Overwatch27.05.2016, Marcel Kleffmann

Im Test: Overhype? Wenn weniger mehr ist...

Overwatch (ab 10,99€ bei kaufen) ist der erste Shooter von Blizzard Entertainment: Aus den Überresten des gescheiterten Großprojekts "Titan" erhoben sich 21 Helden, die sich in Sechser-Teams auf zwölf Karten die Hölle heiß machen. Nach einem offenen Betatest mit Rekordbeteiligung (über 9,5 Mio. Teilnehmer) ist die fertige Version durchgestartet. Machen die rasanten Gefechte weiterhin Spaß? Und wie sieht es mit dem Umfang aus?

Teamwork zahlt sich aus

King's Row - irgendwann in der Zukunft. Mein Team muss die Fracht nur noch am Zielort abliefern. Reinhardt stampft mit gezückter Energiebarriere nebenher, Torbjörn hat einen Geschützturm auf das Objekt der Begierde gebaut und irgendwo sprintet unsere Tracer durch das Level. Mercy ist gerade auf dem Weg zurück an die Front, da sie kürzlich von Widowmaker kaltgestellt wurde. Es ist nicht mehr weit! Ich kann den Zielbereich bereits sehen. Aus einer Seitengasse taucht eine gegnerische Zarya mit ihrer Partikelkanone auf, während aus dem Hintergrund Junkrat mit Granaten für explosive Stimmung sorgt. Torbjörns Turm schießt fleißig und Reinhardt dreht die Barriere hektisch in der Gegend herum, schließlich könnten die Feinde von überall attackieren. Dann setzt Zarya ihre ultimative Fähigkeit ein - eine Art "schwarzes Loch". Wir werden reingezogen, wie aus dem Nichts taucht eine Pharah auf und gibt uns mit ihrem Trommelfeuer den Rest. Gutes Teamwork … leider der Gegner! Verdammt, wir waren so nahe dran. Aber genau in dem Moment taucht Mercy an der Front

Die finale Phase einer Frachtbegleitung auf der Karte Watchpoint Gibraltar: Pharah lässt Miniraketen aus der Luft auf die Gegner regnen. Am Anfang der Partie sah es noch so aus, als würde unser Team klar verlieren würde, aber dann kam die Wende - u.a. durch den Wechsel mehrerer Helden. Flexibilität zahlt sich aus!
auf: Weil sie ihre ultimative Fähigkeit aufgespart hat, belebte sie uns alle wieder - als Überraschung für den Gegner. Während ich erstmal die Pharah aus der Luft hole, trifft endlich Tracer (verlaufen?) ein und schaltet den im Hintergrund lauernden Junkrat aus. Perfekt. Jetzt ist Zarya dran. Ihre projizierte Barriere ist gerade nicht aktiv und somit kann sie meinen Helix-Raketen nichts entgegensetzen. Jetzt ist Ruhe! Und da sich im Zielbereich keine Gegner befinden, endet die Runde mit einem Sieg für uns. Auf dem Timer standen noch 16 Sekunden. Knapp, aber geschafft!

Ein Online-Shooter; keine MOBA

Sich schnell verändernde Situationen, überraschende Teamaktionen und rasante Schusswechsel - all das gibt es in Overwatch. Ganz im Gegensatz zu Paragon, in dem die MOBA-Elemente unübersehbar sind, ist das Spiel von Blizzard ein klassischer Online-Shooter mit Teamplay-Fokus, in dem zwei Gruppen mit je sechs Spielern gegeneinander antreten. Vor jeder Partie und jederzeit im Match darf man wechseln - und das ist zwingend nötig, um auf die Auswahl der Gegner oder auf die aktuelle Situation möglichst gut reagieren zu können. Dieser Heldenwechsel, der in vielen MOBA-Titeln innerhalb einer Partie nicht möglich ist, ist hier ein Kernelement und sorgt für ungeheure Dynamik auf den farbenfrohen Schlachtfeldern. Da er so elementar für die Kämpfe ist, würde ein Free-to-play-Modell mit ausgewählten (kostenlosen) Helden nicht in Frage kommen. Overwatch funktioniert nur mit dem Zugriff auf das gesamte Charakter-Repertoire. Schon im Verlauf des (sehr) langen Betatests konnte ich feststellen, dass die Partien über diese Vielfalt immer unterhaltsamer wurden.

Reinhardt bildet das Schutzschild für das Team und stampft voran. Aktiviert man die Barriere, wechselt das Spiel automatisch auf die Verfolgerperspektive. Angreifen kann Reinhardt (aus Stuttgart) derzeit aber nicht.
Am besten lässt sich Overwatch sowohl stilistisch als auch vom Spielerlebnis mit Team Fortress 2 vergleichen - nur ohne Klassen, sondern mit 21 Helden in vier Aufgabenbereichen. Neben Unterstützungshelden, die das Team z.B. mit Schilden, Geschwindigkeitsschüben oder Heilung versorgen, gibt es Tanks, die im Vergleich zu anderen Vertretern mehr Treffer einstecken können. Dann wären da die defensiven Helden, zu denen beispielsweise Scharfschützen, ein Geschützturmbauer oder der Granatwerfer-Freak gehören. Offensive Helden gehen eher direkt auf Tuchfühlung oder setzen auf flankierende Attacken, gerade Reaper, Genji oder Tracer eignen sich dafür vorzüglich. Jeder Held hat konkrete Stärken und Schwächen, die man in den Matches wohl oder übel kennenlernen wird bzw. kennen muss, was bei dem Charakteraufgebot etwas Eingewöhnungszeit verlangt. Zumindest lassen sich alle Helden in der Trainingsarena oder in Matches gegen computergesteuerte Gegner ausprobieren.

Helden kontern Helden kontern Helden

Für Neulinge mag ein Bastion (Belagerungsroboter) in der unbeweglichen Geschützturmform gnadenlos "overpowered" wirken, aber sobald man seine Position kennt, kann man ihn mit Scharfschützen (Hanzo oder Widowmaker), Genji, Junkrat oder Pharah gezielt kontern - gerade weil seine effektive Reichweite eingeschränkt ist und er seinen Platz nicht verändern kann. Seine ultimative Fähigkeit (Verwandlung in einen Panzer) kündigt er, wie alle Helden, mit einem charakteristischen Spruch bzw. Sound an - und am besten geht man Bastion dann aus dem Weg. Einige Sekunden mit Nichtstun zu verbringen, ist besser als ein zeitintensiver Respawn. Aber meistens trifft man nicht einfach einen Bastion in freier Wildbahn. Oftmals hat er Begleitung im Gepäck wie Tanks (oft Reinhardt), Heiler, Pistolenhelden, Scharfschützen, Roboter-Mönche oder genetisch modifizierte Gorilla-Wissenschaftler. Ohne Kommunikation (z.B. Absprache der ultimativen Fähigkeit, Weitergabe von Positionen) und Koordination läuft man meistens gegen eine ziemlich harte Wand, denn viele Helden segnen kompromisslos schnell das Zeitliche - vor allem bei effektivem Konteraktionen. Von daher sollte man sich bei der Zusammenstellung gut abstimmen und das geht am besten, wenn man mit Freunden oder Bekannten spielt. Teamplay ist das A und O.

Die Killcam hilft nachzuvollziehen, wo der Gegner genau war und was er getan hat, denn manchmal geht alles zu schnell ...

Ohne Teamplay geht’s nicht

Doch was passiert, wenn man sich alleine für die Schnellsuche anmeldet und dem automatischen Matchmaking-System die Zusammenstellung der Mitspieler überlässt? Dann kann es passieren, dass man mit Leuten in einer Gruppe landet, die weniger das Ziel der Partie erreichen wollen, sondern sich eher als Einzelgänger oder Killstreak-Sammler profilieren wollen - oder keinen Charakter spielen wollen, der gerade "sinnvoller" wäre. So kann es sein, dass man in eine Gruppe kommt, in der vermeintlich "coolere" Helden häufiger vertreten sind oder jemand nicht wechseln mag. Solche Situationen können stellenweise zum Haare raufen  sein. Doch erfahrungsgemäß und durch den meist fließenden Austausch der Gruppenmitglieder kann es auch in der Variante zu herausragenden und oft sehr knappen Duellen auf Messers Schneide kommen - was aber an dem Zusammenspiel der Teammitglieder, dem Heldenverständnis sowie den Karten- und Kniffkenntnissen liegt; und ebenso am Matchmakingsystem, das durchweg ordentliche Dienste leistet.

Die ultimative Fähigkeit von Widowmaker macht die Positionen der Gegner für mehrere Sekunden sichtbar.
Aufgrund der Variabilität bei der Heldenauswahl können die Partien selbst als "Alleinanmelder" Spaß machen - zumal die Community trotz des kompetitiven Fokus derzeit weniger beleidigend als bei DotA 2 und Konsorten ist; außer vielleicht bei langweiligen Torbjörn-Highlights. Aber erst in einer festen Gruppe entbrennen Matches, die mit Absprachen, taktischen Manövern, Ablenkaktionen und Koordination wirklich beeindruckende und befriedende Partien vom Zaun brechen. Gerade wenn man in der letzten Sekunde einer Verlängerung mit mehreren koordinierten Ultis die letzten Gegner von der Plattform pustet, stellt sich schon fast ein Hochgefühl ein - wobei man davon ausgehen kann, dass die Verteilung der Sieg/Niederlagen in der Regel bei 50:50 liegt, so war es jedenfalls in der Betaphase, in der ich weit mehr als 200 Matches absolviert hatte. Großartige gelaufene Partien wechseln sich also mit manchmal frustrierenden Niederlagen ab - und nur weil man sich als Team anmeldet, bedeutet das noch lange nicht den Sieg, jedoch erhöht es die Chancen.

Großartige Helden, Betrüger und Ausgestoßene

Okay, okay, teambasierte Online-Shooter gibt es viele - wie jüngst Battleborn von den Borderlands-Machern, das ebenfalls Klassen mit Helden austauschte, aber vom Design her mehr in Richtung Sci-Fi- und Fantasy ging. Blizzard bleibt mit Overwatch eher bodenständig und trotzdem sind Konzept, Design, Ausbalancierung und Fähigkeiten der Charaktere einmalig und schlichtweg eines: großartig. Denn jeder der 21 verfügbaren Helden ist und spielt sich einzigartig. So kann sich Pharah mit ihrem Raketenrucksack kurzzeitig in die Lüfte katapultieren und Gegner mit dem Raketenwerfer beschießen, während Mei ihre Gegner vereisen, Roadhog andere Feinde zu sich hinziehen, Widowmaker mit einem Greifhaken auf höhere Positionen gelangen oder McCree mit einer Blendgranate seinen „High-Noon“ vorbereiten kann. Dann gibt es Hanzo, der Wände hochlaufen kann und natürlich Tracer, die sich kurzzeitig nach vorne „teleportieren“, aber auch ihre Zeit einige Sekunden zurückdrehen kann.

Mercy kann jeweils ein Teammitglied direkt heilen oder den Schaden verstärken. Dank des Energiestrahls ist auch für Gegner erkennbar, wo Mercy gerade ist.
Selbst bei den Unterstützern ist die Auswahl vielfältig. Mercy kann sich mit ihren Engelsflügeln an Gegner dranhängen oder schnell zu ihnen hinspringen und die Verbündeten mit einem gezielten Strahl heilen oder ihren Schaden verstärken. DJ Lucio kann mit seinen Skates an Wänden entlang gleiten und heilt alles im Umkreis seiner Soundknarre. Neben der Heilung kann er für einen Geschwindigkeitsbuff sorgen, wenn er die Regler aufdreht. Symmetra hingegen verteilt Schilde und kann nervige Selbstschussanlagen sowie einen mächtigen Teleporter platzieren, der die Anreisezeit nach Respawn gehörig verringert. Dann ist da Roboter-Mönch Zenyatta, der einen Spieler mit einer kurzzeitigen Heilsphäre bzw. einen Gegner mit einer Debuffsphäre (mehr Schaden erhalten) versorgen kann. Trotz der Rollenspezialisierung kann jeder Charakter Schaden anrichten, selbst Tanks oder Heiler - natürlich in geringerem Rahmen. Man kann sowohl mit Lucio als auch mit Reinhardt oder D.Va an Eliminierungen beteiligt sein oder gar den meisten Schaden im Team anrichten. Trotz der Unterschiedlichkeit ist die Balance der Helden vorbildlich bis überragend. Manchmal wünsche ich mir, dass Reinhardt mehr Schaden mit seinem Raketenhammer anrichten oder etwas schneller laufen könnte, aber in anderen Partien relativiert sich das Wunschdenken dann wieder. 

Keine Chance zum Ausweichen! Die ultimative Fähigkeit von Hanzo erwischt Reinhardt auf dem falschen Fuß.
Jeder Held wurde mit einem speziellen Thema bzw. Charakteristikum im Hinterkopf gestaltet und bekam eine eigene Hintergrundgeschichte spendiert. Schade ist nur, dass die charakterspezifischen Geschichten im Spiel abgesehen von einigen Sprachsamples nicht wirklich präsent sind. Sie werden lediglich mithilfe von digitalen Comics, Texten auf Webseiten oder animierten Kurzfilmen erzählt. Geschichte, Comics, Porträts und Szenario-Hintergrund sind für solch einen Online-Shooter zwar nicht so wichtig, aber wenn sie schon vorhanden sind, hätte man sich auch ins Spiel einbauen können - gerne als freischaltbare Elemente im Fortschrittsystem.

Apropos Fortschrittsystem

Im Gegensatz zu Battleborn mit seinem Helix-System gibt es keine Möglichkeit die Fähigkeiten oder Talente der Helden anzupassen oder weiterzuentwickeln. Alle Charaktere verfügen über eine Handvoll Fähigkeiten, die sie in der Regel exklusiv innehaben und sinnvoll sind. Dennoch sammelt man von Match zu Match Erfahrungspunkte, die bei Stufenaufstiegen mit Lootboxen und Emblemen bedacht werden.

Nach einem Match erhält man Erfahrungspunkte, die bei Stufenaufstiegen zur Freischaltung von kosmetischen Gegenständen (Skins, Emotes, Spray-Logos etc.) führen.
Jede Lootbox enthält vier Gegenstände, darunter Spieler-Icons, Skins, Emotes, Sprays, Sprüche, Siegerposen sowie Highlight-Intros. All das ist ausschließlich kosmetischer Natur und hat keinen Einfluss auf die Effektivität der Helden. Erhält man Dinge doppelt, gibt es als Entschädigung „Credits“, mit denen man anderes Zeug kaufen kann. Da es keine Level-Beschränkung gibt, können alle Gegenstände im Prinzip eigenhändig erlangt werden. Die vorhandenen, optionalen Mikrotransaktionen fungieren lediglich als „Zeitverkürzung“ - wohlgemerkt mit dem gleichen Zufallsfaktor.

Derzeit gibt es pro Held ungefähr zehn Skins. Manche sind bloß das Standard-Modell in einer anderen Farbgebung, andere Skins verändern das Aussehen deutlich. Stellenweise muss in den Matches dann genauer hinschauen, wen man gerade bekämpft. An Reaper und Soldier: 76 ohne Maske oder Gothic-Zarya muss man sich erst gewöhnen. Die grundlegende und charakteristische Silhouette jedes Helden bleibt erhalten.

Junkrat, ick hör dir tapsen

Overwatch zeichnet sich auch durch sein bemerkenswertes Audiodesign aus: Abgesehen davon, dass gegnerische Helden ihre ultimative Fähigkeit lautstark ankündigen, kann man oftmals hören, was hinter der nächsten Ecke lauert. Wenn im Gang nebenan z.B. Junkrat läuft, kann man sein charakteristisches Holzbein bereits hören, bevor man ihn sieht. Und wenn man so etwas wie "Ryuu ga waga teki wo kurau" oder das Knattern eines selbstfahrenden Sprengstoffreifens oder das Pfeifen eines Roboters hört, dann macht man sich besser aus dem Staub - oder entfernt sich von seinen Teamkameraden, damit nicht mehrere Charaktere auf einmal ausgeschaltet werden. Weil alle Helden einzigartige Soundeffekte mit sich bringen, ist es hilfreich, bei der Umgebungswahrnehmung den Sound nicht auszublenden - zumal die Richtung, aus der das Geräusch kommt, ebenfalls erfasst werden kann. Das dürfte der Grund sein, warum es in den Gefechten übrigens keine musikalische Untermalung (außer am Anfang und am Ende) gibt.

Die alternativen Skins machen es manchmal nicht leicht, den gegnerischen Helden zu identifizieren. Hier treibt McCree sein Unwesen.

Ping! Ich wurde durch die Wand erschossen!

In den bisherigen Gefechten machte die technische Grundlage - vor allem der Netzcode - einen gelungenen Eindruck. Natürlich kam es vor, dass ich Mal durch eine Wand erschlossen wurde, kurz nachdem ich um eine Ecke lief. Solche Situationen sind zwar nervig, aber ein Kompromiss aus Client-Server-Latenz, Lag-Kompensierung und Priorität bei der Durchführung bestimmter Aktionen. So bevorteilt Blizzard im Prinzip den Schützen, obgleich der „Getroffene“ bei sich (auf seinem Client) womöglich schon hinter der Ecke war, beim Schützen durch die Latenz aber noch in der Sichtlinie stand. Fähigkeiten, die das Überleben des Charakters sicherstellen sollen (z.B. Meis Eisblock), werden übrigens vor dem „Schützenvorteil“ ausgeführt. So kann Mei einen Kopfschuss (kritischer Treffer) abbekommen (Client des Schützen) und sich unbeschadet in den Eisblock hüllen (Client von Mei), weil die Überlebensfähigkeit bei der Berechnung der Aktionen Vorrang vor dem Schuss hat. Ab einer Ping von 250ms wird der Schütze übrigens nicht mehr bevorteilt. Die Tickrate (https://de.wikipedia.org/wiki/Tickrate) liegt bei 20,8 Hz (Client) und 62,5 Hz (Server). In benutzerdefinierten Spielen und etwaigen Turnieren kann die Client-Tickrate auf 60 Hz erhöht werden. Einen ausführlichen Blick hinter die Kulissen des Netzcodes und den weiteren Überlegungen dazu findet ihr hier.

Sprengstofffreak Junkrat hinterlasst nach dem Ableben noch eine Reihe scharfe Granaten.

Ein Dutzend Karten

Während Helden-Design, Spieltempo, Ausbalancierung und Shooter-Mechanik weitgehend überzeugen können und stellenweise herausragend sind, offenbart Overwatch beim Karten-Design sowie hinsichtlich des Umfangs einige Schwächen. Der Team-Shooter bietet insgesamt zwölf Karten in drei Spielmodi - okay vier Modi, wenn man alle Augen zudrückt (Angriff, Kontrolle, Frachtbeförderung, Mischung aus Angriff und Frachtbeförderung). Während die grafische Gestaltung der Schauplätze ansprechend vielfältig ist und fast überall kleine Anekdoten sowie popkulturelle Anspielungen versteckt sind, bleiben viele Schauplätze erstaunlich statisch und stellenweise langweilig; nur gelegentlich darf man zwar Objekte zerschießen oder in der Gegend herumschubsen. Nicht einmal Fensterscheiben lassen sich zerschießen. Abgesehen von Volskaya Industries fehlt es den meisten Karten an beweglichen Plattformen oder sonstigen cleveren Einfällen, die etwas mehr Dynamik bringen könnten. So gibt es keine Schalter für "Weichen", mit denen man z.B. die Route der Fracht verändern könnte.

Besser gelungen ist das Layout der Karten, da sie keinesfalls symmetrisch gestaltet sind. Sie bieten fast überall mehrere Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten, alternative Lauf- oder Sprungwege, um sich kurz aus der Sichtlinie zu stehlen, wenn doch ein Scharfschütze irgendwo lauert. Ihren Schlauchcharakter können viele Vertreter, gerade bei der Frachtbeförderung nicht verbergen - zumal ich mir auf manchen Karten etwas kürzere Laufwege nach dem Respawn wünschen würde. Auf mehr als zwei unterschiedlichen Ebenen (Boden und erhöhte Position) finden die Gefechte oft nicht statt - Pharah mit ihrem Jetpack nicht mitgezählt. Aber so bleiben die Kämpfe zumindest in der Vertikalen übersichtlich und überschaubar. Pick-ups, Power-ups oder einsammelbare Objekte à la Quad-Damage oder Berserker-Buff gibt es bis auf Health-Pakete nicht.

Schwächelnder Umfang

Reinhardt und Zarya treiben das Team voran. Mercy heilt und kann ggf. ausgeschaltete Mitglieder wiederbeleben.
Das größere Manko ist der Umfang bei den Spielmodi. So gibt es drei Karten für Punkteroberung, drei Karten für Kontrolle und sechs Karten für Frachtbeförderung bzw. Angriff/ Frachtbeförderung. Jeweils eine weitere Karte pro Modus hätte nicht geschadet, wobei ein weiterer Spielmodus wie Capture the Flag oder Domination sicherlich besser gewesen wäre. Und wenn man die Trainingsmodi sowie die Matches gegen KI-Gegner abzieht, bleiben die Standard-Matches via Matchmaking, die benutzerdefinierten Matches mit ausführlichen Einstellungsmöglichkeiten sowie das Brawl der Woche (Standard-Partien mit modifizierten Regeln) übrig. Einzelspieler-Szenarien, eine storygetriebene Kampagne oder kooperative Missionen gibt es nicht. Hier beschränkt sich Blizzard klipp und klar auf eine Sache und setzt diesen Fokus konsequent um.

Die Spielmodi im Überblick: Im Modus "Angriff" müssen nacheinander zwei Punkte auf der Karte erobert bzw. verteidigt werden. Bei "Kontrolle" muss ein Team solange einen Punkt halten, bis die Fortschrittsanzeige gefüllt ist. Bei "Frachtbeförderung" muss ein Team ein Fahrzeug auf einer festgelegten Route (mit Zwischenstopps) eskortieren. Die Gegner müssen versuchen die Fracht entsprechend zu stoppen. Zudem gibt es noch eine Mischung aus "Angriff" und "Frachtbeförderung". Hierbei muss zunächst ein Punkt erobert werden und wenn das geglückt ist, muss das Fahrzeug zum Endpunkt begleitet werden.

Alles dreht sich um die Matches mithilfe der Schnellsuche. Die noch in der geschlossenen Beta vorhandenen Ranglistenkämpfe mit ca. dreimonatigen Saisons sind bisher nicht enthalten und sollen per Patch nachgeliefert werden. Schlecht ist diese Entscheidung nicht, denn im Betatest waren Matchmaking und Präsentation dieser Ranglistenmatches eher mittelmäßig - so wurden z.B. die Gruppen nicht wieder aufgefüllt, sobald jemand das Team verlassen hatte etc. Was ebenfalls fehlt, ist eine Form der Unterstützung von bestehenden Gruppen (Clans), um z.B. einfacher Clan-Wars zu organisieren. Eigentlich seltsam für einen Titel, der so sehr auf kompetitive Matches ausgelegt ist. Dafür gibt es bereits eine Zuschauer-Funktion (Spectator).

Obgleich der Umfang im Vergleich zu anderen Titel wie Battleborn oder Black Ops 3 deutlich eingeschränkter daherkommt, bleibt festzuhalten, dass Overwatch bei der Quantität schwächelt, bei der Qualität der gebotenen Inhalte sieht es jedoch völlig anders aus. Allerdings stößt mir diese fehlende Vielfalt bei den Modi und den Karten nicht so sehr auf, denn bereits die "normalen Gefechte" sind aufgrund der mannigfaltigen Helden meist so abwechslungsreich, dass keine Partie der anderen gleicht. Die Abwechslung kommt vielmehr durch das hochwertige Spielgeschehen- und das Tempo weniger durch die Umgebungen und Modi.

Man sollte sich keineswegs scheuen, seinen Helden auszutauschen, sofern die Situation es erfordert, aber manchmal ist es keine gute Idee, wenn z.B. die ultimative Fähigkeit gerade voll aufgeladen ist.
Die Entwickler haben zwar versprochen, neue Modi, Helden und Karten kostenlos nachzuliefern, aber dies ist Zukunftsmusik.

Konsolen

Auch die Konsolen-Umsetzungen können sich sehen lassen. Auf PlayStation 4 und Xbox One läuft das Spiel in 1080p mit 60 Bildern pro Sekunde, jedoch läuft das Geschehen auf den Konsolen ein wenig langsamer im Vergleich zur PC-Fassung ab - höchstwahrscheinlich wegen des Zielens. Aufgrund dieser Tatsache wurde die Balance der Helden auf den Konsolen leicht angepasst, heißt es von Blizzard. Ansonsten konnten wir keine auffälligen Unterschiede zwischen den PC- und PS4-Umsetzungen beobachten. Die GamePad-Steuerung geht gut von der Hand und darüber hinaus gibt es viele Einstellungs- und freie Konfigurationsmöglichkeiten für die meisten Tasten.

Fazit

Rasante Gefechte? Ja! Vielfältige Helden? Oh ja! Ausgerichtet auf Teamplay? Viel davon! MOBA? Nein! Und der Umfang? Geht so. Im Gegensatz zu Shootern wie Battleborn oder Black Ops 3 konzentriert sich Overwatch komplett auf den Mehrspieler-Modus und fackelt online ein spektakuläres Shooterfeuerwerk ab. Egal ob Dynamik, Balance, Charakterdesign oder individuelle Spielweisen: Blizzard inszeniert Action mit großartigem Teamplay-Anspruch in toller Cartoonwelt mit umwerfernder Soundkulisse. Mit den richtigen Leuten (am besten Freunde) ergeben sich ebenso tempo- wie abwechslungsreiche Gefechte, in denen man sehr viel Spaß, aber auch sehr viel Frust (Niederlage) haben kann. Ich habe selten einen Shooter erlebt, in dem man das Match innerhalb der letzten Sekunden noch komplett drehen kann - mit Glück, mit Taktik oder mit Pharah. Aber Overwatch kämpft mit zwei Schwachpunkten: Die meisten Karten sind zu statisch, es fehlen mehr Überraschungen sowie interaktive Objekte. Das größte Manko ist der magere Umfang. Das Vorhandene ist zwar auf Hochglanz poliert, aber mehr als zwölf Karten in dreieinhalb Spielmodi - neben Training und KI-Matches - gibt es nicht. Die Entwickler haben zwar versprochen, neue Modi, Helden und Karten kostenlos nachzuliefern, aber diese Zukunftsmusik kann in die Bewertung nicht einfließen. Die 21 Helden und ihre individuellen Spielweisen und Kombinationen sorgen jedenfalls dafür, dass es trotz Spielmodi-Mangel nicht langweilig wird. Unterm Strich ist Overwatch also ein sehr guter, angenehm temporeicher und kompromissloser Online-Shooter für Teamplayer.

Pro

herausragendes Heldendesign
individuelle Spielweisen je nach Charakter
temporeiche Gefechte (aber nicht so schnell wie Doom)
Fokus auf Teamplay, Kommunikation und Zusammenarbeit
vorbildliche Balance
dynamischer Heldenwechsel
kompromisslose Kontermechanik
ausgezeichnetes Sounddesign
Karten bieten mehrere Lauf- und Angriffsmöglichkeiten
hilfreiche Killcam
motivierendes Freischalten von kosmetischen Sachen
butterweicher Spielfluss
benutzerdefinierte Matches mit vielen Optionen
Training und Partien gegen Bots

Kontra

es fehlt an unterschiedlichen Modi
zumeist statische Karten
vereinzelte Disconnects
vorhandene Comics, Geschichten etc. wurden nicht eingebaut
etwaige Matchmaking-Schwächen

Wertung

PC

Qualität statt Quantität: Hervorragend gestalteter Online-Shooter mit vielfältiger Heldenriege, der mehr Inhalte bieten könnte.

XboxOne

Qualität statt Quantität: Hervorragend gestalteter Online-Shooter mit vielfältiger Heldenriege, der mehr Inhalte bieten könnte.

PlayStation4

Qualität statt Quantität: Hervorragend gestalteter Online-Shooter mit vielfältiger Heldenriege, der mehr Inhalte bieten könnte.

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