatz gut genutzt. Hier muss man begonnene Bahnen zu Ende planen und Stück für Stück bauen. Anfänglich sind die zu überbrückenden Lücken noch schmal und man hat größtenteils nur Standardschienen zur Verfügung. Steigungen, Gefälle, Kurven und Neigungswinkel lassen sich über das Pad Stück für Stück erstellen, wobei mitunter die Kameraperspektive dafür sorgt, dass man kurzzeitig in die falsche Richtung baut. Doch man gewöhnt sich schnell daran, diese Probleme der nicht immer intuitiven Kontrolle zu umschiffen. Natürlich kann man auch von Sektion zu Sektion springen, um dort ggf. Änderungen durchzuführen. Denn sollte man bei einer jederzeit möglichen Testfahrt feststellen, dass die G-Kräfte die Passagiere aus den Fahrzeugen schleudern oder der Übelkeitsfaktor zu hoch ist, muss man justieren, um eine möglichst hohe Schreiwertung ohne Punktabzüge zu erhalten. Man bekommt übrigens komfortabel nach einer Proberunde angezeigt, wo die Problemzonen liegen.

Der Achterbahn-Bau ist nicht immer intuitiv, aber lässt viel Spielraum für Nervenkitzel-Experimente.
Später kommen Sonderbauteile wie Beschleuniger, zahlreiche vorgefertigte Schrauben, Kurven oder Loopings hinzu, die beim Bau bzw. der entscheidenden Fahrt danach Bonuspunkte geben. Zusätzlich muss man maximale oder minimale Streckenlängen beachten und natürlich muss man versuchen seine Konstruktion an die bestehenden Bauteile anzuschließen. Sprich: Bastler und Experimentierfreudige können hier trotz einer nicht immer übersichtlichen Benutzerführung eine Menge Spaß haben. Und wenn alle Stricke reißen, kann man auch die automatische Streckenverbindung nutzen, die über einen möglichst direkten, aber auch unspektakulären Weg die Lücken zu schließen versucht. Von den drei "Minispiel"-Modi ist der Ingenieurs-Weg derjenige, der mir als Theme-Park, RollerCoaster-Tycoon- oder Thrillville-Fan am meisten Spaß gemacht hat.

Ab in den Sandkasten

Dementsprechend holt der Sandkastenmodus auch viele der Kohlen aus dem Feuer. Zwar kann man hier keinen Themenpark im eigentlichen Sinne bauen. Doch was Achterbahnen oder zu demolierende Insellandschaften für den Zerstörungs-Modus betrifft, hat man hier freie Hand. In jedem Areal stehen ein paar Gebiete unterschiedlicher Größe zur Verfügung, in denen man sich austoben darf. Man kann Blaupausen erstellen und speichern, um bestimmte Modelle oder Muster nicht jedes Mal neu erstellen zu müssen. Und man kann sogar Ziele definieren, die von den Spielern erfüllt werden müssen, die das Level heruntergeladen haben. Denn selbstverständlich kann man seine Kreationen auch der ScreamRide-Gemeinde zur Verfügung stellen.

Das Geschwindigkeitsgefühl ist gut, die Kulisse im Allgemeinen bleibt aber meist durchschnittlich.
Der Haken: Wie beim reinen Achterbahnbau ist die Benutzerführung mitunter sehr verschachtelt, so dass es dauert, bis man gefunden hat, was man sucht - was angesichts der bereits integrierten Bauteile und Blaupausen zu einem kleinen Geduldsspiel wird. Immerhin darf man auch Gebiete, Areale, Gebäude etc. kopieren und einfügen, um so zumindest etwas Zeit einsparen zu können. Wie bei anderen Titeln, die starken Wert auf von Nutzern erstellte Inhalte legen, kann man Tags erstellen, um bei der Suche entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Ich bin gespannt, mit welchen Kreationen die Community die Xbox-Server füllt. Die im Vorfeld der Veröffentlichung zur Verfügung stehenden Bahnen und Zerstörungs-Abschnitte als erster Anhaltspunkt sind viel versprechend. Leider kann man dies von der Kulisse nur eingeschränkt sagen. Zwar sind die Achterbahnfahrten sehr rasant und werden im Normalfall ohne Bildrateneinbußen auf den Schirm gebracht, während die Zerstörungen ebenfalls immer einen Blick wert sind. Dennoch bleibt die Kulisse insgesamt auf einem leidlich durchschnittlichen Niveau. Gleiches gilt für die Akustik. Während die deutsche "GlaDOS-light"-Stimme noch ganz passabel ist, ist der stark auf Dubstep konzentierte Soundtrack so gar nichts für mich. Immerhin kann ich ihn so weit reduzieren, dass ich die Schreie der als Crash Test Dummies verkleideten Gondel-Insassen genießen kann.

Fazit

ScreamRide ist leider nicht der erhoffte geistige Nachfahre der Thrillville-Serie. Statt auf Parkbau und größere wirtschaftliche Zusammenhänge setzt die dreigeteilte Kampagne mit über 50 Missionen im Wesentlichen auf Minispiele. Während die Achterbahnrennen der "Screamrider" wenigstens mit Geschwindigkeit punkten können, ist der Zerstörungsmodus nichts anderes als ein verkappter Angry-Birds-Klon, der bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterließ. Immerhin kann sich das Abräumen der Gebäude etc. dank ordentlicher Physik sehen lassen, wobei die Kulisse trotz eines guten Geschwindigkeitsgefühls ohnehin nur selten über Durchschnittswerte hinaus kommt. Bleibt noch der passable Achterbahnbau, der als direkte Vorbereitung auf den Sandkastenmodus zu sehen ist, der für mich die Kohlen aus dem Feuer geholt hat. Die zur Verfügung stehenden Tools für Achterbahnen, Umgebungen und zerstörbare Objekte sind potent, verzetteln sich aber manchmal in einer hakeligen Benutzerführung. Für ein Spielchen zwischendurch ist ScreamRide in Ordnung und dürfte auch mittelfristig dank des Fokus auf Austausch von Benutzer-Inhalten immer wieder unterhalten. Doch für langfristige Sessions, die ich dank Rollercoaster Tycoon & Co mit Achterbahnbau assoziiere, konnten mich die Ausflüge nicht begeistern.

(Anm. d. Red.: Zum Test stand nur die Xbox-One-Version zur Verfügung. Der Titel erscheint aber auch mit eingeschränkten Community-Funktionen auf Xbox 360)

Pro

über 50 Abschnitte in der dreigeteilten Minispiel-"Karriere"
saubere Kulisse mit solider Geschwindigkeit und überzeugender Zerstörung...
ordentliche Lokalisierung
einfache Steuerung in den Minispielen
Abschnitte, Bahnen, Umgebungsteile etc. können mit anderen Usern getauscht werden
Sandkastenmodus lockt zum Experimentieren

Kontra

Minispiele der Kampagne mit schwankendem Unterhaltungswert
... die unter dem Strich aber gerade mal Durchschnittswerte erreicht
mitunter hakelige Benutzerführung im Baumodus
Minispiele erst gegen Ende fordernd

Wertung

XboxOne

Während die Karriere mit ihren über 50 Minispiel-Abschnitten ihr Spaß-Auf-und -Ab erlebt, sorgt der umfangreiche, aber nicht immer einfach zu bedienende Editor für die Motivation.

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